RTL Winter Sports 2010 - The Great Tournament27.11.2009, Benjamin Schmädig
RTL Winter Sports 2010 - The Great Tournament

Im Test:

RTL und seine halbjährlichen Turniere... Für sich genommen waren sie nie schlecht, auf Dauer aber meist dröge und im Laufe der Jahre nur mit unmerklichen Veränderungen gesegnet. Zeit für einen Wechsel. Zeit für die neuen Winterspiele! Denn passend zur Olympiade in Vancouver kappt man alte Zöpfe und frisiert die Medaillenjagd wie ein modernes Großereignis: kurzweilig, spannend, lebendig. Und tatsächlich schippt man den alten Schnee damit fast komplett zur Seite.

Der Barbier aus Hamburg

OK, da sind die ohnehin nicht gerade ansehnlichen Sportler, von denen sich unangenehm viele Zwillinge im olympischen Dorf tummeln. Da sind auch immer noch zweidimensionale Bäume, die mir stets nur diese eine Seite zeigen. Und da ist auch eine generelle visuelle Oberflächlichkeit, die im Wettkampf zum Glück nicht ins Auge fällt, wegen der das Drumherum aber nur zweitklassig wirkt. Aber darüber kann ich hinwegsehen. Nicht, weil sie so unscheinbar sind - das Gegenteil trifft leider zu. Auf Wii tauchen großflächige Details sogar erst mächtig spät auf und bei manchen Kamerafahrten vor einem Wettkampf geht die Bildrate empfindlich in die Knie. Aber weil das "Great Tournament", wie RTL die aktuelle Saison untertitelt, in allen anderen Bereichen einen deutlichen Schritt nach vorne macht, löst es sich mit einem Befreiungsschlag von seinen Altlasten.

Ein "perfekter Start"!

Mehr als 40 Herausforderungen warten neben der Karriere, im Mehrspieler-Modus treten bis zu vier Teilnehmer auf einem Bildschirm an, Erfahrungspunkte werden in stärkere Fähigkeiten investiert, gemeisterte Aufgaben schalten zusätzliche Austragungsorte frei -

Mit viel Schwung in die neue Saison: Aufregender und lebendiger soll sie werden.
so weit, so bekannt. Auch, dass das Spiel die Wintersport-Atmosphäre in den acht Sportarten z.B. mit Schneeverwehungen oder aufschwellendem Applaus stimmungsvoll einfängt... Moment mal, nur acht Disziplinen? Richtig gelesen: Gab es vormals mehr als ein Dutzend Wettkämpfe, sind es jetzt deutlich weniger. Was der Motivation auf lange Sicht tatsächlich abträglich ist - schade! - was ihr aber lange genug erfreulich wenig anhaben kann. Ein Grund dafür ist die Art und Weise, wie die Austragungen präsentiert werden. Klar, es gab auch in den Jahren zuvor schon einleitende Kommentare sowie die eine oder andere witzige Geste des Maskottchens. Diesmal hebt der Kommentator allerdings nicht nur historisch Interessantes sowie spielerisch Wissenswertes zum Wettbewerb hervor; ich habe die Einleitungen auch deshalb überraschend lange laufen lassen, weil ich sehen wollte, wie sich das drollige Maskottchen einen Skistock schnappt und mit einem meiner Sportler "fechtet". Das ist nämlich nicht nur liebevoll gemacht, es sieht genau wie die zahlreichen Gesten meiner Athleten auch angenehm glaubwürdig aus.

Ein ganz anderes Mittel, mit dem die Hamburger Entwickler ihre sportlichen Austragungen vom Staub dröger Sportübertragungen befreien, ist die freie Interpretation des Wortes "Sport-Simulation". Mit dem Teil nach dem Bindestrich nimmt es 49Games nämlich nicht ganz so genau - und das ist gut so! Vielleicht war es deshalb ja die richtige Entscheidung, dass RTL nicht in eine olympische Lizenz investiert hat. So lädt sauberes Fahren in den sechs Wettlauf-Disziplinen Adrenalin auf, das per Knopfdruck für mehr Geschwindigkeit sorgt. Eine markige Stimme annonciert dazu "Adrenalin empty!" oder bemerkt einen "Perfect start!" Ja, leider nur auf Englisch. Das Geschichten erzählende Reporter-Duo wurde außerdem gestrichen, dafür kommt eine visuelle Komponente hinzu: In diesem Jahr schlittere ich nämlich nicht mehr alleine durch die Bob-Bahn oder rase solo den Hang hinunter, sondern rempele mich je nach Sportart direkt gegen meine Kontrahenten nach vorne oder sehe zumindest eine Anzeige, die den Abstand zu den Gegnern markiert. Spätestens, als ich mich in einem wichtigen Bobrennen erst kurz vor knapp an die Spitze schieben konnte, wusste ich den künstlichen Spannungsbogen zu schätzen! Hilfreich ist auch, dass ich wichtige Informationen wie meine Platzierung von Anzeigetafeln ablese, anstatt auf ein starres Display zu schauen.     

