Im Test:
Der Ernst des Krieges
Battlefield wie man es kennt und liebt? Leider nicht: Die Kampagne orientiert sich stark an Call of Duty, ist aber in so ziemlich jedem Bereich unterlegen. |
Battlefield war nie für seine Kampagne berühmt - der Fokus lag in der Vergangenheit auf dem Multiplayermodus. Lediglich die Bad Company-Ableger gingen in eine narrative Richtung, und zwar erfrischenderweise deutlich abseits der ausgetretenen Call of Duty-Pfade. Das ist in Battlefield 3 (ab 5,61€ bei kaufen) (BF3) leider komplett anders: Die Handlung ist ernst und ironiefrei, die Erzählweise basiert wie in Call of Duty: Black Ops auf den Erinnerungen des verhörten Soldaten. Generell gibt es sehr viele Parallelen zur mächtigen Konkurrenz: Hier wie da schlüpft man auch in die Camo-Anzüge unterschiedlicher Soldaten, die Geschehnisse auf den Schlachtfeldern werden von Skript-Tonnen dramatisch visualisiert. Und wer auch immer es war, der sich bei DICE darüber beschwert hat, dass es zu wenig Spiele mit dauerspawnenden Klonkriegern gibt: Herzlichen Glückwunsch, deine Gebete wurden erhört!
Kameradenschwein!
Die Kampagne spielt zum größten Teil im Iran, wechselt aber auch kurz nach Paris bzw. Aserbaidschan. Das große, weite, ausschweifende Leveldesign, das so typisch für die Battlefield-Serie ist, kommt dieses Mal extrem kurz - stattdessen bestehen die meisten Levels aus Häusern und Städten, in denen viel Wert auf den Nahkampf gelegt wird. Natürlich gibt es Ausnahmen wie die coole Verfolgungsjagd durch die Straßen von Paris, die weiten Wälder und Felder in Aserbaidschan oder der rumpelige Ausflug im Panzer. Außerdem darf man auch man im Sitz einer F/A-18 Platz nehmen, allerdings nicht selbst fliegen - sondern lediglich wie beim Dogfight Modus von Ace Combat: Assault Horizon die Geschütze bedienen, während der Pilot Magen verknotend wilde Manöver fliegt. Die Kampagne ist zwar recht kurz, aber dennoch ziemlich anspruchsvoll: Zum einen geht hier schon auf »Normal« gut die Post ab, zum anderen sind die ausschließlich automatischen Checkpunkte teilweise sehr dämlich platziert - geht man drauf, dass man immer wieder lange Laufwege oder nicht überspringbare Dialoge nochmals ertragen. Außerdem geht der Trend zum Reaktionstest an der Front weiter: Immer wieder muss man schnelle Knöpfchendrück-Fähigkeiten unter Beweis stellen, was am Bildschirm mit männlichen Kloppereien oder waghalsigen Sprungaktionen quittiert wird.
Die KI ist nicht die hellste, weder unter den Gegnern noch unter den Kameraden. |
Erledigte Feinde verschwinden nach kurzer Zeit wie durch Magie und hinterlassen neben einem Blutfleck lediglich ihre Waffe. Zwei davon darf man jederzeit mit sich herumtragen, zusätzlich zu Granaten. Ein ähnlicher Verschwindibus-Trick wird immer wieder bei Fahrzeugen angewandt, die man zur Explosion gebracht hat: Einmal versteckte ich mich hinter einem qualmenden Wrack, das ein paar Sekunden darauf einfach verschwand - hab ziemlich blöd geguckt.
The Big Bang Theory
Nicht im Bild: Die brachiale Soundkulisse. Ganz besonders die Effekte sind schlicht der Hammer! |
Die Präsentation setzt in mehrfacher Hinsicht neue Maßstäbe. Vor allem eine Sache hat es mir angetan: Der Sound! Zum einen ist das der hervorragende, sehr andere Soundtrack, der zur Abwechslung mal nicht auf Orchester-Bombast, sondern auf minimalistischen Elektro setzt - sehr lässig, sehr atmosphärisch! Dann ist da noch die auch in der deutschen Version qualitativ sehr hochwertige Sprachausgabe, die in der übersetzten Fassung die Fremdsprachen den Original-Sprechern überlässt - dadurch werden Peinlichkeiten wie das Pseudo-Russisch in CoD: Black Ops konsequent vermieden. Der wichtigste Punkt betrifft allerdings die Soundeffekte. Mann, wie das hier kracht! Mann, wie das hier hämmert! Wahnsinn! Wer das ohne Surround-System spielt, verpasst den Großteil der Atmosphäre!
