TERA24.04.2018, Mathias Oertel
TERA

Im Test: Später Konsolenauftritt der Online-Action

Es ist etwa sechs Jahre her, dass das Online-Rollenspiel Tera (ab 46,95€ bei kaufen) mit einem actionfokussierten Kampfsystem sowie einer schicken Kulisse auf dem PC startete und dort einen guten Eindruck hinterließ. Jetzt dürfen auch Spieler auf PlayStation 4 und Xbox One in die Gefechte ziehen. Ob sich der raue Charme der Gefechte bewahrt hat, klären wir im Test.

Spannendes Neuland mit Technikproblemen

Als Tera etwa Mitte 2012 am PC an den Start ging, war mein Interesse gering. U.a. auch, weil ich zu dem Zeitpunkt bereits die Beta zu Guild Wars 2 spielte und auch noch in Star Wars: The Old Republic viel Zeit investierte. Daneben brauchte ich kein anderes Online-Rollenspiel. Selbst wenn das interessante Kampfsystem mit seinem erfrischenden Actionfokus sowie dem Ausweichen in Echtzeit einem Darksiders deutlich näher war als einem World of WarCraft. Mittlerweile ist die Zeit, die ich in Online-Rollenspiele investieren kann, nicht größer geworden. Und auf Konsolen buhlt ein breites Spektrum an gratis spielbaren Vertretern ebenfalls um die Gunst: Star Trek Online, Neverwinter, Skyforge, DC Universe Online und selbst Path of Exile als weitgehend klassischer Hack&Slay-Vertreter zeigen sich als harte Konkurrenz zu Tera. Dennoch war ich neugierig und habe der Fantasy-Welt einen Besuch abgestattet. Dass mich dieser länger als erwartet fasziniert hat und auch sehr wahrscheinlich dazu führen wird, hier immer mal wieder Station zu machen, ist einigen unerwarteten Stärken zuzuschreiben.

Die Kulisse ist zwar dank eines konsequenten Artdesigns sehr stimmungsvoll, zeigt sich aber technisch mit Pop-ups, Rucklern und einigen anderen Problemen nicht sehr sauber.
Die Kulisse gehört allerdings nicht dazu. Ich kann  mir vorstellen, dass die von Unreal angetriebene Spielwelt mit ihren (zumindest hinsichtlich der knappen Rüstungen) asiatisch angehauchten bzw. von Animes inspirierten Figuren vor sechs Jahren am Rechner ordentlich Eindruck schinden konnte. Doch auf Konsolen hat man Probleme mit den weitläufigen Gebieten. Obwohl es keine durchgehende offene Welt gibt und man immer wieder in nachträglich in den Speicher geladenen Instanzen landet, gibt es Probleme mit dem Grafikaufbau. Vor allem, wenn man per Pegasus auf dem Weg zu einem neuen Bereich in die Lüfte steigt. Pop-ups, Texturnachladen, mitunter sogar herbe Einbrüche in der Bildrate, wenn man z.B. in einem der Ballungszentren mit zig Spielern unterwegs ist. Schade, dass dies auch auf den Premium-Systemen von PS4 und One der Fall ist, auf denen ich gespielt habe. Technisch lässt Tera in diesen Momenten viele Wünsche offen – auch und vor allem im Vergleich zur häufig sauber dargestellten Konkurrenz. In den durchaus vorhandenen Bereichen, in denen alles harmonisch aufgebaut wird, wenn man zu Fuß oder auf dem schnell verfügbaren Reittier unterwegs ist, hinterlässt die Spielwelt nach mittlerweile sechs Jahren allerdings auch nur noch einen maximal durchschnittlichen, wenngleich stimmungsvollen Eindruck.

