Im Test:
Das hässlichste Spiel seiner Ära?
Deadly Premonition... das bedeutet heute wie damals: hässliche Darstellung auf PS2-Niveau, grässlicher Ton, eine unbequeme Steuerung und überflüssige Kämpfe gegen langweilige Untote. Ich bin mir recht sicher, dass der Director's Cut, der zum Ende dieser Konsolengeneration erscheint, das äußerlich abstoßendste Spiel seiner Ära ist. Ein heißer Kandidat auf diesen Titel ist es auf jeden Fall!
Man muss sich das mal anhören: In etlichen Filmszenen wird immer und immer wieder dasselbe halbe Dutzend Musikstücke gespielt. Kein geheimnisvoll-dissonantes Piano, wohl gemerkt, sondern einfaches Gitarrenspiel und naives "La-la-la". Den Vogel schießt das fröhliche Pfeifen ab, das sich gefühlt durch das halbe Spiel zieht. Oder ist es das grässliche monotone Summen, das ein Motorengeräusch sein soll?
Kann so viel Stümperei denn Absicht sein? Sprechen die Akteure dieses Mysterythrillers ganz bewusst unnatürlich schräg oder ist das ein unprofessionelles Versehen? Setzt die Musik immer irgendwie im falschen Moment ein, so dass man mit runzelnder Stirn
Deadly Premonition erschien anno 2010 unter dem Namen Red Seeds Profile auch in Japan. Während für Europa und Nordamerika nur die 360-Version umgesetzt wurde, gab es in Fernost auch eine PS3-Fassung.
Der jetzt erschienene Director's Cut ist daher keine Umsetzung, sondern eine erweiterte Ausgabe des PS3-Originals. 360-Besitzer müssen diesmal leider verzichten.. Sinnsuche betreibt?
Twin Peaks & Alan Wake
Weil der Director's Cut seiner vor etwa drei Jahren veröffentlichtem Erstausgabe im Wesentlichen gleicht, verweise ich an dieser Stelle auf den Test des Originals. Kurz und knapp so viel: FBI-Agent York soll in der verschlafenen Kleinstadt Greenvale einen Mord aufklären. Eine junge Frau wurde dort an einem Baum aufgeknüpft, ihr Bauch von oben nach unten aufgeschlitzt. Als York fahre ich also durch die Kleinstadt, hole Informationen ein und besuche Verdächtige. Klingt gewöhnlich, irgendwie nach Twin Peaks und Alan Wake – ist aber viel mehr.
"Das siehst du doch auch so, nicht wahr, Zach?"
Da ist z.B. York, der fast sein ganzes Tun mit Zach bespricht und schnell wird deutlich, dass dieser Zach keinen Geringeren darstellt als den Spieler, also mich. Und nicht nur zum Selbstzweck: Das Spiel setzt manche Klischees und Gewohnheiten so zielsicher ein, dass
Dasselbe gilt für die schrägen Einwohner des skurrilen Städtchens: Ich kann heute noch nicht sagen, ob ihre Marotten als absonderliche Charakterzüge gedacht waren oder sich aus Versehen eingeschlichen haben. Liest man bei Director Hidetaka Suehiro zwischen den Zeilen , trifft wohl beides zu. Deadly Premonition ist ein mächtig ambitioniertes Projekt, dessen durchschimmernde Brillanz von handwerklichen Schwächen zu einem seltsam faszinierenden Trash-Spiel zermahlen wird.
Man vergesse nicht das glaubwürdige Voranschreiten der Zeit; immerhin folgen alle Einwohner einem Tagesablauf, so dass York außerhalb der Öffnungszeiten nichts einkaufen kann. Kommt er zu spät zum Essen, muss er sich mit teuren Snacks selbst versorgen. Er sollte sich außerdem rasieren, seine Anzüge waschen, den Wagen auftanken
Zum Glück ein Kinderspiel
Die langweiligen Schläuche voller grauschwarzer Untoter, das dröge Schießen und Kloppen, das wollte Suehiro übrigens gar nicht im Spiel haben. Seine Geldgeber bestanden aber darauf und so quäle ich mich auch im Director's Cut mit den Zombiegeistern herum. Der Regisseur hatte wohl darüber nachgedacht, sie zu entfernen, dafür hätte er sein Spiel allerdings zu großen Teilen umschreiben müssen. Einige schon auf Xbox 360 aus dem japanischen Original entfernten Gewaltszenen durfte er übrigens nicht hinzufügen, weil Sony darauf bestand, die ursprünglich im Westen veröffentlichte Version nicht zu ändern.
Immerhin: Die noch immer unbequeme Steuerung wurde zumindest so weit an aktuelle Schulterblick-Shooter angepasst, dass ich York nicht wie einen behäbigen LKW durch die Gegend schiebe. Die Kämpfe wurden außerdem so vereinfacht, dass ich die Durststrecken diesmal erstaunlich schnell hinter mich bringen konnte. Einen höheren Schwierigkeitsgrad darf ich in der Umsetzung nicht einmal mehr auswählen.
Neu? "Alt!"
Verblüfft hat mich die Unterstützung von 3D, Move und Sixaxis. Ganz ehrlich: Wer will
Und Sixaxis? Ich könnte das Gamepad wie ein Lenkrad kippen. Ich könnte es schütteln, um mich aus dem Griff eines Untoten zu befreien. Natürlich: In Japan ist das PS3-Original drei Jahre alt. Es gibt allerdings einen Grund, weshalb sechs Jahre nach Einführung der PS3 praktisch kein Spiel mehr vom Schüttelcontroller Gebrauch macht. Das ungenaue Zielen per Move ist ähnlich "praktisch".
Sinnvoll ist nur die Einführung eines neuen Handlungsstrangs – jedenfalls in der Theorie. In der Praxis fügt Suehiro seiner Erzählung jedoch eine Ebene hinzu, die wie ein Geschichtenerzähler auf das Geschehen in Greenvale blickt. Das geschieht in wenigen Szenen, die die eigentliche Handlung nicht erweitern. Daran dürften auch für die Zukunft offenbar angedachte Downloadinhalte nichts ändern.
Fazit
Deadly Premonition – dieses Spiel ist ein Widerspruch in sich. Auf der einen Seite ein an Twin Peaks erinnernder Thriller mit schrägen Figuren sowie zahlreichen Anspielungen auf Filme und Spiele. Auf der anderen Seite eine technische Zumutung, die noch schlechter klingt als sie aussieht. Fast drei Jahre nach dem Original ändert der Director's Cut daran gar nichts. Spielerisch steckt in diesem Relikt, das beinahe zwei Konsolengenerationen alt scheint, allerdings noch immer das Mysteryabenteuer, das Alan Wake ursprünglich sein wollte: Der Alltag der weitläufigen Kleinstadt-Idylle ist glaubwürdiger als der jedes GTA oder Red Dead Redemption! Nein, ein gutes Spiel ist das längst zum Kult erklärte Deadly Premonition auch heute nicht. Die Ehrung zum besten B-Game des Jahres hat es sich aber einmal mehr redlich verdient!
Pro
Kontra
Wertung
PlayStation3
Genialer Trash? Wer durch die hässliche Fratze blicken kann, erlebt einen faszinierend schrägen Mystery-Thriller.
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