Merregnon 213.09.2003, Paul Kautz
Merregnon 2

Special:

Mafia, Shenmue, Splinter Cell - alles Spiele, die nicht nur durch überragende Spielbarkeit, sondern auch durch exzellente Musik von sich reden machten. Zum Auftakt der diesjährigen Games Convention gab es eine besondere Überraschung für Spiele- und Musikfans: ein klassisches Konzert mit Spielemelodien! Erfahrt mehr darüber in unserem Special.

Der 20. August 2003 war ein ganz besonderer Tag für die Spielemusik in Deutschland. Im Rahmen der Games Convention wurden erstmals bekannte Werke aus Computerspielen von einem Orchester aufgeführt - unter den wachsamen Ohren von 1.900 Besuchern im ausverkauften Leipziger Gewandhaus. Während Konzerte dieser Art in Japan mittlerweile an der Tagesordnung und regelmäßig mit 5.000 und mehr Besuchern rappelvoll sind, hinkt der Rest der Welt, speziell Deutschland, in dieser Hinsicht hinterher. Ein erster Schritt zur Besserung dieser Situation ist getan - hoffen wir, dass es nicht der letzte bleibt.

Sowohl Liebhaber klassischer Musik als auch musikverliebte Computerspielefans fanden sich zusammen, um verschiedensten Kompositionen inklusive einiger Weltpremieren zu lauschen. Unter der erfahrenen Hand von Dirigent und Komponist Andy Brick lief das Tschechische National Symphonie Orchester zu Hochform auf: zwei Stunden erklang feinste Musik aus Spielen wie Outcast, Shenmue, Splinter Cell, Primal, Legend of Zelda: The Wind Waker oder Final Fantasy. Erstmals gab es auch ein Medley aus Merregnon 2 zu hören, Musik-Altmeister Chris Hülsbeck schrieb gar die Titelmelodie des zwölf Jahre alten Amiga-Shooterklassikers »Apidya« auf das 80-Mann-Orchester um.

Dieses einzigartige Festival ließen sich die Leute nicht entgehen. So kamen beispielsweise die meisten Komponisten aus aller Welt eingetrudelt, um Ihre Werke in neuer Form zu hören: Allister Brimble, Olof Gustafsson und sogar Nobuo Uematsu aus dem fernen Japan fanden sich zusammen - Letzterer sogar in traditioneller japanischer Kleidung. Darüber hinaus fanden auch Personen wie Andy Mooney (Chairman Disney Consumer Products), Stanislaw Tillich (Staatsminister und Chef der Sächsischen Staatskanzlei) und Werner M. Dorscheidt (Vorsitzender der Geschäftsführung Leipziger Messe GmbH) Zeit, nicht nur an dem Konzert teilzuhaben, sondern auch die eine oder andere Ansprache zu halten. Und natürlich war auch 4Players vor Ort, um sich verzaubern zu lassen. Wir nutzten die Gelegenheit, ein Interview mit dem Organisator des Konzertes zu führen: Thomas Böcker (25), den aufmerksame Leser unserer Specials als Produzenten von Merregnon 2 kennen sollten.

  

4Players: Erzähle uns doch bitte ein wenig über die Entstehungsgeschichte des Konzerts. Wie hat sich das Ganze entwickelt?

Thomas Böcker: Ich bin an die Leipziger Messe GmbH mit der Idee und dem Konzept herangetreten, ein solches Konzert stattfinden zu lassen. Die Idee kam daher, dass ich schon immer musikbegeistert gewesen bin - speziell im Bereich Spielemusik. Ich fand einfach, dass es Zeit war, ein solches Ereignis, nämlich ein Spielemusikkonzert, nach Deutschland zu holen. In Japan gibt es solche Veranstaltungen schon seit Jahren, die Reihe der »Game Music Concerts« ist recht bekannt. Zudem fand letztes Jahr ein Konzert in Tokio statt, das Musik aus Final Fantasy spielte. Eine gigantische Veranstaltung, ausverkauftes Haus mit rund 5.000 Plätzen.

All das zeigt, dass es ein Interesse an Festivals dieser Art gibt. Die Frage war natürlich, ob auch das deutsche bzw. das Publikum außerhalb Japans ebenso begeistert sein würde. Das Konzert in Deutschland war also eine Pionierleistung erster Güte.

4P: Wie schwierig war es, ein solches Konzept hier in Deutschland an den Mann zu bringen?

TB: Die Games Convention hat sich nicht ohne Grund so rasant und eindrucksvoll entwickelt, ich bin bei der Messeleitung auf offene Ohren gestoßen. Natürlich bedurfte es eines überzeugendes Konzeptes - aber dank der Tatsache, dass ein generelles Interesse vorhanden war, und die Messeleitung neuen Konzepten und Ideen glücklicherweise nicht abgeneigt ist, wurde das Konzert nach einigen Verhandlungen und Diskussionen schließlich abgesegnet - letzten Endes birgt so eine Veranstaltung gewisse Risiken, nicht nur finanziell.

4P: Gab es organisatorische oder allgemeine Schwierigkeiten?

