Im Test:
Der erste Blick
Wenn man NBA 2K10 gespielt hat und dann NBA Live 10 einlegt, ist schon vor dem Tip-Off Ernüchterung angesagt: Egal ob Team-Einlauf, Kamerafahrten, Kommentare oder Stadionatmosphäre - EA kann nicht dieses fernsehreife und lebendige Flair in der Präsentation erzeugen, dem man schon vor dem ersten Ball bei der Konkurrenz begegnet. Und das, obwohl man wie bei FIFA 10 nicht nur ein spielbares Hauptmenü anbietet, in dem man in einer Halle schon mal Würfe, Dunks & Co üben kann, sondern auf einen Schwenk auf die dort angebrachten Breitbildfernseher auch noch Spielszenen aus der NBA . Der Point Guard macht die Spielzugansage: NBA Live 10 (ab 4,38€ bei kaufen) spielt sich erfrischend taktisch.
Die prall gefüllten Hallen sorgen mit ihren Fans auch umgehend für Stimmung, man kann sogar zwischen normaler Liga-, angeheizter Play-off- und frenetischer Final-Akustik wählen - eine klasse Idee, denn die Intensität des Jubels steigert sich akustisch und auch optisch spürbar. Aber der erste Blick auf die Figuren und ihre Bewegungen zeigt qualitative Unterschiede zu NBA 2K10: Die Spielermodelle sehen etwas klobiger aus und vor allem ihre Animationen erreichen nicht die geschmeidige Eleganz der Konkurrenz von 2K. Zum einen sehen Sprungwürfe etwas abgehackt aus und zum anderen wirken manche Korbleger zu automatisiert - manchmal zieht ein Power Forward wie auf Schienen von der Dreierlinie in die Zone und netzt ein.
Der zweite Blick
Bitte nicht falsch verstehen: Dieses Spiel sieht gut aus, bietet etwas markanteres Licht und mehr Details hinsichtlich der Profis (Muskeln, Tattoos etc.) als im Vorjahr, dazu ebenso fette Dunks und läuft flüssig. Es hat auch einige Leckerbissen in den Bewegungsabläufen parat, die NBA 2K10 nicht bietet. Vor allem das manuelle Passen über den Stick ist ein kleines Highlight, denn es sorgt nicht nur für No-look-Coolness, sondern auch für mehr Bewegung unter dem Korb - man kann selbst im vollen Sprint sehr präzise passen. Und sobald man damit experimentiert, entdeckt man auf den zweiten Blick weitere Feinheiten, die man sich auch beim durchgestylteren Konkurrenten gewünscht hätte. Das Pass-Spiel wurde verfeinert: Man kann schnell und intuitiv über den rechten Analogstick passen.
Da wäre vor allem die Defensivmechanik: In NBA Live kann man zwar auch Soli hinlegen und mit einem Dribbling mal schnell unter den Korb ziehen, aber man muss im Angriff mehr taktieren und cleverer passen, weil die Verteidiger stabiler stehen und effektiver abwehren. Außerdem begegnet man hier auch nicht dieser Alley oop-Schwemme, weil dieses Pässe eher abgefangen werden. Wenn man hier die Doppeldeckung aktiviert, stellen Center & Co den gegnerischen Power Forward schneller und besser zu, weil sie automatisch auch in Blockpositionen gehen und damit erfolgreich sind. Während ich bei NBA 2K10 das Gefühl habe, dass mir selbst bei gutem Timing die Abwehr durch die Hände gleitet, habe ich hier das Gefühl, dass ich selbst aggressive Gegner besser stören kann - man kommt öfter zu einem erfolgreichen Block.
Effiziente Defensive, taktische Offensive
Sprich: Ich kann einen flinken Kobe Bryant in NBA 2K10 kaum aufhalten, wenn ihn in die enge Deckung nehme, weil diese zu träge ist; hier kann ich ihn auch nicht immer, aber viel öfter stoppen, weil die defensiven Mechanismen besser funktionieren. Außerdem prallen Solisten, die bei vollem Spurt in die Zone dribbeln, in NBA Live nicht nur eher ab, sie verlieren bei diesen ungestümen Aktionen auch öfter den Ball - und das ist gut so. Das führt dazu, dass sich das Spiel realistischer anfühlt und dass man sich auch als Offensivspieler cleverer verhalten muss. Bei den Dribblings kann man seine Manöver aufladen, um dann am Gegner vorbei zu ziehen.
Da hat man zwar nicht mehr Möglichkeiten als in NKA 2K10, was die Anzahl der Dribblings angeht, aber dafür klarere und interessantere: Der Point Guard kann im Angesicht der Verteidigung sein Offensivmanöver über einen Size-up-Move quasi aufladen, wenn er im Stehen die Spurttaste gedrückt hält - dargestellt durch das provokative flache Dribbling zwischen den Beinen. Danach kann man mit dem rechten Analogstick diverse Finten vom Crossover über Sweep-Through oder Step-Through einleiten. Die Steuerung der Dribblings ist durch die Trennung von linkem (Bewegung) und rechtem Stick (Dribbling) deutlich übersichtlicher als der One-Stick-Iso-Bewegungs-Mix in NBA 2K10. Das zahlt sich auch bei den Würfen aus: Ich entscheide per Analogstick, ob ich einen normalen Sprungwurf oder einen Fadeaway-Jumpshot oder einen Dunk einleite. Das hört sich banal an, aber bei der Konkurrenz kann es da eher zu Überschneidungen kommen.
