Test: NieR (Rollenspiel)

von Mathias Oertel



Entwickler:
Publisher: Square Enix
Release:
23.04.2010
23.04.2010
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ab 19,98€
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Inkonsequente Kommunikation

Weniger verschmerzbar sind die "Misch-Dialoge". Hier fängt man ein Gespräch mit normaler Sprachausgabe an, die aber irgendwann aus irgendwelchen Gründen eingestellt wird. Oder eine längere Unterhaltung wird nur im letzten halben Dutzend der Sätze vertont. Diese uneinheitliche Behandlung teils wichtiger Gespräche hat mich immer wieder vollkommen unnötig aus dem Geschehen gerissen. Es wirkt beinahe so, als ob vollkommen zusammenhanglos und ungeachtet der Wichtigkeit der einzelnen Sätze viele der Dialoge erst im Laufe der Zeit oder "ad hoc" entstanden sind, man die Sprachaufnahmen
Auch der mit einem seltsamen "Fluch" belegte Emile gehört zu der illustren Charakter-Riege, die neben der starken Erzählung das Highlight von Nier darstellt.
bereits vorher beendet hatte und man nicht die zusätzlichen Mühen oder Kosten auf sich nehmen wollte, die Sprecher nochmals ins Studio zu zerren. Eine für mein Empfinden falsche Entscheidung, wenn es denn tatsächlich so gewesen sein sollte. Denn die stärksten Momente hat Nier, wenn sowohl die Musik als auch die Sprachausgabe als auch die Engine mit ihren limitierten Mitteln zu erzählerischer Höchstform auflaufen.

Geschwätziger Wälzer

Dass Nier im Gegensatz zur schwachen Technik mit starken Geschichten und einer sensiblen Charakterzeichnung aufwartet, ist aber die einzige qualitativ hochwertige Überraschung. Denn die Kampfmechanik zeigt sich lediglich solide.  Innerhalb weniger Minuten hat man sich an die leider etwas zu spartanischen Möglichkeiten gewöhnt und schmeißt mit Schlägen und später auch Magie um sich, während man die Angriffe der Gegner blockt (insofern möglich) oder ihnen aus dem Weg springt.
Dass die Zauber, die allesamt vom Buch Grimoire Weiss abhängig sind, trotz belegbarer Schultertasten letztlich nicht ganz optimal umzuschalten sind, ist bedauerlich, sorgt aber in mitunter hektischen Auseinandersetzungen auch für einen Moment der Ruhe, da man die Pause zum Ändern der Zauberbelegung auch für ein kleines Durchatmen nutzen kann.

Überhaupt kommt mit Grimoire Weiss als Begleiter nach anfänglicher Solophase mit dem üblichen Kloppmist-Trott gleich ein ganzer Schwung an neuen Funktionen, die sich nicht nur auf Magie beschränken. Das nur selten um einen Kommentar verlegene Buch ist Questsammler (vorher muss man auf eine Übersicht verzichten), Bewahrer von Notizen oder Hinweisen sowie Spender von Informationen aller Art - sei es nun, welche Gegenstände man bei sich führt, welche Waffen man im Besitz hat (später kommen außer Einhändern auch noch Zweihandschwerter sowie Speere hinzu) und welche Worte man bei aufgelösten Schatten gefunden hat.

Am Anfang war das Wort

Diese Worte stellen die eigentliche Charakterentwicklung dar. Zwar steigt bei einem der zwangsläufigen Aufstiege sowohl 
Man kann sich die Zeit in der leblos scheinenden Welt mit Angeln oder dem Bestellen von Feldern vertreiben.
die Zahl der Lebens- als auch die der Magiepunkte, doch das ist es schon an wesentlicher Entwicklung. Hier kommen jetzt die Worte ins Spiel. Denn sämtliche Waffen, aber auch Magiefähigkeiten können mit je zwei Worten aufgerüstet werden.
Diese können z.B. für erhöhte Angriffskraft stehen, für ein besseres Durchschlagen der gegnerischen Rüstung und sogar für erhöhte Erfahrungspunkt-Ausschüttung oder höhere "Abwurf-Chancen" von Gegenständen. Selbstverständlich finden sich auch zusätzliche Elementarkräfte, die dafür sorgen können, dass die Hiebe nicht nur physischen, sondern auch Giftschaden anrichten oder den Gegner kurzzeitig immobilisieren.
Das ist eine richtig gute Idee, deren suboptimale Umsetzung leider auch den Inkonsequenzen zugeschrieben werden muss. Denn das taktische Element, das sich hier in der Wort-Anfangsphase einstellt, wird später beinahe unwichtig. Denn warum soll man großartig herumprobieren und versuchen, eine bestmögliche Waffen-Wortwahl für die jeweilige Gegnerschar zu finden, wenn es letztlich reicht, die Schwerter mit Angriffskraft und Erfahrungspunktmaximum auszustatten, während bei Magie die Kombination "Plus magische Angriffskraft/Weniger Manakosten" sicherlich häufig das Objekt der Begierde sein wird? Dennoch: Als grundsätzliche Idee ist dieses System gelungen - wenngleich ausbaufähig.
Und wenn man schon dabei ist, hätte eine Semi-Automatisierung der Wortauswahl stattfinden können. Denn wenn man eine neue stärkere Version eines verwendeten Wortes findet und nutzen möchte, muss man alle Waffen oder Magien manuell auswählen und die Änderung händisch vornehmen. Komfortabler wäre zumindest eine Abfrage, ob man die bestehende Wahl in allen Fällen austauschen möchte.