Fast wie Devil May Cry

Gibt man Tera jedoch trotz dieser Defizite eine Chance, könnte es passieren, dass man irgendwann die technischen Mankos stillschweigend akzeptiert und unerwartet viele Stunden in das gratis spielbare Abenteuer versenkt. Denn auch sechs Jahre nach seinem Original-Release zeigt Tera einige Facetten, die einen fesseln können und die es in anderen Onlinern nicht gibt. Allen voran das Kampfsystem, das ich für den Test mit vier Figuren unterschiedlicher Ausrichtung (Zauberer, Berserker, Mystiker, Bogenschütze) auf die Probe gestellt habe. Zehn Professionen stehen zur Auswahl, bei denen einige auch vom gewählten Volk abhängig sind. Für Kenner der PC-Version dürfte von Interesse sein, dass es gegenwärtig noch keine Ninja-, Valkyren- oder Gunner-Klassen gibt. Diese sollen im Laufe der Zeit nachgereicht werden. Sprich: Die Fassung für den PC ist nicht nur technisch, sondern auch inhaltlich denen für Konsolen voraus. Im Gegensatz zu klassischen Online-Rollenspielen,

Inventar- und Menüsystem wurden an Konsolenbedürfnisse angepasst.
gibt es hier keine weitgehend rundenbasierten oder statischen Auseinandersetzungen. Sowohl der bzw. die Spieler als auch die Gegner sind ständig in Bewegung und rochieren dauernd, um sich in eine bessere Position zu bringen – auch wenn die KI zumeist nur auf Angriff aus ist und auch in Grüppchen nicht versucht, sich taktische Vorteile zu erarbeiten.

Mit dem roten Einzugsbereich ihrer Angriffe bekommt man zudem visuelle Hinweise, ob man mit ihrer nächsten Attacke in Gefahr ist oder nicht, so dass man entweder seine Position verändern oder einen Ausweichversuch unternehmen kann. Bei allen Figuren, die ich teils bis Stufe 47, aber mindestens bis 25 gespielt habe, ließ sich feststellen, dass sie angenehm unterschiedliche Herangehensweisen erfordern. Dass sich der Bogenschütze dabei mit seinen mächtigen Fernangriffen besser für Solospieler eignet als z.B. der Mystiker, der eher früher als später auf beschwörte Vasallen als Kämpfer angewiesen ist, fällt ebenfalls auf. Dabei ist generell ab Stufe 20 der PvE-Kampf (Player vs. Environment, also gegen KI-Gegner in der Umgebung) in einer Gruppe ratsam. Nicht nur, weil die Gegner ab hier deutlich an Durchschlagskraft und Länge der Lebensleiste zulegen. Sondern auch, weil in einer Gruppe ein Erfahrungsbonus gewährt wird und bestimmte Fähigkeiten in einem Team effektiver werden. Doch auch wenn es etwas schwerer wird, brauchen Solisten nicht die Flinte ins Korn werfen. Dank eines hauptsächlich über die üppig vorhandenen Missionen angetriebenen Charakterfortschritts, der zumindest bis zur späten Mittelphase auch über tägliche Herausforderungen und der Option auf passable PvP-Gefechte den Grind minimiert, kommt man gut voran.

Gleichförmiger Spaß

Dabei wurde die üppig belegte Steuerung durchaus ordentlich aufs Pad gebracht. Naturgemäß sind die Chat-Eingaben über eine virtuelle Tastatur in hektischen Situationen problematisch. Doch die Kampfaktionen lassen sich akkurat und schnell auslösen sowie unkompliziert zu Kombos zusammenfügen. Auch die übrigen Funktionen und Menüs wurden sauber an die Konsole angepasst, wobei es in manchen Momenten wie z.B. beim Betrachten der Karte zu merkwürdigen Verzögerungen beim Durchschalten kommt. Schade ist allerdings, dass der Story-Fortschritt für alle Figuren gleich ist. Obwohl die meisten Genre-Vertreter von World of WarCraft über The Old Republic oder The Elder Scrolls Online bis hin zu Guild Wars 2 an irgendeiner Stelle (meist schon in der Anfangsphase) unterschiedliche Inhalte je nach Herkunft oder Klasse der Figur anbieten, zeigt sich Tera in dieser Hinsicht extrem bieder.

