Im Test:
Trade, Fight, Build, Think
Diese vier Schlagworte kennzeichnen die X-Serie und auch Terran Conflict ist im Kern eine komplexe Wirtschaftssimulation mit riesigem, frei zugänglichen Universum (Sandkasten) und untergeordneten Action- und Rollenspiel-Anleihen. Spiel bestimmend ist die Wirtschaftssimulation, die das vergleichsweise gemächliche Tempo vorgibt - viel langsamer als etwa im actionreichen Freelancer. Action in schwerelosen Weltraum-Kämpfen braucht ihr dennoch nicht
Bildschöne Planeten sowie detailverliebte Raumschiffe und Stationen gibt es bei X³ zu entdecken. Lediglich von den Explosionen hätte ich mir mehr versprochen. |
Projekt: Tschakka, ich schaffe es!
Will man an X³ Terran Conflict seine Freude haben, muss man geduldig sein, sich selbst motivieren und eigene Ziele setzen; wie schon bei Reunion. Während bei vielen anderen Spielen nach zehn bis zwanzig Stunden alles vorbei ist, blüht X³ erst auf, nachdem ihr eigene Produktionsstätten, Flottenverbände oder gleich eine ganze Armada mit den größten Raumschiffen ausgerüstet mit den effektivsten Waffensystemen habt und das dauert! Geduld ist demnach eine Voraussetzung, da ihr zunächst profitable Routen ausfindig machen und euch mit den Eigenarten des Echtzeit-Wirtschaftssystems auskennen müsst: "Wo wird was produziert?"
"Wo liefere ich am besten was hin?" und "Wie viele Einheiten kaufe ich überhaupt, bevor meine Nachfrage den Preis so in die Höhe treibt, dass ich beim Verkauf keinen Gewinn mehr mache?" Auf diesem Träger sind vier meiner Schiffe gelandet: Welches Gefährt ihr selbst steuern wollt, bleibt euch überlassen, wobei der Schiffswechsel im Menü eher umständlich von Statten geht.
Später beziehungsweise viel später könnt ihr eigene Fabriken errichten und den Markt mit euren Waren beliefern, die von eurer Frachterflotte transportiert werden. Bis dahin ist es ein langer Weg, den ihr zum Glück mit der Zeitbeschleunigung verkürzen könnt, aber die Leerlauf und Wartephasen sind trotzdem ausgeprägt. Abwechslung vom Handelsalltag könnt ihr euch verschaffen, in dem ihr Piraten vernichtet, andere zufällig generierte Einsätze löst (meist "Fliege nach X und zerstöre dort was", Patrouille, Aufklärung, Transport, etc.) oder dem Story-Streifzug folgt.
Nebensache: Story
Dass die Hintergrundgeschichte im X-Universum eher Beiwerk ist, zeigten bereits die Vorgänger und in Terran Conflict ist es nicht anders: Ihr könnt die Geschichte jederzeit links liegen lassen und euch der freien Laufbahn hingeben, da es kaum Einschränkungen gibt, wenn ihr der Storyline nicht folgt. Entschließt ihr euch trotzdem den mittelprächtigen Missionen rund "um die Rückkehr einer selbst erschaffenen Bedrohung mit neuen Verbündeten" nachzugehen,
gibt es in Sachen Präsentation und Komfort etwas Positives zu vermelden: Eine Art Questlog mit hilfreichen Texten verschafft einen Überblick über die Aufträge bzw. was alles zu beachten ist undzudem wird der Schwierigkeitsgrad eingeschätzt. Ein automatisches Leitsystem mit hervorgehobenen Markierungen im HUD hilft den Weg zum nächsten Questschritt zu finden. Ein Erfolg für meine Flotte!