Ungewohnt überraschend

Aber es gibt nicht nur negative Überraschungen wie die inkonsistente Umsetzung der Sprachausgabe oder die grundsätzliche Technik. Denn für einfachen "XP-Kloppmist" bricht Nier mit einigen Konventionen. Genauer gesagt, schert es sich um sie in keiner Form. Denn in welchem anderen Titel in dieser Richtung kann man angeln oder seine Felder beackern, um sich zusätzlich die Zeit zu vertreiben, Rohstoffe zum Handel oder Selbstverbrauch zu gewinnen oder von den mitunter anstrengenden Kämpfen auszuspannen?

Noch ungewöhnlicher allerdings sind die Abschnitte, in denen man wie in einer digitalen Novelle durch die Geschichte geführt wird. Keine Sprachausgabe, keine Bilder, die einen von den Inhalten ablenken. Weißer Text auf schwarzem Grund, unterlegt 
Hänsel und Gretel habe ich anders in Erinnerung.
von stimmungsvollen Kompositionen, die Erinnerungen an Phillip Glass wach rufen. Gelegentlich muss man sogar wie in einem klassischen Textadventure kleine Puzzles lösen oder Richtungen angeben, um dem Problem auf die Spur zu kommen. Wenn man sich die Zeit nimmt, um die mitunter umfangreichen Textpassagen konzentriert in sich aufzusaugen anstatt sie nur schnell zu überfliegen und wegzuklicken, wird man zusätzlich belohnt. Denn einerseits gewinnt man neue Einsichten in die Welt von Nier und zum anderen sind die Texte sehr interessant geschrieben - in einem Fall hätten sie fast aus der Blut triefenden Feder Clive Barkers stammen können!

Ebenfalls überraschend ist, dass die geringe Anzahl an Bereichen Nier nicht zum Verhängnis wird. Denn wo es z.B. in Last Rebellion letztlich zu einem leidigen Übel wurde, die wenigen Abschnitte zu durchstreifen, wird man in dieser Post-Endzeit-Fantasywelt immer wieder mit neuen Herausforderungen, Gegnern und Missionen konfrontiert, die einen gerne in zig Mal bereiste Gebiete zurückkehren lassen. Eine gewisse Redundanz ist zwar auch hier zu spüren, doch wenn man nach dem x-ten Besuch in der nördlichen Ebene endlich in den per Zufall verteilten abbaubaren Rohstoffen das letzte Edelmetall findet, um seine Lieblingswaffe beim Spezialschmied aufwerten zu lassen, ist die Freude groß.
   