Im Gegensatz zur Geschichte werden die Kämpfe mit ihrem Actionfokus ordentlich in Szene gesetzt.
Man startet immer im selben Gebiet, erledigt immer die gleichen Aufgaben und bekommt immer die gleichen Dialoge zu lesen. Auch die Charakterentwicklung läuft ähnlich wie beim Genreprimus World of WarCraft zumeist auf vorgegebenen Bahnen, solange man genug Gold hat, um sich die neuen Fähigkeiten anschaffen zu können. Ab Stufe 20 allerdings darf man über Glyphen seine Fähigkeiten modifizieren, während man über Kristalle die Möglichkeit hat, seine Ausrüstung anzupassen. Doch unter dem Strich sind diese Einflussmöglichkeiten nicht relevant genug, um signifikant unterschiedliche „Skillungen“ zu ermöglichen, so dass sich zwei hochstufige Zauberer in jedem Fall ähneln werden. Apropos ähneln: Auch die Missionen laufen alle weitgehend nach dem gleichen Schema ab und verlassen sich zu 95% auf Hol- und Bringdienste bzw. die üblichen Aufforderungen nach dem Schema "Töte X [Gegnername]". Immerhin sorgen die unterschiedlichen Angriffsmuster der Feinde in den abwechslungsreichen Gebieten dafür, dass der Grind sich hier trotz jeweils ähnlicher Anforderungen in Grenzen hält.

Wo kommt das Geld her?

Dass ich nicht noch mehr Figuren ausprobiert habe, liegt in erster Linie an den Restriktionen, die Tera als Free-to-play-Titel mitbringt. Dazu gehört z.B., dass sich pro Server nur zwei Figuren anlegen lassen. Ein weiterer Charakterplatz kostet 495 EMP. Dies ist die Premium-Währung von Tera, die man im PlayStation- bzw. Xbox-Store für Echtgeld ersteht. Die angebotenen Pakete reichen von 1000 EMP für 9,99 Euro bis zu 12.000 EMP für 99,99 Euro. Sprich: Eine zusätzliche Figur schlägt mit knapp fünf Euro zu Buche. Weitere Annehmlichkeiten oder Boni, die man sich für EMP anschaffen kann, sind Erweiterungen für das Bank-Inventar (495 EMP), ein nachträgliches Ändern von Name oder Aussehen (995 EMP). Selbst ein Wechsel des Volkes (2495 EMP) ist möglich. Zusätzlich kann man sich im üppig gefüllten EMP-Shop auch Pets kaufen, Kassettenschlüssel zum Öffnen

Das Gegner- und Figurendesign ist gelungen
verschlossener Schatztruhen, Waffenskins oder Kostüme erstehen und sogar Beutekisten mit einem breit gestreuten Inhalt erwerben. Alternativ dazu kann man bereits im Vorfeld im jeweiligen Store die so genannten Gründerpakete in mehreren Preisstufen von 29,99 Euro bis 149,99 Euro kaufen.

Diese beinhalten je nach Preisstufe nicht nur EMP, sondern können auch bereits Bank- und Charaktererweiterungen freischalten oder temporär einen Elite-Status verleihen, der einem u.a. einem Boost auf Erfahrung und Gold gewährt. Auch wenn der Erfahrungs-Boost grenzwertig ist, fallen dennoch die meisten Artikel, die man für EMP (bzw. Echtgeld) erwerben kann, in den Bereich "Pay-to-shortcut", sind also Zeitverkürzer. Doch man wird von der Story angenehm sowie ohne großen Aufwand oder das Bedürfnis, sich Abkürzungen zulegen müssen, durch die Welt von Tera geschleust. Einzig der eher eingeschränkte Lagerplatz sowie die Truhenschlüssel locken mich zu einer Transaktion. Dies könnte allerdings im Endgame mit seiner deutlich wertigeren Beute relevanter werden. Da der Weg dorthin jedoch nicht allzu schwer gemacht wird und man ausgehend von der aktuellen PC-Version auch hier eher nur durchschnittlich "grinden" muss, zeigt sich Tera unter dem Strich trotz altersbedingter Schwächen als durchaus kompetenter sowie unterhaltsamer Konkurrent zu Neverwinter, Star Trek Online & Co.

