Merregnon 217.05.2003, Paul Kautz
Merregnon 2

Special:

Eine CD, die eine Geschichte erzählt: nicht mit gelesenen Worten wie ein Hörbuch, sondern allein durch Musik. Mit Klängen, die Bilder im Kopf des Hörers entstehen lassen, während er durch eine sagenumwobene Fantasy-Welt getragen wird - das ist Merregnon. Die zweite CD erscheint weltweit im August, bis dahin erfahrt Ihr alles über das Projekt in unserem mehrteiligen Special, das mit dem heutigen dritten Teil fortgesetzt wird.

Die im Jahre 2000 erschienene orchestrale CD Merregnon hat etwas Einzigartiges geschafft: viele verschiedene Musiker aus der Spiele- und Demoszene unter eine Haube zu bekommen, und sie alle musikalisch eine Geschichte erzählen zu lassen, die man parallel auch im reichhaltig illustrierten Booklet nachlesen konnte. Namen wie Chris Hülsbeck, Fabian Del Priore, Allister Brimble und Yuzo Koshiro sind an diesem Projekt beteiligt, was Merregnon nicht nur für Computerspieler zu einem Leckerbissen macht.

Im August dieses Jahres erscheint nun der zweite Teil des als Trilogie geplanten Soundtracks, der das Konzept des Vorgängers um einige wichtige Neuerungen erweitert: alles wird größer, schöner und besser. So werden die Stücke jetzt beispielsweise nicht mehr per Synthesizer und Keyboard, sondern von einem echten Orchester eingespielt und von echten Chören begleitet. __NEWCOL__Dabei handelt es sich um das Prager Symphonieorchester, dessen Künstler schon Spielen wie <4PCODE cmd=DGFLink;name=Splinter Cell;id=2738> oder <4PCODE cmd=DGFLink;name=Primal;id=1583> zu einer gigantischen Klangkulisse verholfen haben. Außerdem sind die Kompositionen ausgefeilter, das Design des Booklets und der Website stilvoller.

In den folgenden Wochen erfahrt Ihr bei 4Players alles über das faszinierende Musikprojekt - Interviews mit allen Komponisten, Hintergrundberichte von den Studioaufnahmen und vieles mehr. Letzte Woche stand uns Main Composer Fabian Del Priore Rede und Antwort, heute ist Music Director Andy Brick an der Reihe. Der erfahrene Filmmusiker und Orchestrator war bei Merregnon 2 neben drei Kompositionen auch für die korrekte Orchestrierung und die Leitung des Orchesters verantwortlich. Bilder dieser Aufnahmen findet Ihr auf seiner Homepage . Doch nun zum Interview.

4Players: Erzähle uns bitte etwas über Dich: Wie lange machst Du schon Musik? Wie bist Du in die Spielemusik-Szene geraten, und welche Projekte liegen bereits hinter Dir?

Andy Brick: Ich habe mit ca. fünf Jahren angefangen Musik zu machen. Als Kind verbrachte ich viele Wintertage damit, kleine Stücke auf meinem Kinderpiano zu schreiben. Ich studierte schließlich Komposition an der University of Michigan und dem Mannes College of Music, New York. Die Spieleindustrie lernte mich als Filmmusiker kennen: vor ca. sieben Jahren hatte ich gerade einen Independentfilm beendet, dessen Musik verschiedenste Preise gewann.

Ein Kollege hörte diese Musik, und fragte mich, ob ich Interesse daran hätte, ein Spiel namens »The Far Reaches« zu vertonen. Ich wusste gar nichts über Computerspiele, aber mir gefiel die Herausforderung. Dieser Soundtrack gefiel Rick Dyer, dem Entwickler von »Dragon´s Lair« und »The Far Reaches« so sehr, dass ich als Lead Composer für sein nächstes Spiel »Shadoan« engagiert wurde. Seit dem habe ich eine ganze Reihe von Film- und Spieletiteln vertont, beispielsweise »Disney´s Arielle die kleine Meerjungfrau 2« oder »Susi und Strolch 2«. Gerade habe ich meine Arbeit an Disney´s Neuauflage des klassischen Musicals »The Music Man« beendet.

