Ultima Underworld: The Stygian Abyss08.05.2018, Jörg Luibl

Special: Pionier der Tiefe

Manchmal dreht sich die Spielewelt im Kreis. Dieses Jahr kehrt mit Paul Neurath einer der Pioniere dieser Branche zurück zu seinen Wurzeln. Sein 2014 gegründetes Studio Otherside Entertainment entwickelt gerade das Fantasy-Abenteuer Underworld Ascendant. Und das soll an die Faszination eines Klassikers anknüpfen, der 1992 von Blue Sky entwickelt wurde: Ultima Underworld. Gründer von Blue Sky war damals? Richtig: Mr. Neurath.

Die Frage der Inspiration...

...lässt sich bei Ultima Underworld sehr schnell mit Dungeon Master beantworten. Denn dieses Fantasy-Rollenspiel aus dem Jahr 1989 hinterließ auch bei Paul Neurath und seinen amerikanischen Kollegen in New Hampshire einen so nachhaltigen Eindruck, dass man dem Abenteuer von FTL Games mit einem eigenen Spiel nacheifern wollte. Aber warum? Was war so besonders an diesem Stromern durch Kerkern, das Wayne Holder und Bruce Webster aus dem Hut zauberten?

Ultima Underworld entführt über acht Etagen in die Tiefe eines erloschenen Vulkans..

Die räumliche Darstellung der Labyrinthe im Zusammenspiel mit den Kämpfen in Echtzeit verblüffte zu einer Zeit, in der vieles noch rundenbasiert in klassischem 2D ablief. Hinzu kam, dass dynamisches Licht, abgebrannte Fackeln, Nahrungssuche sowie logische Kombinationen beim Zaubern für eine bis dahin selten erreichte Intensitität sowie ein Survival-Flair mit simulativen Aspekten sorgten. Genau das inspirierte Neurath und sein Team, genau darauf wollten sie etwas Eigenes aufbauen; Warren Spector stieß übrigens erst nach einem Jahr hinzu.

Aber es gab noch einen anderen Unterschied: Während an Dungeon Master nur zwei Mann werkelten, waren es bei Blue Sky Productions schon zehn Leute an der Alphaversion. Und dieser "Underworld" genannte Prototyp konnte auf der CES 1990 in Las Vegas den 1983 von Richard Garriott gegründeten Spielehersteller Origin Systems überzeugen. Erst so wurde der innovative Dungeon-Crawler in die etablierte Fantasywelt rund um Lord British verlegt, deren Avatar in Ultima VI noch in isometrischem 2D vorwärts scrollte. Dagegen wirkte Ultima Underworld wie eine Revolution.

Revolution in 3D

Man konnte einen männlichen oder weiblichen Charakter erschaffen und aus acht Berufen wählen.

Die Überraschung in der Branche war groß: Immerhin veröffentlichte man 1992 das erste komplett in Echtzeit berechnete 3D-Spiel - die deutschen Entwickler von Thalion verwendeten für Ambermoon ein Jahr später auf dem Amiga eine ähnliche, wenn nicht ganz so fortschrittliche 3D-Technologie und Doom wurde als 3D-Shooter erst 1993 veröffentlicht. Es war übrigens auch das einzige Ultima, das für PlayStation umgesetzt wurde; allerdings nur in Japan.

Dieses Ultima brachte die situative Spannung sowie den Überlebenskampf in einer feindlichen Fantasywelt über acht Etagen auf ein ganz neues Niveau - inklusive vieler kleiner Interaktionen sowie erster physikalischer Konsequenzen, so dass man z.B. bei einem abgeprallten Wurf an eine Wand Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel beobachten konnte. Damit war man seiner Zeit weit voraus. Und das hatte seinen Preis: Es gab von "Low" bis "Very High" vier Grafikvoreinstellungen, wobei erst die vierte neben allen Wänden auch die Fußböden und Decke voll texturiert zeigte.

Neue Spannung unter Tage

Zumal man ja nicht einfach kopierte, sondern das Spieldesign sowohl inhaltlich als auch technisch kreativ so bereicherte, dass das Abenteuer unter Tage nicht nur klasse aussah, sondern sich auch unheimlich realistisch anfühlte. Das fing bei Kleinigkeiten an: Man konnte nicht endlos Sachen tragen, Waffen sowie Rüstungen nutzten sich ab und mit einer Fackel konnte man Mais rösten und Popcorn herstellen. Heute sprechen wir oftmals im Kontext von Virtual Reality von der "Immersion", aber damals wurde man ebenfalls auf unwiderstehliche Art in eine Welt hinein gezogen, in der es zwar keine

Ultima Underworld ist das erste 3D-Spiel seiner Zeit, in dem man sich auch nach oben oder unten umschauen konnte.

Landschaft an der Oberfläche, aber plötzlich harmonische Kurven, Stromschnellen und Abhänge hinunter schlitternde Gegenstände gab!

