Thief: The Dark Project21.02.2014, Eike Cramer
Thief: The Dark Project

Special:

1998, was war das für ein großartiges Spielejahr. StarCraft, Commandos, Grim Fandango, Ocarina of Time, Baldur’s Gate, Metal Gear Solid, Half-Life:  Vor 16 Jahren wurde Videospiel-Geschichte geschrieben. Aber halt, haben wir da nicht etwas vergessen? Richtig! Im selben Jahr erschien auch Thief: The Dark Project, seines Zeichens Begründer der modernen Stealth-Action.

Der Schatten bin ich!

Thief: The Dark Project ist der Begründer der modernen Stealth-Action. Vor allem im Hammeriten-Gefängnis sollte man vorsichtig sein.
Jetzt muss ich wirklich vorsichtig sein. Ganz langsam luge ich um die Ecke. Der Gang in Ramirez‘ Anwesen liegt wie ausgestorben vor mir.  Doch irgendwo muss diese Wache sein, ich kann ihre Schritte auf dem Steinboden deutlich vernehmen. Also weiter! Vorsichtig und leise husche ich von Schatten zu Schatten. Da! Hinter der nächsten Ecke entdecke ich den Soldaten. Ich packe Blackjack, meinen treuen Knüppel, etwas fester und schicke den Nichtsahnenden ins Land der Träume. Ein echter Dieb tötet nicht, das wäre viel zu auffällig. Den Bewusstlosen deponiere ich an einem ruhigen, dunklen Plätzchen, bevor ich weiter in die Katakomben vordringe. Diesen missglückten Mordanschlag von vorhin werde ich dem Typen nicht so ohne weiteres durchgehen lassen.

Eigentlich wollte ich für diesen Bericht das erste Thief nur kurz anspielen, gehörte The Dark Project 1998 doch zu meinen absoluten Highlights und viele der Level-Grundrisse haben sich in mein damals junges Hirn gebrannt. Doch sofort bin ich wieder von dieser Atmosphäre gefangen, die den Konflikt zwischen Heiden und Hammeriten umgibt. Unwillkürlich tauche ich mit Garrett in die Schatten der namenlosen Stadt, umgehe Wachen, lösche Fackeln und stehle was nicht niet-und nagelfest ist. Obwohl die Kulisse schon damals nicht mit Unreal mithalten konnte und auch nur durchschnittlich gealtert ist, packt mich das mittelalterliche Abenteuer durch seine anspruchsvolle Schleichmechanik wie am ersten Tag. Die beklemmende Stimmung in der finsteren, zwischen Moderne und Magie  zerrissenen Stadt, übt auch 2014 eine beispiellose Faszination aus.

Revolutionäre Spielmechanik

Die Schatten bedeuten Sicherheit. Wer nicht leise und ungesehen vorgeht, stirbt.
Vieles von dem, was heute Standard ist, wurde von Looking Glass erfunden. Vor Thief waren Spiele aus der Ego-Sicht meist schnelle Shooter wie Doom, Quake, Hexen oder Unreal. 1998 veränderte sich diese Art des Spielens grundsätzlich: Half-Life schuf durch Skriptsequenzen und seine nahtlose Inszenierung unabhängig von einzelnen Leveln den modernen Shooter. Fast alle heutigen Titel fußen auf diesem Durchbruch. Thief bildete in diesem Zusammenhang den Kontrapunkt und hatte dabei ähnlich großen Einfluss. Statt schneller Schießereien stand hier das langsame und gewaltlose Vorgehen im Vordergrund. Offene Konfrontation führte nicht nur fast immer zum Tod, auf höheren Schwierigkeitsgraden war es sogar verboten Wachen oder Zivilisten zu töten.

