Bodycount02.09.2011, Mathias Oertel
Bodycount

Im Test:

Auch wenn Criterion hauptsächlich durch die Burnout-Rennspiele Bekanntheit erlangt hat, konnte man 2006 mit dem Shooter Black abseits von Pferdestärken punkten. 2011 kommt es zu einer Wiederholung der Geschichte: Codemasters, in seiner Anfangsphase hauptsächlich mit Rennspielen erfolgreich, veröffentlicht mit Bodycount (ab 7,76€ bei kaufen) den spirituellen Nachfolger. Kann die Ballerei an den Erfolg des fünf Jahre alten Waffenpornos anknüpfen?

Schwarz oder Weiß?

Zur Ankündigung von Bodycount (BC) Anfang 2010 horchte ein Großteil der Redaktion auf. Denn für das im Codemasters-Studio Guildford zu entwickelnde Spiel zeichnet ein gewisser Stuart Black verantwortlich. Und der hat vor ein paar Jahren in Diensten Criterions einen Konsolen-Shooter entwickelt, der den Begriff "Waffenporno" geprägt hat. Der Name des Spiels: Black.

Da Tradition ja bekanntermaßen verpflichtet, hatte ich die Hoffnung, dass sich BC ähnlich wie das nahezu zeitgleich angekündigte und seinerzeit unterschätzte Bulletstorm zu einer unterhaltsamen Arcade-Ballerei entwickelt. Doch dann überschlugen sich die Ereignisse: Der 'Creative Director' Stuart Black strich die Segel und sagte sich von seinem Projekt los - der einzige Hinweis, den man auf ihn im Spiel findet, ist eine kleine Danksagung beinahe am Ende der Credits.

Inwiefern das von ihm geprägte Konzept bis zur finalen Version verändert, umgebaut oder ad acta gelegt wurde, lässt sich im Nachhinein nicht feststellen. Festzuhalten bleibt allerdings, dass Bodycount in dieser Form Schwierigkeiten hat, sich aus dem Shooter-Einerlei abzusetzen.

Sarkastische Untertöne

Dabei fängt alles ganz gut an: Eine weibliche Computerstimme erklärt einem, dass die Welt einer nahen Zukunft wieder Helden braucht. Helden, die nicht nur große Sprüche vom Stapel, sondern auch Taten folgen lassen, um die Ungerechtigkeiten in vielen Bereichen der Welt zu rächen. Sprich: Helden wie euch, die für eine Organisation namens "Das Netzwerk" sind. Dabei ist der Name Bodycount durchaus doppeldeutig zu sehen. Auf der einen Seite verspricht er natürlich genau das, was man von einem Shooter erwartet: Eine hohe durch Spielerwaffen verursachte Opferzahl. Doch gleichzeitig nutzt das Team diese Thematik, um eine Art moralische Rechtfertigung für den Einsatz gegen Terroristen und andere Mächte zu liefern. Denn man wird nur in Krisengebieten abgesetzt, in denen die jeweilige Regierung einen ebenfalls exorbitante Zahl an Todesopfern zu verantworten hat.

Während man mit einer Hightech-Landungskapsel beim Anflug auf das erste Zielgebiet von einer Bredouille in die nächste gerät und die Stimme ähnlich GlaDOS stets freundlich und zuversichtlich die Überlebenschancen herunterbetet, hat man Hoffnung, dass dieser sarkastische Ansatz sich über das ganze Spielerlebnis halten kann.

Doch schnell stellt man fest, dass die Entwickler sich offensichtlich nicht getraut haben, diesem Weg zu folgen und sich bis auf wenige Ausnahmen auf konventionelle ballistische Action verlassen.

(Crackdown + Bulletstorm) = ?

Man ist auch in futuristisch anmutenden Innenräumen unterwegs.
Man ist auch in futuristisch anmutenden Innenräumen unterwegs.
Dabei machen sie sogar nicht einmal besonders viel falsch. Das bedeutet im Umkehrschluss leider nicht, dass sie dabei viel richtig machen. Meist laufen die Entwickler nur einen Pfad entlang, den andere Titel bereits geebnet haben.

Dass man z.B. nur zwei Waffen mit sich führen (und an bestimmten Punkten im Spiel austauschen) kann, ist spätestens seit Halo 1 ein bekannter taktischer Schachzug - der allerdings in diesem Fall spätestens dann ad absurdum geführt wird, wenn man für jede der zwei Gegnergruppen (Söldner und irgendwelche Kontrahenten in futuristischen Metallrüstungen) einen passenden Schießprügel dabei hat. Zusätzlich kann man noch mit Granaten um sich schmeißen oder Minen legen und meist erfolgreich darauf hoffen, dass die ohnehin nur spärlich vorhandene KI in die Falle tappt.

