Apache: Air Assault24.11.2010, Paul Kautz
Apache: Air Assault

Im Test:

Der Flugsimulator an sich gehört zu den akut gefährdeten Genres, die Nischenspezies Helikopter-Simulation ist eigentlich schon seit Jahren nur noch im Museum zu bewundern. Eigentlich. Denn allen Unkenrufen zum Trotz gibt es noch Entwickler auf der Welt, die sich an dieses komplexe Szenario wagen - und einer davon ist sogar wahnsinnig genug, es auch auf Konsolen anzubieten.

Zweirotorige Zicke!

Schöne Landschaften, grandiose Helikoptermodelle - optisch folgt Apache Air Assault trotz der gelegentlichen Ruckler den Fußspuren von Birds of Prey.
Schöne Landschaften, grandiose Helikoptermodelle - optisch folgt Apache Air Assault trotz der gelegentlichen Ruckler den Fußspuren von Birds of Prey.
Der richtige Simulator-Fan gehört im Normalfall zu der Art Spieler, dem es nicht komplex genug sein kann: Erst wenn ein Handbuch dicker ist als das Telefonbuch von Nordamerika, wird das Spiel eines Blickes gewürdigt. Erst wenn man mindestens ein Dutzend Tasten in der richtigen Reihenfolge auf der Tastatur gedrückt hat, um überhaupt den Motor anzuschmeißen, hat das Spiel den Zusatz »Simulator« verdient. Wie schrecklich muss der Fall in eine Welt sein, in der alles, was man zur Bedienung eines Helikopters braucht, ein lumpiges Gamepad ist? Haltet sie zurück, die Fackeln, die Heugabeln und die »Simulator? Das schimpft sich Simulator??«-Schreie zurück, denn Apache Air Assault (AAA) ist weitaus anspruchsvoller als man vermuten könnte.

Jedenfalls ab dem zweiten von drei Schwierigkeitsgraden. Auf »Training« ist im Großen und Ganzen alles super - die Bedienung ist hier nicht gerade wie bei Choplifter, aber dennoch simpel genug, um Heli-Einsteiger nicht gleich hoffnungslos zu überfordern: Beide Sticks dienen dazu, den tonnenschweren Haufen Metall sicher in der Luft zu halten; der eine kontrolliert die Neigung in alle Richtungen, der andere die Höhe und die Seitwärtsbewegung. Das ergibt eine 3D-Kontrolle, die gerade in Kombination mit der natürlichen Trägheit der Bewegung eines Helikopters durchaus anspruchsvoll genug ist - einfach mal bei Vollgas rumziehen oder einen auf Blue Thunder machen ist hier nicht. Eine schnelle Wende bedeutet erstmal ein paar Sekunden Stillstand in der Luft, bis die Rotoren wieder genug Auftrieb erzeugt haben, damit es wieder nach vorne geht - das sind genug Sekunden, um von einer Batterie RPGs oder gegnerischen Hubschraubern filetiert zu werden. Der clevere Apache-Pilot geht daher äußerst behutsam und filigran vor, ganz besonders ab der Stufe »Realistisch«: Hier bleibt die Maschine keinesfalls kontant auf einer Höhe; man muss ständig den Schub auf einem möglichst ruhigen Level halten. Außerdem neigt der Heli weitaus schneller zum Ausbrechen zur Seite, was schnell in einer ungewollten Rolle (und damit meist im nächstgelegenen Berg) enden kann. Auf der anderen Seite hat man nur hier weitaus mehr Möglichkeiten für coole Flugmanöver.

Teufelskerl am Knüppel

Man kann zwischen vier Perspektiven umschalten, wobei die Soundkulisse in der Cockpitansicht merkwürdig leise ist.
Man kann zwischen vier Perspektiven umschalten, wobei die Soundkulisse in der Cockpitansicht merkwürdig leise ist.
Eine Art eingebauter Cheat ist der »Schwebemodus«: Aktiviert man diesen, fängt sich der Apache rasend schnell und bleibt nach kurzer Zeit sicher in der Luft hängen. Das ist besonders nützlich, wenn man sich als Bordschütze persönlich um den einen oder anderen Feind kümmern möchte. Normalerweise muss man das nicht, denn wenn man fliegt, übernimmt die KI einfache MG-Aufgaben. Auf Wunsch kann man ihr auch manuell unter die Arme greifen, aber wie gesagt: nötig ist das an sich nicht. Erst wenn man direkt auf den Schützensitz wechselt, wird's interessant. Die 30mm-Kanone bietet zwei Ansichten, eine normale schwarz/weiße Kameraansicht sowie eine Infrarotaufnahme - in Letzterer leuchten Gegner strahlend hell und sind dadurch sehr gut erkennbar.

