DICE+19.05.2014, Jörg Luibl
DICE+

Special: Digitale Brettspiele für Android & iOS

Wofür braucht man einen Würfel am Tablet? Man kann doch alles simulieren! Ja, aber nicht dieses Gefühl, tatsächlich etwas in die Hand zu nehmen und über den Tisch zu kullern. Die polnische Firma Game Technologies will mit DICE+ virtuelle und haptische Reize verbinden. So sollen digitale Brettspiele auf dem iPad oder Android-Tablets inszeniert werden. Ob die Symbiose für knapp 40 Euro aufgeht, klären wir im Special.

Kinderleichte Installation

Kein Aufbau, keine lange Lektüre, man kann schnell loslegen: Die kostenlose App „DICE+ Games“ auf www.poweredboardgames.com runterladen und den sechsseitigen weißen Würfel einmal drehen. Und siehe da: Seine Ziffern leuchten in hellem Blau – er sucht jetzt die drahtlose Verbindung zum iPad oder einem Android-Tablet über Bluetooth. Hat er sie gefunden, wird das über den Wechsel auf Grün signalisiert. Startet man per Fingertipper ein Spiel, geht es auch schon los mit dem ersten Wurf.

Und gerade zu Beginn sorgt das für eine gewisse Faszination -  nicht nur Kinder finden den kleinen Kubus richtig cool.

Klein, futuristisch, cool: Der Würfel könnte auch eine Hauptrolle in Portal spielen. Für 40 Euro bekommt man noch ein Ladekabel und sechs Spiele gratis.
Man würfelt ihn neben (oder auf) das iPad und das leuchtende Ergebnis löst sofort etwas auf dem Bildschirm aus. Entweder erscheint die Ziffer, ein Gegenstand wird aktiviert oder man hat einen Countdown gestartet. Je nach Spiel sorgt das reale Würfeln also für andere virtuelle Reaktionen auf dem Tablet. So hat man ein haptisches Gefühl und digitales Feedback in einem.

25 Gramm und sechs Seiten Hightech

Der Würfel kann theoretisch nicht nur jede Farbe darstellen, sondern funktioniert dank Berührungs- und Bewegungssensoren wie ein kubischer Mini-Controller: Er wechselt automatisch seine Anzeige, wenn er vom nächsten Spieler in die Hand genommen wird oder wenn die Zeit für eine Aktion im Spiel abgelaufen ist. Manchmal muss man ihn auch so schnell wie möglich schütteln, um den

DICE+ lässt sich mit Android- oder iOS-Tablets über Bluetooth nutzen. Selbst mehrere Meter vom iPad entfernte Würfe werden sauber erkannt.
Startspieler zu bestimmen. Sehr schön: Selbst weite Würfe vom Tisch runter, mehrere Meter in den Flur werden noch erkannt!

Vielleicht werden sich Brettspieler mit einem Faible für Holz und reine Mechanik etwas umgewöhnen müssen: Der Hightech-Würfel sieht zwar angenehm futuristisch aus, aber er kullert sich doch etwas anders als seine Brüder ohne Chipimplantat – das liegt vielleicht daran, dass er 25 Gramm leicht, stark abgerundet und mit seinem weichen Material extra leise designt wurde. Man kann ihn ja deshalb auch direkt auf das iPad werfen, ohne dass es zu Kratzern kommt.

Trotzdem hat man ein wenig Angst, dass die Platinen im Inneren das auf Dauer nicht aushalten. Aber er scheint sehr robust: Nach dreitägigem Dauereinsatz leuchtet er immer noch einwandfrei auf. Drei Farben zeigen übrigens an, wie es mit seinem Saft aussieht. Aufgeladen wird der Würfel, indem man die Seite mit dem Dreiecksymbol etwas hochschiebt. Dort ist der Anschluss für das mitgelieferte USB-Kabel. Ansonsten schaltet er sich nach einer Minute selbst aus.

Spiele zwischen mangelhaft und befriedigend

Und die Spiele? Tja, das ist noch das große Problem – Masse und Klasse lassen zu wünschen übrig. Zwar bekommt man mit dem Kauf sechs Titel gratis, aber die schwanken zwischen mangelhaft bis allerhöchstens befriedigend. Sehr enttäuschend ist die sterile Inszenierung von „Backgammon“ und „DICE+ Heroes“, einer Art Mensch-ärgere-dich nicht: Diese zwei Klassiker sollten wohl futuristisch interpretiert werden, aber da vergeht einem angesichts des Artdesigns

Zwar gibt es sechs Spiele gratis dazu und man kann bereits einiges laden, aber Masse und Klasse lassen zu wünschen übrig.
schnell die Lust – edel ist anders. „Chuchumba“ ist ein sehr ödes Gedächtnisspiel für Kinder, das gerade mal unteres Bilderbuch-Niveau erreicht. Zwar kann „This Way Up“ zumindest mit seinem putzigen Monsterflair punkten, aber dahinter verbirgt sich ein extrem simples Sammelspiel für Kleinkinder, in dem man quasi nur vorwärts ziehen kann; Kindern ab Grundschulalter wird das schnell langweilig.

