Lionhead Studios28.08.2009, Michael Krosta
Lionhead Studios

Special:

Peter Molyneux gehört zu den großen Namen in der Videospiel-Branche. Mittlerweile wurde der Populous-Designer zum Leiter der Microsoft Game Studios in Europa befördert und ist gleichzeitig der Kopf von Lionhead, wo derzeit fleißig an Fable III und dem Natal-Projekt Milo gearbeitet wird. Auf der gamescom haben wir mit ihm über neue Technologien und seine Visionen zur Zukunft der Videospiele geplaudert...

4Players: Sie haben sich immer dafür stark gemacht, die Steuerung von Spielen zu vereinfachen. Besteht nicht die Gefahr, dass Videospiele damit zu interaktiven Filmen werden, die man mehr passiv konsumiert als aktiv spielt?

Peter Molyneux arbeitet zur Zeit bei seinem Studio Lionhead an Fable III. Außerdem wurde er kürzlich zum Leiter der Microsoft Game Studios in Europa befördert. 
Peter Molyneux: Mir ging es darum zu sagen, dass diese neuen Interaktionsmöglichkeiten keine Entschuldigung dafür sein sollen, den Spieler mit einzubeziehen. Ich weise immer wieder darauf hin, dass man nicht vergessen darf, dass es da einen Spieler gibt. Der Spieler ist wichtig - egal, ob er einen Controller hält, mit seinen Armen herum wedelt oder was auch immer er macht. Wenn man den Spieler ignoriert, besteht die Gefahr, dass Langeweile aufkommt, dass die Steuerung nicht gut funktioniert oder andere frustrierende Dinge geschehen. All diese neuen Eingabe-Methoden und Spiel-Mechaniken sind keine Entschuldigung dafür, unser Leben als Entwickler einfacher zu machen. Sie sind der Grund, Dinge dramatischer, bedeutender und packender zu gestalten. Das Frustrierende ist, dass man bei diesem Medium den Spieler immer näher an die Welt bringen möchte, die man erschafft. Sie sollen darin eintauchen. Wir erschaffen hoffentlich Momente, an die sich Spieler ihr ganzes Leben lang erinnern. Hab ich die Frage beantwortet?

4Players: Nicht so richtig...

Peter Molyneux: Oh, ich dachte, das wär's gewesen. Starten wir einen neuen Versuch...

4Players: Mir ging es eher um die Komplexität der Steuerung, die Sie so einfach wie möglich halten wollen. Aber schränkt das nicht gleichzeitig die Interaktivität und Möglichkeiten in Videospielen ein?

Peter Molyneux: Mein Traum ist es, etwas so Unglaubliches und unendlich Zugängliches zu haben, dass man sich darum gar keine Gedanken mehr machen muss. Es ist so tiefgründig und eindringend, dass du als Core Gamer ans Limit getrieben wirst, um das Beste herauszuholen. Denn es sieht doch so aus [...nimmt sich seinen Block und Stift...]: Wenn du an die Steuerungssysteme denkst und das hier ist der Schwierigkeitsgrad, dann würde die Kurve ungefähr so verlaufen [...zeichnet ein Diagramm]. Hier stehen sich der höchste Schwierigkeitsgrad und der Punkt gegenüber, an dem das Spiel Spaß macht. Ist das nicht ein bisschen verrückt? Das ist genau so, als würde man ein Auto bauen, das so schwer zu steuern ist, dass es

Vorschau: Wie fühlt sich die Natal-Erfahrung an? Wir haben es ausprobiert!
höchstens zehn Menschen auf der ganzen Welt überhaupt fahren könnten. Aber worin besteht der Sinn, ein solches Auto zu bauen? Man will doch ein Fahrzeug, das leicht zu fahren ist. Und dann wird einem klar, dass es noch einen Schalter oder einen anderen Modus braucht, mit dem man um die Kurven driften kann. Es wird also nichts gestrichen, sondern erweitert. Genau das will ich auch. Ich will Spiele, die die richtige Balance zwischen Schwierigkeit und Genuss bieten. Das kann man z.B. am Kampfsystem an Fable 2 sehen. Natürlich kann man das noch weiter verbessern und Josh Atkins, der Lead Designer von Fable, arbeitet gerade sehr hart daran. Dabei sagen wir uns immer wieder: "Wir müssen zusehen, dass jeder durchkommt, aber auch die Core-Spieler ins Schwitzen bringen, denn für sie steht auch auf dem Spiel steht, welche Figur ihr Held oder das Königreich unter ihrer Herrschaft macht." So hoffen wir, beide Spieler-Sorten anzusprechen. Es gibt da diesen Sportwagen&ein super-super-schnelles Teil. Es ist nicht wie ein Hardcore-Sportwagen - die Innenverkleidung wurde also nicht herausgerissen oder so. Ich könnte einsteigen und damit wegfahren. Wenn aber jemand wie Michael Schumacher damit fährt, könnte er noch mehr aus dem Fahrzeug herausholen. Genau das wollen wir - und das meine ich mit meiner Auto-Analogie. Oh je, jetzt haben wir so viel Zeit für diese Frage gebraucht, also machen wir lieber weiter...