Als Pilot hat man ganz andere Kaliber zur Wahl, allen voran ungelenkte und gelenkte Raketen. Gerade Letztere sind wichtig, denn damit kann man schon aus der Entfernung für eine erste Aussortierung von Gegnern sorgen - gerade auf höheren Schwierigkeitsgraden ist die Priorisierung von Zielen sehr wichtig. Allzu wild sollte man allerdings nicht herumballern, denn der Munitionsvorrat ist begrenzt: Sprichwörtlich zwar erst auf der höchsten Schwierigkeitsstufe, doch auch auf dem Trainings-Level muss verfeuerte Munition erst wieder nachgeschoben werden. Das geschieht zwar automatisch und auf magische Weise in der Luft, dauert aber seine Zeit - im Falle der Hellfire-Raketen sogar ein paar Minuten. Schneller geht's, wenn man an einem der gelegentlich auf dem Schlachtfeld befindlichen Landeplätze herabsinkt und sich nicht nur aufmunitionieren, sondern auch reparieren lässt. Merkwürdigerweise wird einem das weder im Handbuch (das ohnehin mal wieder ein kaum diesen Namen verdienender Witz ist) noch im Tutorial verraten. Aber wofür habt ihr denn 4Players?

Allein zu zweit

Als Bordschütze kann man zwischen zwei verschiedenen Ansichten wählen, von denen die Wärmebildkamera besonders nützlich ist.
Als Bordschütze kann man zwischen zwei verschiedenen Ansichten wählen, von denen die Wärmebildkamera besonders nützlich ist.
Die Kampagne liefert mit 16 teilweise sehr langen Aufträgen (plus Tutorial) sehr viel Helikopter-Action - aber leider wenig Abwechslung. Egal ob es sich um Piraten, Drogenschmuggler oder Warlords handelt, fast jeder Level dreht sich um das einfache Credo »Fliege da hin, zerstöre alles, was einen roten Rahmen um sich hat, fliege wieder zurück« - nur selten gibt es Abweichungen von dieser Regel, etwa wenn man einem abgeschossenen Kameraden eine Zeit lang Feuerschutz aus der Luft geben muss. Leider wird das nicht von einer interessanten Story umrahmt, genau genommen nicht mal von einer uninteressanten: Vor jedem Einsatz gibt es einen Bildschirm voller Text zu lesen (was gut von den langen Ladezeiten ablenkt), in seltenen Fällen auch eine kurze, meist hässliche Cutscene obendrauf - das kann man sich getrost schenken. Mit jeder gemeisterten Mission schaltet man Boni frei (Tarnfarben für den Helikopter, schmückende Grafikelemente und natürlich weitere Missionen), außerdem gibt's am Ende immer ein optionales Replay zu sehen - das man aus mehreren Perspektiven betrachten und speichern kann, aber mehr auch nicht.  Interessanter wird die Kampagne dadurch, dass man sie zu zweit spielen kann. Aber leider hat dieser Koop-Modus auch seine Fallstricke.

In einer perfekten Welt könnte man die Kampagne online zu zweit in einer Maschine angehen. Jeder Spieler hätte seinen eigenen Fernseher vor Augen, könnte gezielt seiner Aufgabe nachgehen und somit eine optimale Zusammenarbeit ermöglichen - verbunden mit authentisch aus dem Headset knisterndem Cockpitgelaber. Aber so funktioniert das bei AAA leider nicht, denn man darf sich zwar eine Maschine teilen - aber nur lokal! Das bedeutet, dass ständig zwischen der Piloten- und Schützenansicht gewechselt werden muss, wobei das ausschließlich der Pilot darf. Und auch nur dieser hat die Macht darüber, wann beim Schützen zwischen Kamera und Wärmebild gewechselt wird - warum auch immer. Das Resultat ist, dass man sich ständig zuschreien muss, wann auf welche Ansicht gewechselt werden muss, denn natürlich muss sich der Pilot während der Ballerphasen noch darum kümmern, dass der Helikopter nicht von einer gutgezielten Bazooka in Stahlkonfetti verwandelt wird. Das Ganze ergibt leider überhaupt keinen Sinn. Wichtiger Zusatz für Achievement- bzw. Trophäenjäger: Ausschließlich der Spieler, der die Partie eröffnet, bekommt die Boni - unabhängig davon, ob er derjenige ist, der sie erspielt oder nicht!

