Special: Film & Spiel (Sonstiges)

von Jörg Luibl



Sonstiges
Entwickler: Spielkultur
Publisher: 4Players
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Spielinfo
4Players: Was halten Sie von der Erzählweise in Half-Life 2? Hat das etwas mit Filmvorbildern zu tun?

Jürgen Sorg: Mir gefällt die Erzählweise in HL2 sehr gut, vor allem der strukturelle Aufbau. Gut gelungen finde ich beispielsweise die Einbettung des Tutorials in die Erzählhandlung, ebenso wie den Verzicht auf nicht-interaktive Cutscenes.
Ob die Erzählweise in HL2 etwas mit konkreten Filmvorbildern zu tun hat, ist in der Kürze kaum zu beantworten. Darum geht es auch nicht. Es geht vielmehr darum, dass Computerspiele wie HL2 eine Vielzahl verschiedener narrativer Formen aufweisen, die durchaus auch in Filmen und anderen Medien zu finden sind. Dazu gehören beispielsweise kompositorische (z.B. Bildaufbau), konstruktive (Plot, Legitmierung und Motivierung von Handlungen) und thematische Formen (Stoffe und Motive der Science Fiction Utopien). Aber die Funktion dieser narrativen Formen ist im Spiel freilich eine andere als beispielsweise im Film.

4Players: Auf welchem Niveau befinden sich das Storytelling in Spielen im Vergleich zum Film?

Jürgen Sorg: Schwierige Frage. Für einige Autoren stellen Computerspiele einige der innovativsten Erzählkonzepte unserer Medienlandschaft dar. Ein Ludologe würde hier aber sofort widersprechen. Computerspiele sind eben keine Erzählungen, sondern Spiele. Aus meiner Sicht liegt das spezifische Potenzial des Computerspiels wie gesagt in der Verschaltung spielerisch-performativer und narrativer Formen. Jede Spielhandlung, die herausgefordert wird und ich ausführe findet eine Entsprechung im Bildschirmgeschehen, wird also gewissermaßen narrativ kontextualisiert. So wird der Spieler selbst zum Träger der Darstellungshandlung. In nicht-interaktiven Cutscenes oder Introsequenzen ist das freilich anders, und hier unterscheiden sich die "storytelling"-Formen nur wenig von filmischen Vorbildern. Aber noch mal: gerade die Verschaltung von Spielerischem und Erzählerischem ruft beim Spielen eine Rezeptionshaltung hervor, die es so beim Film nicht gibt.

Um aber einmal konkreter zu werden: gerade dieses Potenzial macht das Computerspiel aber attraktiv für bestimmte "storys" oder "plots". Zum Beispiel für das Horrorgenre. "Horror" kann so - über einen Avatar - für mich als Spieler direkt erfahrbar werden. In Silent Hill wird der Spieler beispielsweise in Gefahrensituationen durch ein akustisches Rauschen so 'gestört', dass die Lokalisierung der Gegner nur noch visuell möglich ist. Durch diese - wie Christian Stöcker das einmal gennant hat - 'akustische Blindheit' entsteht Angst. Das Spiel ist hier durch seine Verwendungsmöglichkeit von Raumklang dem Film überlegen. Aber darüber lässt sich freilich streiten.

4Players: Eine sehr interessante Formulierung. Aber manchmal muss gar nicht viel an Filmschnipseln, Geräuschen oder Dialogen eingestreut werden und dennoch kann sich ein Epos entfalten. Wie sieht das bei Shadow of the Colossus aus?

