Heroes over Europe18.09.2009, Paul Kautz
Heroes over Europe

Im Test:

Die Flugsimulation, einst Stolz und Freude der Joystickakrobaten am PC, gehörte lange zu einer aussterbenden Art. Einzelne Entwickler haben sich eine Nische geschaffen, in der sie die verbleibenden Fans weiterhin treu und kompetent bedienen, aber aus dem Massenmarkt schienen brummende Propeller und Kondensstreifen lange verschwunden. Seit einiger Zeit feiert das totgesagte Genre aber erstaunlicherweise auf Konsolen ein beachtliches Revival - was gegenwärtig sogar dazu führt, dass zwei sehr ähnliche Spiele parallel erscheinen.

Profis aus der Luft gepflückt

Um gleich mal Missverständnisse zu vermeiden: Mit dem 1993er Dynamix-Klassiker »Aces over Europe« hat Heroes over Europe (ab 2,99€ bei kaufen) (HOE) außer einem ähnlichen Namen nichts gemeinsam. Denn während das DOS-Spiel seinerzeit eine beinharte Simulation war, ist der Neuling im Grunde ein Shooter, bei dem man statt einer Railgun einen Fliegerknüppel

Video: Die »Ace Kill«-Funktion ist die Heroes over Europe-Variante eines Shooter-Headshots: Etwas fliegerisches Geschick vorausgesetzt kann man damit einen Gegner mit nur einem Schuss aus der Luft holen.(bzw. im Falle der Konsolenversionen ein Gamepad) in der Hand hält. Das beginnt schon damit, dass man zwar zwischen zwei Flugmodellen wählen kann, aber selbst die »Professionell«-Variante weniger anspruchsvoll ist als die »Arcade«-Version bei IL-2 Sturmovik: Birds of Prey . Ein sehr großzügig ausgelegtes Fadenkreuz sorgt dafür, dass sich ein Feind bzw. sein roter Vorhaltepunkt nur innerhalb eines großen Kreises aufhalten muss, damit ein garantierter Treffer gelandet wird. »Energieangriffe«, also Sturzflüge, bei denen voller »War Speed«-Turbo gegeben wird, verstärken die Angriffe und zerfetzen auch dicke Bomber in wenigen Augenblicken.

Der größte Arcade-Hinweis, das »Ace Kill«-Feature, ist die hiesige Variante der Headshots anderer Spiele: Tummelt man sich in der Nähe eines Gegners, füllt sich eine um das Fadenkreuz positionierte Anzeige immer weiter auf. Ist eine bestimmte Markierung erreicht, kann man auf Tastendruck den Modus aktivieren. Die Kamera zoomt dicht an den Widersacher heran, kritische Bereiche (Triebwerke, Munitionsbehälter, aber auch der Pilot selber) leuchten hell auf. Trifft man diese innerhalb einer kurzen Periode (das Spiel läuft währenddessen verlangsamt weiter), ist der Standardfeind mit einem Schuss erledigt. Dickere Kaliber wie Bomber benötigen mehrere dieser Treffer, um ungewünschten Bodenkontakt zu haben. Aber gerade die machen einem das Fliegerleben nicht so einfach, wie man denken könnte, denn sie ballern zurück - nach hinten. In solchen Fällen muss man sich aus anderen Winkeln nähern, denn wenn man sich nassforsch einer so hilflos durch die Lüfte schabenden Bomberstaffel nähert, fünf Abschüsse geistig bereits abgehakt hat, und dann innerhalb weniger Sekunden von den Heckschützen in einen glühenden Haufen Metallschnipsel verwandelt

Im Vergleich zu Birds of Prey belegt Heroes over Europe zwar grafisch den zweiten Platz, kann sich aber dennoch absolut sehen lassen!
wird, dann überdenkt man diese Vorgehensweise beim nächsten Mal. Oder man greift zu den Bordgeschützen, welche normale Feinde genauso schnell zerhackstücken.