4Players: Auf der E3 wurde der Controller von Ihnen als Barriere zwischen Spieler und Spiel bezeichnet, die mit der Ankunft von Project Natal verschwinden soll. Aber ist es nicht so, dass bestimmte Konzepte ohne einen Controller und dessen Komplexität gar nicht funktionieren könnten?

Peter Molyneux: Ja, das stimmt absolut. Ein Echtzeitstrategie-Spiel funktioniert z.B. auf dem PC so gut wegen der Maus. Da gibt es nichts dran zu rütteln. Aber glauben wir, die Leute nur unterhalten zu können, wenn sie eine Maus besitzen? Nein! Ich meine, Natal ist eine bemerkenswerte Interaktionsmöglichkeit, wie man es auch gesehen hat, als Kudo [Tsunoda, Anm. d. Redaktion] es auf der E3-Bühne sehr gut präsentiert hat. Einiges davon war sehr aufregend. Ich versuche zu sagen: Lasst eure Vorstellung nicht dort enden, sondern bewegt euch um sie herum. Es ermöglicht neue Konzepte, an die wir vorher niemals gedacht haben, weil der Controller und die Maus die Möglichkeiten einschränken, dich als Spieler zu involvieren. Das bedeutet, dass komplett neue Genres entstehen. Das Genre, das ich kreiert habe...oder vielleicht erschaffen habe...die

Ein erstes Artwork zu Fable III soll vermitteln, wie das Leben als Herrscher über ein Königreich aussehen könnte...
Götterspiele wie Populous wären ohne die Maus nie Wirklichkeit geworden. Man sollte also nicht überlegen, wie man dieses oder jenes Spiel auf eine bestimmte Weise auf dem einen oder anderen System realisiert, sondern wie man Neues schafft, was man sich bisher noch gar nicht vorstellen konnte.

4Players: Können Sie sich vorstellen, dass Technologien wie Natal eine Symbiose mit dem Controller eingehen und parallel benutzt werden oder würden Sie es vorziehen, alle Controller loszuwerden?

Peter Molyneux: Das ist eine sehr interessante Beobachtung! Als wir Designer uns ganz am Anfang mit Natal auseinandergesetzt haben, dachten wir zuerst darüber nach, unbedingt etwas in den Händen halten zu müssen. Oder halt etwas zum Drücken. Oder eine Art Analogstick. Aber dann sagten wir uns: Was machen wir da? Das ist genau so, sich die Frage zu stellen, warum wir keine Tastatur für Konsolen haben. Als wir noch auf Heimcomputer hatten, wurden bei Spielen - und ich habe sie selbst gemacht - jede einzelne Taste auf dem Keyboard benutzt. Erinnerst du dich noch an Schablonen, die man darüber legte? Als die Konsolen kamen, konnten wir die Tastaturen wegwerfen. Das bedeutete nicht, dass die Spiele weniger boten - im Gegenteil. Wir waren in der Lage, eine neue Art von Spielen zu ermöglichen. Der Punkt ist: Ja, man könnte diesbezüglich etwas machen. Ja, man könnte eine weitere Peripherie ins Spiel bringen. Aber braucht man diese wirklich? Oder will man nur aus Gewohnheit dabei bleiben? Weiß du, man kann in der Tat eine Tastatur an der 360 anschließen und sie funktioniert auch. Aber macht das jemand? Nein, weil kein Bedarf besteht. Sollen wir und bei Natal also mehr nach der alten Schule orientieren? Nein, wir sollten uns einen Neuanfang überlegen. Warum sollte man sich zurück in die Vergangenheit begeben? Als das erste Auto vorgestellt wurde, dachten die Leute, die Fahrer wären total überfordert und ihr Kopf würde explodieren. Sie glaubten, dass es einen Beifahrer geben müsste oder jemand, der ihm sagt, was zu tun ist. Aber das brauchen wir nicht. Wir müssen uns nur darauf konzentrieren, dass die Dinge, die wir erschaffen, funktionieren - und besser funktionieren als in der Vergangenheit.        