Zwei Jahre später erschien übrigens in Japan das erste 3D-Rollenspiel mit komplett texturierten Polygonen auf der PlayStation bei From Software: King's Field. Warum das erwähnenswert ist? Weil das der spirituelle Vorgänger von Demon's Souls ist.  Und weil Paul Neurath mit Ultima Underworld einen Stein ins Rollen brachte, den man von Arx Fatalis bis Dark Souls 3 poltern hörte. Schon der Untertitel "The Stygian Abyss" deutete auf eine ähnlich düstere Welt und eine unheilvolle Tiefe unter einem Vulkan.

At last, you are asleep...

...mit diesen Worten begann das Abenteuer auf einer abgelegenen Insel. Natürlich spielt das Ganze in Britannia, aber aus frischer Egosicht à la Dungeon Master mit komplett anderen Spielmechaniken und nicht linearen Abläufen. In der Rolle des Avatars, den man den eigenen Wünschen hinsichtlich Geschlecht, Aussehen sowie Attributen wie Stärke, Geschick und

Nicht nur der Kampf, auch Gespräche mit NSC (Nicht-Spieler-Charaktere) waren wichtig.

Intelligenz anpassen konnte, wird man der Entführung beschuldigt. Zur Strafe wird man in eine mystische vulkanische Unterwelt entlassen, in der noch Goblins, Zwerge, Orks, Echsen & Co als ehemalige Kolonisten hausen - dort soll man eine Prinzessin finden oder sterben. Allerdings herrscht da unten keine Harmonie, sondern Krieg. Nicht nur die Ausgangssituation des Helden ist ähnlich hoffnungslos, auch die enormen Erkundungsreize nahmen einiges aus der Soulsreihe vorweg. Hinzu kamen Ringe, Talismane, Schriftrollen und Geheimnisse, die es zu entschlüsseln galt.

Man konnte aus den acht Klassen Magier, Kämpfer, Tinker, Barde, Druide, Schäfer, Paladin und Ranger wählen, die andere Herangehensweisen ermöglichten. Zudem war es viel weniger Hack'n Slay als etwa Dungeon Master und es lohnte sich, vor dem Zuschlagen erstmal zu beobachten und zu reden - viele NSC hatten wertvolle Hinweise parat, handelten mit Ausrüstung und ähnlich wie in Outcast gab es für die Echsen sogar eine eigene Sprache.

Die Karte wurde automatisch ergänzt und konnte beschriftet werden.

Ultima Underworld fühlte sich angenehm offen und frei an, zumal das Fadenkreuz der Maus kontextsensitiv das Symbol wechselte und so die Bewegung oder Interaktion wie "Benutzen" oder "Sammeln" anzeigte. Man konnte sich in jede Richtung bewegen, aus dem Stand oder mit Anlauf über größere Abgründe springen sowie schwimmen und aktiv auch nach oben und unten umschauen. Alleine diese Möglichkeiten sorgten für frische Erkundungsreize und Spannung.

Die runden Labyrinthe

Die sonst so übliche Kastenbauweise eines Dungeons wurde durch natürlich wirkende Abhänge sowie Steigungen, größere Höhlen und unterirdische Flüsse mit Brücken  komplett aufgebrochen, so dass man keine eckigen Katakomben, sondern eine harmonische Unterwelt inkl. Tropfsteinhöhlen und Sümpfe erkundete.  Viele Pflanzen und Moose ließen sich übrigens essen. Neben seinem Hunger musste man seine Fackeln oder Laternen im Auge behalten, um nicht im Dunkeln umher zu irren, und am besten vor dem Schlafen abspeichern. Umso wichtiger war die Automap-Funktion, die die bisher erkundeten Bereiche mitzeichnete. Trotzdem wurde nicht alles enthüllt und es lohnte sich, diese Karte zu beschriften!

Es gab unterirdische Höhlen und Seen. Die Stromschnellen hatten sogar eine Richtung.

Auch das Kämpfen aus Dungeon Master wurde erweitert: Man musste seine Waffe ziehen und aktiv mit der Maus zielen, so dass kontextsensitiv drei Schlagtypen ausgeführt wurden. Je länger man ausholte, desto mehr Schaden verursachte man. Neben martialischen sowie arkanen Fähigkeiten, die zig Zauber aus korrekt zusammen gesetzten Runen ermöglichten,  konnte man auch das das Schlösser knacken verbessern. War eine Tür verschlossen, ließ sich diese auch einschlagen; hinzu kamen ähnlich wie später in der Soulsreihe einige Geheimgänge und Räume hinter porösen Wänden, die man abklopfen konnte.

Ultima Underworld hat viele Auszeichnungen eingeheimst, zig Spiele und Designer beeinflusst. Und schließlich entstand aus der Verbindung von Blue Sky Productions mit Lerner Research eines der einflussreichsten Teams überhaupt: Looking Glass. Mit System Shock (1994) und Dark Project (1998) setzte man erneut Standards, beschäftigte neben Warren Spector viele andere renommierte Designer wie etwa Ken Levine (BioShock) und war erneut kreativer Pionier, bis das Studio im Mai 2000 aufgrund finanzieller Probleme aufgelöst wurde. Wir sind gespannt, wie sich der geistige Nachfolger Underworld Ascendant gegen Ende des Jahres schlägt. Ihr wollt das Original spielen? Kein Problem: Für fünf Euro bekommt ihr es zusammen mit dem Nachfolger Ultima Underworld 2 bei GOG .

 
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