An der Online-Front nichts Neues

Das Missionsdesign ist nicht die Stärke von HOE, aber immerhin etwas abwechslungsreicher als beim Raubvogel-Kollegen. Hier wie da machen Dogfights, Bombardements, Geleitschutz- und Aufklärungsmissionen den größten Teil der Aufträge aus. Hier kommen allerdings noch Aufräumaktionen dazu: Mal muss ein verminter Hafen gesäubert werden, mal muss man eine Straße von Wrackteilen befreien, um Fahrzeugen den Weg zu ebnen. Das wird natürlich nicht mit dem Besen in der Hand gemacht, ein paar gezielte Schüsse in die Richtung, und das Hindernis ist weg. Anspruchsvoll wird's eigentlich nur, wenn es um Torpedos geht. Das liegt nicht nur daran, dass das dafür genutzte »Swordfish«-Flugzeug eine von Kaugummi und gutem Willen zusammengehaltene Antiquität aus dem Ersten Weltkrieg ist - sondern vor allem daran, dass man zum Abwurf der Torpedos eine bestimmte Höhe und Geschwindigkeit halten sowie die Bewegung des Zielobjektes in den Abwurfzeitpunkt einrechnen muss.

            

Außerdem gibt es immer wieder eine Art Bosskämpfe: Damit meine ich nicht die Ass-Flieger, die sich immer innerhalb größerer Staffeln tummeln, deutlich markiert sind und deren Abschuss angeblich die Moral der verbleibenden Truppe senken soll (was mir nicht aufgefallen wäre). Nein, ab und zu bekommt man es mit einem einzelnen, extrem aggressiv fliegenden

Heroes over Europe ist in jeder Hinsicht Arcade: Sowohl das Flugverhalten als auch die Zielerfassung kommen Gamepad-Neulingen entgegen.
Luftprofi zu tun, der sich nicht einfach so mal nebenbei ins Visier nehmen lässt. Die KI der Standardgegner ist zwar eher im Bereich der Moorhühner einzuordnen, aber ab und zu lässt sich auch Otto-Normal-Luftwaffler zu gemeingefährlichen Manövern hinreißen, die eher im Bereich der Kamikaze zu suchen wären - ich wurde mehrere Male fies aus den Lüften gerammt. Endet man als qualmendes Wrack an harten Boden der Tatsachen, wirft einen das Spiel zum letzten Checkpunkt zurück, von denen mehrere pro Level automatisch angelegt werden. Die Missionen, die auf den üblich verdächtigen Schlachtfeldern Europas spielen, sind übrigens strikt linear angeordnet - sollte man an einem Auftrag verzweifeln, geht es so lange nicht weiter, bis man ihn geschafft hat, wofür im Zweifelsfall die Wahl eines niedrigeren Schwierigkeitsgrads sorgen kann. Man ist zwar nie allein unterwegs, allerdings gibt es keine Möglichkeit, den Wingmen Anweisungen zu geben - die machen ihr eigenes Ding. Nach jeder gemeisterten Mission gibt es neue Maschinen bzw. frische Varianten von alten Modellen, die sich bereits im Hangar tummeln - davon bis zu vier pro Modell. Die lassen sich auch allesamt im Mehrspielermodus nutzen, dessen wichtigste Eigenschaft ist, dass er bis zu 16 Spieler unterstützt. Der Rest beschränkt sich auf das absolute Genre-Minimum: Zwei Spielmodi, die man entweder allein oder im Team angehen kann - an der Online-Front nichts Neues.

Flieg in das Licht!

Die solide Story von HOE wird auf drei Arten weitergeführt: Erstens gibt es schwarz-weiße Propaganda-Filme, teilweise mit Original-Aufnahmen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Zweitens erzählen gezeichnete, mit Sprachausgabe unterlegte Farb-Animationen ihren Teil der Geschichte. Und drittens erwarten einen viele Dialoge im Spiel, entweder per Funkverkehr während der Einsätze oder in Form von Echtzeit-Cutscenes - die Sprachausgabe ist gerade im Falle der englischen Version sehr gut, da schön akzentbeladen.