TB: Weniger Schwierigkeiten, eher Herausforderungen. Eben weil ein solches Konzert nie zuvor stattgefunden hat, gab es keine entsprechenden Verantwortlichen bei einigen Entwicklern und Publishern, das heißt sie mussten in sehr kurzer Zeit etwas derartiges erst etablieren. Schwierig war natürlich inbesondere für den Dirigenten, sich mit Partituren aus aller Herren Länder auseinanderzusetzen, die nicht nur kompositorisch sehr verschiedenen, sondern auch stilistisch höchst variantenreich ausgefallen sind.

4P: Aber all die Mühe hat sich im Endeffekt gelohnt - das Konzert war restlos ausverkauft. Hattest du mit einem solchen Erfolg gerechnet?

TB: Ich hatte darauf gehofft - aber wissen oder vorhersehen konnte man es natürlich nicht. Ich hatte schon deswegen darauf gehofft, da man bei entsprechendem Erfolg natürlich darüber nachdenken könnte, solche Konzert nicht als einmalige Veranstaltung in Deutschland zu haben, sondern von nun an öfter Spielemusik von Orchestern live interpretieren zu lassen. Ab sofort ist dank der Resonanz ein solches Vorhaben nur eine Frage des Wann, Wie und Wo.

4P: Ist ein zweites Konzert geplant, womöglich zur nächstjährigen Games Convention?

TB: Nach dem großen Erfolg des ersten Konzerts gibt es natürlich Überlegungen, eine solche Veranstaltung zu wiederholen. Fakt ist, dass in Deutschland bzw. Europa generell endlich der Punkt erreicht ist, wo Spielemusik weiter in das Bewusstsein der Menschen gebracht werden kann. Das erste Spielemusikkonzert außerhalb Japans hat einen sehr wichtigen Schritt in die richtige Richtung dargestellt - und mit Sicherheit Geschichte geschrieben, wenn ich das so sagen darf.

  

4P: Ein Großteil der Komponisten war auch beim Konzert zugegen. War es einfach, sie zum Kommen zu überreden? Immerhin handelt es sich um Künstler aus England, Schweden - und Japan!

TB: Nein, es war eher überraschend einfach - denn was gibt es für einen Künstler Schöneres, als die eigene Musik von einem großen Orchester im berühmten Gewandhaus gespielt zu bekommen...

4P: Wie fandest du das Konzert im Allgemeinen? Welche Stücke haben dir am besten gefallen?

TB: Ich fand das Konzert großartig, das Tschechische National Symphonie Orchester unter der Leitung von Andy Brick hat eine hervorragende Leistung gebracht. Zehn Minuten stürmischer Applaus nach dem Konzert sprechen auch für sich. Es tut schon sehr gut zu spüren, dass es dem Publikum gefallen hat - und den Komponisten sowieso. Lieblingstitel kann und will ich nicht benennen; ich finde jede Komposition hatte das gewisse Etwas. Andernfalls hätte ich sie ja auch nicht ausgewählt.

4P: Wie nervös warst du vor dem Konzert?

TB: Direkt vor dem Konzert hatte ich wenig Zeit, nervös zu sein - da noch einige organisatorische Dinge zu regeln, Interviews zu geben etc. waren. Ein paar Tage vorher, das gebe ich gerne zu, begann sich aber eine gewisse Nervosität herauszubilden. Nicht, weil ich vor irgendetwas Angst hatte, sondern einfach deswegen, weil mir die Trageweite dieses Abends erst richtig bewusst wurde - vorher hatte ich innerhalb all des Organisationsstresses gar keine Zeit dazu gehabt. Aber im Endeffekt hat sich all die Mühe gelohnt. Es war ein großartiges Ereignis, und ich kann es kaum erwarten, so etwas wieder zu erleben.

4P: Was würdest du beim nächsten Mal anders oder besser machen?

TB: Ich denke, wir konnten viel lernen, was die Organisation und das eigentliche Konzert angeht. Im Besonderen ist jetzt klar, wie einzelne Aufgaben vereinfacht und damit schneller ausgeführt werden können - etwas, das wir vorher nicht wissen konnten. Das heißt wir können uns auf zusätzliche Dinge konzentrieren, die ein etwaiges nächstes Konzert noch interessanter machen würden.

4P: Vielleicht eine kleine Anekdote zum Schluss?

TB: Wie wäre es mit zweien? Nummer 1: Kurz bevor Andy Brick New York verlassen sollte, um die Proben zu leiten, gab es den großen Stromausfall in den USA. Zwar hatte er die Partituren schon einstudiert, allerdings war sein Dirigentenbuch mit den gebundenen Scores noch im Druck. Erst in allerletzter Sekunde konnte er das Ganze in Empfang nehmen. Zusätzlich war lange Zeit nicht klar, ob er überhaupt aus New York herauskommen würde, da der Flughafen gesperrt war. Mit fünf Stunden Verspätung traf er dann aber glücklicherweise in Prag ein.

Nummer 2: Ich habe Uematsu-san und Matsushita-san am Flughafen zusammen mit Murohashi-san und Abbass Hussain (Begleiter und Übersetzer von Nobuo Uematsu; Anmerkung der Redaktion) abgeholt. Besonders Uematsu-san zeigte sich allein von dem Konzert stark beeindruckt, umso erstaunlicher fand er, dass ein 25-jähriger das Ganze organisiert. Am Anfang war er etwas skeptisch, doch am Ende hat er mir doch geglaubt, nachdem er sich mit mir über Musik unterhalten hat. 

 
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