__NEWCOL__4P: Was ist Deine Aufgabe im Merregnon-Team?

AB: Genau genommen bin ich für vier Sachen zuständig:

Meine wichtigste Aufgabe ist die des »Music Director«. Für die meisten unserer begabten Komponisten war ein 74 Mann starkes Orchester komplettes Neuland. Also war es meine Aufgabe sicherzustellen, dass jeder Musiker eine Partitur ablieferte, die das Orchester richtig umsetzen konnte.

Als »Supervising Orchestrator« sorgte ich dafür, dass das Orchester die musikalischen Absichten der Komponisten richtig umsetzte. Das bedeutete sehr oft, dass ich Instrumentationen ergänzen und die Art und Weise der musikalischen Handhabe korrigieren musste. Außerdem arbeitete ich mit dem Junior Orchestrator zusammen, und stellte sicher, dass all die kleinen Details der Musik korrekt ausgeführt wurden.

Als Dirigent war es meine Aufgabe, die Noten des Komponisten korrekt zu deuten, und diese Deutung so auf das Orchester zu übertragen, dass alles so klingt, wie es sich der Künstler gedacht hatte. Im Falle Merregnon 2 war das ein sehr intensives Erlebnis, da ich 80 Minuten Musik in lediglich fünf Sitzungen dirigieren und aufnehmen musste! Glücklicherweise hatte ich ein sehr professionelles Team in der Hinterhand.

Und schlussendlich hatte ich auch die Ehre, drei Kompositionen zu Merregnon 2 beisteuern zu können.

4P: Merregnon 1 basierte auf synthetischen Instrumenten aus dem Computer. Das hat sich mit dem zweiten Teil dank echtem Orchester samt Chor grundlegend geändert - wie hat sich das auf Deine Arbeit ausgewirkt?

AB: Für mich als Komponist haben sich keine großartigen Änderungen ergeben, da ich ja schon Erfahrung mit Orchesterarbeit hatte. Als Music Director hingegen war die Sache sehr aufschlussreich, da Synthesizer eine Menge machen können, was mit echten Instrumenten einfach nicht geht. Also musste ich den Komponisten beibringen, wie man solche Fehler umgeht, sie aber Ihre Klangvisionen dennoch auf das Orchester übertragen können - in diesem Zusammenhang half ich Ihnen auch mit einigen instrumentarischen Tricks, die sie noch nicht kannten.

4P: Wie gehst Du an Deine Kompositionen heran? Welches Equipment und welche Tools benutzt Du, um Deine Werke zu schreiben?

AB: Das war eine sehr interessante Sache: Während unsere Komponisten ihre Werke schrieben, war es meine Aufgabe, diese zu korrigieren, und die Orchester-Tauglichkeit aufrecht zu erhalten. Diese Aufgabe ließ mir natürlich sehr wenig Zeit für meine eigenen Kompositionen. Also musste mir Thomas (Böcker; Projektleiter ) einfach vertrauen, und ich schrieb in alter Filmmusiker-Tradition mit fünf Notenzeilen und nur für das Piano. Dieser Ansatz verlangte eine ganze Menge Glauben und Phantasie seitens Thomas, da er mir nicht nur glauben musste, dass diese Orchestrierungen für die CD funktionieren würden. Er musste auch quasi über das Piano hinaus hören, wie das fertige Stück klingen würde - keine leichte Sache.__NEWCOL__4P: Wie empfindest Du Deine Position als Musiker in der Spielebranche? Wie ist die Akzeptanz und Zusammenarbeit mit anderen Musikern?

AB: Ich habe bislang keine schlechten Erfahrungen mit Musikern gehabt, mit denen ich zusammenarbeitete. Etwas anders sieht das beispielsweise mit Entwicklern aus, die aufgrund meiner Laufbahn und Film-Erfahrung merkwürdige Preisvorstellungen haben - im negativen Sinne. So erzählte mir beispielsweise einmal ein europäischer Entwickler, dass sie meine Demos sehr mochten, aber sich mich nicht leisten könnten - ironischerweise ohne mich gefragt zu haben, was meine Arbeit denn kosten sollte. Ich denke allerdings, dass sich die Lage langsam ändert, da viele Leute mittlerweile sehen, dass es viele Wege gibt, qualitativ hochwertige Live-Musik zu einem vernünftigen Preis zu bekommen.

