Lara Croft and the Guardian of Light19.08.2010, Jens Bischoff
Lara Croft and the Guardian of Light

Im Test:

Bevor sich Miss Croft in ihr nächstes Tomb Raider-Abenteuer stürzt, spendiert ihr Crystal Dynamics einen Ausflug in isometrische Download-Gefilde mit ungewohnter Team-Option. Viele waren skeptisch, ob die athletische Archäologin so zu alter Stärke zurück finden kann. Gelingt es ihr, diese Zweifel zu zerstreuen?

Auf zu neuen Ufern

Auch ich war mir anfangs nicht sicher, ob man der in die Jahre gekommenen Archäologin mit ungewohnter Perspektive und Teamkomponente wieder zu alter Stärke verhelfen könne. Und dann auch noch als quasi nebenbei entwickelter Download-Titel. Doch trotz anfänglicher Zielschwierigkeiten und auf Sparflamme kochender 08/15-Story haben mich Lara und Totec schnell eines Besseren belehrt.

Video: Mit Guardian of Light schlagen die Entwickler ein völlig neues Kapitel in Laras Karriere auf.Auch wenn die neue Perspektive mitunter ihre Tücken hat, die vollautomatische Kamera keinerlei manuelle Justierung erlaubt und die Handlung trotz kurzer Zwischensequenzen und solider deutscher Sprachausgabe völlig belanglos vor sich hin plätschert, geht das neue Konzept spielerisch voll auf: Die Kämpfe gehen nach kurzer Eingewöhnungszeit locker von der Hand, die zahlreichen Umgebungsrätsel und Sammelreize halten angenehm auf Trab und die Möglichkeit als Team zu agieren, sorgt für ungeahnten Spielspaß.

Doch auch solo ist Laras Abenteuer nicht zu verachten: Level- und Rätseldesign passen sich clever an die unterschiedlichen Gegebenheiten an und man wird mit maßgeschneiderten Situationen und Aufgaben konfrontiert, die teils sogar auf verschiedene Arten bewältigt werden können. Besonderes Lob verdienen dabei die hervorragend implementierten Sammel- und Erkundungsreize. Überall finden sich mehr oder weniger leicht versteckte bzw. zugängliche Upgrade- und Ausrüstungsgegenstände, mit denen man seine Energie- und Munitionskapazitäten erhöhen oder Charakterfähigkeiten anpassen kann. Mit zwei von insgesamt 40 Artefakten kann man gezielt Einfluss auf Angriffskraft, Verteidigungsstärke oder Bewegungstempo nehmen, während man durch das Anlegen einer von insgesamt 20 Reliquien zeitweise Boni wie Gesundheits- und Munitionsauffrischungen oder zusätzliche Streuschüsse erhält, so lange man keinen Gegentreffer kassiert.

Zudem können knapp 30 verschiedene Schusswaffen gefunden oder durch das Meistern spezieller Herausforderungen freigeschaltet werden: Mal muss man für zusätzliche Ausrüstung bestimmte Punktzahlen erreichen oder Objekte finden, ein andermal besondere Aufgaben erfolgreich meistern oder unter Zeitdruck bewältigen. Da nicht alle Herausforderungen in einem Durchgang absolviert werden können und man sich teils für eine von mehreren Zielsetzungen entscheiden muss, ist der Wiederspielwert erfreulich hoch.

Laras Download-Debüt bietet kolossale Widersacher und spannende Fluchtmomente. Die größte Faszination geht aber vom cleveren Rätsel- und Leveldesign sowie der gelungen eingeflochtenen Teamkomponente aus.
Beim ersten Mal kann man für die insgesamt 14 Spielabschnitte, die sich später auch einzeln anwählen lassen, gut sechs bis acht Stunden einplanen. Wer lediglich die Hauptaufgaben meistert, kann auch schneller ans Ziel gelangen, während ambitionierte Jäger und Sammler auch über eine Stunde im selben Level verbringen können, bis sie sämtliche Schätze geborgen und Rätsel geknackt haben.

Abenteuer nach Maß

Einige Kopfnüsse sind dabei in rein optionalen Herausforderungskammern versteckt, die allein oft ganz anders bewältigt werden müssen als zu zweit. Doch auch im regulären Spielverlauf macht es teils einen großen Unterschied, ob man einen Partner an der Seite hat oder nicht. Zieht man allein los, kann Lara neben ihrem Greifhaken auch auf Totecs Speere zurückgreifen, die sich in massive Wände bohren und so als Trittbrett nutzen lassen. Im Team kann hingegen nur Totec Speere werfen und nur Lara auf ihnen empor klettern, da Totec dafür zu schwer ist. Lara wiederum kann Totec mittels Greifhaken auch an Stellen abseilen, wo sie selbst für ihren Haken keinen Halt findet. Und wo sie einen vorfindet, kann Totec dank des Hakenseils über Abgründe balancieren, die sonst für ihn unüberwindbar wären. Zudem verfügt Totec über ein Schild, mit dem er nicht nur feindliche Geschosse reflektiert, sondern Lara auch als menschliche Treppe dient. Allein als Totec zu spielen ist leider nicht möglich. Solisten müssen mit Lara vorlieb nehmen, während man im Team jeweils in verschiedene Rollen schlüpfen muss. Eine alternative Teambildung mit einem KI-Partner ist nicht möglich.   