Rüde oder fair?

Nach vorne "rempeln" ist übrigens wörtlich zu verstehen, denn wo ein Kontrahent fährt, ist auch ein Ellbogen. So richtig sportlich ist das natürlich nicht - aber sehr unterhaltsam! Immerhin muss ich mich ja nicht mit den jeweils drei vom Spiel gesteuerten Gegnern zufriedengeben, sondern trete auf geteiltem Bildschirm auch gegen Kumpels und Kollegen an. Die Schwierigkeit des automatisch aufgefüllten Teilnehmerfeldes (es treten immer vier Teilnehmer an) können wir dabei wie im Solospiel in vier Stufen regeln. Aufmerksame Kenner haben es schon rausgelesen:

Alles neu macht der November: Hamburg wirbelt frischen Schnee auf.Neu ist, dass jetzt alle vier Teilnehmer gleichzeitig antreten dürfen. Den besten Freund kurz vorm Ziel noch mal wegschubsen? Super! Falls man dann im nächsten Wettrennen den sich deshalb langsamer auflandenden Adrenalin-Balken kompensieren kann...

Und es geht nicht nur um den eigentlichen Sport: Auch die Karriere erhält einen Schub, weil die Charakterentwicklung vorsichtig erweitert wurde. Dabei steht die Karriere diesmal nicht für die Laufbahn einzelner Sportler, sondern für den Erfolg einer ganzen Mannschaft. Ein Alter Ego darf ich zwar nicht erstellen, weil sämtliche Männlein und Weiblein bereist vorgebrütet sind, dafür kann ich den Sportlern diesmal einzigartige Upgrades verpassen, anstatt meine Erfahrungspunkte in den Kauf Rollenspiel-ähnlicher Fähigkeiten zu investieren. So startet mein Abfahrtsläufer bald schneller, mein Bob steuert sich präziser, mein Snowboard Cross-Fahrer wird resistent gegen Rempler und wenn ich besonders viel zahle, darf ich einen verpatzten Wettkampf einmal wiederholen. Es ist nicht nur schön zu sehen, wie die Athleten im Mannschaftsbildschirm für das Aufwerten in den Vordergrund treten, während ihnen ihre Kollegen Platz machen - die Upgrades sind vor allem ein sehr motivierendes System.

Mit wem spielst du?

Wie gehabt besteht die Karriere dabei aus unterschiedlich zusammengestellten Turnieren, wobei die Stärke der Gegner während einer solchen Mini-Meisterschaft variieren kann. Das ergibt zwar wenig Sinn, macht die Laufbahn aber interessanter. In jedem Turnier gilt es außerdem, einen besonders starken Kontrahenten zu schlagen - ich trete also nie gegen irgendwelche drei Nationen an, sondern befinde mich immer im Clinch mit einer hervorgehobenen Mannschaft. Und falls ich mal keine Lust verspüre, meine Karriere voran zu treiben? Dann versuche ich mich eben in den bekannten Herausforderungen.

Die acht Sportarten im Überblick

Shorttrack

Auf gerade mal gut 100 Metern liefern sich vier Läufer ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Snowboard Cross

Auf verzweigten Bahnen geht es zwischen Felsen und über kleine Schanzen entlang.

Skifliegen

Nur wer im richtigen Moment startet, erwischt den richtigen Wind!

Eiskunstlauf

Als Rhythmusspiel ist das Eistanzen ein Exot unter den virtuellen Disziplinen.

Biathlon

Auf einen separaten Biathlon-Titel verzichten die Entwickler erstmals seit vielen Jahren. Nur auf einem Monitor in der Eishalle läuft das Spiel in diesem Jahr noch.

Ski Alpin Freeride / Ski Alpin Abfahrt

Ähnlich wie beim Snowboard Cross geht es um die richtige Mischung aus Stunts und gut platzierten Boosts.

Viererbob

Nur wer das Geschoss bei mehr als 100 Sachen noch von der Bande fernhalten kann, hat in der Eisbahn eine Chance.Dort geht es weniger um das Erreichen einer Bestzeit, -punktezahl oder -weite, sondern eher um "Nebensächlichkeiten" wie das Aufsammeln von Ringen oder das Ausweichen von Totenschädeln. Wenn das dann auch noch innerhalb einer bestimmten Zeit stattfinden muss, wird es knifflig. Nein, es wird sogar zu knifflig. Jedenfalls zu schnell. Schon nach weniger als zehn Herausforderungen hatte ich nämlich alle Hände voll zu tun, die Aufgaben überhaupt noch zu meistern. Nicht zuletzt kommen schließlich Bosse hinzu, die mich in ihrer Parade-Disziplin herausfordern. Und die zu knacken ist kein Kinderspiel! Immerhin winken als Belohnung aber Austragungsorte, die vorher nicht frei wählbar sind, und ich hatte stets die Wahl zwischen mindestens zwei, meist sogar mehr Herausforderungen. Im Gegensatz zu Segas Mario & Sonic-Olympiade fördert RTL also auch Solo-Sportler, und das tut dem Great Tournament richtig gut. Als ich mich nicht weniger als eine geschlagene Stunde lang an einem Boblauf festgebissen hatte, wurde mir jedenfalls klar: Dieses Winter Sports macht irgendetwas richtig!

