Special: Film & Spiel (Sonstiges)

von Jörg Luibl



Sonstiges
Entwickler: Spielkultur
Publisher: 4Players
Release:
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Spielinfo
4Players: Fühlen Sie sich als junger Spieleforscher in Deutschland eigentlich gut aufgehoben? Welche Perspektiven sehen Sie?

Jürgen Sorg: Ich kann natürlich nicht für alle sprechen, die sich mit Computerspielen beschäftigen. Ich fühle mich jedenfalls sehr gut aufgehoben, was nicht heißt, dass meine Beschäftigung mit Computerspielen im Kollegenkreis nicht doch immer wieder mal belächelt wird. Dennoch tut sich derzeit eine Menge. Es finden sich immer mehr Konferenzen, Tagungen und Publikationen zum Thema, immer mehr Studenten möchten in diesem Bereich ihre Haus- und Abschlussarbeiten schreiben, die erste Computerspiel-Professur wurde bereits ausgeschrieben, erste universitäre gamestudies-Programme tauchen auf. Ich bin da sehr zuversichtlich.

4Players: In der Spielewissenschaft gibt es bekanntlich zwei Schulen mit unterschiedlichen Ansätzen: Die Narratologen betrachten Spiele aus der Perspektive bekannter literatur- oder geisteswissenschaftlicher Lupen, die Ludologen wollen Spiele als ganz eigene Welten betrachten und eigene Forschungsmethoden entwickeln. Welcher Gruppe stehen sie nahe?

Jürgen Sorg: Keiner der beiden. Ohnehin zeigt sich aber, dass in der Forschung - z.B. in den neueren game studies - zunehmend die Vielheit und Unterschiedlichkeit der Aspekte betont und akzeptiert werden, die in der Computerspielkultur eine Rolle spielen. Als Medienwissenschaftler gilt unser Interesse vor allem den Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen dem Computerspiel und anderen Mediengattungen und nicht einer speziell für das Computerspiel entwickelten Methodik. Durch die tief greifenden Veränderungen im Mediensystem bedarf es allerdings einer Überarbeitung medienwissenschaftlicher Begriffe. Daher entwickeln wir in unserem Projekt ein eigenes grundbegrifflich orientiertes Modell, um die in Computerspiel und Spielfilm zu beobachtenden Trends zur Hybridisierung und Amalgamisierung von Spiel- und Erzählformen zu beschreiben.

4Players: Was halten Sie von der Jugendschutzsituation in Deutschland? Erst kürzlich wurde z.B. Dead Rising indiziert, wir mussten unseren Test offline stellen. Hat diese Gesetzeslage auch Einfluss auf ihre Forschung?

Jürgen Sorg: Erfreulicherweise nicht. Freilich sehen aber auch wir uns ständig mit diesen Problem- und Fragestellungen gerade aus der Öffentlichkeit konfrontiert. Wir würden uns allerdings freuen, wenn wir mit unserer Herangehensweise zu einer neuen Diskussion über das Computerspiel beitragen könnten, die fern von wirkungsorientierten und kulturpessimistischen Haltungen abläuft.

Davon abgesehen halte ich es aber durchaus für sinnvoll, dass es Jugendschutz gibt. Denn natürlich gibt es Spiele, die nichts für Kinder sind. Aber ein Spiel wie Dead Rising wegen seines Gewaltinhalts zu indizieren, halte ich für völlig falsch. Der Jugendschutz müsste vielmehr über eine reine - und oftmals nicht ganz nachzuvollziehende - Bewertung von Spielen hinausgehen und auch Aufklärungsmaßnahmen für Eltern und Lehrer beinhalten. Aber diese Diskussion darf im Computerspieldiskurs keineswegs dominieren, da sie der Computerspielvielfalt kaum gerecht wird.

4Players: Da können wir in allen Punkten zustimmen. Aber zurück zu kreativen Perspektiven: Alle Welt blickt auf die kommenden Konsolen. Was halten Sie als Akademiker von den Konzepten des Wii oder der PlayStation 3?

Jürgen Sorg: Tja, auch wir blicken erwartungsvoll auf die kommenden Konsolen. Gespannt bin ich vor allen Dingen auf die Steuerungsmöglichkeiten der neuen Controller. Ich kann nur hoffen, dass es genug neue Spielkonzepte geben wird, die die performativ-orientierten Eingabemöglichkeiten kreativ nutzen. Aus wissenschaftlicher Sicht sind diese Interaktionsmöglichkeiten und die daraus resultierenden neuen Spielerfahrungen höchst interessant. Der Spieler selbst bzw. dessen vor dem Bildschirm stattfindende Performanz - die Mensch-Computer-Interaktion - könnte dadurch verstärkt in den wissenschaftlichen Blick rücken.