Jürgen Sorg:  Im Prinzip ist das "storytelling" ziemlich reduziert. Mit Hilfe einiger weniger Cutscenes wird die Rahmenerzählung vermittelt. Mit dem dramaturgischen Ende der Erzählung, wie er dem Spieler nach dem letzten Bossfight präsentiert wird, schafft Shadow etwas sehr interessantes: trotz 'gewonnenen' Spiels, 'verliert' man in der Erzählung: der Held - und somit der Spieler - wird nicht wie typisch für das Hollywood Kino belohnt, sondern scheitert. Gesteigert wird das Ganze noch dadurch, dass man das "Scheitern" seines Helden spielen muss ( es ist ja kaum möglich, dem Sog des Brunnens zu entrinnen). Zwar stirbt der Held dann doch nicht und seine Prinzessin ist gerettet, aber als gehörntes Baby zu enden ist wahrlich kein Happy End.

4Players: Wäre es für die Spielebranche und die Qualität kommender Games hilfreich, sich in Sachen Dramaturgie stärker am Film zu orientieren?

Jürgen Sorg: Nein, das denke ich nicht. Computerspiele müssen wenn überhaupt ihre eigenen Potenziale für mögliche Dramaturgien realisieren, die sich im Spielerleben ohnehin gänzlich von denen des Films unterscheiden. Gerade im Einbinden des Spielers in das Spiel- und Erzählgeschehen liegen hier die Möglichkeiten, nicht in der Realisierung einer kompletten erzählerischen Dramaturgie. Darüber hinaus hoffe ich aber sehr, dass weiterhin Computerspiele auf den Markt kommen, die keiner narrativen Dramaturgie bedürfen: Raumspiele wie Tetris oder REZ sind hier gelungene Beispiele.

4Players: Es gibt Anti-Kriegs-, Anti-Rassismus-, Anti-Drogen-, Anti-Gewaltfilme. Wird die Spielewelt nicht erst dann erwachsen, wenn es auch Titel gibt, die gesellschaftliche Probleme schonungslos aufgreifen?

Jürgen Sorg: Das würde voraussetzen, dass jedes Computerspiel dazu prinzipiell in der Lage ist. Während Filme solche Probleme u. a. als Erzählungen verhandeln können, ist das nicht zwangsläufig in jedem Computerspiel möglich. Das Problem ist hier die Vielfalt und Verschiedenheit von Computerspielen. Während in bestimmten Genres durchaus solche "Probleme" erzählerisch aufgegriffen werden könnten, gilt dies keineswegs für alle. Es ist wichtig, die jeweils herausgeforderten Spielhandlungen verschiedener Genres zu unterscheiden. Sportspiele, Lan-Shooter, MMORPGS usw. weisen jeweils eigene sehr unterschiedliche narrative und spielerische Potenziale auf. Es wäre dieser Vielfalt nicht angemessen, Computerspiele nur hinsichtlich eines Aufgreifens gesellschaftlicher Probleme aufzuwerten. Aber ich stimme zu, dass es der "Spielewelt" nicht schaden würde, könnte sie einige solcher Titel aufweisen. Aber das können auch Spiele wie Tetris.

4Players: Was halten Sie von Spielen zu Filmen? Gibt es Lizenznachfolger, die künstlerische Elemente des Films gekonnt in virtuelle Welten transportieren?

Jürgen Sorg: Eigentlich halte ich nicht viel von Spielen zu Filmen. Zumindest kann ich mich an keine Umsetzung erinnern, die mich besonders fasziniert hat. TRON 2.0 mag da eine erfreuliche Ausnahme sein. Letztlich handelt es sich bei den meisten Mainstream-Lizenzspielen aber um keine durch ihre Spielprinzipien oder durch ihre grafische Umsetzung überzeugenden Umsetzungen. Auch hinsichtlich der Übernahme von Story und Plot des umzusetzenden Films, weisen diese meist nicht viel Kreativität auf. Einige Der Herr der Ringe -Spiele sind da evtl. Sonderfälle: Figuren, Welt und Hintergrundgeschichte wurden zwar übernommen, der Plot allerdings nicht, so dass man als Spieler zumindest keinen bereits bekannten Handlungsverlauf nachspielen muss.
          

