Tropico 408.09.2011, Bodo Naser
Tropico 4

Im Test:

Den letzten Teil von Tropico hat man noch in guter Erinnerung, weil er zu den satirischen Ursprüngen der Reihe zurückkehrte. Der vierte Teil knüpft wiederum daran an und führt einige zaghafte Neuerungen ein. Lohnt sich der karibische Trip für Hobby-Präsidenten?  

El Presidente lässt es krachen

Kann man die fiktive Idylle noch verbessern? El Presidente wird es beweisen.
Kann man die fiktive Idylle noch verbessern? El Presidente wird es beweisen.

Diktatoren haben oft ne Macke, wie wir nicht erst seit Gaddafis skurrilen Fernsehauftritten wissen. Scheinbar macht Macht nicht nur sexy, sondern auch noch irre, denn auch andere Gewaltherrscher verhielten sich recht seltsam: Fidel Castro hielt ellenlange ermüdende Reden, „Papadoc“ Duvalier stütze seine Herrschaft über Haiti auch auf Voodoo, und Imelda Marcos, die exzentrische Frau des philippinischen Präsidenten Ferdinand Marcos, hatte über 1000 Paare Designerschuhe gehortet. Selbstverliebt geht es auch in der virtuellen Politik zu, denn auch als Herrscher von Tropico pflegt man in erster Linie das eigene Image. Der staatliche Pressesprecher gibt ständig neueste Zoten von El Presidente von sich, was witzig ist. Und man kann die eigene Vergangenheit selbst bis ins Detail bestimmen, denn erstmals sind alle Eigenschaften des Avatars wählbar. 

Ist man auch noch so brutal, so gibt es doch immer ein paar Leute, die das gut finden: Egal ob Geheimdienstfolter, Militärherrschaft oder Unterdrückung der Opposition das Land plagen - die Loyalisten halten zu ihrem El Presidente. Um diesen Hardcore-Fans einen Gefallen zu tun, sollte man möglichst ein Museum der eigenen Heldentaten errichten. Auch eine Säule zur Ehren der Nation oder ein Mausoleum kann nichts schaden. Noch mehr Personenkult wird getrieben, wenn überall in den Straßen die Statuen des großen Führers rumstehen. Oder aber man führt per Dekret einen Nationalfeiertrag ein, an dem die Tropicaner mal richtig feiern können. Damit nicht genug, bietet die Akademie die Möglichkeit, einen Klon von El Presidente zu machen – nur für den Fall, dass er mal bei einem Attentat stirbt.      

Karibik zum selber regieren

Unsere Insel soll schöner werden! Irgendwann ist da Ziel erreicht.
Unsere Insel soll schöner werden! Irgendwann ist das Ziel erreicht.

Wer sich als Hobby-Diktator betätigen möchte, kann das in Kampagne oder freiem Spiel tun. Die Kampagne ist dabei kaum mehr als eine Aneinanderreihung von 20 Missionen, die auf verschiedenen Inseln während des Kalten Kriegs spielen. Einmal muss man ein armes Land verbessern, Naturkatastrophen wie einem Wirbelsturm trotzen oder den heimischen Tourismus ankurbeln, wobei es nur einen festen Schwierigkeitsgrad gibt, der sich ganz allmählich von Mission zu Mission steigert. Leider ist nicht immer ganz klar, wohin die Reise geht, da das übergeordnete Ziel innerhalb der Missionen oft nicht zu erkennen ist. So spielt man halt drauf los und macht alles wie gewünscht, bis man unvermutet gewonnen hat. Obwohl sich die Aufträge irgendwann gleichen, macht das Regieren dennoch Spaß.

Sonst gibt es noch die Möglichkeit, frei von irgendwelchen Zielvorgaben zu regieren. Dann lässt sich die Schwierigkeit indirekt mittels Spielparameter justieren, indem man die politische Stabilität erhöht, die Mineralvorkommen festlegt oder die Spiellänge bestimmt. Hier kann man sogar einstellen, dass man weit von den USA entfernt sein möchte. So fällt die Gefahr einer amerikanischen Invasion weg, wenn man es sich mit den USA verscherzt. Einen Mehrspieler hat man sich auch diesmal gespart, stattdessen gibt’s Facebook-Anbindung und Missionen zum Runterladen, was aber kein echter Ersatz ist. Die Inseln samt Zufallsereignisse kann übrigens jeder mit dem beigefügten Editor selbst erstellen.       