Aber egal, für wen man sich im Team entscheidet, die beiden ergänzen sich sehr gut und Zusammenarbeit ist das A und O. Allzu weit kann man sich von seinem Partner ohnehin nicht entfernen, da man sich den Bildausschnitt teilt und die Kamera nie allzu weit vom Geschehen weg zoomt. Hin und wieder ist es zwar nervig, wenn feindliche Schützen abseits des Blickfelds auf die beiden schießen, aber das kommt auch vor, wenn man allein unterwegs ist. Nicht optimal präsentiert sich hin und wieder auch die Kollisionsabfrage:

Egal ob allein oder zu zweit: Die maßgeschneiderten Umgebungsrätsel halten genauso bei Laune wie die üppigen Sammel- und Upgrade-Reize.
Einmal musste ich mich sogar mit fern gezündeten Bomben, die jedem der beiden Protagonisten unbegrenzt zur Verfügung stehen und auch bei Rätseln Verwendung finden, selbst töten, um einem unlösbaren Klammergriff der Spielumgebung zu entkommen. Solche Momente sind aber ausgesprochen selten und der Freitod ist dank üppig gesäter Rücksetzpunkte bzw. Wiederbelebungen an Ort und Stelle, wenn man zu zweit spielt, nicht weiter tragisch. Auch gelegentlich falsch dargestellte Positionsangaben auf den Karten der Außenareale sind verschmerzbar. Lästig ist auch ein Bug in der PS3-Version, der das Spiel sämtlicher Trophäen beraubte und sich nur durch eine komplette Neuinstallation aus der Welt schaffen ließ. Dafür ist die PSN-Variante zwei Euro günstiger als ihre PC- und 360-Pendants.

Lebendige Spielwelt

Optisch sind die Kulissen aber über jeden Zweifel erhaben und wirken dank weitläufiger Animationen und Interaktionsmöglichkeiten auch sehr lebendig. Egal, ob sich einfach nur das Dickicht unter den Schritten biegt, verheerende Kometenhagel vom Himmel regnen oder zerstörbare Objekte durch Dauerbeschuss oder Bombeneinsatz in die Luft fliegen: Die Hatz nach einem verfluchten Spiegel wird stimmungsvoll präsentiert. Auch das üppige Waffenarsenal, auf das beide Charaktere Zugriff haben, lädt zum Experimentieren ein. Die Palette reicht von Laras nie versiegenden Standardpistolen über Schrotflinten, Flammenwerfer und Sturmgewehre bis hin zu schweren Gatling-Guns, Raketen- oder Granatwerfern. Bei Bosskämpfen gilt es aber oft auch die Spielumgebung mit einzubeziehen und übermächtige Gegner in Fallen zu locken. Nervenaufreibende Fluchtpassagen sind ebenfalls mit von der Partie, zermürbende Frustmomente bleiben aber aus. Es sei denn, man setzt als PC-Spieler auf Maus und Tastatur, was alles andere als handlich ist. Wer einen 360-Controller für Windows besitzt, freut sich hingegen über perfekten Bedienkomfort inklusive angepasster Tastensymbole in Menüs und Tutorials.

Zudem kann man von Beginn an einen von drei Schwierigkeitsgraden wählen, das Spiel auch mitten in einem Level unterbrechen und sich in Online-Ranglisten verewigen. Die Jagd nach persönlichen Bestleistungen ist übrigens das einzige Element, das eine Art Wettstreit unter Teammitgliedern entfachen kann. Ansonsten ist es egal, wer begehrte Sammelobjekte oder Upgrades einsackt, da stets beide Charaktere die entsprechende Belohnung erhalten. Aber selbst bei der Punktehatz ist es teils ratsam, seinem Teamgefährten zuzuarbeiten, um punkteabhängige Bonuswaffen freizuspielen, die beim Wettstreit unter Umständen keiner von beiden ergattern würde.

Die Verfolgung Xolotls hält einen einige Stunden auf Trab. Dank zahlreicher Herausforderungen und Boni stattet man seiner Grabkammer aber gerne mehr als einen Besuch ab - vor allem zu zweit.
Für das Erreichen bestimmter Ziele erhält man überdies Zugriff auf alternative Outfits. Schade ist nur, dass der Koop-Modus zum Start lediglich lokal zur Verfügung steht. Wer mit Freunden aus dem Netz zusammenspielen will, muss warten, bis ein entsprechendes Update verfügbar ist, das eigentlich zusammen mit den PS3- und PC-Fassungen erhältlich sein sollte, aber nach wie vor auf sich warten lässt. Als Ausgleich wird die erste von mehreren Download-Erweiterungen zumindest auf Microsofts Konsole anfangs kostenlos zu beziehen sein.

