Special: The Colonel's Bequest - a Laura Bow Mystery (Adventure)

von Michael Krosta



The Colonel's Bequest - a Laura Bow Mystery (Adventure) von Sierra On-Line
Ein blutiges Erbe
Entwickler:
Publisher: Sierra On-Line
Release:
10.1989
10.1989
Spielinfo Bilder  
Roberta Williams ist hauptsächlich für ihre Arbeiten an King's Quest bekannt. Dabei war die Designerin und Mitbegründerin von Sierra On-Line mehr als nur eine Märchentante: Noch bevor sie mit Phantasmagoria einen blutrünstigen interaktiven Film für Erwachsene produzierte, ließ sie bereits in The Colonel's Bequest ihrer düsteren Seite freien Lauf und präsentierte einen spannenden Krimi voller Intrigen. Wir reisen mit Laura Bow zurück ins Jahr 1925.

Vorhang auf!

Schon der Einstieg war ungewöhnlich: Anstatt mit einem typischen Intro zu beginnen, wurde er wie ein klassisches Theaterstück inszeniert, bei dem die Protagonisten nacheinander auf der verpixelten Bühne vorgestellt wurden. Und auch im anschließenden Spiel hatte man immer wieder das Gefühl, Zeuge einer Vorstellung zu sein, wenn die Akteure mit sehr textlastigen Dialogen vor typischen Bühnenbildern wie dem Esszimmer oder anderen Räumen des abgelegenen Anwesens im südlichen Louisiana ihre Szenen aufführten.

Dass sich die versammelte Verwandtschaft am liebsten schon kurz nach der Verlesung des Testaments an die Gurgel gehen würde, war angesichts der streitlustigen Gesellschaft und des attraktiven Erbes keine große Überraschung. Doch mit der ersten Leiche wurde schnell klar: Einer oder eine aus der illustren Runde ging in seiner Gier noch einen Schritt weiter. Und jeder war ein Verdächtiger – zumindest so lange, bis der nächste leblose Körper gefunden wurde. Wer meuchelte sich durch die potenziellen Erben? Und wer könnte das nächste Opfer sein?

Ein toller Krimi

Die Aufmachung des Spiels ist bewusst an Aufbau und Inszenierung eines klassischen Theaterstücks angelehnt.
Die Aufmachung des Spiels ist bewusst an Aufbau und Inszenierung eines klassischen Theaterstücks angelehnt.
Es war die Aufgabe der jungen Studentin Laura Bow, genau das herauszufinden. Dafür ließ Roberta Williams sie ganz nach Vorbild von Agatha Christie die Spuren sichern und verfolgen, während man in Gesprächen mit anderen Figuren mehr über ihre Hintergründe, Konstellationen und Motive erfahren konnte. Dabei war das Timing ein wichtiger Faktor, denn nur wenn man sich zu einer gewissen Uhrzeit bestimmte Orte im Spiel aufsuchte, bekam man manche Szenen (und Hinweise) überhaupt zu sehen.

Und so rückten nicht nur klassische Rätsel, sondern auch das für Sierra-Adventures typische Punktesystem in den Hintergrund. Stattdessen konzentrierten sich Handlung und Spieldesign in erster Linie auf die Charaktere und das Sammeln von Informationen – tatsächlich ein bisschen vergleichbar mit Heavy Rain als einem Vertreter eines modernen Krimi-Abenteuers. Und genau für diesen Umstand erntete Colonel's Bequest bei seinem Erscheinen im Jahr 1989 reichlich Kritik, da es nicht den gewohnten Anspruch und knackige Rätselkost bot, die Spieler mit Titeln aus dem Hause Sierra verbanden. Tatsächlich konnte man das Spiel beenden, ohne ein einziges Rätsel zu lösen.

