Toy Story 326.07.2010, Paul Kautz
Toy Story 3

Im Test:

Ein Film, in dem es um lebendig gewordenes Spielzeug geht, dazu passend ein Spiel, das in der Tradition einer Serie steht, die sich in der Vergangenheit kaum durch Qualität bemerkbar gemacht hat - oha! Alle Vorzeichen stehen auf Zeitverschwendung. Ist es nicht schön, wenn derart heruntergekurbelte Erwartungen nicht eingehalten, sondern in jeder Hinsicht weit übertroffen werden?

Der Bußegang

Ich war skeptisch. Auch nach dem Spielen der Vorschaufassung noch. Zwar dämmerte mir damals, dass Toy Story 3 (ab 29,95€ bei kaufen) besser als das durchschnittliche Filmspiel sein würde, aber besser als Schrott ist immer noch Mist. Ich habe mich geirrt.  Toy Story 3 ist weder Schrott noch Mist, sondern toll. Kein Super Mario Galaxy 2 , zugegeben, aber man muss sich ja nicht gleich mit den ganz großen Jungs messen.

Im Story-Modus meistert man als Woody, Buzz und Jessie acht Levels, in denen man die unterschiedlichen Fähigkeiten der drei geschickt kombinieren muss...
Stattdessen schafft es Entwickler Avalanche Software (die Bolt -Macher, nicht zu verwechseln mit den gleichnamigen Just Cause 2 -Designern), ein höchst sympathisches Jump-n-Run zu erschaffen, das in erster Linie das macht, was die als Basis dienenden Spielsachen versprechen: den Spieltrieb wecken.

Das simple Geheimnis dieser Leistung ist die Unterteilung in zwei Spiele: Zum einen den normalen Story-Modus, zum anderen die »Spielzeugkiste«. Fangen wir mit dem Erstgenannten an, denn der lässt sich schneller abhandeln. Es gibt acht meist recht kurze Levels zu durchlaufen, -springen und -schweben, von denen einige dem aktuellen Film, und andere früheren Episoden entspringen - ein Beispiel für letztere Gruppe ist das Buzz Lightyear-Videospiel, das zu Beginn des zweiten Films gezeigt wird - hier ist es in voller Länge spielbar und sehr unterhaltsam. In den anderen Abschnitten ist man fast immer zu dritt unterwegs; als Woody, Buzz und Jessie. Man kann jederzeit zwischen den dreien wechseln, und muss das auch tun, denn sie haben unterschiedliche Spezialmanöver drauf: Buzz kann die anderen weiter werfen, Woody kann mit seinem Rückenlasso weite Abgründe überwinden und Jessie vermag halbautomatisch auch auf den kleinsten Plattformen zu landen. Hat man dies verinnerlicht, ist der Levelfortschritt ein Klacks - interessant wird's erst dadurch, dass es viele versteckte oder schwer erreichbare Boni gibt, die präzise Sprünge und hervorragendes Timing verlangen. Kurz gesagt: Der Junior hat seinen Spaß am Durchrennen, den Papa  lockt die 100% geschafft-Herausforderung. Wie auch beim letzten Shrek bietet das Spiel an besonders kniffligen Stellen eine optionale Hilfe an - wer also partout nicht weiterkommt, kann sich vom Programm einen Tipp geben lassen, was zu tun ist. Experimentieren wird aber nicht bestraft: Sterben kann man nicht, und es gibt sehr viele Checkpunkte.

Spielkram!

Der weitaus interessantere Modus nennt sich »Spielzeugkiste« und ist, in aller Einfachheit ausgedrückt, ein GTA für Kinder. Zu Beginn hat man in der Westernstadt »Woodys Roundup« gerade mal ein paar Häuser und eine Handvoll Einwohner. Man rennt herum, zerkloppt Kisten, erntet mit der Spitzhacke Gold, erfüllt die ersten simplen Aufgaben - und auf einmal hat man genug Geld beisammen, um weitere Häuser oder Besucher zu kaufen. Mit denen kommen auch neue Aufträge, 

...in der Spielzeugkiste hingegen kann man sich komplett austoben. Beide Spielvarianten existieren separat, profitieren aber voneinander. Und sorgen für dauerhafte Motivation.
so dass es immer mehr Geld gibt - und mit einem Mal verfügt man nicht über ein, sondern über fünf große Gelände, auf denen man sich austoben darf, man einen Rennpark, in den man mit Monster Trucks wilde Stunts fahren kann, reitet auf einem Drachen oder bekämpft die Einwohner in Stein verwandelnde Gargoyles!