Weniger gelungen ist die Abfolge bzw. die Abstimmung der Missionen: Sind manche Aufklärungsaufgaben dermaßen einfach, dass man sie problemlos und kampflos in der höchsten Zeitbeschleunigung schaffen kann, können sie trotz angezeigtem "normalen Schwierigkeitsgrad" urplötzlich in eine Schlacht umschlagen, bei der man froh ist, in der Raumstation vor einigen Sektoren gespeichert zu haben, bevor das eigene Schiff explodiert. Ist so etwas gerade passiert, wäre es eine gute Idee wieder Handel zu treiben und seine Ausrüstung zu verbessern. Diese Trial&Error-Mechanik stößt mir jedoch sauer auf und kann durch besseres Missionsdesign vermieden werden. X-Kenner sollten mit dem schwankenden Schwierigkeitsgrad und der fehlenden Abstimmung hinsichtlich der Missionsziele vertraut sein.
Typisch X?
Gerade als dieser Test mit der "finalen Version" abgeschlossen war, trudelte eine weitere "finalere Fassung" ein, in der die Abstimmung des Schwierigkeitsgrades teilweise verbessert wurde. Ob die Überarbeitung der Missionen letztendlich ein Grund für die Release-Verschiebung auf den 10. Oktober war, könnte man jedenfalls vermuten, trotzdem gibt es weiterhin genügend Schwachstellen im Missionsablauf und damit meine ich nicht nur die dröge präsentierte, sondern oftmals e
her langweilige als fesselnde Geschichte. Etwas versöhnlich wirkt hingegen, dass man erstmals im Sonnensystem der Erde unterwegs ist und Mars, Jupiter, Saturn und Co. einen Besuch abstatten darf - nein, nicht auf der Oberfläche, nur im Weltraum. Fortgesponnen wird die Geschichte übrigens durch nicht lippensynchron zur Sprachausgabe animierte Charakter-Portraits in der Bildschirmecke und mit Hilfe von Texttafeln. Das hat man schon besser gesehen! Da die X-Serie schon weitaus schlimmere Zwischensequenzen verbrochen hat (vergleiche Reunion), geht die Präsentation der Geschichte halbwegs in Ordnung - wahnsinnig spektakulär ist das Dargebotene allerdings nicht. Die terranischen Raumstationen sind gewaltig.
Neben der terranischen Kampagne könnt ihr das Szenario mit drei anderen vorgefertigten Charakteren aus der argonischen Sichtweise über euch ergehen lassen (entweder als Militär, Händler, Attentäter) und bekommt einen Story-Eindruck von einer außerirdischen Seite - eine durchaus nette Idee, jedoch krankt die andere Sichtweise an den gleichen Problemen und Unstimmigkeiten bei den Missionen. Last but not least steht ein völlig freies Spiel als Startmöglichkeit zur Auswahl; ein großer Weltraum-Sandkasten.
Sorgenkind: Interface
Mit dem verschachtelten und umständlichen Interface der Marke Menüdschungel schlagen sich Entwickler und Spieler seit dem Anfang der Serie herum. Bei Terran Conflict hat sich Egosoft nun eine Kontrollleiste an der linken Seite mit den wichtigsten Funktionen in hierarchischer Struktur einfallen lassen, die man mit der Maus problemlos bedienen kann, während das Schiff entweder per Autopilot fliegt oder der Nase nach tuckert. Mit der
Leertaste könnt ihr zwischen Interface-Steuerung und der Schiffsteuerung mit der Maus wechseln. Neu sind zugleich sinnvolle Kontextmenüs: Klickt ihr beispielsweise mit der Maustaste auf eine Raumstation oder ein Schiff, erscheint ein Menü mit möglichen Interaktionen oder Befehlen (Landeerlaubnis, Autopilot, Kommunikation, etc.). Es ist zwar möglich, alles mit der Maus zu kontrollieren, doch benötigt es einiges an Eingewöhnungszeit bis der fließende Übergang zwischen Flug- und Menüsteuerung funktioniert und bis man sämtliche Funktionen im zu verschachtelten Menü gefunden und verinnerlicht hat. Eure weiteren Schiffe könnt ihr mit Kommandos wie "Folge mir", "Verteidige mich" oder "Greife den Feind an" befehligen.