Prachtbilder des Grauens
Und dann ist da natürlich noch die Grafik. EA und DICE haben sich im Vorfeld der Veröffentlichung nicht nehmen lassen, so ziemlich jeden einzelnen Aspekt der neuen Frostbite 2-Engine in allen Einzelheiten auszuklamüsern: Hochrealistisch soll alles sein, Irrsinnsanimationen soll es zu sehen geben, prinzipiell kann alles zerstört werden - und rasend schnell soll das Ganze auch noch laufen! Machen wir es kurz: Battlefield 3 sieht geil aus! Ganz besonders das Lichtmodell sucht im Spielebereich seinesgleichen, die Ausleuchtung der Levels ist einfach wundervoll. Das Design der Kampagnenlevels ist sehr abwechslungsreich, die Schlachtfelder werden durch die obligatorischen Skript-Massen zum Leben erweckt. Die Animationen der eigenen Leute sind in der Tat sehr beeindruckend: Wie ein Kamerad im vollen Lauf um eine Ecke rennt, dabei kurz ins Schliddern kommt, sich gerade noch fängt und weiter spurtet. Wie einer in die Deckung hechtet und aufgrund von etwas zu viel Schwung etwas von der Wand abprallt. Die Bewegungen der Gegner und die Todes-Animationen sind dagegen allerdings weniger ansehnlich. Sehr schön auch Details wie die Verschmutzungen und Kratzer auf Oberflächen wie der Flugzeughaube oder der Gasmaske. Und das Schönste daran: Wenn euer Rechner Crysis 2 oder Rage gut stemmen konnte, dann sollte er auch mit Battlefield 3 keine Probleme haben.
Es ist Battlefield - also ist man nicht nur zu Fuß, sondern auch im Panzer oder im Flugzeug unterwegs. |
Der größte Grafikdämpfer kommt von den Konsolen: Hat man vorher die PC-Fassung auf vollen Details gespielt, wirken die Versionen für 360 und PS3 wie ein Ausflug in Half-Life-Zeiten - ganz besonders im Falle der 360-Fassung, wenn die HD-Texturen nicht installiert werden. Bitte, bitte, bitte spielt Battlefield 3 auf der 360 nicht ohne die HD-Texturen! Bitte! Der grafische Unterschied zwischen den beiden Varianten ist eklatant, denn ohne HD-Pack (das zur Installation 1.6 GB verlangt) sehen viele Texturen nicht nur extrem matschig aus, es fehlen auch Teile der Level- und Detailgeometrie! Die PS3 hat das Problem nicht, hier sind von Anfang an alle Details vorhanden. Dafür ist hier das woanders sehr seltene Tearing ausgeprägter. Beiden Konsolenfassungen ist allerdings gemein, dass das Spiel in der Kampagne jederzeit flüssig läuft - ein Ruckeln ist mir nie aufgefallen.
Zu schön um wahr zu sein?
