SAW 2: Flesh & Blood22.10.2010, Mathias Oertel
SAW 2: Flesh & Blood

Im Test:

Ende 2009 hat Konami mit Saw einen weiteren Anlauf im mittlerweile fast vollkommen brach liegenden Survival-Horror unternommen. Das Ergebnis war ambitioniert, konnte aber weder als Filmlizenz noch als reinrassiger Horror begeistern.  Nicht einmal ein Jahr später steht die Fortsetzung in den Startlöchern, in der Jigsaw erneut zum Überlebenskampf ruft. Hat man aus den Fehlern des ersten Teiles gelernt?

Alljährlicher Terror

Seit 2004 sorgt die Saw-Serie für volle Kinosäle. Was in den ersten Teilen als subtiles Psycho-Spielchen beim Kampf ums Überleben begann, ist mittlerweile zu einem Gorefest mutiert, in dem die Tod bringenden Fallen stärker im Mittelpunkt stehen als Charaktere oder Story. Zum vorläufigen Abschluss der Filmreihe gibt es sogar noch den unausweichlich scheinenden Abstecher in die dreidimensionale Zelluloid-Welt.

Bei dem Erfolg der Streifen war es verwunderlich, dass sich lange Zeit niemand an ein Spiel um Jigsaw, seine Motive und

Willkommen beim Überlebens-Kampf. Tobin Bell übernimmt auch in der Spielfortsetzung die Rolle von "Jigsaw".
Fallen gewagt hat. Konami hat schließlich mit den Zombie Studios das Projekt angefangen und letztes Jahr Saw veröffentlicht. Erzählerisch zwischen den ersten beiden Filmen angesiedelt, konnte man in der Rolle von Detective Tapp versuchen, Rätsel zu lösen, Opfer für Unschuldige zu bringen und das Spiel des gestörten Genies Jigsaw überleben. Trotz einiger interessanter Ansätze und einer dichten Atmosphäre kam der Survival-Horror allerdings nicht über das Mittelmaß hinaus. Die Kämpfe waren zu spröde, die Rätselelemente häufig zu leicht und redundant. Mit Saw 2 - Flesh & Blood (S2) meldet sich Tobin Bell in der Rolle von Jigsaw zurück - und die Zombie Studios haben die Chance, zu beweisen, dass sie im Gegensatz zu vielen Jigsaw-Opfern in der Lage sind, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen.

Jigsaw wäre zufrieden... oder nicht?

Die Methoden von Jigsaw sind sicherlich diskussionswürdig. Doch das Ziel dahinter, die Läuterung von Personen, die sich schwere Verfehlungen gegen ihre Mitmenschen geleistet haben, ist lobenswert. Doch wie würde der Meister-Einforderer von Opferbereitschaft mit den Jungs der Zombie Studios ins Gericht gehen, die sich mit Teil 1 einige Verfehlungen gegen das Spieldesign geleistet haben? Würden sie seinem Urteil standhalten können? Auf den ersten Blick ja! Denn zum einen haben sie sich hinsichtlich Mechanik und Inhalten nicht allzu weit vom Vorgänger entfernt. Zum anderen haben sie versucht, mit neuen Elementen einige Mankos auszumerzen.

Allerdings schaffen sie es immer noch nicht, einen Survival-Horror zu inszenieren, der dem Ruf und dem Erbe der Zelluloid-Sägen gerecht wird. Zumal sie sich bei S2 sogar hinsichtlich der Geschichte einige Schnitzer erlauben. Ob dies jetzt damit zu tun hat, dass aus der mutmaßlichen Idee, die Story zwischen den Filmen numero zwei und drei anzusiedeln, letztlich eine direkte Fortsetzung des ersten Spiels wurde, sei dahingestellt.

Doch abseits der Einstiegs-Sequenz, die dem zweiten Film entnommen ist und in der man mit einem Skalpell am Auge des Opfers herumschnippelt, um an einen dahinter versteckten Schlüssel zu kommen, der wiederum eine der berüchtigten Bärenfallen entschärft, bleibt man erzählerisch und dramaturgisch eher schwach. Die Geschichte um Detective Tapps Sohn,

Düstere Umgebungen und passable Lichteffekte verströmen Film-Flair. Dennoch bietet Saw 2 visuell größtenteils biedere Durchschnittskost.
der ein distanziertes Verhältnis zu seinem im ersten Spiel verstorbenen Vater pflegt und sich als Fotojournalist seinen Lebensunterhalt verdient, hat nur selten den charakterlichen Tiefgang, den man zumindest aus den ersten drei Filmen kennt.