Geschossen wird derweil mit der rechten Maustaste und das Mausrad dient zur Geschwindigkeitsregulation - wieder Gewöhnungssache. Die Präzision eines Joysticks zur Flugkontrolle erreicht die Maus nicht. "So schön" das Menü auch aufgebaut ist, es hätte übersichtlicher und komfortabler gestaltet werden können So ließe sich zum Beispiel beim Einkauf von neuen Waffen, Schiffen oder Ausrüstungsgegenständen ein Vergleichsfenster mit den neuen und alten Werten einblenden, was ihr erst per Hotkey manuell machen müsst. Platz für andere hilfreiche Anzeigen auf dem HUD wäre jedenfalls genug vorhanden. Apropos Hotkeys: Ohne euch Tastenkürzel gemerkt zu haben, solltet ihr erst gar nicht abheben.
Obwohl nicht alle Optionen und Features des Menüs auf Anhieb klar sind, sondern erst ausprobiert bzw. gesucht werden müssen, fragt man sich warum die Sektor- und Galaxiekarte so klein angelegt sind und sich die Mini-Fenster nicht vergrößern lassen.
Die Galaxiskarte ist nicht gerade übersichtlich. Zudem lässt sich das kleine Fenster nicht vergrößern. |
Ein Alptraum für Neulinge
Während passionierte X-Piloten mit dem Interface, dem Wirtschaftssystem und den Fraktionen sofort etwas anfangen können, dürfen sich Neulinge auf einen harten Auftakt gefasst machen. Zwar gibt es ein rudimentäres Flug- und Kampftutorial, das euch mit den allernötigsten Informationen versorgt, aber es reicht nicht aus, dass ein Neuling mit einem Spiel von derartiger Komplexität zurechtkommt. Schon allein für die Kontrolle des Wirtschaftsystem oder die Flotten-Befehle hätten tiefer gehende eigenständige Lern-Tutorials geholfen oder gar eine sechste Startoption mit dem Titel "Tutorial-Universum". Beim Interface und dem Einstieg hat X³ Terran Conflict demnach Nachholbedarf.
Fazit
X³ Terran Conflict ist genauso wie seine Vorgänger eine komplexe Wirtschaftssimulation mit tollem Echtzeit-Handelssystem, vielen Fraktionen und sagenhaften Aufstiegsmöglichkeiten – vom Bruchschüsselflieger zum Armada-Kommandanten mit eigenem Rohstoffmonopol. Doch bis es so weit ist, müsst ihr euch selbst Ziele setzen und eigenständig motivieren, denn Geduld und Frustresistenz gehören bei X³ Terran Conflict eigentlich mit in die Systemvoraussetzungen. Sind euch zudem die vorhandenen Leerlaufphasen und die Macken des Interfaces egal, ist die Wirtschaftssimulation wie für euch gemacht. Obwohl die Verwaltung und Kontrolle des Besitzes verbessert wurden, weist das Interface Schwachstellen auf und ist unnötig kompliziert. Konfus ist ebenfalls die Kampagne, die zwar mit halbwegs abwechslungsreichen Zielen aufwartet, aber vom Schwierigkeitsgrad so unausgewogen daherkommt, dass Trial&Error nicht zu vermeiden ist – zumindest dürft ihr euch im Erd-Sonnensystem herumtreiben. Allzu viele altbekannte Schwachstellen der Serie wurden also nicht beseitigt: Interface, Missionsstruktur, Präsentation und Einstieg bieten Potenzial zur Verbesserung, insbesondere der Einstieg für Neulinge ist zu schwer. Abschließend bleibt noch hinzuzufügen, dass X³ Reunion-Käufer nicht allzu viele Erweiterungen erwarten sollten und neben dem großen Sol-Sonnensystem samt Erde hat sich im X-Weltraum wenig getan.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Ein Traum für passionierte Weltraumhändler mit Geduld und Frustresistenz. Für Neulinge und Actionfans nicht empfehlenswert.
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