Dazu besaß Garrett ein unerhörtes Bewegungsrepertoire. So konnte sich der gewandte Dieb nicht nur an Kanten hochziehen oder um Ecken und Kanten (ja, nach vorne!) lugen, es standen auch drei Bewegungsgeschwindigkeiten zur Verfügung, die sich auf die Trittlautstärke auswirkten. Zusätzlich gab es unzählige Gadgets, mit denen sich die Umgebung beeinflussen ließ. Wasserpfeile löschten Fackeln, Seilpfeile ermöglichten Zugang zu hochgelegenen Arealen und Moospfeile dämpften die Schritte auf hallenden Fliesen. Wer jetzt unwillkürlich an Sam Fisher, JC Denton oder Number 47 denken muss, hat Recht: viele Vertreter der modernen Stealth-Action wurden von Thief inspiriert.

Dreh dich um und lauf!

Fette Beute! Wer diesen Raum betritt, hat Lord Baffords Zepter so gut wie sicher und muss die Villa "nur" noch verlassen.
Auch die  Umgebung war für die damalige Zeit brilliant – zwar nicht technisch, aber hinsichtlich der erzählerischen Mosaiksteine. In den Levels finde ich  viele stimmungsvolle Details, die die Welt mit Leben füllen. So stöbere ich z.B. auf der Suche nach meinem gefangenen Hehlerkumpanen Cutty durch die Akten der Hammeriten, entdecke in Ramirez‘ Unterkunft die Listen von unliebsamen und einzuschüchternden Dieben oder stoße auf der Suche nach dem Horn von Quintus auf die Notizen verstorbener Reisender.  Auch die Wachen haben viel zu erzählen: Ich höre in Gesprächen nicht nur missionsrelevante Informationen. Viele Trivia und Ereignisse, an denen ich oft nicht ganz unschuldig bin, hauchen der Welt Leben ein. Allen voran der Sermon der Hammeriten, die in ruhigen Momenten dem Erbauer huldigen.

Auch das Verhalten der Feinde überzeugt noch heute. Wachen reagieren auf offen stehen gelassene Türen, gelöschte Fackeln oder verdächtige Geräusche und gehen kompromisslos gegen mich vor. Im Nahkampf habe ich schon zu Beginn keine Chance: wenn Schwerter gezogen werden, hilft nur noch eine Blitzbombe und die Flucht. Was ein echter Dieb ist verzichtet natürlich darauf, überhaupt tödliche Gewalt anzuwenden und betäubt oder umgeht alle Feinde. Schade war nur damals schon, dass Schwert und Breitkopfpfeil nicht direkt zu Hause gelassen werden konnten.

Mystik und Legende

In den Katakomben von Quintus lauern riesige Zombiehorden und fiese Riesenechsen.
Auch das Leveldesign ist nach wie vor grandios. Besonders beeindruckt haben mich damals das finstere Gefängnis der Hammeriten und die Gruft von Quintus. In Letzterer begegnet man erstmals keinen menschlichen Gegnern, sondern Horden von Zombies und riesigen Echsen, gegen die ein Kampf völlig aussichtslos ist. Hier wird Thief eher Action-Adventure als Stealth-Action, was auch den Hauptkritikpunkt von Fans und Kritikern darstellte. Rückblickend lockern aber gerade Level wie „In den Katakomben“ das Spieldesign angenehm auf, auch wenn die zentrale Schleichmechanik hier etwas zu sehr in den Hintergrund gerät.  Im zweiten Teil verzichtete man übrigens weitestgehend auf diese Art von Mission und setzte stärker auf einzelne Einbrüche.

Apropros zweiter Teil: Im Jahr 2000 wurde Thief 2: The Metal Age veröffentlicht, das die Geschichte fortsetzt. Das Spiel hatte durch eine verbesserte Feind-KI einen gesalzenen Schwierigkeitsgrad, da alarmierte Wachen Garrett nun auch über mehrere Stockwerke verfolgen konnten. Zudem konnten die Feinde erloschene Fackeln oder Feuerstellen neu entfachen. Neu waren auch Gadgets wie Garrets mechanisches Auge sowie fiese Gegner wie mechanische Roboterwachen. Storybedingt rückten Magie und Mystik hier deutlich stärker in den Hintergrund. Thief 2 war übrigens, trotz hoher Qualität, der letzte Nagel im Sarg von Looking Glass. Nur wenige Monate nach Release schloss Publisher Eidos das Studio.

 
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