Die PC-Version lässt die Konsolenfassungen grafisch deutlich hinter sich zurück, hat allerdings mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Dennoch: Mit Abstand die beste aller BF3-Varianten. |
Auf den Konsolen muss man sich schon mal von einem Merkmal verabschieden: Statt 64 Spieler dürfen auf 360 und PS3 maximal 24 Soldaten im Eroberungs-Modus antreten, die Größe der Karten wurde im Vergleich zur PC-Version entsprechend angepasst. Die Teamarbeit steht unverändert im Mittelpunkt, es gibt allerdings viele Verbesserungen im Detail: Man kann jetzt z.B. direkt in parkende Vehikel spawnen, was das entsprechende Camping auf ein Minimum reduziert. Außerdem heilen angeschlagene Fahr- und Flugzeuge mit der Zeit automatisch. Man kann mittlerweile entscheiden, ob man durch den Defibrillator wiederbelebt werden möchte oder nicht, was übereifrigen Frontmedizinern, die nur auf die Punkte aus sind, gehörig den Zahn zieht. Neu und praktisch ist das Sperrfeuer, mit dem man dem Gegner die Sicht verzerrt und Bonuspunkte erhält. Generell schütten die Entwickler ein Boni-Füllhorn über dem aktiven Spieler aus: Kill Assists, Spot Assists, Spawn Points, erwähntes Sperrfeuer - das Aufleveln geht dadurch etwas zügiger als zuletzt noch bei Bad Company 2. Das ist auch nötig, denn es gibt weitaus mehr freizuschalten: Jede Klasse, jede Waffe und jedes Vehikel hat einen eigenen Upgrade-Baum. Dadurch kann man sich entweder von Anfang an stark spezialisieren oder gemächlich in alle Richtungen orientieren. Praktischerweise bekommt man am Ende jeder Runde angezeigt, wie weit man vom nächsten Upgrade entfernt ist - ein sehr motivierender Kniff.
Des Kaisers neue Klassen
Die Eroberungs, in der man Flaggen für das Team an sich reißt, ist unverändert der Kern der Multiplayer-Variante. Wer daran kein Interesse hat, darf sich auch im Rush oder Deathmatch austoben (beides auch in der Squad-Variante), aber in beiden Fällen muss man mitnochmals reduzierter Spielerzahl auf den Karten leben.
Das ist das wahre Battlefield-Gefühl: Zum Start einer Eroberungs-Runde rennen auf dem PC Spielermassen drauflos! Auf den Konsolen sind 40 Teilnehmer weniger erlaubt, was sich spürbar auf den Schlachtspaß auswirkt. |
Es gibt erstmals auch auf den Konsolen einen Serverbrowser, der dem teilweise extrem unzuverlässigen Automatchmaking, das Bad Company 2 noch so geplagt hat, den verdienten Stinkefinger zeigt: Man kann die Spiele u.a. nach Teilnehmerzahl, Modus, Karte oder Kontinent filtern, was wunderbar funktioniert. Was hingegen sehr nervt ist, dass man immer noch nicht nach dem Rundenende zurück ins Mehrspielermenü darf. Nö, stattdessen muss man locker eine Minute warten (Endauswertung + lange Ladezeit für die nächste Karte), bis man zurück gelassen wird. Auch wird man immer wieder in Partien geworfen, die unmittelbar nach der eigenen Ankunft beendet werden - angesichts der langen Ladezeiten stört das ganz schön.
Auch die Spielerklassen wurden zum Teil generalüberholt: Pioniere und Aufklärer blieben unverändert, auch wenn Letztere nicht mehr wie Wookies aussehen. Der »Sturmsoldat« übernimmt jetzt die Funktionen des Mediziners (Medikit und freispielbarer Defibrillator), die »Versorgung« hat dagegen die schweren Medic-Waffen sowie Munitionskisten und Sprengstoff. Außerdem gibt es jetzt acht automatisch angelegte Squads, zwischen denen man wechseln kann. Das Anlegen individueller Klassen ist dagegen leider nicht gestattet.
Die traurige Sage vom liegenden Camper
Die Vehikelsteuerung schreit nach Gamepad oder Joystick - mit Tastatur und Maus gewinnt man hier keinen Blumentopf. |
Neben diesen im Design verankerten Ärgernissen hat das Spiel zum Start auch mit ganz realen technischen Problemen zu kämpfen: Die Mehrspielerpartien sind auf 360 und PS3 immer wieder mit kleinen Lag-Zucklern versetzt - nicht auffällig genug, um wirklich zu stören, aber doch spürbar. Es gibt zudem viele Verbindungsabbrüche, viele Partien kommen gar nicht erst zustande - oder man findet sich unvermittelt allein auf dem Server wieder. Der Serverbrowser spinnt immer wieder mal komplett und zeigt gar keine Partien an; ein Bug sorgt außerdem dafür, dass im Gegnerteam nur ein Spieler angezeigt wird - obwohl der Server voll ist.