„Rainbow Jack“ ist bunt, schlicht und strategisch schon etwas interessanter: Hier muss man Reihen und Spalten mit Zahlen füllen und kann positive oder negative

DICE+ ist wie ein kleiner Controller: Er hat Berührungs- und Bewegungssensoren.
Würfe auch in das Feld des Gegners ziehen. Kreativer und ansprechender inszeniert ist „Rumble Stumble“, denn hier muss man die gewürfelte Farbe und Zahl mit den Fingern auf einem bunten Mosaikfeld markieren – z.B. fünf grüne Felder gleichzeitig antippen; dabei darf man sich nicht verdrücken und muss warten, bis der Gegner seine Kombination angetippt hat – quasi ein haptisches Geschicklichkeitsduell, das zwischendurch mal ganz spaßig ist.

Tetris, Go und Spaltenpanzer

Aber man erkennt schon: Nicht nur als passioniertem Brettspieler fehlt einem die Auswahl und vor allem die Spieltiefe. Zwar sind schon einige weitere angekündigt, darunter auch Talisman, Judge Dredd, DICE+ Adventures und irgendwas mit Hello Kitty. Aber die zwei aktuell besten Titel erreichen gerade mal befriedigendes Niveau – man muss sie sich entweder gratis herunterladen oder kaufen. Zum einen das kostenlose „Dice Tris+“, das die Puzzle-Elemente eines Tetris mit der Gebietseroberung des japanischen

Das aktuell beste Spiel ist Supremacy von Reiner Knizia - es erreicht zumindest befriedigendes Niveau.
Klassikers Go verbindet. Zwei bis vier Spieler müssen ihre Steine nach dem Würfelwurf abwechselnd so clever legen, dass sie den Gegner im Idealfall umzingeln und einfärben.

Zum anderen ist da „Reiner Knizia’s Supremacy“, das zwar 2,69 Euro kostet, aber für mich aktuell das beste Spiel für DICE+ darstellt, weil es als digitales Brettspiel zumindest ausreichend Tiefe bietet. Zwei bis vier Spieler setzen hier abwechselnd Fahrzeuge in Reihen und Spalten, die bei voller Besetzung gewertet werden – ähnlich wie im Brettspielklassiker „Auf Heller und Pfennig“. Schön ist, dass diese teilweise Spezialfähigkeiten haben, so dass Panzer die Jeeps der Gegner egalisieren oder Taxis sofort Boni für jedes eigene Fahrzeug auf dem Plan einheimsen. Hinzu kommt, dass jede Wertungsrunde hinsichtlich der Punktausschüttung zulegt – so steigt die Spannung bis zur letzten vollen Spalte.

Ausblick

DICE+ ist eine interessante Spielerei - macht für ein paar Minuten Laune, lockt Leute an den Tisch, aber die Luft ist schnell raus. Die Entwickler von Game Technologies deuten zumindest an, was in Zukunft im Bereich digitaler Brettspiele möglich ist. Aktuell ist es allerdings eher für Familien mit kleinen Kindern oder experimentierfreudige Hightechfans als leidenschaftliche Zocker interessant. Das Angebot an Spielen ist bescheiden und die Qualität schwankt zwischen mangelhaft bis befriedigend. Man kann immerhin erahnen, dass hier viel möglich ist, wenn man virtuelle und haptische Reize clever verbindet. Für mich als Brettspieler ist der Bildschirm eines iPads auch viel zu klein – so steht letztlich ein hoch entwickelter, aber schnöder Würfel im Mittelpunkt. Wenn man ein billig designtes Mensch-ärgere-dich-nicht oder ein wirklich stumpfsinniges Monstersammelspiel startet, schützen seine Chipimplantate auch nicht vor der Langeweile. Besser macht es Reiner Knizia mit seinem Supremacy, das uns zumindest ein paar Runden solide unterhalten konnte. Aber bisher wirken diese digitalen Brettspiele noch wie Fingerübungen. Vielleicht gelingt ja irgendwann eine faszinierendere Symbiose.

Einschätzung: befriedigend

 
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