Der unbekannte Spieleriese
In Seoul schlägt das Herz des international agierenden Publishers NCSOFT: Über 2000 Entwickler werkeln in aller Welt auf mehrere Studios verteilt an Spielen, 1300 alleine in Korea, vor allem an so genannten „Massively Multiplayer Onlinegames“ (MMO). Dabei sind die Titel in der Regel vier bis fünf Jahre in der Entwicklung und verschlingen bis zu 50 Millionen Dollar. Dazu gehört auch
Blade & Soul, das im Januar 2016 in Europa starten soll.
Aber wenn man die Leute auf den Straßen von Berlin, München oder Hamburg fragen würde, wer oder was NCSOFT ist, würden die meisten sicher mit dem Kopf schütteln, wenn sie nicht gerade
Guild Wars 2 oder
WildStar kennen. Dass der asiatische Spieleriese hierzulande eher unbekannt ist, hängt auch mit der Geschichte und Strategie zusammen, in der z.B. Konsolen von Sony, Nintendo oder Microsoft nahezu keine Rolle spielen. Außerdem hat man sich auf Online-Rollenspiele fokussiert – ein Massenmarkt, der im Westen lange von Ultima, EverQuest, Dark Age of Camelot & Co geprägt und seit 2004 von
World of WarCraft dominiert wurde.
NCSOFT wurde am 11. März 1997 gegründet. Das Hauptquartier steht in Seoul, Südkorea.
NCSOFT wurde im März 1997 von T.J. Kim gegründet, der auch heute noch die Geschäfte leitet. Damals konnte er sicher noch nicht ahnen, dass seine Firma mal laut Angaben von 2012 an die 3000 Mitarbeiter beschäftigen und über 680 Millionen US-Dollar Umsatz verzeichnen würde. Der Erfolg kam nicht von ungefähr, denn von Anfang an war man auch international ausgerichtet. Noch wichtiger war aber, dass NCSOFT mit seinen koreanischen Spielen in der Heimat in eine technikbegeisterte Marktlücke stieß, die bis heute von einer interessanten Spielkultur getragen wird, die wir auch im
4Players-Talk diskutieren.
In Korea spielt man in der Regel nicht zuhause alleine ein Offline-Abenteuer, sondern auswärts in Bars miteinander – und zwar am liebsten online am PC. Ganz anders als in Japan, wo Konsolen und Handhelds wie PlayStation 4, Wii U, 3DS & Co regieren. Dass es trotz der Nachbarschaft diese Unterschiede gibt, hängt auch mit der konfliktreichen Geschichte dieser Länder zusammen: Als die japanischen Besatzer das Land 1945 verließen, sorgten die Koreaner per Gesetz dafür, dass japanische Medien nicht importiert werden durften – weder Musik noch Mangas oder Spiele. Erst Ende der 90er Jahre öffnete man sich und erst seit 2000 durften offiziell Spiele importiert werden. Umso verständlicher, dass man sich bei NCSOFT auf den PC sowie Online-Abenteuer konzentrierte.
Lineage als Grundstein des Erfolges
Unübersichtliche Gemetzel gehörten zum Alltag im Online-Rollenspiel Lineage, das 1998 in Nordamerika debütierte.
Das erste Online-Rollenspiel für den Rechner erschien im September 1998 in Amerika, wurde von Jake Song entwickelt und hieß
Lineage. In einer düsteren mittelalterlichen Fantasy-Welt kämpfte man aus isometrischer Perspektive, wobei Elfen, Magier & Co auch westliche Geschmäcker trafen. Trotzdem blieb dieses Abenteuer eher ein Geheimtipp in Europa und pflegte ein Nischendasein. Vor allem in Korea war diese markante Premiere jedoch ein enormer Erfolg und bildete den Grundstein für weitere Expansionen. Weltweit zählte man in Bestzeiten drei Millionen Spieler und die Verkäufe von Lineage brachten NCSOFT bis zum Schließen der nordamerikanischen Server im Jahr 2011 an die 1,3 Milliarden US-Dollar ein.
Kein Wunder, dass man 2001 mit NC Interactive, heute NCSOFT West, den ersten US-Ableger gründete und mal eben Richard Garriotts Studio Destination Games kaufen konnte Spätestens jetzt horchte man als Rollenspieler auch in Europa auf und war gespannt auf das, was da aus Korea noch kommen würde, wenn der Ultima-Vater mit an Bord ist.
Lineage 2 mit Richard Garriott
Lineage 2 war 2003 technisch ein großer Schritt nach vorne und wirkte mit seinem Tolkienflair "westlicher".
Zunächst erschien 2003 in Korea sowie 2004 in Amerika erwartungsgemäß der Nachfolger:
Lineage II präsentierte sich in einer wesentlich moderneren 3D-Kulisse, bot viel Tolkienflair samt Orks und Zwergen, dazu Gruppentaktik, ein Sozialsystem und natürlich die prestigeträchtige Beteiligung von Richard Garriott. Auch wenn die Spielekritiken eher durchwachsen ausfielen, zahlte sich der Aufwand aus: Über eine Million registrierte Spieler wurden alleine im März 2007 gezählt, als immerhin World of WarCraft das Nonplusultra war.
Allerdings war der Erfolg regional beschränkt: In Korea war NCSOFT längst eine Macht, aber in Amerika und Europa konnte man sich noch nicht festbeißen. Deshalb startete man die Zusammenarbeit mit westlichen Entwicklern. Im April 2004 versuchte man es mit Superhelden in City of Heroes. Das von den Cryptic und Paragon Studios entwickelte MMO sorgte thematisch für frischen Wind, konnte bei uns eine gute Wertung einheimsen und wurde 2005 zusammen mit Lineage 2 auch offiziell in Europa veröffentlicht. Aber trotz zig Erweiterungen und cooler Ideen konnten die Superhelden nicht das abliefern, was 2005 erst einem anderen MMO gelingen sollte.