Ist das Glas dennoch halb voll?
Martin Löhlein entgegnet, dass es zwar Nachholbedarf bei den Konsolen gebe - insgesamt stehe die deutsche Szene aber derzeit wesentlich besser da als noch vor fünf Jahren. So gebe es eine Reihe von Firmen, die mittlerweile an Spielen für NDS, Wii, Xbox 360 oder PS3 arbeiten. Deutsche Entwickler seien außerdem sogar in gewissen Bereichen führend, fügt Weidemann hinzu. So würden sich hier produzierte Handy-Spiele und browser-basierte Titel großer Beliebtheit erfreuen.
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Im Mittelpunkt des Interesses stand der kommende Shooter Crysis; hier präsentiert von Bernd Diemer, Designer bei Crytek. |
Internationale Publisher würden den deutschen Markt außerdem nicht aus dem Blickfeld verlieren. Schließlich würde ein Spiel wie Crysis zeigen, dass derartig ambitionierte Produktionen auch hier möglich seien. Der Publisher jenes Titels, Electronic Arts, hätte außerdem auch mit der Übernahme von Phenomic ein Zeichen gesetzt. Die Stimmung unter den Entwicklern, so der generelle Konsensus der Teilnehmer, sei auf der ersten Quo Vadis insgesamt schlechter gewesen. Dennoch habe man noch viel Arbeit vor sich, gerade im Bezug auf die anfangs diskutierte Internationalisierung der Teams.
Unfertige Cash-Burner
Strukturelle Probleme standen auch im Mittelpunkt eines Panels zum Thema "Dead Horse Riding bzw. wie man tote Pferde reitet". Ralf Adam, schon bei Firmen wie Sunflowers, Atari und Jowood tätig und mittlerweile als selbständiger Produzent und Berater unterwegs, Marc Huppke, Christopher Schmitz und Christian Braun (allesamt 10tacle) monieren insbesondere Probleme im Bereich der Planung von Projekten. Keiner der Diskussionsteilnehmer zweifelt daran, dass gerade in diesem Bereich unnötig an Geld gespart werde. Die vermeintliche Ersparnis werde in der späteren Produktion in der Regel zum Bumerang für alle Beteiligten, denn die spätere Korrektur von eigentlich vermeidbaren Fehlern komme diese teuer zu stehen. Steckt eine Entwicklung erstmal in der Sackgasse (bzw. das Pferd ist tot), werden oft noch extrem gut bezahlte Berater von außen angeheuert, um die rettende Kavallerie zu spielen.
Bei vielen Projekten, so Adam, fehle den Firmen der Mut, diese einzustellen, sobald man sich verfahren habe. Die Angst um das investierte Geld und die Arbeit resultiere dann in weiteren Zuschüssen - oft sei dann der berüchtigte 'Point of no Return' erreicht, bei dem es für die Hersteller kein (gefühltes) Zurück mehr gebe. Dabei, führt Adam weiter aus, sei "jede einsgestellte Pre-Production eigentlich ein Erfolg", weil die Entwickler so anerkennen würden, dass die ursprünglich anvisierten Ziele vor der Vollproduktion nicht erreicht werden konnten, anstatt weiter Geld zu verpulvern.
Schwammige Definitionen und fehlende Konsequenz in der Planung hätten entsprechende Konsequenzen. Oftmals gebe es keine Einteilung der Features in die zwingend erforderliche (Must-Haves), gewünschte (Should-Haves) sowie schöne aber im Notfall vernachlässigbare (Nice-to-Haves). Auch werden oft an den Designdokumenten herumgespielt, ohne dass dazu ein von beiden Seiten vereinbarter Abstimmungsprozess (Change Control) stattfinden würde.
Das deutsche Dream-Team?
Nachdenkliche Gesichter gibt es in der Runde, als die Frage gestellt wird, welchem deutschen Team man zutraue, ein Projekt unter den ursprünglich gesetzten Bedingungen umzusetzten. Chris Braun, vor seinem Wechsel zu 10tacle bei Sunflowers als Producer von Anno 1701 tätig, nennt Related Designs, die Entwickler jenes Spiels - muss aber auch eingestehen, dass das eine oder andere Feature aus Zeitgründen fallen gelassen werden musste.
"Dafür habt ihr aber das Budget überzogen", wendet Adam ein und legt sich fest: "Weltweit gibt es meiner Meinung nach kein Team, dass ein Spiel komplett mit allen geplanten Features im Rahmen des festgelegten Budgets und der vereinbarten Zeit verwirklichen würde." Eines der drei Kriterien werde immer überschritten bzw., im Falle der Features, gekürzt werden.
Ein weiteres typisches Problem verdeutlicht Schmitz anhand eines Beispiels: Oftmals werde der beste Programmierer zum Leiter seines Teams gemacht. Was bei einem kleinen Team noch Sinn machen könnte. Sobald man mehr als 6-7 Mitglieder in einer Abteilung hat, dürfte dies eher problematisch werden. Dann nämlich sei ausgerechnet die eigentlich produktivste Person mit administrativen Ausgaben ausgelastet, anstatt direkt am Produkt wirken zu können. Auch sei der beste Coder nicht automatisch derjenige, der am effizientesten ein Team zu leiten vermag.
Aber auch eine entsprechende Teamstruktur und gute Planung nützen nichts, wenn bei der Umsetzung geschlampt wird. Sollte sich eine Idee nicht innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit verwirklichen lassen, muss der Entwickler, so die Empfehlung der Runde, diese konsequent fallen lassen und auf den hoffentlich erarbeiteten Plan B zurückgreifen, anstatt mehr als die intendierten Ressourcen zu verschwenden in der Hoffnung, dass man dies doch irgendwie bewerkstelligen könne.