Fazit

Da Tera am PC komplett an mir vorbei ging, war ich gespannt, wie sich die Konsolen-Version des Free-to-play-Rollenspiels präsentiert. Und ich muss sagen, dass ich nach einer längeren Online-Rollenspiel-Pause durchaus Gefallen an den action-orientierten Kämpfen finden konnte, deren Kontrolle passabel auf das bis zum letzten Knopf belegte Pad gelegt wurde. Inhalte sind ebenfalls mehr als genug vorhanden, so dass man relativ unkompliziert schnelle Erfolgserlebnisse (sprich: Levelaufstiege) feiert und auch gerne neue Klassen ausprobiert. In zwei Bereichen spürt man allerdings das für ein Videospiel verhältnismäßig hohe Alter: Zum einen zeigt sich die zumeist stimmungsvolle, von Unreal angetriebene Kulisse technisch nicht auf der Höhe und fällt weniger durch ihre Details, sondern eher durch Unzulänglichkeiten wie Pop-ups, Tearing und vor allem Bildrateneinbrüche auf. Und zum anderen ist die Inszenierung der ohnehin mageren Geschichte deutlich schwächer als bei anderen Genre-Vertretern, die seit Teras Erstveröffentlichung erschienen sind – was sich auch im  eintönigen Missionsdesign zeigt. Dennoch kommt man vor allem dank der eingängigen und mitunter effektvoll in Szene gesetzten Auseinandersetzungen in einen angenehmen Spielfluss. Zumindest bis man an die Bezahlmauern der Premium-Inhalte gelangt, die sich mechanisch in erster Linie nur als Zeitverkürzer präsentieren, aber sich auch auf neue Charakterplätze, ein größeres Bankinventar und die für Schatztruhen nötigen Schlüssel auswirken. Man kommt allerdings auch ohne Echtgeldeinsatz gut voran, was auch dadurch begünstigt wird, dass man z.B. nur geringe Einflussmöglichkeiten innerhalb des Klassenfortschritts hat. Unter dem Strich ein netter Zeitvertreib.

Pro

action-orientiertes Kampfsystem
charmantes Design mit Anime-Einschlag
haufenweise Missionen
passable PvP-Arenen und Modi
saubere, wenngleich tendenziell überbelegte Pad-Steuerung
zehn mechanisch teils deutlich unterschiedliche Klassen

Kontra

wichtige Erweiterungen (Figurenplätze, Inventar etc.) als Premium-Content hinter Paywall
schwaches Missionsdesign
technisch unsauber (Pop-ups, Tearing, teils herber Bildraten-Schluckauf)
erzählerischer Fortschritt für alle Klassen bzw. Völker identisch
nur wenige Möglichkeiten, seine Figur hinsichtlich Fähigkeiten zu individualisieren
magere Story, die zudem unterdurchschnittlich inszeniert wird
inhaltlich nicht auf dem gleichen Stand wie die PC-Version

Wertung

XboxOne

Solides Online-Rollenspiel mit einem interessanten actionorientierten Kampfsystem, aber auch einigen technischen sowie erzählerischen Schwächen.

PlayStation4

Solides Online-Rollenspiel mit einem interessanten actionorientierten Kampfsystem, aber auch einigen technischen sowie erzählerischen Schwächen.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Es gibt Käufe für Fähigkeiten, Karten, Figuren, Waffen, Geld, XP oder Spielmodi.
  • Man kann die Spielzeit über Käufe verkürzen, Pay-to-Shortcut.
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