4Players: Also träumen Spiele-Entwickler eigentlich von einer Zukunft ohne Controller, falls es möglich wäre?

Peter Molyneux: Sie träumen von einer...ich würde es gar nicht so genau sagen...von einer Möglichkeit der Interaktion, die nicht Frust bei den Leuten auslösen

"Ich versuche, etwas Gutes zu machen!"
kann so wie Keyboards, Mäuse, Controller, die Barrieren darstellen. Ich habe dazu noch einen Gedanken, den ich gerne teilen würde: Vor Natal habe ich als Entwickler nur die Daumen der Spieler im Sinn gehabt. Das ist das Einzige, was ich gesehen habe: die Daumen. Wie du diesen Stick bewegst, wie du diese Knöpfe drückst. Jetzt sehe ich dich, den Spieler.

4Players: Rob Pardo von Blizzard hat kürzlich gemeint, dass ihm Project Natal immer noch zu ungenau auf Bewegungen reagiert und verglich es mit einer Wii Remote. Auch kursieren Gerüchte durch das Internet, die besagen, dass die auf der E3 gezeigten Funktionen wie das Einscannen von Objekten zur Verwendung in Spielen nicht funktionieren. Waren das Zukunftsträume bzw. Konzeptstudien oder wird Natal tatsächlich diese Funktionen ermöglichen, die auf der E3 gezeigt wurden?

[PR-Assistentin] Die Fragen sind irgendwie zu sehr auf Natal fokussiert. Eigentlich sollte da nicht zu sehr ins Detail gegangen werden. Also bitte andere Fragen stellen...

4Players: Okay...Zuletzt haben Sie in der Tech-Demo von Milo gezeigt, dass Sie Ihren Fokus in der Entwicklung vor allem auch auf die KI richten. Welche Entwicklungen sind diesbezüglich in Zukunft zu erwarten?

Peter Molyneux: Wir bei Lionhead haben die Beschäftigung mit der KI immer geliebt. Und wir mögen Simulationen und haben sie in Spielen wie Black & White, Fable, Fable 2 und anderen Titeln integriert, die wir entwickelt haben. Für mich ist es so etwas wie eine Goldmine, von der die die Leute fasziniert sind. Ich ersetze den Begriff KI gerne durch das Leben an sich...Wenn ich in Fable etwa ein Königreich anbieten könnte, würde dieses Königreich so viel mehr für mich bedeuten. Und wie man bei der E3-Demo gesehen hat, fangen wir jetzt damit an, über Charaktere nachzudenken, die auf den Spieler reagieren und ihn ansprechen. Ich will ganz ehrlich sein: Eine ganze Menge davon basiert auf beeindruckenden Nachforschungen, vieles ist einfach eine unglaubliche KI-Technologie und vieles sind einfach Tricks, wie wir sie auch schon in den Jahren zuvor in Spielen angewendet haben. Aber all das zu kombinieren und das Gefühl zu vermitteln, mit jemanden auf diese Weise interagieren zu können, ist für mich ein faszinierender Fortschritt. In der Science Fiction wurde schon immer davon geträumt und trotzdem hat die heutig Welt der Technologie und Computer noch längst nicht das erfüllt, worüber die Science Fiction-Autoren schreiben. Wäre es nicht fantastisch, wenn die Spieleindustrie damit anfangen würde, diese Dinge aufzugreifen, von denen die Science Fiction träumt? Natürlich nur, so lange es nicht in der Zerstörung unseres Planeten endet [lacht]. Das würde etwas zu weit führen...

4Players: Glauben Sie, dass es in dieser Generation noch einen großen Schritt geben wird?

Peter Molyneux: Ich denke, wir sollten den großen Schritt anpeilen und es versuchen. Zum jetzigen Zeitpunkt sind wir fast so weit, das zu tun. Es gibt bereits fortschrittliche Technologie, mit der wir alles zusammenfügen könnten. Die ersten Versuche könnten noch nicht das ultimative Erlebnis liefern, aber diese Schritte könnten dennoch sehr verblüffend für Leute sein. Selbst heute kann schon mit einer groben Idee etwas bewerkstelligen. Man nehme z.B. den Hund aus Fable: Obwohl er so simpel war, zeigt er, dass etwas, was zumindest ein wenig Einfühlungsvermögen besitzt, für Leute viel bedeuten kann und Schritte in diese Richtung gemacht werden.