In dem etwas über 2 Gigabyte schweren Download steckt aber auch so bereits jede Menge Spielspaß. Selbst wer vorerst allein unterwegs ist, kommt auf seine Kosten, auch wenn der Titel erst zu zweit sein ganzes Potential entfaltet. Im Prinzip bekommt man fast zwei Spiele in einem, da man im Team teils völlig anders agieren muss als allein, auch wenn Schauplätze und Hindernissen eigentlich identisch sind. Etwas merkwürdig ist allerdings, dass man Totec, mit dem man ja eigentlich gemeinsam Jagd auf den durch einen Fluch heraufbeschworenen Dämon Xolotl und einem mächtigen Spiegel macht, als Solist lediglich in manchen Zwischensequenzen zu Gesicht bekommt. Ansonsten bietet aber auch das Solo-Abenteuer inhaltlich alles, was man im Duett erlebt, nur eben ohne direktes Teamwork und eventuellen Punktewettkampf - auch wenn der Koop-Aspekt letztendlich genau das ist, was Laras Download-Abstecher die verdiente Krone aufsetzt.   

Fazit

Lara Croft and the Guardian of Light ist zwar nicht das nächste Tomb Raider , bietet aber all das, was die agile Archäologin einst so populär gemacht hat: Flotte Schusswechsel, akrobatische Klettereinlagen und clever eingeflochtene Umgebungsrätsel. Vor allem letztere überzeugen auf voller Linie. Hat man sich erst einmal an die neue Perspektive mit ihrer vollautomatischen Kameraführung gewöhnt, fühlt man sich auch in den isometrischen Tempelruinen schnell heimisch. Hin und wieder haben Übersicht und Kollisionsabfrage zwar ihre Tücken, aber unterm Strich hatte ich schon lange nicht mehr so viel Spaß mit Miss Croft. Ein besonderes Highlight ist dabei die Möglichkeit, sich nicht nur allein, sondern auch zu zweit ins Abenteuer zu stürzen, wenn auch vorerst nur lokal. Dank zweigleisigem Level- und Rätseldesign bekommen zwar auch Solisten ein rundum gelungenes Spielerlebnis geboten, aber als Team macht die Jagd nach mächtigen Artefakten, versteckten Upgrades und neuen Waffen gleich nochmal so viel Spaß. Der Umfang geht für ein knapp 15 Euro teures Arcade-Spiel absolut in Ordnung, vor allem da der Wiederspielwert dank zahlreicher Herausforderungen und Sammelreize erfreulich hoch ist. Zusätzliche Download-Erweiterungen wurden bereits angekündigt. Für den ersten Durchgang kann man sechs bis acht Stunden einplanen, doch auch danach gibt es noch viel zu entdecken. Optisch macht der Titel eine hervorragende Figur. Nur der erzählerische Rahmen wirkt glanz- und belanglos - Auftakt und Ende werden sogar lediglich in Comicform präsentiert. Sammel- und knobelfreudige Hobby-Grabräuber werden dennoch bestens bei Laune gehalten und den Kauf keineswegs bereuen.

Update zu den PC- und PS3-Versionen vom 4.10.2010:

Die verspäteten PS3- und PC-Umsetzungen bieten exakt das Abenteuer, das auch für Xbox 360 zu haben ist. Das versprochene Update, um den Koop-Modus online-tauglich zu machen, ist allerdings auch hier noch nicht mit an Bord. Lokale Teambildungen sind allerdings möglich. PC-User sollten aber auf jeden Fall einen Zwei-Stick-Controller ihr Eigen nenen, da sich die Tastatursteuerung suboptimal zeigt. Am besten eignet sich hierfür das 360-Pad für Windows, an dessen Knöpfe sich auch Menüs und Tutorial automatisch anpassen. PS3-Besitzer freuen sich hingegen über einen kleinen Preisvorteil, müssen aber damit rechnen, einem nervigen Trophäen-Bug zu begegnen, der nicht nur uns sämtliche Erfolge verweigert hat. Ansonsten macht Miss Croft aber auch im PSN- und Steam-Gewand eine tolle Figur und verdient sich dank nach wie vor cleverem Level- und Rätseldesign mit gelungener Teamkomponente erneut Gold.

Pro

stimmungsvolle Kulisse
faires Checkpoint-System
spaßiges Koop-Vergnügen
reichhaltiges Waffenarsenal
individualisierbare Ausrüstung
cleveres Level- & Rätseldesign
motivierende Sammel- & Erkundungsreize

Kontra

laue Story(-inszenierung)
seltene Kollisions
& Übersichtsprobleme

Wertung

360

Festmahl für Hobbyarchäologen: Laras isometrisches Download-Abenteuer überrascht mit ausgeklügeltem Rätsel- und Leveldesign sowie hervorragender Koop-Komponente.

PlayStation3

PS3-Besitzer kommen etwas günstiger in den Genuss von Laras Download-Abenteuer, bekommen aber mitunter keine Trophäen gutgeschrieben.

PC

Auch auf dem PC zeigt sich Miss Croft in Toppform. Nur die Tastatursteuerung ist nicht zu empfehlen.

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