Zwar wurde Tobin Bell als Jigsaw noch stärker in die Dramaturgie eingebunden und kann auch die besten Szenen für sich verbuchen, doch der Rest der Besetzung bleibt leider sehr blass. Das geht mitunter so weit, dass man sich wünscht, man müsse diese oder jene Person nicht aus den lebensbedrohlichen mitunter brutalen Fallen retten und freut sich vielleicht sogar heimlich, wenn sie das Zeitliche segnen. Leider hat man niemals die Wahl -wie so häufig, wenn man Jigsaws Spiel spielt- und muss sie retten. Abseits der verbesserungswürdigen schauspielerischen Leistung der meisten virtuellen Darsteller kann die Geschichte sogar mit der einen oder anderen Saw-typischen Wendung punkten. Doch unter dem Strich kann das Drehbuch weder mit dem Vorgänger und schon gar nicht mit den Filmen mithalten. Und wieso auch Tapp Junior wie sein alter Herr barfuß durch die Gegend stapfen muss und keine der Leichen, die er findet (oder für die er verantwortlich ist), Schuhe in seiner ungefähren Größe bereit hält, bleibt ein ungelöstes Geheimnis. In jedem Fall wirkt das spätestens nach dem vierten Toten mit Schuhen wie im Vorgänger unglaubwürdig.

   

Horror-Adventure mit Reaktionstest

Doch wie sieht es inhaltlich aus? Hier muss ich dem Team der Zombie Studios verhaltenes Lob zollen. Ich finde es gut, wenn man sich als Entwickler mit Kritik auseinandersetzt, sie konstruktiv betrachtet und dann wie beim neuen Kampfsystem

Quicktime Events sind ein großer Bestandteil von Saw 2 und werden z.B. auch in Kämpfen eingesetzt.
daraus seine Schlüsse zieht. Nicht nur, dass einem beim Gang durch die düster-dreckigen Umgebungen, die abermals Ausweglosigkeit und Film-Atmosphäre verströmen, deutlich weniger Feinde begegnen, die einem nach dem Leben trachten. Die Auseinandersetzungen wurden auch von merkwürdig choreografierten Echtzeit-Kämpfen zu geskripteten Reaktions-Tests umfunktioniert. Natürlich kann man darüber geteilter Meinung sein. Doch für mich geht das Konzept auf. Denn so stellt man die Auseinandersetzungen mit tödlichem Ausgang in eine Reihe mit den restlichen Inhalten, die aus Reaktionstests sowie Kopfnüssen bestehen. Noch intensiver hätte das Erlebnis allerdings ausfallen können, wenn die Technik überzeugender wäre, die nach wie vor trotz Verwendung der Unreal-Engine eher am unteren Spektrum des biederen Durchschnitts festhängt. Animationen und Mimik sind nur einen Hauch lebendiger als im Vorgänger, die Licht- und Partikeleffekte nur etwas eleganter und die Kulissen ebenfalls nur rudimentär verbessert - wenn überhaupt.

Olé!

Weniger gelungen als die Kämpfe sind die Torero-Spiele mit Muskelprotzen, die in merkwürdige Kopf-Käfige gesteckt wurden. Einmal befreit, besteht die einzige Möglichkeit sie zu besiegen darin, ihnen auszuweichen und sie in Umgebungshindernisse laufen zu lassen (z.B. elektrisierte Zäune, Fahrstuhlschächte). Beim ersten Mal ist das noch spannend, beim zweiten Mal vielleicht auch noch. Doch beim dritten Mal hat man genug von diesem Element. Und damit reanimieren die Zombie Studios leider ein Manko von Teil 1: Repitition. Hier wie da gibt es viele interessante Elemente. Doch durch die ständige Wiederholung leidet die Motivation - und nirgends mehr als bei den Kämpfen gegen diese "Metallstiere".

Zwar werden auch die Rätselelemente mit Varianten wiedergekäut, wenn sie einmal eingeführt wurden. Doch mit Zeitlimits, graduierlichem Hinzufügen neuer Elemente in bekannte Puzzles sowie den Highlights der "Boss-Fallen" weht immer wieder ein schauriger Hauch des Jigsaw-Geistes. Und das neue Schlossknacken, bei dem man den Dietrich durch den sich drehenden Schlosszylinder steuert bzw. die Zylinder in richtige Positionen drehen muss, schaffen es bei aller Einfachheit immer wieder aufs Neue, Interesse zu wecken.