4P: Wo siehst Du die Zukunft der Spielemusik? Wird es schwieriger werden mithalten zu können?

AB: Ich denke, man muss das differenzieren: wenn es um rockigere Musik geht, sehe ich die Zukunft in Lizensierung bekannter Musik, wie es jetzt schon häufig gemacht wird. Orchestrale Musik hingegen wird sehr spannend: ich glaube fest daran, dass Spielesoundtracks Filmmusik eines Tages qualitativ nicht nur einholen, sondern dank der interaktiven Natur der Spiele, die die Musik variabel dem Spielgeschehen anpasst, auch überholen wird.

4P: Denkst Du, dass es notwendig oder zumindest von Vorteil ist, über Musiktheorie (wie beispielsweise Notenlesen) Bescheid zu wissen, oder ist Talent das Wichtigste?

AB: Knifflige Frage. Musiktheorie stellt Regeln über alles. Wenn sich jemand zu stark an Regeln hält, wird die Musik irgendwann uninteressant. Wenn die Regeln hingegen als eine Art Basis dienen, auf die der Komponist aufbauen und dann seiner Phantasie freien Lauf geben kann, dann ist Musiktheorie ein wundervolles Hilfsmittel im Kreativprozess. Ich denke also, dass eine gesunde Mischung aus beidem der beste Weg ist.

4P: Spielemusik gewinnt weltweit, und besonders in Japan, immer mehr an Akzeptanz. Hat das einen Einfluss auf Deine Arbeit - wird es schwerer, konkurrenzfähig zu bleiben?

AB: Ich bin schon immer selbst mein größter Konkurrent gewesen. Ich bin immer bestrebt besser und kreativer zu werden - ich mache mir also keine übertriebenen Gedanken über Konkurrenzkampf und dergleichen.

4P: Wo siehst Du Dich selbst in fünf Jahren? Was sind Deine Ziele und Absichten?

AB: Ich möchte viel mehr Zeit mit Spielemusik verbringen. Ich denke, dass die Art Musik gerade erst beginnt, sich als eigene Kunstform zu entwickeln.

__NEWCOL__4P: Wie hat sich Spielemusik in den letzten Jahren verändert, verglichen mit dem Anfang Deiner Karriere?

AB: Viel, sehr viel, vor allem in Sachen Technologie. Die Zeiten elektronischer Piepserei sind glücklicherweise endgültig vorbei. Sample-Bibliotheken erlauben Komponisten, Ihre wildesten Träume bei hoher Klangqualität auszuleben. Digitale Multitrack-Technologie erlaubt es uns, großartige Soundtracks zu einem Bruchteil der Kosten aufzunehmen, die sie noch vor einigen Jahren veranschlagt hätten. Ich denke, es wäre unfair zu sagen, dass heute Spielemusiker besser wären als Ihre Kollegen vor einigen Jahren. Die heutige Musikergeneration haben nur mehr und bessere Tools zur Verfügung, um ihre Ideen umzusetzen.

4P: Kannst Du uns etwas über Deine gegenwärtigen Projekte erzählen?

AB: Wie eingangs erwähnt, habe ich gerade die Orchestrierung für »The Music Man« abgeschlossen. Außerdem habe ich den Soundtrack für den Film »Bottom Line« geschafft, den wir noch im Mai mit einem 70 Mann starken Orchester einspielen werden. In Sachen Spiele war ich für die Titelmusik des Spiels »Battlemagi« der Creative Brain Studios zuständig, außerdem freue ich mich sehr darauf, in wenigen Wochen zusammen mit Thomas Merregnon 2 und Dach und Fach zu bekommen.

Nächste Woche, im vierten Teil unseres Merregnon 2-Specials, ist Spielemusiklegende Chris Hülsbeck unser Interviewpartner. Der erfahrene Komponist erzählt uns über seinen Aufstieg in der C64-Szene und wie es ist, in einer musikalischen Familie aufzuwachsen.

 
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