4Players: Auf welche Spiele freuen Sie sich in diesem Jahr ganz besonders?

Jürgen Sorg: Ich bin vor allen Dingen auf die Wii-Titel gespannt. Besonders freue ich mich auf God of War 2 - aber das kommt ja erst Anfang nächsten Jahres. Als Marvel-Fan ist aber auch schon Marvel: Ultimate Alliance fest eingeplant - wobei ich mir da hinsichtlich der Spielmodi nicht viel erwarte.

4Players: Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg bei Ihren Studien!
     

Kommentare

johndoe-freename-80028 schrieb am
Hi Jörg,
schöner Beitrag. Ich finde es gut, dass der akademische Diskurs auch populäre "Spielstätten" wie dieses Forum aufsucht.
Was den Vergleich zwischen Film und Spiel auf der Ebene der Narration und der Form angeht würde ich mir noch weitergehende Analysen wünschen.
a) Tetris erzählt bekanntermaßen nichts und ebensowenig Space Invaders. Die Narratologie "vernachlässigt" in meinen Augen diese Elemente bzw. stützt sich dann auf die Mehrheit der Spiele, die Gameplay und Story verschalten. Müsste man nicht kritisch den Umstand reflektieren, dass Narration die Games regelrecht auflädt - oftmals zu ungunsten innovativer Spielprinzipien?
b) Der Vergleich zwischen Film und Games stützt sich meist auf die Optik, manchmal auf die Technik, also den Einsatz von CG in Film oder von "Cutscenes" in Games. Interessant ist doch aber, dass Film seine Geschichte über die Kameraeinstellung erzählt, während im Game die vom Spieler geführte Einstellung der Kamera - mit Ausnahme von Cutscenes - keine narrative Bedeutung hat, sondern einzig der Orientierung bzw. Erkennung dient. Ist das nicht ein bemerkenswerter Unterschied zwischen beiden Medien? Mein Eindruck ist, dass genau aufgrund dieser Differenz die Versuche, Computerspiele im Film anklingen zu lassen, bisher enttäuschend waren.
c) Die Unterscheidungen hinsichtlich der Partizipation des Zuschauers/Gamers, also zwischen einem "lean forward"-Medium, wie die Games, und "lean back" wie der Film sind inzwischen zu häufig in Anschlag genommen worden und zu grob. Der Diskurs sollte hier voran schreiten - wie siehst du hier die Entwicklung? Wo findet man in dem Diskurs neue Impulse?
Beste Grüße
johndoe477744 schrieb am
Na was Fahrenheit angeht muss ich Dir das mit der 2ten Hälfte
einfach mal glauben,denn wie gesagt ich habe es "noch"nicht
gespielt.
Ich spiele viel Aktion -Adventure,von daher bin ich auch wie
Du immer an Spielen mit guter Story interessiert und ja,man
muss schon suchen,aber anders als Du habe ich da schon
ein paar gefunden,die meine Erwartungen erfüllt haben.
Richtig ist sicherlich,dass viel auf Mainstream und Sicherheit
hin produziert wird,um den Massenmarkt zu bedienen,dennoch
gibt es immer wieder Ausnahmetitel,auch wenn die ,wie Du schon
richtig sagst im Vergleich zu dem Mainstream recht rar gesäht sind.
Gerade fällt mir noch Prince of Persia-Sands of Time ein...
Naja,wir werden sehen was uns die neue Konsolengeneration so bringt,
glücklicherweise gibt es immer wieder Spieleschmieden,die
auch mal etwas ungewöhnliches,abseits des Mainstreams
versuchen und da setze ich drauf und sehe dem Ganzen
etwas positiver entgegen. :wink:
Ragism schrieb am
@ n2deep: Fahrenheit war für ein Spiel sehr gut erzählt, aber wenn es mit den Ansprüchen eines Filmes oder Buches beäugt worden wäre, wäre das Spiel vernichtend verrissen worden, weil die zweite Hälfte des Spieles einfach lächerlich war. Die Bewertungskriterien für Spiele belaufen sich auf kleingeistige Bedienungselemente, KI oder Grafik. Das wäre, als wenn ein Roman nach einigen wenigen Sätzen oder Tippfehlern bewertet werden würde, das ist der Punkt.