Das wichtigste Credo der Spielzeugkiste ist, dass alles verspielt sein soll: Es gibt nie Ärger wegen zu wenig Geld, Kisten und Goldadern wachsen zügig nach. Nur wenige Aufgaben (wie die Bank oder Postkutsche überfallende Banditen) erfordern ein zügiges Handeln, das Gros der Missionen darf nach Annahme des Auftrags erledigt werden, wenn man Lust darauf hat (alle Aufgaben werden in einem speziellen Menü aufgelistet und können von dort aus gewählt werden). Man kann stundenlang durch die Gegend traben und versteckte Gegenstände suchen (die neue Besucher oder Designs freischalten), ohne dass es jemanden stören würde - und natürlich kann man seiner Stadt einen ganz persönlichen Anstrich geben. Jedes herumstehende Haus und jeder darin herumwuselnde Besucher lässt sich im Handumdrehen den eigenen Wünschen anpassen. Am Anfang stehen nur wenige Designelemente zur Verfügung, aber nach einiger Forscherarbeit kann man sich austoben: Wie wäre es mit Findet Nemo-Flossen oder einem Kürbiskopf mit Dartpfeil für das Rathaus? Eine Lavalampe kann ebenso platziert werden wie Fenster mit bissigen Zähnen, rosa Holzbretter, ein Planeten-Mobile oder ein schmückender Blumenkübel. Wem das Standard-Outfit eines Besuchers nicht gefällt, der schnappt sich den Burschen, wirft ihn (wörtlich!) in den Schneiderladen und werkelt an ihm herum: Neben etlichen Klamotten und Frisuren sind auch Designs aus anderen Pixar-Filmen verfügbar - das ermöglicht herumwuselnde Mini-Figuren aus Wall-E, Findet Nemo oder Die Unglaublichen...          

Laser-Erdbeeren und Mt. Woodymore

Echt niedlich: Toy Story 3 sprüht vor Liebe - manches (wie die Märchenwelt) mag allerdings mehr Zucker enthalten, als gesund sein kann.
Hat man genug Geld zusammengespart, kann man die Stadt um neue Themengebiete erweitern: Ein Geisterschloss, eine Märchenwelt oder Imperator Zurgs Weltraumfestung. Schaltet man eine neue Zone frei, passt sich der Rest des Spiels optisch dem neuen Thema an: Beim Schloss wird alles düster und unheimlich, während die Märchenwelt alles rosa und glücklich färbt - wer das nicht möchte, kann den Grafikstil an speziellen Maschinen umschalten. Man darf jederzeit von Welt zu Welt rennen, wobei es in den verbindenden Tunneln allerdings zu hässlichen Laderucklern kommt. Das Freischalten neuer Welten dient allerdings nicht nur der Erweiterung des Spielgebietes, sondern auch der Missionen: Im Laufe der Zeit wackeln immer mehr Figuren mit einem Ausrufezeichen über ihrem Kopf durch die Stadt - die haben einen Auftrag. Die meisten davon sind extrem simpel: Gehe dorthin, hole dies und das, kleide einen Bewohner gruselig, verwandele einen Berg mittels Sprengstoff zum Toy Story-Pendant von Mt. Rushmore - Kleinkram. Es gibt allerdings auch aufwändigere Missionen, die umfangreichsten haben mit dem Erwerb neuer Waffen zu tun. Standardmäßig wirft man mit Bällen um sich, es gibt allerdings auch andere Wummen: Einen Blitzableiter (damit kann man Gargoyles zerstören und in Geister verwaldete Besucher wieder zur Normalform zurück bringen), einen Feenstab (zum Verscheuchen störender Erdbeerfreunde und zum Rückverwandeln von verzauberten Raupen) sowie einen männlichen Laser. Die Suche nach diesen Waffen bringt jeweils einen speziellen Level mit sich, in dem man das neue Schmuckstück gleich erproben darf.

Die Standardmissionen haben allerdings mit einigen Problemen zu kämpfen: Zum einen mangelt es mit der Zeit erheblich an Abwechslung - dauernd macht man das Gleiche, was auf Dauer ermüdet. Manche Missionsbeschreibung ist überdies sehr schwammig formuliert und muss durch blindes Ausprobieren herausgefunden werden. Außerdem ist es mir mehrmals passiert, dass ein Warnruf wegen eines Überfalls mitten in einer anspruchsvollen Hüpfpassage ertönte - die dadurch ruiniert war, denn der Hinweis blockiert die 

Mithilfe des grünen Schleims wird aus dem normalen Flitzer ein Monster Truck - mit dem macht das Rasen durch die Stuntstrecke gleich doppelt so viel Spaß!
Steuerung. Aber selbst ohne die Minimissionsmaschine gibt es genug zu tun: Man kann diverse Rennen angehen (mit Pferd oder Drache), Goldsterne verdienen, Fotos knipsen, Mini-Fallschirmjäger zu teilweise gut versteckten Zielen navigieren oder mit dem Auto über einen Stuntparcours heizen. Gerade an dieser Stelle gewinnt die Schleimmaschine an Bedeutung: Normalerweise kann man damit herumlaufende Bewohner oder Tiere verkleinern bzw. vergrößern. Warum? Warum nicht? Es ist Spielkram! Und wer wollte nicht schon immer mal ein Giganto-Huhn haben? Außerdem kann man damit einen normalen Sportwagen in einen Monster Truck verwandeln! Ha!

Ooooooooooh! Aaaaaaaaaah!