Wie viele andere Elemente werden die "Torero"-Sequenzen gegen Ende überstrapaziert.
Allerdings hätte das Interesse, sich generell dem Kampf mit Jigsaws Fallen zu stellen, deutlich höher ausfallen können, wenn man die Welt ein wenig geöffnet hätte, anstatt sich auf eine schlauchige Struktur zu verlassen. Man kann zwar einige Gegenstände wie Akten und Tonbänder finden, die vor allem dazu dienen, die Welt und die Geschichte zwischen den Filmen 1 und 2 weiter auszuschmücken, aber spielerisch haben sie keine Wirkung. Wieso wird mein Forschungs- und Sammel-Drang nicht häufiger damit belohnt, dass ich besondere Gegenstände oder Hilfen für Rätsel finde, an denen ich mir sonst vielleicht länger als nötig die Zähne ausbeiße? Doch alles liegt auf dem Weg und selbst bei Türen, die einen Nagel als Dietrich benötigen, kann man sicher sein, dass im Schrank um die Ecke das spitze Metallstück zu finden ist.

Einzig bei einigen in der Umgebung versteckten Rätseln und Hinweisen wie z.B. perspektiven-abhängigen Bildern etc. muss man mal ein wenig herumstöbern. Hier hat man wie im gesamten Projekt viel Potenzial verschenkt. Apropos Hinweise: Endlich wird man nicht mehr quasi mit dem Holzhammer auf die Lösung von Problemen gestoßen.  

Fazit

Während meines zweiten Duelles mit Jigsaw hatte ich von Anfang bis Ende ein komisches Gefühl. Einerseits fühlte ich mich merkwürdig heimisch. Das lag u.a. daran, dass die Engine wenn überhaupt nur geringe Fortschritte gemacht hat und viele der Rätseltypen nur erweiterte Varianten des Vorgängers waren. Und ich habe mit Freude zur Kenntnis genommen, dass die Zombie Studios teilweise bestrebt waren, Mankos des ersten Teiles auszumerzen. Am deutlichsten wird dies beim Kampfsystem, das weg von Echtzeit hin zu geskripteten Reaktionstests geht - ein Schritt, der mir gut gefällt. So wird Saw II von einem Survival Horror-Puzzle-Mix zu einem sehr düsteren Überlebens-Adventure. Wenn ich mir dabei aber anschaue, wie viele Kritikpunkte des ersten Teiles ich nahezu unverändert übernehmen kann, trauere ich den vergebenen Chancen nach, die sich auch hier eröffnet haben. Keine übermäßigen Hinweise mehr, mitunter knackige Kopfnüsse, Quick Time Events, die nicht immer beim ersten Mal von der Hand gehen: Alles macht Lust auf mehr. Doch die gewisse Vorhersehbarkeit sowie die Linearität, die viel zu selten aufgebrochen wird, lassen die mitunter aufkommende Euphorie schnell abkühlen. Unter dem Strich ist Flesh & Blood eine gelungene Fortsetzung, die sich in vielen Belangen verbessert zeigt, aber es immer noch nicht schafft, der Fessel der Mittelmäßigkeit zu entkommen.

Pro

fordernde „Boss-Fallen“
gelungene Puzzle-Elemente...
Tobin Bell als Jigsaw-Sprecher und -Darsteller
düster-dreckige Umgebungen
mitunter gelungene Schockmomente
ausweglose Atmosphäre
Filmflair gut eingefangen

Kontra

Kulisse erreicht maximal Durchschnittswerte- ... die schließlich nur noch wiederholt werden
schwache Inszenierung der Zwischensequenzen
auf Dauer gleichförmiges Spieldesign ohne Überraschungen
hölzerne Mimik & Gestik

Wertung

360

Reaktionstests und Puzzles machen Saw 2 zu einem gefälligen Survival-Adventure, das den neu eingeschlagenen Weg aber nicht konsequent genug beschreitet.

PlayStation3

Saw II vollzieht den Schritt vom Survival-Horror zum Survival-Adventure mit Rätseln und Reaktionstests. Leider geht der Schritt aber nicht weit genug.

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