Madden NFL 1027.08.2009, Mathias Oertel
Madden NFL 10

Im Test:

Für die einen Rasenschach par excellence, für die anderen (meist US-Sport-Affinen) mit dem Höhepunkt Superbowl eine der packendsten Sportarten überhaupt: American Football. Seit mittlerweile über 20 Jahren ist EAs Madden-Serie Synonym für virtuelle Touchdowns der Sonderklasse - und hat zumeist erfolgreich alle verstummen lassen, die von alljährlichen Updates gesprochen haben. Doch dieses Jahr glänzt Madden nicht so wie zuvor.

Football außer Konkurrenz?

Bereits vor einigen Wochen fiel bei Durchsicht der EA-Releaselisten auf, dass die Sportsaison der Amerikaner dieses Jahr in Deutschland offiziell ohne Football ausfällt: Weit und breit keine Spur von Madden NFL 10 (ab 68,00€ bei kaufen). Auf Nachfrage bestätigte man uns den Plan, das Vorzeige-American Football hierzulande vorerst nicht herauszubringe. Ob man nächstes Jahr wieder eine Kehrtwende vollzieht, steht noch nicht fest.

Die Auseinandersetzungen um das Spielgerät wirken dank "Pro-Tak" noch realistischer.
Das hat uns aber nicht davon abgehalten, zumindest die Versionen für PS3 und Xbox 360 aus dem Vereinigten Königreich zu importieren. Denn vielleicht steckt außer mutmaßlich wirtschaftlichen Gründen (wie häufig verkauft sich Football in Deutschland?) noch mehr hinter der Nicht-Veröffentlichung. Hat die Serie, die seit 20 Jahren die Anhänger dieser Sportart begeistert und die in der letzten Ausgabe zu neuer visueller Hochform auflief, vielleicht qualitativ abgebaut?

Das Update-Syndrom

Um dieser Frage sofort eine entsprechende Antwort zu geben: Nein! Madden NFL 10 hat weder qualitativ noch hinsichtlich Visualisierung oder gar Motivation auch nur ein Deut seines Reizes eingebüßt. Allerdings nur, wenn man den Vorgänger nicht hat/kennt und vornehmlich online mit seinen Freunden spielen will. Denn die wichtigste inhaltliche Änderung der taktisch geprägten Jagd nach dem Schweineleder-Ei findet sich heuer im Bereich der Online-Funktionen. Vor allem in der Ausweitung des Franchise-Modus auf den weltweiten Internet-Spielplatz.

Der Rest, sprich das Spiel für Solisten, ist als kaum mehr als ein Update zu bezeichnen. Der Madden-IQ-Test ist bereits bekannt, die Offline-Franchise sowie der Superstar-Modus finden sich, mit nur wenigen Änderungen gesegnet, ebenfalls wieder; die Ansicht der Spielzugauswahl ebenso. Gleiches gilt für das "Backtrack"-Analyse-Tool. All diese Elemente haben zwar bereits letztes Jahr überzeugt, aber ich hatte einfach mehr Neuerungen erwartet. Oder erhofft, um genau zu sein. Natürlich kann man überall Kleinigkeiten finden, die das Spiel authentischer machen. Wie das verbesserte Erschöpfungs-System, das vor allem bei laufintensiven Spielzügen an Bedeutung gewinnt. Doch spielt sich die 10er-Ausgabe dadurch wesentlich anders als die 09er? Nein!

Auch wenn die Kulisse im Detail einen Tick besser aussieht als letztes Jahr: Die inhaltlichen Unterschiede zu Madden NFL 09 halten sich in Grenzen.
Mit einer neuen Analyse-Sendung namens "The Extra Point" macht man hier hinsichtlich Atmosphäre einige Punkte gut - zumindest, bis die inhaltlichen Mankos auffallen, wie z.B. die Wahl zu den Spielern der Woche, die eher willkürlich scheinen, wenn man die Statistik-Werte des ausgezeichneten Spielers mit denen anderer Athleten vergleicht.

Die bereits letztes Jahr trotz ein paar Aussetzer gute KI wurde ebenfalls aufgebohrt und reagiert sowohl defensiv als auch offensiv gut auf die eigenen Aktionen. Teilweise vielleicht zu gut. Denn manchmal kommt es einem vor, als ob der gegnerische Trainer einem quasi über die Schulter schaut, während man die Spielzüge auswählt - beinahe unfair. Dann wiederum kann es passieren, dass man die Gegner immer wieder mit dem gleichen Spielzug übertölpeln kann. Sprich: Die KI hat trotz gestiegenen Anspruchs etwas von der Qualität vergangener Tage eingebüßt. An der unproportional gestiegenen Verletzungsanfälligkeit sollte man für nächstes Jahr ebenfalls arbeiten.

    

Der Community-Faktor

Nachdem man spielmechanisch kaum gravierende Veränderungen ausmacht, fragt man sich natürlich, wo die gesamte Innovationskraft des Tiburon-Studios investiert wurde? In Tiger Woods? In MMA?

Dabei ist die Antwort relativ einfach zu finden: Im Online-Franchise-Modus, der den Liga-Modus des letzten Jahres ersetzt und mit den Elementen der Offline-Franchise ausstattet. Und das bedeutet, dass bis zu 32 Spieler komplett mit Statistiken auf einer eigenen Liga-Website, Spieler-Tausch usw. versuchen können, das potenteste Ligateam aufzubauen.