Kommentare

johndoe-freename-80028 schrieb am
Hi Jörg,
schöner Beitrag. Ich finde es gut, dass der akademische Diskurs auch populäre "Spielstätten" wie dieses Forum aufsucht.
Was den Vergleich zwischen Film und Spiel auf der Ebene der Narration und der Form angeht würde ich mir noch weitergehende Analysen wünschen.
a) Tetris erzählt bekanntermaßen nichts und ebensowenig Space Invaders. Die Narratologie "vernachlässigt" in meinen Augen diese Elemente bzw. stützt sich dann auf die Mehrheit der Spiele, die Gameplay und Story verschalten. Müsste man nicht kritisch den Umstand reflektieren, dass Narration die Games regelrecht auflädt - oftmals zu ungunsten innovativer Spielprinzipien?
b) Der Vergleich zwischen Film und Games stützt sich meist auf die Optik, manchmal auf die Technik, also den Einsatz von CG in Film oder von "Cutscenes" in Games. Interessant ist doch aber, dass Film seine Geschichte über die Kameraeinstellung erzählt, während im Game die vom Spieler geführte Einstellung der Kamera - mit Ausnahme von Cutscenes - keine narrative Bedeutung hat, sondern einzig der Orientierung bzw. Erkennung dient. Ist das nicht ein bemerkenswerter Unterschied zwischen beiden Medien? Mein Eindruck ist, dass genau aufgrund dieser Differenz die Versuche, Computerspiele im Film anklingen zu lassen, bisher enttäuschend waren.
c) Die Unterscheidungen hinsichtlich der Partizipation des Zuschauers/Gamers, also zwischen einem "lean forward"-Medium, wie die Games, und "lean back" wie der Film sind inzwischen zu häufig in Anschlag genommen worden und zu grob. Der Diskurs sollte hier voran schreiten - wie siehst du hier die Entwicklung? Wo findet man in dem Diskurs neue Impulse?
Beste Grüße
johndoe477744 schrieb am
Na was Fahrenheit angeht muss ich Dir das mit der 2ten Hälfte
einfach mal glauben,denn wie gesagt ich habe es "noch"nicht
gespielt.
Ich spiele viel Aktion -Adventure,von daher bin ich auch wie
Du immer an Spielen mit guter Story interessiert und ja,man
muss schon suchen,aber anders als Du habe ich da schon
ein paar gefunden,die meine Erwartungen erfüllt haben.
Richtig ist sicherlich,dass viel auf Mainstream und Sicherheit
hin produziert wird,um den Massenmarkt zu bedienen,dennoch
gibt es immer wieder Ausnahmetitel,auch wenn die ,wie Du schon
richtig sagst im Vergleich zu dem Mainstream recht rar gesäht sind.
Gerade fällt mir noch Prince of Persia-Sands of Time ein...
Naja,wir werden sehen was uns die neue Konsolengeneration so bringt,
glücklicherweise gibt es immer wieder Spieleschmieden,die
auch mal etwas ungewöhnliches,abseits des Mainstreams
versuchen und da setze ich drauf und sehe dem Ganzen
etwas positiver entgegen. :wink:
Ragism schrieb am
@ n2deep: Fahrenheit war für ein Spiel sehr gut erzählt, aber wenn es mit den Ansprüchen eines Filmes oder Buches beäugt worden wäre, wäre das Spiel vernichtend verrissen worden, weil die zweite Hälfte des Spieles einfach lächerlich war. Die Bewertungskriterien für Spiele belaufen sich auf kleingeistige Bedienungselemente, KI oder Grafik. Das wäre, als wenn ein Roman nach einigen wenigen Sätzen oder Tippfehlern bewertet werden würde, das ist der Punkt.
Beyond Good & Evil ist in der Tat eines der besseren Spiele, das hat mir richtig Spaß gemacht und ich war bis zum Schluß voller Begeisterung dabei. Sorry, daß ich den Titel vergessen habe ^^
