Black Crypt06.01.2015, Jörg Luibl
Black Crypt

Special: Als die Freundin böse grinste

Wenn ich an Raven Software denke, sehe ich sofort dieses Logo vor mir – den nach rechts blickenden Raben mit erhobenem Flügel. Und kaum schaue ich ihn an, flattern auch schon stimmungsvolle Bilder durch meine Erinnerung. Da ist z.B. die düstere Welt von "Heretic" mit ihren Gargyoles, Dämonen und Rittern. All das wurde dann in "Hexen" zur offenen Fantasy-Action weiterentwickelt. Und da ist vor allem das erste Spiel, das Brian und Steve Raffel für den Amiga entwickelt haben: Black Crypt.

Tradition unter Tage

Mit dem Amiga verbinde ich einige der schönsten und intensivsten Momente meiner Spielevita. Auch wenn der C-64 die ersten Funken entfachte, fühlte sich das Zocken auf dem Commodore von Jay Miner irgendwie magischer an. Natürlich steckt da viel Nostalgie drin. Aber diese Faszination beruhte nicht nur auf dieser Farbfülle oder dem technischen Fortschritt, sondern auch darauf, dass so viel Pionierarbeit im Spieldesign geleistet wurde. Und selbst wenn schon Anfang der 90er vieles aus den 80ern kopiert oder weiterentwickelt wurde, fühlte sich auch das – manchmal – unheimlich markant an.

Black Crypt ist kein erzählerisches Epos - die Story wird nur angedeutet: Es gilt einen Schwarzmagier zu bannen.
Als Black Crypt im Jahr 1992 auf dem Amiga erschien, folgte es bereits einer starken Tradition. Der Dungeon-Crawler in Egosicht hatte sich etabliert, von The Bard's Tale (1985) über Dungeon Master (1987) und dessen glorreicher Erweiterung Chaos Strikes Back (1989) bis hin zu Eye of the Beholder (1990). Trotzdem sorgte Raven Software mit seinem Abenteuer im Fantasyreich Astera für eine spezielle Sogkraft. Black Crypt nahm bereits einiges von dem Flair vorweg, das auch Demon's Souls und Dark Souls heute kennzeichnet: düstere Fantasywelt, knackige Feinde, Respekt vor jedem Gegner und Nervenkitzel in unbekannten Korridoren. Selbst der frühe Kontakt mit einem scheinbar übermächtigen Boss gehört dazu – schon wenige Schritte nach Spielstart hatte man eine Begegnung der übergroßen Art.

Als die "Freundin" böse grinste

In der Charakterentwicklung konnte man vier Helden individuell erstellen.
Oder anders: Black Crypt ließ die sonst so bunte und charmante "Freundin" richtig böse grinsen. Wer die 28 Levels meistern wollte, musste viel Geduld mitbringen. Dagegen wirkte das en detail hübschere Eye of the Beholder wie ein schnell erledigter Ausflug unter Tage. Während man quasi durch die Dungeons von Westwood cruisen konnte, lauerte hier neben Hunger und Durst hinter jeder Ecke der Tod. Der Spielrhythmus war langsamer und man agierte vorsichtiger. Obwohl der Einstieg in den „Tomb of Four Heroes“ noch recht zäh und die Story rund um einen durchgeknallten Schwarzmagier und seine Dämonen nicht wirklich fesselnd war, sorgte der stimmungsvolle Schauplatz für Gänsehaut und Entdeckerlust bei hohem Adrenalinpegel.

Je weiter man sich in die Katakomben wagte, desto besser und kniffliger wurde das Abenteuer rund um die vier Helden. Vieles von dem, was man heute z.B. in Legend of Grimrock 2 findet, gab es auch in Black Crypt: fiese Fallen, versteckte Hebel und kaum sichtbare Schalter, Gruben in tiefere Etagen, verflixte Teleporter sowie angenehm anspruchsvolle Aufgaben mit Wechselwirkungen auf mehreren Etagen. Manchmal

Die bizarren Gegner konnte man nicht immer per Haudrauf besiegen.
deutete nur ein malmendes Geräusch auf eine Veränderung innerhalb der Mauern! Automap? Ja, aber nicht einfach so, sondern nur wenn der Magier den Zauber „Wizard Sight“ aktiviert hat! Gerade diese Rätselfülle und Stimmungsdichte hatte vielleicht auch damit zu tun, dass die Raffel-Brüder ursprünglich ein Pen&Paper-Rollenspiel entwickeln wollten. Hinzu kamen clevere Gegner und bizarre halb-mythische Bosse wie schwebende Medusen oder doppelköpfige Oger, die man nicht so einfach wie Kroppzeug weghauen konnte – da musste man aufgrund der Echtzeitkämpfe also nicht nur fix reagieren, sondern auch Schwächen, Gegenzauber oder die richtige Ausrüstung ertüfteln.

Der gnadenlose Dungeon-Crawler

Black Crypt sollte zwar ursprünglich auch für Sega Megadrive sowie PC  (es gab 1995 lediglich eine Demo) entwickelt werden, konnte aber nie an die Erfolge eines Eye of the Beholder anknüpfen - das natürlich auch von der Popularität der AD&D-Lizenz profitierte. Aber wo die Jungs von Westwood und SSI sehr viel von Dungeon Master kopierten und dabei auch noch vieles verwässerten, konnte das weniger bekannte Black Crypt eigene Akzente hinsichtlich des kreativen Spieldesigns und der außergewöhnlichen Stimmung setzen.

Cool: Auch unter Wasser musste man sich beweisen.
Cool war z.B. schon, dass man eigene Charaktere aus den vier Klassen Krieger, Kleriker, Magier und Druide erstellen konnte – man wählte also nicht wie in Dungeon Master aus vorgefertigten Helden, sondern konnte sie selbst benennen und ihre fünf Werte (STR, DEX, INT, WIS, CON) bestücken. Und obwohl die musikalische Untermalung eher mager war, freute man sich über Soundeffekte, wenn z.B. Türen mit einem Knall zugeschlagen wurden. Hinzu kam dieses mysteriöse bis schaurige Flair: Man begegnete versteinerten Abenteurern oder wurde plötzlich von alles fressenden Wänden überrascht. Und es gab nicht nur sehr stimmungsvolle Abschnitte unter Wasser, sondern auch Begegnungen mit friedfertigen Kreaturen – gerade diese Kleinigkeiten haben das Erlebnis damals so besonders gemacht. Auch wenn Black Crypt letztlich nicht an die Klasse eines Dungeon Master heranreichte: Für mich rangiert es als Klassiker direkt dahinter und gehört bis heute zu meinen Highlights für den Amiga.

Lust auf die Demo? Hier geht es zum Download.

 
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