Der Tod lauert überall

Trotzdem war die Entlarvung des Mörders alles andere als einfach, denn es gab mehr als genug Gelegenheiten, um auf der Suche nach Hinweisen zu sterben. Nein, nicht unbedingt durch die Hand des Killers, denn da Laura nur ihre Freundin Lillian auf das Anwesen begleitete und nicht zum Kreis der Erbanwärter gehörte, gab es eigentlich keinen Grund, weshalb der Killer hinter ihr her sein sollte. Trotzdem gab es im Spiel z.B. eine Szene, in der Laura unter der
Was für ein schrecklicher Fund!
Was für ein schrecklicher Fund in der Dunkelheit!
Dusche erstochen wird – eine klare Anspielung auf den Hitchcock-Klassiker Psycho. Auch in der Dunkelheit konnte der mysteriöse Mörder lauern und die sympathische Protagonistin strangulieren. Aber abseits dieser tödlichen Begegnungen bestand auf dem Anwesen und den umliegenden Sümpfen ein hohes Risiko, das Zeitliche zu segnen – sei es z.B. durch einen unglücklichen Fall vom Balkon, herab fallende Gegenstände oder Ertrinken.

Um den Wiederspielwert nicht nur durch solche Ereignissen zu erhöhen, bekam man zwischendurch immer wieder Hinweise, was man verpasst hat, wenn man z.B. nicht rechtzeitig einen bestimmten Ort aufgesucht hat. Schön auch, dass die Figuren in Dialogen entsprechend reagiert haben, falls Laura ihnen mit ihren Fragen zu sehr auf die Pelle rückte. Zwar wurde die Handlung dadurch leider nicht beeinflusst, doch war es schön zu sehen, die Folgen eines zu penetranten Auftretens zumindest in den Reaktionen bei Gesprächen zu spüren.