Der ballernde Buchhalter
Die PC-Version ist in mehrfacher Hinsicht etwas Besonderes, denn nicht nur hebt sie sich grafisch und hinsichtlich der Spielerzahl positiv von ihren Konsolenbrüdern ab - sie hat auch deutlich höhere Starthürden. Da wäre zum einen EAs Online-Service Origin, der u.a. schon bei Crysis 2 und Alice: Madness Returns zum Einsatz kam. Und über den mittlerweile wohl wirklich alles geschrieben wurde. Egal, wie man zu dem Thema steht - wenn man Battlefield 3 auf dem PC spielen möchte, führt gegenwärtig kein Weg an Origin vorbei.
Das gilt auch für das Battlelog, sogar wenn man nur auf den Konsolen spielen möchte. Denn Statistiken werden nur auf der offiziellen Battlelog-Seite geführt, selbst für Freundesupdates auf den Konsolen braucht man eine Battlelog-Anmeldung.
Teamarbeit steht wie immer bei Battlefield im Vordergrund - Solokämpfer haben hier keine Chance. Außer natürlich im Deathmatch-Modus. |
Obwohl PC-Battlefieldler mit Maus und Tastatur traditionell die Shooternase vorn haben, sollten sie sich nicht scheuen, ein Gamepad oder gar einen Joystick zur schnellen Verfügbarkeit an den Rechner zu hängen. Denn so praktisch die vielen Luftfahrzeuge (Flugzeuge und Helikopter) auch sind, so furchtbar steuern sie sich mit der klassischen Eingabemethode. Besonders ärgerlich ist das, weil es wie üblich kein Vehikel-Tutorial gibt - nicht mal in der Kampagne bekommt man beigebracht, wie man einen wackeligen Helikopter in der Luft hält. Kein Wunder also, dass man sich als Passagier gegenwärtig noch oftmals wie ein Crash Test Dummy vorkommt.
Fazit
Für die Kampagne sollte man sich dieses Spiel nicht kaufen: Vom Knöpfchendrück-Anfang bis hin zum Fragezeichen-Ende wirkt sie bedrückend mittelmäßig und ideenlos. Man kommt sich vor, als wurde eine »Das müssen wir drin haben!«-Liste abgehakt: Snipermission, Panzerfahrt, Ausflug im Flieger, wechselnde Spielfiguren, dauerspawnende Klon-Russen und -Araber als Gegner - das »Call of Duty ist super, das können wir auch!«-Credo haben sich die Entwickler etwas zu sehr zu Herzen genommen. DICE, bleib bei deinen Leisten! Die liegen bekanntermaßen beim Mehrspielermodus. Und der könnte grundsätzlich fantastisch sein, wenn mir nicht einige unerklärliche Designentscheidungen wie der nicht vorhandene Spawn-Schutz oder das zum Campen einladende Rumliegen den Spaß immer wieder trüben würden. Davon abgesehen liefert DICE wieder mal sehr unterhaltsame Mehrspielerfreuden mit motivierendem Aufleveln, einem auch auf Konsolen prima funktionierenden Serverbrowser und guter (360, PS3) bis ausgezeichneter (PC) Präsentation. Letztere Fassung hat die Nase klar vorn, nicht nur bei der Technik: Die weitaus höhere Spielerzahl und die größeren Karten vermitteln das berühmte, mitreißende Battlefield-Gefühl besser als die eingeschränkten Konsolenversionen. Das erhoffte Ausnahmespiel ist Battlefield 3 nicht geworden - aber in jedem Fall ein sehr unterhaltsamer Teamshooter, zu dem ich immer wieder gerne greife.
Pro
Kontra
Wertung
360
Der unterhaltsame und motivierende Mehrspielermodus ist das Highlight von Battlefield 3 - die Kampagne ist dagegen nur uninteressanter Durchschnitt.
PlayStation3
Der unterhaltsame und motivierende Mehrspielermodus ist das Highlight von Battlefield 3 - die Kampagne ist dagegen nur uninteressanter Durchschnitt.
PC
Die PC-Fassung hat die mit Abstand schönste Kulisse und den umfangreichsten Mehrspielermodus, was sie zur besten Version macht.
Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.