  
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Kommentare

Xris schrieb am
Kritik kann jedes Spiel vertragen, sei es noch so gut. Ich zähle Nier immerhin zu den besten Spielen die ich in dieser Gen gespielt habe. Aber noch besser hätte ich es gefunden wenn SE nicht iwan den Geldhahn zugedreht hätte und die Entwickler das Spiel ordentlich ferstigstellen (mir tuts nach wie vor um die eigentliche guten, aber leider nicht zueende gedachten Ideen leid die man im Gameplay an jeder Ecke findet) lassen. Übrigens war glaube ich der Kontext dieser Diskussion der Test (zumindest imho, zu faul um nu nachzusehen). Und wenn man nun ein Mindestmaß an objetivität fordert dann muß man Nier kritisiern. Denn es gibt Spiele die grafisch und spielerrisch eine ganze Ecke besser sind.
Wobei der Test an zu diesem Spiel ohnehin Crap ist. Weil er anstatt das Gameplay anständig zu beleuchten beinahe die Story vorspoilert. Ist ja richtig die hier in den Vordergrund zu stellen. Aber das Gameplay lediglich als Fußnote zu erwähnen (da steht eigl. nur das Nier ein Gameplay hat, mehr nicht) ist doch ein wenig knap und wenig informativ.
fanboyauf3uhr schrieb am
Xris hat geschrieben:Das Gameplay ist ebenso 0815 wie in CoD. Bzw. ist Nier in dieser Hinsicht sogar noch weitaus gewöhnlicher und auf die Dauer hächst umotivierend.
für dich, ja. für andere ist nier eine offenbarung, z.b. für mich ist nier eines der schönsten und motivierendsten spiele der letzten 30 jahre. das gameplay ist im prinzip simpel, na und? die grafik angestaubt - stört mich nicht, finds eigentlich recht hübsch. alles geschmackssache.
Xris schrieb am
http://www.schnittberichte.com/
Nier ist nicht gelistet ergo uncut.
Ich weiß, genreübergreifende Vergleiche sind nicht besonders klug, wenn ich jedoch sehen muss wie 08/15 Shooter Awards absahnen und eine Perle wie Nier das Nachsehen haben muss, kommen mir fast schon die Tränen...

Du machst dabei aber den Fehler Nier nur auf die Story zu reduzieren. Das Gameplay ist ebenso 0815 wie in CoD. Bzw. ist Nier in dieser Hinsicht sogar noch weitaus gewöhnlicher und auf die Dauer hächst umotivierend. Ein CoD kann, so anspruchslos es auch ist, diese 6 Stunden Spielzeit unterhalten. Nier hingegen hat mich schon nach 2 Stunden Gameplay gelangweilt.
Auch ein God of War ist nicht sonderlich anspruchsvoll im Gameplay. Aber es ist abwechslungsreicher und doch ein wenig inteligenter bezgl. der Kombos - die in Nier garnicht erst vorhanden sind. Und die Boss Monster in Nier sind in spielerischer Hinsicht einfallslos. Es wirkt wie gesagt unfertig.
Aus meiner Sicht ist die Wertung vollkommen in ordnung. Allerdings ist der Test ansich nicht gut. Mir fehlt der Teil der sich mit dem Gameplay beschäftigt. Im grossen und ganzen steht im Test, die Grafik ist scheiße, aber die Story, die Grafik ist scheiße aber die Story etc. und iwan wird dann mal asl kleinen Randnotiz das Gameplay angesprochen. Man kann sich da nicht wirklich ein Bild vom eigentlichen Spiel machen. So entsteht der Eindruck das die Wertung in erster Linie aufgrund der Grafik so ausfällt. Was ich allerdings stark bezweifle. Auf der anderen Seite bewertet 4P ein Spiel wie Disgaea 3 (die Grafik befindet sich auf PSOne Niveau und es ist ebenfalls ein Vollpreistitel) für PS3 mit 84%, wogegen Nier mit 70% einem Grafikwunder gleichkommt.
Mal im Ernst: Du hast es selbst angesprochen, dass die Kameraperspektiven durchaus sehr unterschiedlich ausfallen, und, wie ich finde, dadurch auch ein sehr unterschiedliches Spielgefühl aufkommt. Allerdings wiederholt es sich insgesamt zu oft.

Sie haben aber kaum bis keine spielerischen...
Nero Angelo schrieb am
Mal ne kurze Frage! Ich hab mir NIer jetzt bestellt (kommt in ein paar Tage =) ) aber nun ist mir aufgefallen das die PEGI das Spiel ab 18 bewertet hat, die USK allerdings ab 16... ist das Spiel in deutschland geschnitten, oder hat die USK diesmal ein anderes Bild von dem Game als die PEGI, diesmal ein besseres wie's ausschaut?
Richie2go schrieb am
Ich habe Nier soeben beendet und alle Enden gesehen. Die Wertung geht volkommen an meinem Spieleerlebnis vorbei.
Das die Lokalisierung nicht durchgängig umgesetzt wurde fiel mir nur zu Beginn kurz auf, dies ging jedoch bei den vielen excellenten Eindrücken schnell unter. Die Grafik ist meiner Meinung nach nicht missraten. Mir fiel sie zu keinem Zeitpunjt negativ auf.
Charaktere, Musik, Story, Atmosphäre, Lokalisierung...all dies ist grandios.
Wer auf diese Dinge Wert legt darf sich Nier auf keinen Fall entgehen lassen!
Ich weiß, genreübergreifende Vergleiche sind nicht besonders klug, wenn ich jedoch sehen muss wie 08/15 Shooter Awards absahnen und eine Perle wie Nier das Nachsehen haben muss, kommen mir fast schon die Tränen...
schrieb am