Nichtsdestotrotz ist das eine Ausnahme. Das eine wirklich gute Spiel, das vielleicht im Jahr rauskommt, hilft der Quote und der Situation nur bedingt. Vielleicht bin ich wirklich zu frustriert und unfair, aber wenn ich mir ansehe, wie einfalls- und lieblos mit dem Medium umgegangen wird, welches das größte Potenzial besitzt, werde ich nunmal sehr ärgerlich.
johndoe477744 schrieb am
@Ragism
In den letzten 2 Jahren kein Spiel mit Tiefe oder
guter Story gefunden?!Hmm.Komisch.
Beyond Good and Evil,Fahrenheit(zwar selber
noch nicht gespielt,aber scheint doch in Deine
gesuchte Kategorie zu fallen)
oder auch King Kong orientiert sich ja fast 1 zu 1 am
Film.
Shadow of the Colossus...sind nur wenige Beispiele
für Spiele mit Spieltiefe(Charaktertiefe),
oder Seele(BG and E) wie Jörg sagen würde.
Also ich glaube,da hast Du bestimmt einige gute Spiele
einfach übersehen oder nicht angespielt,es gibt ja noch so
viel mehr.
In einem Punkt gebe ich Dir aber Recht,dass es viele Spiele
gibt,die zwar auch sehr gut sind,aber das Augenmerk eher
auf Action liegt und die Story nur Beiwerk ist,ist wohl war.
Bei einigen Games wäre wohl viel mehr drin gewesen,wenn
die Story nur etwas komplexer oder spannender gewesen wäre
,oder der ein oder andere Held etwas mehr Format
abbekommen hätte.
Ragism schrieb am
Einige sehr interessante Aspekte wurden hier angesprochen. Ich will aber erstmal ein Thema anschneiden, welches mich am meisten beschäftigt.
Ich finde, daß Spiele auf jeden Fall versuchen sollten, sich erzählerisch an den Ansprüchen zu orientieren, welche an Bücher und Filme gestellt werden. Sicherlich wird es da immer eine Vielfalt geben und Spiele in der Art von Tetris oder Pacman werden auch in Zukunft eine Menge Spaß machen, aber wenn es ausschließlich inhaltlose Titel gibt, wird unser kleines Hobby niemals auf eine größere Akzeptanz stoßen. Ich bin ein denkender Spieler, der Inspirationen braucht um begeistert zu werden. Für mich ist in den letzten zwei Jahren eigentlich kein Titel mehr erschienen, obwohl ich alles angespielt habe.
Die Folgen davon sind, daß Spiele nur noch kurzfristig Spaß machen oder mittelfristig nur dann, wenn sie einen noch viel inhaltloseren Multiplayer-Modus besitzen. Es macht mich selbst am traurigsten, wenn ich mich nicht an eine einzige Story oder Dramaturgie in den letzten Jahren erinnern kann, welche mich nachhaltig beeindruckt hat. Und es sind nunmal diese Elemente, welche einem Spiel eine Zeitlosigkeit verleihen.
Ansätze wie sie in Peter Molyneux's Fable 2 gemacht werden sind ein interessanter Punkt und haben ihrerseits einen Anspruch, weil sie spielerisch und atmosphärisch so originell sind, daß daraus wieder unvergessliche, dynamische Ereignisse entstehen können. Viel einfacher gestalten könnte man es allerdings, wenn man stattdessen einfach mal eine wirkliche Charaktertiefe und eine gut getimete Dramaturgie einsetzt. Leider kann man nur noch müde lächeln, wenn ein gut bezahlter PR-Fuzzi eines x-beliebigen Publishers einem etwas von "spannenden Stories" und "tiefgründigen Charakteren" erzählt, weil nicht einmal Half-Life 2 spannender als eine Telenovela erzählt werden konnte. Die Erzählkultur ist der Technikkultur gewichen.
Ich hoffe inständigst, daß kleinen Entwicklern Plattformen geboten werden können, um nicht-mainstreamige...
schrieb am