Sowohl im Story- als auch im Spielzeugkisten-Modus darf ein zweiter Spieler jederzeit einsteigen und mitmachen - im Falle der Story-Variante beginnt hier der Level allerdings von vorn. Anders als bei den Lego-Spielen gibt es hier für beide Teilnehmer in jedem Fall einen separaten Splitscreen, beide können also im Grunde unabhängig voneinander vorgehen. Leider funktioniert das Ganze nur lokal, einen Online-Modus gibt es nicht. Und noch leiderer wird das Spiel im Splitscreen-Modus teilweise sehr ruckelig - spielt man allein, wird's nur gelegentlich etwas langsamer. Von diesem Makel sowie den unschönen Rasterungen bei weiter entfernten Objekten abgesehen ist Toy Story 3 ein echt hübsches Spiel. Es glänzt nicht mit spektakulären Effekte oder einem gigantischen  Polycount, sondern mit jeder Menge Charme: Teilweise wahnsinnig niedliche Figuren (die hoppelnden Mini-Kühe sind meine Favoriten), wunderbar weiche

Standardaufgaben wie das Erledigen von Banditen kommen immer wieder vor - auf Dauer fehlt es der Spielzeugkiste an Abwechslung.
Animationen, liebevolles bis wunderbar abgedrehtes Leveldesign (Favorit: der surreale Hexen-Kaffee-Weltraum-Level sowie der erdrückend zuckersüß-zauberhafte Märchenwald-Abschnitt) wecken das Kind auch im garstigsten Griesgram! Plattformübergreifend gibt es kaum Unterschiede: Auf dem PC wirkt das Bild nicht zuletzt dank optionalem Anti-Aliasing am harmonischsten, Wii-Freunde müssen mit den üblichen Einschränkungen leben (geringere Auflösung, weniger Details, weniger Effekte) - aber das Spiel bleibt überall das gleiche.

Akustisch werden weniger große Kaliber aufgefahren: Der gemütlich durch das »Hauptmenü« (ein niedliches Spielbrett) schwebende Toy Story-Song »You've got a friend in me« ist ebenso angenehm wie die sachte immer wieder eingestreuten Themen im Spiel, aber sonst bestimmen die Sprecher das akustische Bild - leider nicht die Originalsprecher, aber immerhin Leute, die gut genug klingen, um nicht abzuschrecken. Im Falle der 360- & Wii-Fassung hat man allerdings nichts davon, denn hier gibt es nur die deutsche Fassung - steht die Konsole auf Englisch, erklingen Woody und Co. auf Französisch. PC- & PS3-Spieler betrifft das nicht, hier hat man die Wahl zwischen verschiedenen Sprachen inkl. der Originalversion.   

Fazit

Nach Für Immer Shrek war es ziemlich leicht, mal wieder vom Glauben abzufallen - vom Glauben, dass das alte, hässliche Monster der furchtbaren Filmumsetzung jemals aussterben wird. Das Kartenhaus der nach Spielen wie Kung Fu Panda oder Das Bourne Komplott lodernden Hoffnung war einmal mehr zu einem jämmerlich qualmenden Häufchen zusammengefallen - nur um jetzt wieder in voller Pracht der Asche zu entsteigen! Toy Story 3 ist keineswegs perfekt: Die Spielzeugkiste verliert nach einer Euphoriephase zum Start aufgrund der immergleichen, meist lachhaft simplen Aufgabenstellungen an Faszination, der Story-Modus ist ziemlich kurz, die Mehrspielervariante beschränkt sich auf das absolut Nötigste. Und dennoch ist das Spiel mehr als die Summe seiner Einzelteile: Die Präsentation ist wahnsinnig charmant, das Leveldesign teilweise wunderbar inspiriert und ideenreich, einige Abschnitte sind erstaunlich anspruchsvoll - und allein die Darstellung des Hauptmenüs ist unterhaltsamer als so manches ganze Spiel! Ja, man könnte problemlos der Versuchung erliegen, dass Toy Story 3 simpler Kinderkram ist. Stimmt ja irgendwie auch. Aber es ist so verdammt liebenswerter, so wunderbar verspielter Kinderkram, dass auch der härteste MW2-Doppelgeneral kaum dagegen ankämpfen kann, die eine oder andere vergnügliche Stunde damit zu verbringen.

Pro

charmante Präsentation
zwei unterschiedliche Spielvarianten unter einer Haube
wunderbar verspielte Spielzeugkiste
unterhaltsamer Koop-Modus

Kontra

abwechslungsarme Aufgaben in der Spielkiste
ruckeliger Splitscreen-Modus
sehr kurzer Story-Modus

Wertung

360

Zwei Spiele unter einer Haube - beide nicht perfekt, aber in jedem Fall sehr unterhaltsam!

Wii

Zwei Spiele unter einer Haube - beide nicht perfekt, aber in jedem Fall sehr unterhaltsam!

PC

Zwei Spiele unter einer Haube - beide nicht perfekt, aber in jedem Fall sehr unterhaltsam!

PlayStation3

Zwei Spiele unter einer Haube - beide nicht perfekt, aber in jedem Fall sehr unterhaltsam!

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