Beyond Good & Evil ist in der Tat eines der besseren Spiele, das hat mir richtig Spaß gemacht und ich war bis zum Schluß voller Begeisterung dabei. Sorry, daß ich den Titel vergessen habe ^^
Nichtsdestotrotz ist das eine Ausnahme. Das eine wirklich gute Spiel, das vielleicht im Jahr rauskommt, hilft der Quote und der Situation nur bedingt. Vielleicht bin ich wirklich zu frustriert und unfair, aber wenn ich mir ansehe, wie einfalls- und lieblos mit dem Medium umgegangen wird, welches das größte Potenzial besitzt, werde ich nunmal sehr ärgerlich.
johndoe477744 schrieb am
@Ragism
In den letzten 2 Jahren kein Spiel mit Tiefe oder
guter Story gefunden?!Hmm.Komisch.
Beyond Good and Evil,Fahrenheit(zwar selber
noch nicht gespielt,aber scheint doch in Deine
gesuchte Kategorie zu fallen)
oder auch King Kong orientiert sich ja fast 1 zu 1 am
Film.
Shadow of the Colossus...sind nur wenige Beispiele
für Spiele mit Spieltiefe(Charaktertiefe),
oder Seele(BG and E) wie Jörg sagen würde.
Also ich glaube,da hast Du bestimmt einige gute Spiele
einfach übersehen oder nicht angespielt,es gibt ja noch so
viel mehr.
In einem Punkt gebe ich Dir aber Recht,dass es viele Spiele
gibt,die zwar auch sehr gut sind,aber das Augenmerk eher
auf Action liegt und die Story nur Beiwerk ist,ist wohl war.
Bei einigen Games wäre wohl viel mehr drin gewesen,wenn
die Story nur etwas komplexer oder spannender gewesen wäre
,oder der ein oder andere Held etwas mehr Format
abbekommen hätte.
Ragism schrieb am
Einige sehr interessante Aspekte wurden hier angesprochen. Ich will aber erstmal ein Thema anschneiden, welches mich am meisten beschäftigt.
Ich finde, daß Spiele auf jeden Fall versuchen sollten, sich erzählerisch an den Ansprüchen zu orientieren, welche an Bücher und Filme gestellt werden. Sicherlich wird es da immer eine Vielfalt geben und Spiele in der Art von Tetris oder Pacman werden auch in Zukunft eine Menge Spaß machen, aber wenn es ausschließlich inhaltlose Titel gibt, wird unser kleines Hobby niemals auf eine größere Akzeptanz stoßen. Ich bin ein denkender Spieler, der Inspirationen braucht um begeistert zu werden. Für mich ist in den letzten zwei Jahren eigentlich kein Titel mehr erschienen, obwohl ich alles angespielt habe.
Die Folgen davon sind, daß Spiele nur noch kurzfristig Spaß machen oder mittelfristig nur dann, wenn sie einen noch viel inhaltloseren Multiplayer-Modus besitzen. Es macht mich selbst am traurigsten, wenn ich mich nicht an eine einzige Story oder Dramaturgie in den letzten Jahren erinnern kann, welche mich nachhaltig beeindruckt hat. Und es sind nunmal diese Elemente, welche einem Spiel eine Zeitlosigkeit verleihen.
Ansätze wie sie in Peter Molyneux's Fable 2 gemacht werden sind ein interessanter Punkt und haben ihrerseits einen Anspruch, weil sie spielerisch und atmosphärisch so originell sind, daß daraus wieder unvergessliche, dynamische Ereignisse entstehen können. Viel einfacher gestalten könnte man es allerdings, wenn man stattdessen einfach mal eine wirkliche Charaktertiefe und eine gut getimete Dramaturgie einsetzt. Leider kann man nur noch müde lächeln, wenn ein gut bezahlter PR-Fuzzi eines x-beliebigen Publishers einem etwas von "spannenden Stories" und "tiefgründigen Charakteren" erzählt, weil nicht einmal Half-Life 2 spannender als eine Telenovela erzählt werden konnte. Die Erzählkultur ist der Technikkultur gewichen.
Ich hoffe inständigst, daß kleinen Entwicklern Plattformen geboten werden können, um nicht-mainstreamige...
schrieb am