Wer einen der hierzulande indizierten Crackdown-Teile gespielt hat, kennt sie: Orbs, die man einsammeln kann sowie die "Plop"-Geräusche beim Aufsammeln derselben. Der Unterschied: Hier geben die nach einem Treffer bzw. Abschuss des Gegners ausgeschütteten Symbole, die aus unerfindlichen Gründen als "Intel" geführt werden (also Informationen, die man sammelt) keine Erfahrung, sondern laden eine Sonderanzeige auf bzw. füllen die Munition bis zum Anschlag.

Gesammelte Intel (abgeschossene Gegner verlieren Intelligenz!?!) kann man zur Aktivierung von insgesamt vier Spezialfähigkeiten in zwei Stufen nutzen, die von vorübergehender Unverwundbarkeit über Explosivgeschosse bis hin zu einem flächendeckenden Bombenteppich reichen. Diese taktischen Einsatzmöglichkeiten sind für einen Arcade-Shooter tatsächlich ungewöhnlich und können im Ernstfall über Leben und Tod entscheiden. Allerdings reicht diese Komponente nicht aus, um BC auch nur ansatzweise in die Nähe der Action-Referenzen zu bringen.

Das gilt übrigens auch für die Komboketten, die man anhäufen kann und die nur eine Funktion hinsichtlich der Schulnote für die Endabrechnung jeder Mission haben. In der Theorie sollen die Ketten wohl dafür sorgen, dass man sich auf explosive Interaktion mit der Umgebung, Granaten, Kopfschüsse und andere abseits des Standard liegende Tötungsweisen fokussiert. Doch da man innerhalb der Mission keine Belohnung bekommt und es daher nur dem eigenen Ego gut tut, wenn man sich bemüht, die Kette nicht abbrechen zu lassen, wird das Potenzial hier komplett verschenkt. Dabei hat Bulletstorm doch gezeigt, wie effektiv ein ähnliches Prinzip funktionieren kann und dass es sich zweifellos auf den Unterhaltungswert auswirkt.

Passables Deckungssystem

Ballern, bis der Arzt kommt. Auf eine plausible Story wird verzichtet.
Ballern, bis der Arzt kommt. Auf eine plausible Story wird verzichtet.
Shooter-Standards erreicht man beim durchaus gelungenen Deckungssystem. Wie allseits üblich wird der linke Trigger zur Kimme-und-Korn-Ansicht genutzt. Dabei gibt es jedoch zwei Stufen: Zieht man die Taste nur halb durch, kann man sich in der Zielansicht weiter fortbewegen - allerdings nur langsam. Zieht man stattdessen ganz durch, wird man auf der Stelle festgenagelt und kann sich über Bewegung nach links und rechts aus der Deckung herauslehnen.

Man braucht zwar ein paar Minuten sowie intensive Feuergefechte, um diese Steuerungsmechanik effektiv einsetzen zu können, doch dieses System ist mit das durchdachteste Element der Bodycount-Spielerfahrung. Der Rest ist banale Durchschnittskost.

Immerhin hat man die globale Verschwörung relativ schnell hinter sich gebracht: Die beinahe 20 Missionen, die einen von einer afrikanischen Kleinstadt in verregnete asiatische Viertel und futuristische Bunker im Tron-Stil füjhrt, dauern jeweils zwischen 15 und 30 Minuten. So hat man sich nach etwa sechs bis acht Stunden bis zu den Credits durchgeballert und sich sogar hin und wieder unterhalten geführt.

Technischer Labskaus

Allerdings kann BC nicht verhehlen, dass nahezu jedes Element in irgendeinem anderen Shooter besser umgesetzt wurde. Und da macht die Kulisse keine Ausnahme: Als Grundlage auf beiden Systemen, die sich im Übrigen nur unwesentlich unterscheiden, dient die hauseigene universell einsetzbare EGO-Engine, die nicht nur bei den Rennspielen von Codemasters eingesetzt wird und dort ihre Stärken demonstriert. Auch bei den letzten Operation Flashpoint-Titeln kam sie zum Einsatz und konnte dort für stimmungsvolle Umgebungen sorgen. Angereichert wird die Visualisierung durch das Morpheme-Animationssystem von Natural Motion, das u.a. auch in dem Football-Spektakel Backbreaker oder Enslaved zum Einsatz kam, und das zusammen mit nVidia Physx normalerweise für ansehnliche Ergebnisse sorgt. Doch hier ist abseits der Körper-Reaktionen auf Explosionen alles so gewöhnlich wie ein Stück Toastbrot.

Das ist zum Teil dem zu sehr auf Klongegner fixierten Gegnerdesign zuzuschreiben, noch mehr allerdings dem überschaubaren Animationsspektrum.