Ob tagsüber, nachts oder bei strömendem Regen - es wird immer geballert. Allerdigs geht die Grafik-Geschwindigkeit gerade bei der hier zu sehenden Nachtmission teilweise ordentlich in die Knie.
 Auch in Sachen Grafik lässt sich Ubisoft nicht lumpen: Heroes over Europe sieht gut aus, wirklich gut. Nicht ganz so gut wie Birds of Prey, das gerade in Sachen Bodendetails und Schadensmodell die Flügelspitze vorn hat - aber trotzdem gut. Heroes over Europe hat den Vorteil, dass es nicht ganz so oft ruckelt wie sein Widersacher, was allerdings nicht bedeutet, dass es komplett flüssig läuft. Gerade der Nacht-und-Nebel-Einsatz über dem brennenden London hat die Framerate auf allen Plattformen in bemerkenswerte Tiefen getrieben; ein Problem, mit dem sich PC-Flieger am wenigstens herumplagen dürften, sofern ihr Computer genug Saft unter der Haube hat. Ansonsten nehmen sich die Fassungen untereinander technisch gar nichts: Die Sichtweite ist gut, die Landschaft sieht sehr hübsch aus, die Explosionen krachen ordentlich, die Lichteffekte sind fabelhaft - besonders die ungewöhnlichen Lensflares haben es mir angetan. Allerdings sind die Bodentexturen teilweise sehr niedrig aufgelöst, man vermeide also Tiefflüge. Außerdem stimmen teilweise die Größenverhältnisse ganz und gar nicht, was besonders bei Schiffen gut zu sehen ist, die im Verhältnis zum übergroß schwappenden Wasser wie Spielzeugboote aussehen. Und nicht zuletzt gibt es nur die Außenansicht, sonst nichts - keine Cockpitperspektive weit und breit.     

Fazit

Wo Birds of Prey versucht, wenigstens einen Rest Simulation am Gamepad zu bewahren, rollt Heroes over Europe mit Ace Kills, Energieangriffen, simplem Flugmodell sowie großzügigem Treffersystem voll auf der Arcade-Schiene. Was prima ist, denn dadurch kontrastiert es BOP zumindest spielerisch ziemlich gut. Sonst sind sich die beiden Spiele recht ähnlich: Das Missionsdesign beschränkt sich auf Genrestandards, die Grafik ist hier wie da sehr ansehnlich (auch wenn BOP im Detail die Nase deutlich vorn hat), aus den Boxen scheppert und kracht es mächtig. Heroes over Europe erzählt darüber hinaus eine weniger ergreifende, dafür aber hübscher inszenierte Story. Die Entscheidung zwischen beiden Fliegern ist somit eine einfache: Wenn ihr eine Art Shooter wollt, der in der Luft statt mit der Shotgun in der Hand stattfindet, dann ist Heroes over Europe die richtige Wahl. Mit einer Simulation hat das Spiel allerdings nichts zu tun.

Pro

gute Grafik
einfache Steuerung
cooles »Ace Kill«-Feature
druckvolle Soundkulisse
spannende »Bosskämpfe«

Kontra

gelegentliches Ruckeln
abwechslungsarmes Missionsdesign
recht kurz

Wertung

360

Mit einer Simulation hat Heroes over Europe nichts zu tun - als Arcade-Shooter funktioniert das auch technisch beeindruckende Spiel aber wunderbar.

PC

Mit einer Simulation hat Heroes over Europe nichts zu tun - als Arcade-Shooter funktioniert das auch technisch beeindruckende Spiel aber wunderbar.

PlayStation3

Mit einer Simulation hat Heroes over Europe nichts zu tun - als Arcade-Shooter funktioniert das auch technisch beeindruckende Spiel aber wunderbar.

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