Alternativ kann man fehlende menschliche Mitspieler auch durch CPU-Teams ersetzen, wobei es dann allerdings zwangsläufig auch zu Duellen gegen die CPU kommt, denen man bei einer Online-Liga eigentlich aus dem Weg gehen möchte. Eventuell hätte EA hier die Möglichkeit einbauen sollen, wahlweise die Computer-Teams für den jeweiligen Spieltag von einem interessierten Liga-Mitspieler steuern zu lassen - wobei mir natürlich bewusst ist, dass diese Möglichkeit auch genutzt werden kann, um Ergebnisse, Platzierungen und Statistiken zu manipulieren.

Doch das ist auch beim komplett menschlich besetzten Teilnehmerfeld nicht ausgeschlossen, was wiederum zeigt, dass die Online-Franchise nur der erste Schritt in diese Richtung darstellt. Und bevor es überhaupt losgehen kann, muss der EA-Support bemüht werden, da man in UK vergessen hat, die zur Freischaltung benötigten Codes mit auf das Handbuch zu drucken.

Der Import der diesjährigen Madden-Version lohnt sich nur für Spieler, die genügend Freunde zusammenkriegen, um die frische Online-Franchise spielen zu können.
Wer das ganze Drumherum nicht braucht, kann natürlich auch weiterhin "einfache" Online-Duelle austragen, wobei der Netzcode sehr stabil und weitestgehend lagfrei ist. Alternativ kann man dieses Jahr sogar kooperativ auf Punktejagd gehen. Hier reagiert die Kameraeinstellung allerdings nicht immer optimal und unnötig hektisch.

Wie im Fernsehen

Das ist insofern bedauerlich, da im Solo-Modus die Kameraarbeit so gut ist wie noch nie. Mit bislang noch nicht in der Serie genutzten Schnitt-Techniken usw. wird eine Atmosphäre aufgebaut, die einschlägigen TV-Übertragungen kaum nachsteht.

Und damit die Action auf dem Feld vernünftig dargestellt wird, hat man viel Zeit in das neue so genannte "Pro-Tak"-Animationssystem investiert, das den Kampf um den Ball und jeden noch so kleinen Fortschritt zu einem in sich geschlossenen Drama macht. Zusammen mit den seit Jahren hochklassigen und dieses Jahr größtenteils verbesserten Bewegungen ist die reine Darstellung des Spektakels American Football überzeugend - selbst wenn kleine Aussetzer wie ruckhaftes Drehen der Sportler in den Großaufnahmen das Gesamtbild stören.

Ein Störfaktor ist jedoch nach wie vor das Kommentatoren-Team, das mittlerweile weit von der Qualität der frühen Madden-Spiele entfernt ist, in denen der Football-Großmeister noch selbst hinter das Mikrofon gezerrt wurde, um überzeugend und engagiert die Matches zu kommentieren. 

Fazit

Die diesjährige Ausgabe der Madden-Serie enttäuscht mich als langjährigen Fan. Visuell nur im Detail und lediglich hinsichtlich der fernsehreifen Präsentation optimiert, wurden die wesentlichen Solo-Spielmodi einfach übernommen und nur minimal verändert, während das Hauptaugenmerk auf neue Online-Features gelegt wurde. Einzig und allein Fans, die Lust haben, sich in der umfangreichen, allerdings dank Schlampigkeit erst über den Support freizuschaltenden Franchise-Internet-Liga die Zeit um die Ohren zu schlagen, werden glücklich. Solisten hingegen können sich nur über die noch stärker agierende KI freuen, die allerdings auch immer noch zu bösen Aussetzern neigt und sich auch mal von immer gleichen Spielzügen übertölpeln lässt. Sicher: Das frische Tackling-Animations-System "Pro-Tak" ist visuell eindrucksvoll umgesetzt und macht das Spiel druckvoller und realistischer. Aber das alleine reicht nicht, um zu begeistern. Gäbe es die auf den neuesten Stand gebrachten Szenario-Aufgaben nicht, könnte man Besitzern der Vorjahresversion komplett von Madden NFL 10 abraten, obwohl es sich immer noch klasse spielt. Denn: Das kennt man alles aus dem letzten Jahr - zumal mit den seit einigen Ausgaben kritisierten Kommentatoren immer noch negative Altlasten auftauchen. Ist EAs American Football dieses Jahres sowohl on- als auch offline das rundeste Erlebnis seiner Art? Zweifellos! Ist es unter dem Strich besser als sein Vorgänger? Nein! Dieses Madden 09.5 fühlt sich einfach nicht frisch genug an - es ist ein Update zum Vollpreis!

Pro

<P selected="true">
eindrucksvolles "Pro-Tak"-Animationssystem
sehr gute Steuerung
fordernde KI...
schönes Analyse-Feature...
Onlinespiel nahezu lagfrei
aktuelle Szenarien
Online-Franchise für 32 Spieler
fernsehreife Präsentation</P>

Kontra

zu wenig spielerische Neuerungen
schwache Play-by-Play-Kommentare-&nbsp;... die sich allerdings ab und an haarsträubende Aussetzer leistet -&nbsp;... das leider per Zufall abgespult wird
Offline-Franchise
und Superstar-Modus nur&nbsp;minimal verändert

Wertung

360

Spielerisch stagniert die Serie auf einem hohen Niveau, visuell schwingt man sich zu neuen Höhen auf. Dennoch ist Madden nach 20 Jahren erstmals deutlich an dem Punkt "Update zum Vollpreis" angekommen.

PlayStation3

Eigentlich das beste derzeit erhältliche Football, aber abseits der Online-Franchise stagniert die Serie inhaltlich so deutlich wie nie zuvor. Nicht mehr als ein Update zum Vollpreis...

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