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Die Umgebung kann häufig in ihre Einzelteile zerlegt werden.

Bei den Umgebungen haben sich die Designer mehr ins Zeug gelegt, können aber auch nicht glänzen. Alles sieht passabel aus und ergibt ein stimmiges, wenngleich etwas zu buntes und unter dem Strich steriles Bild - obwohl viele Elemente in der Spielwelt wie seinerzeit bei Black komplett zerlegt werden können. Doch die Zerstörung wird bei weitem nicht mehr so überschwänglich präsentiert, die Inszenierung bleibt spröde und gewöhnlich. Sicher: Legt man Black zum Vergleich ein, stellt man fest, dass der Shooter als solcher sich auch im Bereich des Waffenpornos weiter entwickelt hat. Doch während das fünf Jahre alte Black immer noch seine magischen Momente hat, die nicht nur auf einer geschönten Erinnerung an die "gute alte Zeit" basieren, bleibt bei Bodycount verdammt wenig Erinnerungswürdiges hängen.

Die Abschnitte sind größtenteils linear und vollgestopft mit Triggern, die einen Gegnerangriff auslösen. Immerhin gibt es hier keinen "Endlos-Spawn", so dass man irgendwann auch mal die Ruhe vor dem nächsten Kugelhagel genießen kann. Wobei "Genießen" ein relatives Erlebnis ist, denn wenn man dank Backtracking sowie mangelnder Variation in den "Tron"-Abschnitten durch immerwieder gleiche Kulissen läuft, wird der Genuss schnell fade.

Ob das der Grund ist, dass man für die Standard-Online-Modi (Deathmatch, Team-Deathmatch, Kooperativ à la Gears-Horde) keine Gegner/Mitspieler findet, lässt sich schwer sagen. Jedoch sorgen die meist lagfrei laufenden Internet-Ballereien Modus dafür, dass Bodycount sich noch vor dem totalen Absturz retten kann - wenn man tatsächlich Mitstreiter findet.

Fazit

Spätestens ab dem Moment, an dem Stuart Black sich von der Bodycount-Entwicklung verabschiedete, hätte mir klar sein müssen, dass von dem geistigen Nachfolger des seinen Nachnamen tragenden Waffenpornos aus dem Jahre 2006 nicht mehr viel übrig bleiben dürfte. Doch die Hoffnung hatte bis jetzt alle zweifelnden Stimmen zum Schweigen gebracht, dass hier im schlimmsten Fall ballistischer Softcore seine Aufwartung macht. Unter dem Strich bleibt Bodycount jedoch in einer Post-Bulletstorm, -Killzone, -Resistance oder -Duke Nukem Forever-Ära (ja, der Duke!) zu viel schuldig. Dass die Story quasi nicht vorhanden ist, nehme ich bei einem selbst ernannten Arcade-Shooter noch hin. Doch die madige KI, das sich ständig wiederholende Leveldesign, das die grundsätzlich angenehm großen Abschnitte nach unten zieht oder das letztlich gewöhnliche Ballern liegen hinter heutzutage gültigen Standards. Immer wieder gibt es zwar kurze Momente, in denen die ballistischen Gefechte einen kurzzeitig in den Bann ziehen. Doch unter dem Strich sind diese zu selten, um etwas retten zu können. Nahezu alle Elemente, die man hier findet, kennt man besser um- und eingesetzt aus anderen Titeln. So taugt der Kugelhagel allenfalls als geschmacksfader  Appetithappen für Resistance 3 oder Gears of War 3.

Pro

Dauer-Ballerei ohne Anspruch
Gebiete sind angenehm groß...
Skillshot-System...
aufladbare Sonder-Fähigkeiten
Musik zwischen passender Unterstützung der Action...
Umgebung teilweise zerstörbar...
gelungene Waffen-/Explosionsgeräusche
passabel unterhaltende Online-Duelle...

Kontra

KI größtenteils Fehlanzeige
... aber meist linear, zudem wiederholen sich Kulissen ständig
... das dem Spieler allerdings keine Vorteile bringt
blutleere Story
... und vollkommener Nervtötung
... die Zerstörung wird aber spröde inszeniert
wenig eigene Ideen
... mit wenig Modi, wenig Karten sowie kaum vorhandener Community
wenig Gegnervariation innerhalb des Klon-Arsenals

Wertung

360

Simple Shooter-Action ohne Esprit, die mit ihrem spirituellen Ahnen Black nicht mehr viel gemeinsam hat.

PlayStation3

Balleraction von der Stange, bei der vieles wie Stückwerk wirkt und die nur noch wenig mit ihrem spirituellen Ahnen Black gemeinsam hat.

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