Kommentare

Svenc schrieb am
Der Parser hier ist nicht besonders gut, er kennt nur relativ wenige Verben. Parser hätten in modernen, wettbewerbsfähigen Spielen natürlich nichts verloren (es gibt immer noch kommerzielle Textadventures und eine aktive IF-Szene). Trotzdem trauert man ein bisschen den Interaktionsmöglichkeiten hinterher. Wenn man bedenkt, dass Objektinteraktion und Erforschung in Adventures so eine große Rolle spielt, ist es aus einem gewissen Blickpunkt ein bisschen schade, sich ein Point&Click-System durchgesetzt hat, bei dem auf Linksklick praktisch alles automatisch abläuft; kontextsensitive Steuerung nennt das Marketing das. Anders als in so mancher anderen Sierra-Serie waren die Todesszenen hier nicht extrem zahlreich. Generell gilt natürlich auch hier: Wenn man in eine gefährliche Situation kommt, dann kann und wird man auch sterben, egal, ob man nur über eine befahrene Straße geht oder heir wenn man nur an einer Glocke zieht und drunter steht. :mrgreen:
Das alles sollte aber nicht davon ablenken, dass es anscheinend fast dreißig Jahre gedauert hat, bis zum letztjährigen Sherlock, bis jemand sich an einem Detektiv-Adventure versucht hat, in dem man tatsächlich auch der Detektiv ist. Und nicht etwa Handys auf Katzen tackert, Lippenstift-Patronengurte improvisiert, Plätzchen backt oder Sudokus zu Ende puzzelt, sich von Puzzlekette zu Puzzlekette an der linearen Story entlanghangelt, an deren Ende irgendwann die Zwischensequenz triggert, die automatisch enthüllt: Ah, der Mörder war also doch nicht der Gärtner!
Auch wenn es militante Liebhaber von Point&Click, Inventarrätsel und Co. nicht wahrhaben wollen (hey, ich liebe Adventures): die Sparte war mal erheblich flexibler. Wo wir beim Spinnen sind, siehe den letzten Absatz des 4P-Artikels: Police Quest als Quasi-Polizeisimulation (!) würde sich ohne Sierra-Sünden und die für seine schrecklich limitierte Parser-Engine alptraumhaften Autofahrsequenzen heute wohl ein bisschen wie L.A. Noire spielen, bloß mit weniger Ballereien; und das...
Justin.Bailey schrieb am
Baralin hat geschrieben:Ach Gott ja, Sierra. Ich hab den englischen Parser nicht gerade gemocht. Und die Eigenart, schnell zu sterben auch nicht. Von daher hab ich immer Lucasfilm Games/Lucas Arts bevorzugt!
Ohne Lösung waren diese Texteingabedinger ja auch unschaffbar....
Des mit den nervigen Sackgassen und dauersterben war schon nervig, aber die Nachrichten die man als bekommen hatte die waren einfach herrlich, vor allem bei Space Quest hab ich so paar geile in Erinnerung...
Laura Bow war auch so, konnt man nur mit Lösung zocke, aber die Atmosphäre war top. Der Nachfolger hat mir nicht so gut gefallen...
Baralin schrieb am
Ach Gott ja, Sierra. Ich hab den englischen Parser nicht gerade gemocht. Und die Eigenart, schnell zu sterben auch nicht. Von daher hab ich immer Lucasfilm Games/Lucas Arts bevorzugt!
Rutgar schrieb am
Ich hatte eine tolle limited Edition von Outcast :D
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Das waren echt noch ganz andere Zeiten, haben einen Großteil der guten alten Schachteln aufgehoben. :)
Und den Notizteil habe ich zumindest beim NES für Levelcodes oder Hinweise genutzt ;)
Aravanon schrieb am
LePie hat geschrieben:
Das_lachende_Auge hat geschrieben:Apropos Handbuch: Wer von euch hat eigentlich den damals eingeräumten Platz für Notizen jemals genutzt?
*Hand heb* Um Cheatcodes darauf aufzuschreiben. :oops:
Spoiler
Show
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"HOW DO YOU TURN THIS ON?"
Hab ich auch gern gemacht. Ich erinnere mich z. B. ganz stark an Mortal Kombat 1+2, wo ich jeden Fatality fein säuberlich aufgelistet habe, wenn ich erstmal geblickt habe, wie er funktioniert. Allerdings hat man damals Spiele auch nochmal gern verliehen und da war es für die Kumpel doch immer ein Schmankerl wenn man sowas gleich mitbekommen hat.
An sich find ich die Parser-Spiele klasse. Natürlich hatte auch das nachfolgende Point n Click System seine Reize, aber da viele der Parser-Titel auf Englisch waren hat mir das sehr geholfen erstmal richtig Englisch zu lernen. Zugegeben bevor man es in der Schule hatte und so hatte ich schon eine gute Grundlage.
Parser-Games auf Koreanisch stell ich mir hingegen tatsächlich ein wenig kompliziert vor :P
Die alten Handbücher hingegen waren wirklich was Feines. Besonders geschätzt habe ich es immer, wenn man die ersten paar Seiten dazu nutzte eine einleitende Geschichte über die Welt und seine Charaktere an den Mann zu bringen. Da hat man die Bahnfahrt schon Zeit gehabt sich richtig heiß auf das Spiel zu machen, ganz ohne Hype und Marketingbomben. Leider sind diese Zeiten mittlerweile derart vorbei, dass ich auch gern auf die digitalen Versionen zurückgreife.
Besonders wenn ich bedenke, dass bei vielen Spielen nicht einmal das Spiel auf der Disk ist. Titanfall ist da ein ganz gutes Beispiel. Disk rein, Code eingeben, bei Uplay einloggen und... Schweigen im Laufwerk. Stattdessen startet stumpf der Download. Da frag ich mich wirklich wofür ich mich da physisch zuhause dichtmüllen soll. Klar, auch Sammlereditionen gibts schon lang, aber früher haben die auch noch wirklich was her gemacht. Man denke da nur an Vampire: The Masquarade! Da hat man nen schönen Karton in Sargform und annehmbarer...
schrieb am