Und nicht nur das; es traut sich auch in die Weiten des Internet. Zum ersten Mal erstelle ich somit eigene Turniere für bis zu vier Spieler oder wähle eins der vorgefertigten. Auf Wii darf ich dies zwar nur, wenn ich mit den Bekannten meiner Freundesliste spiele, aber davon abgesehen gelingt 49Games ein richtig guter Online-Einstieg! Leider findet man auf jedem der Systeme so gut wie keine Gleichgesinnte, so dass die meisten Hobby-Athleten wohl auf Online-Austragungen verzichten müssen. Das will ich dem Spiel allerdings nicht anrechnen.  Ähnlich souverän lösen die Entwickler übrigens - einmal mehr - die Steuerung. Bis auf die ohnehin leidliche Unterstützung des Balance Boards bleibt nämlich alles beim Alten, so dass auch diesjährige Wintersportler davon profitieren, dass sie nur selten panisch Fuchteln, Schütteln, Rütteln oder Hämmern, sondern meistens ihr Gespür für gutes Timing und das richtige Maß gefordert ist. Eine Idee fürs nächste Jahr vielleicht: So spannend das Rhythmusspiel im Eiskunstlauf sein kann, so angenehm knifflig stelle ich mir Situationen vor, in denen ich je nach Leistung und Situation kurze Reaktionsspiele meistern muss. Nicht zuletzt hat die Auswahl klassischer Kompositionen Segas Marionetten-Olympiade spürbar aufgewertet, während es hier nur guten aber belanglosen Synthie-Pop gibt. Und haltet mich für irre, aber bitte bringt das Curling zurück! 

Fazit

Statt als oberflächliche Simulation mit dem Charme einer zehn Jahre alten TV-Übertragung zu posieren, jagt Winter Sports plötzlich in Arcade-Gefilden und macht dort eine richtig gute Figur! Nein, es ist kein großes Olympia, das RTL hier inszeniert - dafür fehlt es der Umgebung an Details, dafür sind die Klonfiguren noch immer recht unansehnlich und dafür können mich acht Sportarten einfach nicht lange genug fesseln. Ich war allerdings überrascht, wie unterhaltsam die Karriere mit ihren motivierenden Upgrades ist und wie lange ich mich an den separaten Herausforderungen samt Boss-Duellen versucht habe. Im Gegensatz zu Segas Parade der Maskottchen kommen bei Winter Sports nämlich auch Solisten auf ihre Kosten. Ganz zu schweigen davon, dass 49Games auch Online-Sportler ins Rennen schickt! Erstaunlich, dass die RTL-Olympiade sogar aufwändiger und liebevoller präsentiert wird als der Aufmarsch von Mario & Sonic. Ja, den Ikonen bleibt der gewaltige Vorteil von mehr als 20 Disziplinen. Dafür wirkt Winter Sports allerdings unverbrauchter und bleibt dank seiner durchdachten Karriere und der anspruchsvollen Herausforderungen auch für Solisten länger frisch.

Pro

abwechslungsreiche Karriere
fordernde Herausforderungen
gelungene, eingängige Steuerung
Onlinespiele- und Turniere
unterhaltsame Einführungen mit interessanten Informationen
aufwändige Animationen
überzeugende Winter-Atmosphäre
alle Informationen auf simulierten Anzeigetafeln
geteilter Bildschirm für bis zu vier Spieler
übersichtliche Erklärungen zur Steuerung
Fairplay bringt Leistungsvorteile
unterhaltsame Kommentare
vier Schwierigkeitsgrade

Kontra

gelegentliches Stottern
relativ detailarme Umgebung, Klonsportler, 2D-Bäume
spät eingeblendete Details stören Atmosphäre (Wii)
nur acht Sportarten
Herausforderungen werden zu schnell schwer

Wertung

360

Das neue Winter Sports spielt sich klasse und ist sowohl für Solisten als auch für Online-Sportler interessant.

PlayStation3

Das neue Winter Sports spielt sich klasse und ist sowohl für Solisten als auch für Online-Sportler interessant.

Wii

Das neue Winter Sports spielt sich klasse und ist sowohl für Solisten als auch für Online-Sportler interessant.

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