4Players: Es wird immer wieder angeprangert, dass Videospiele sich schwer damit tun, im Gegensatz zu Filmen Emotionen auszulösen und bewegende Geschichten zu erzählen. Wo liegt Ihrer Meinung nach das Problem und ist eine Lösung in Sicht?

Peter Molyneux: Ja, ich denke, es gibt eine Lösung. Das Problem an sich hat mehrere Ursachen. Ich meine... Viele der Geschichten...sind

Öffnet Project Natal die Tür für völlig neue Spielkonzepte, an die man heute noch nicht denkt?
einfach nur Geschichten. Und da zeige ich auch mit dem Finger auf mich. Im Prinzip gibt es zwei Wege, nein...viele Wege eine Geschichte zu schreiben. Wir haben uns zu oft auf die Handlung, den Plot konzentriert. Der Spieler ging dabei von dieser Handlung, zur nächsten Handlung...und wieder zur nächsten Handlung etc. Dabei sagen wir immer: Jetzt haben wir das..und dann eine Art Cliff(hanger)...und dann führen wir das ein...ingesamt also viel Handlungs-Zeug. Oh mein Gott, dann haben wir auch noch Drachen, die durch die Gegend fliegen. Aber wir sprechen in dieser Industrie noch zu wenig über zwei weitere Dinge: Das eine ist die Erzählung (Narrative) und das andere sind die Charaktere. Ich gebe einfach ein Beispiel...Bevor wir damit angefangen haben, die Geschichte zu Fable III zu schreiben, mussten wir erst unsere Charaktere kennenlernen, wer sie sind, ihre Beweggründe. Wir haben uns deshalb Schauspieler gesucht und sagten 'Du bist jetzt dieser Charakter und so soll er sein'.

4Players: Also funktioniert das ähnlich wie in der Filmindustrie...

Peter Molyneux: Ja, das ist sehr, sehr ähnlich wie in der Filmindustrie. Man stelle sich einfach vor, man würde eine TV-Serie oder das Drehbuch zu einem Film schreiben und die Charaktere wären einem dabei egal. In Computerspielen sieht man das so oft: Da ist eine große Explosion, Leute sterben und kurz danach ist schon wieder eine große Explosion, aber man weiß nicht, wer umgebracht wird oder wieso sie umgebracht werden, wer sie waren... Genau das machen wir die ganze Zeit in unserer Industrie. Wie viele Spiele hast du schon gespielt, die auf einem Raumschiff angesiedelt sind, in dem plötzlich Aliens auftauchen? Ich meine: Wer bist du? Wer sind diese Leute hier? Deshalb stecken da keine Emotionen drin. Wir als Menschen müssen uns für etwas interessieren, wir brauchen eine emotionale Verbindung zu diesen Dingen. Und sobald man sich fragt 'Okay, wer bin ich? Wer ist bei mir? Wer kümmert sich um mich? Wer liebt mich? Warum ist diese Figur hier? Hat dieser Charakter ein Geheimnis?'...erst dann bekommt man etwas, das emotional mehr berührt. Das war jetzt nur eine sehr, sehr kurze Antwort auf eine sehr interessante Frage, über die es noch sehr viel mehr zu sagen gibt [Blick auf die PR-Assistentin, die das Interview beenden will].

4Players: Eine letzte Frage hab ich noch: Gibt es irgendetwas, was sie im Nachhinein als Spieldesigner lieber anders gemacht hätten?

Peter Molyneux: Ganz kurze Antwort: Das ist so ziemlich bei jedem Spiel der Fall, das ich bisher gemacht habe. Wenn ich so zurückblicke würde ich mir beim Gedanken an eher schwache Spiele wie PowerMonger am liebsten mit einer glühenden Nadel ins Auge stechen. Es ist eine lange Geschichte, warum musste der PowerMonger z.B. auf diese Art Befehle geben? Ich hasse mich selbst für einige der Features in Black & White oder bei Fable zu viele von ihnen versprochen zu haben. Wegen solcher Dinge verfluche ich mich fast täglich. Viele Leute fragen mich, warum ich diesen Job überhaupt noch mache. Ich mache das noch, weil ich daran glaube, eines Tages etwas zu schaffen, was richtig gut ist - das ist die ehrliche Antwort. Ich kann nicht zurückblicken und sagen, alles war eitel Sonnenschein. Was ich einfach versuche ist, etwas Gutes zu machen.

4Players: Vielen Dank für das Gespräch!

      

 
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