Stärken und Schwächen
Beim Pick&Roll hat man ebenfalls kreative Fortschritte gemacht: In NBA Live gefällt mir, dass der Ball führende Spieler über einen Knopfdruck den nächsten im Blickfeld dazu animiert, einen Block zu stellen (schön ist, dass hier im Zweifelsfall automatisch der effizientere, also körperlich stabilere Mitspieler wie etwa der Center kommt) - danach hat man noch die Wahl per Schultertaste, ob dieser Blocksteller einen Roll oder Fade ausführt, um sich z.B. mit einer schnellen Drehung als Passempfänger anzubieten. Sehr gut ist auch, dass man diese Blocks nicht inflationär setzen kann, sonst zieht man Fouls auf sich. In der Defensive hat man effiziente Möglichkeiten, seine Gegner aufzuhalten.
All das funktioniert gut und unterstreicht den Weg zur Simulation, aber NBA Live hat in der Spielmechanik auch seine Schwächen. Zum einen kann das wichtige Aufposten nicht an die Fülle der Bewegungen und Möglichkeiten anknüpfen, die die Konkurrenz bietet. Gerade wenn man mit seinen Centern und Power Forwards aktiv in der Zone ist und elegante Körbe aus dem Körperkontakt heraus meistern will, wird man hier zu sehr auf einfache Würfe beschränkt ; außerdem wirkt sich die Statur beim Schieben und Drücken nicht so deutlich aus wie in NBA 2K10.
Ärgerlich ist bei allem Lob der intuitiven Pässe auch, dass sich die Empfänger viel zu oft selbst ins Aus stellen. Man passt an die Seitenlinie und dann sind sie schon oder gehen noch einen Schritt zurück - Pfiff, Turnover, Frust. Das passiert leider etwas zu häufig, vor allem wenn man das Icon-Passing nutzt. Auch die Off-the-ball-Kontrolle hat noch ihre Tücken: Das
kurzfristige Steuern eines Spielers ohne Ball führt nicht immer ohne Knopfdruckhektik zum gewünschten Erfolg - also zum Passempfang. Und letztlich wirken die Korbleger trotz der besseren Defensivmanöver noch zu künstlich. Über das Internet bleibt man ständig auf dem Laufenden, kann mit bis zu zehn Leuten loslegen und alle NBA-Kader aktualisieren.
Keine Karriere in Sicht
Auch hinsichtlich des Umfangs kann man sich nicht mit NBA 2K10 messen: Da fehlt vor allem eine Karriere. Es gibt also keinen motivierenden Spielmodus wie etwa "Be A Pro" für Solisten, lediglich Standardmodi wie Play-Offs, Saisons, die offizielle FIBA Weltmeisterschaft oder die Dynasty, in der man als Trainer und Manager inklusive Transfers, Trainingslager und Verletzungen aktiv ist. Dass man die Liga jetzt dynamisch nennt, weil die Daten und Spielerfähigkeiten ähnlich wie in FIFA 10 mit der aktuellen NBA synchronisiert werden (DNS-Feature; ein Gratis-Code für die aktuelle Saison liegt bei), so dass man mit seinem Team auch Begegnungen unter realistischen Voraussetzungen nachspielen kann, ist da nur ein schwacher Trost. Denn auch spezielle Übungsspiele, in denen man seine Skills hinsichtlich der Dribblings oder des Aufpostens verfeinern kann, sucht man vergeblich.
Dafür kann man online ebenso auf Matches mit bis zu zehn Freunden sowie auf einen soliden Netzcode bauen, der unterm Strich sogar einen Tick flüssigere Spiele erlaubt als in NBA 2K10 - hier gehen kleine Aktionen wie Pumpfakes nicht so schnell im Lag unter.
Fazit
Wo ist die Eleganz eines NBA 2K10? Warum wirken die Spieler so klobig? Wieso sieht der Korbleger aus, als hätte man ihn auf Schienen bestellt? Ich war nach den ersten zwei, drei Spielen noch sehr skeptisch, denn wenn man sich zuvor intensiv mit dem durchgestylten Basketball-Konkurrenten aus dem Hause 2K beschäftigte, fallen vor allem die visuellen Unterschiede hinsichtlich der Präsentation und Animationen sofort auf. All das befindet sich auf einem guten Niveau, ist sogar besser als im Vorjahr, aber diese Fortschritte verblassen im direkten Vergleich. Außerdem fehlt eine lebendige Karriere, das Aufposten kann nicht an die Vielfalt des Konkurrenten anknüpfen und man ärgert sich über kleine Bugs, die Spieler ins Aus manövrieren. Aber auch NBA 2K10 hat bekanntlich seine Tücken. Und mit der Zeit entdeckt man in diesem NBA Live 10 einige wichtige inhaltliche Vorzüge, die es unterm Strich sogar zum taktischeren Spiel machen: Erstens ist die Pass-Mechanik besser, weil man seine Mitspieler präziser und intuitiver in Szene setzen kann. Zweitens ist die Defensiv-Mechanik besser, weil man hier effizienter blocken und Solisten stören kann. Drittens ist die Steuerung zwar weniger umfangreich, aber letztlich klarer und erlaubt bei den Dribblings sowie dem Pick&Roll einige Feinheiten. EA geht hier den richtigen Weg, indem man weiter am Simulationscharakter feilt. Angesichts der Alley oop-Inflation und dem Fokus auf rasantem Offensiv-Basketball wirkt der Konkurrent NBA 2K10 fast arcadiger. Unterm Strich ist NBA Live 10 zwar weniger elegant, weniger umfangreich und weniger spektakulär, aber dafür ist die Defensive hier weitaus befriedigender, der Spielaufbau fordernder und ein gutes Auge beim Passen wichtiger.
Pro
Kontra
Wertung
360
Angenehm taktischer Basketball mit Fokus auf Defensive, Passen und Spielaufbau.
PlayStation3
Nicht so elegant und umfangreich wie NBA 2K10, aber dafür im Spielaufbau befriedigender.
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