Totenstille auf dem Schlachtfeld

Das Missionsdesign ist leider sehr ideenarm, die Kampagne bietet aber einen ordentlichen Umfang. Der Mehrspielermodus bietet Abwechslung für bis zu vier Spieler, aber gerade die Koop-Kampagne lässt sehr viele Wünsche offen.
Das Missionsdesign ist leider sehr ideenarm, die Kampagne bietet aber einen ordentlichen Umfang. Der Mehrspielermodus bietet Abwechslung für bis zu vier Spieler, aber gerade die Koop-Kampagne lässt sehr viele Wünsche offen.
Das Ganze wird umso unverständlicher, wenn man sich die »Trupp-Einsätze« ansieht: Das sind spezielle Mehrspielereinsätze, die man bis zu vier Piloten hoch angehen kann - natürlich online. Hier arbeitet man allerdings nicht in einer Maschine zusammen, stattdessen hat jeder Mitspieler seinen eigenen Helikopter. Viele Einsätze erfordern kooperative Arbeit, manche sind aber auch für Konkurrenten am Steuer gedacht - etwa ein Helikopter-Rennen. Das wiederum ist sehr merkwürdig aufgebaut: Es gibt keinerlei Anzeigen, wo auf der Strecke man sich befindet, wie weit das Ziel noch entfernt ist und wo sich die anderen Mitspieler befinden. Die Truppen-Einsätze haben mit der Kampagne nichts zu tun; die 13 Karten entspringen aber den gleichen Szenarien. Falls sich jemand einfach nur ein wenig austoben möchte, kann er auch zum »Freien Flug« greifen. Hier fliegt man zwar nur allein, kann dafür aber auch die Levelbedingungen frei definieren: Welche Karte soll's sein, wie ist das Wetter, welche Tageszeit hätten's gern, wie viele Gegner sollen dabei sein, wie schlau die eigenen Kameraden?

In Sachen Technik hat Gaijin letztes Jahr mit IL-2 Sturmovik: Birds of Prey bewiesen, dass sie verdammt gut in Sachen Landschaftsgrafik sind. Das hat sich mit AAA nicht geändert: Egal ob dichter Dschungel, weite Savanne, schneebedeckte Berge oder versiffte Siedlungen - die Umgebung ist sehr ansehnlich. Noch weitaus besser sind allerdings die Helikopter gelungen, die in Sachen Detailtreue Maßstäbe setzen. Allerdings ist das Ganze nicht immer ruckelfrei, gerade aus der Cockpitsicht, eine von vier Perspektiven, wird das Bild immer wieder etwas langsamer. Nie unspielbar langsam, aber spürbar ruckeliger. Die Cockpitperspektive ist darüber hinaus für eine akustische Merkwürdigkeit zuständig: Sitzt man als Pilot oder Schütze in der Maschine, bekommt man kein Rotorgeräusch mehr zu hören! Nun weiß ich nicht aus persönlicher Erfahrung, wie schallgedämmt ein Apache wirklich ist. Aber meine bisherigen Flüge in diversen Hubschraubern haben mich gelehrt, dass man im Innern selbst mit guten Schallschutzkopfhörern akustisch immer noch heftig malträtiert wird - und ausgerechnet hier ist das Cockpit ein Ort des Friedens und der zirpenden Grillen. Das ist aber auch die einzige Meckerei in Sachen Ohren: Die Soundeffekte krachen erwartungsgemäß mächtig, die Menümusik könnte direkt aus »The Rock« stammen - und im Spiel gehen gute Breakbeats ab!

Fazit

Ich hatte mich sehr auf Apache Air Assault gefreut, vor allem auf den Mehrspielermodus - spätestens als ich die Ankündigung las, dass man zu zweit in einem Helikopter unterwegs sein kann, konnte ich den Release kaum erwarten; ein gutes Team aus Pilot und Schütze ist für mich die Definition von Koop-Spielen. Leider, leider, leider hat Gaijin gerade diesen Punkt mit bemerkenswerter Konsequenz vermasselt: Online ist diese Spielvariante aus irgendeinem Grund nicht verfügbar, der lokale Koop ist haarsträubend fummelig und nutzneutral. Immerhin funktioniert der normale Multiplayermodus ziemlich gut - aber die Enttäuschung ist doch herb und wird nur durch den Rest des Spiels etwas ausgeglichen: Die tolle Landschaftsgrafik bietet was fürs Auge, die fein abgestuften Schwierigkeitsgrade halten sowohl für Frischluftfrischlinge als auch Rotorprofis eine Herausforderung bereit. Okay, das Missionsdesign beschränkt sich im Großen und Ganzen auf »Fliege da hin, zerballere alles, komm wieder zurück«, etwas wie eine Geschichte gibt es de facto nicht - aber das macht Apache Air Assault umso mehr zum soliden Zeitvertreib zwischen zwei Bad Company 2-Sitzungen. Zu mehr aber leider auch nicht.

Pro

gute Landschaftsgrafik
umfangreicher Koop-Modus
herausforderndes Flugmodell
ordentlicher Umfang

Kontra

enttäuschender Mehrspielermodus
uninspiriertes Missionsdesign
kaum vorhandene Geschichte

Wertung

360

Die gute Präsentation und herausfordernde Steuerung heben den Heli in Wertungshöhen - die lahmen Missionen und der enttäuschende Mehrspielermodus sorgen für den Absturz.

PC

Die gute Präsentation und herausfordernde Steuerung heben den Heli in Wertungshöhen - die lahmen Missionen und der enttäuschende Mehrspielermodus sorgen für den Absturz.

PlayStation3

Die gute Präsentation und herausfordernde Steuerung heben den Heli in Wertungshöhen - die lahmen Missionen und der enttäuschende Mehrspielermodus sorgen für den Absturz.

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