Mach alle glücklich!

Sprechstunde beim Diktator. Irgendein Bürger hat immer rein Anliegen.
Sprechstunde beim Diktator. Irgendein Bürger hat immer ein Anliegen.

Während der Missionen der Kampagne gibt es dieses Mal deutlich mehr zu tun, da man ständig kleinere Aufgaben erfüllt. Man muss ein bestimmtes Gebäude bauen, einen Wert der Zufriedenheit oder eine Zahl von Exporten erreichen, wofür man meist in Geld entlohnt wird. Man bekommt die Quests fast immer von den verschiedenen Interessengruppen, die es auch schon früher gab. Da soll man etwa für die Kommunisten eine bestimmte Anzahl Wohnungen bauen. Wer das erfüllt, steigt in deren Ansehen um 15 Punkte. Ebenso muss man mal für die Industriellen eine bestimme Menge Rohstoffe ausführen.

Diese Aufgaben kann man nach Gutdünken auswählen, da sie buchstäblich auf der Straße liegen. Dort sind bunte Schaltflächen, über die diese ausgelöst werden. Wer all die Ratschläge beherzigt, sollte kein Problem mit den Gruppen haben, die es schon früher in Tropico gab. Baut man aber keine Kirche, wie es die Religiösen wollen, wird man nicht mit dem Kirchenbann belegt. Lässt man sich nicht erpressen, kann es zu Unruhen kommen. Gewerkschafter sind noch frecher, denn sie blockieren gleich das Werktor einer Fabrik, wenn es nicht nach ihrem Willen geht. Und wer wie in der guten alten Zeit auf die Demonstranten schießen lässt, verschärft den Konflikt nur. Also immer schön cool bleiben und lieber mal den Geldbeutel sprechen lassen!

Ein Unglück kommt selten allein

Das Glück kann schnell vorbei sein. Insbesindee wenn man bedenkt, dass unten im Bild ein Vulkan schlummert.
Das Glück kann schnell vorbei sein. Besonders wenn wie unten im Bild ein Vulkan schlummert.

Eine große Aufgabe ist neuerdings das Managen von Naturkatastrophen wie Erdbeben, Stürmen, Vulkanausbrüchen oder Tankerunglücken. Viel machen kann man meistens nicht, wenn man mal von Vorsicht absieht, denn mögliche Gefahrenherde sind markiert. Aber was hilft das, wenn El Presidentes Palast schon von Anfang an am Kraterrand steht oder der schönste Strand der Insel eine Tsunami-Warnzone ist? Ein wenig erinnert das an Sim City, wobei die Ereignisse aber automatisch kommen. Die Katastrophen selbst könnten besser inszeniert sein, da gerade einmal der graue Ölteppich überzeugt, den das havarierte Schiff hinterlässt. Ansonsten ist etwa der Vulkan wenig beindruckend, wie er so vor sich hin hustet, denn die Brocken kullern fast wie von Zauberhand vom Berg.         

Nach dem Wirbelsturm heißt es erst mal aufräumen, was mit jeder Menge Geld ausgeben verbunden ist. Man kann zwar die zerstörten Gebäude einfacher wieder aufbauen, indem man direkt in die Trümmer klickt, aber kosten tut es so oder so etwas. Und zudem sind die Bautrupps für die nächste Zeit beschäftigt, bis das nächste Unglück kommt, was bald sein kann. Vielleicht sollte man noch ein Bauunternehmen eröffnen, damit die normalen Projekte nicht zu sehr ins stocken kommen. Immerhin kann man sich mit Feuerwehren gegen einen Brand wappnen. Der weise El Presidente kann sich entweder väterlich um alles kümmern, die Hilfe verweigern oder gar Hilfsgelder auf ein schwarzes Konto abzweigen, wie es sich für einen zwielichtigen Diktator gehört.

Politisches Tier

Alle wollen eine Empfang bei  Minister. Aber schmälern sie nicht die Allmacht El Presidentes?
Alle wollen einen Empfang beim Herrn Minister. Aber schmälern die nicht die Allmacht El Presidentes?

Ansonsten ist El Presidente natürlich vollauf mit der Politik beschäftigt, die das gesamte öffentliche Leben der fiktiven Insel sowie die Auslandbeziehungen betrifft. Dass er dabei die Gruppen berücksichtigen muss, haben wir schon erfahren. Grundsätzlich sind also wieder all die Dinge mit von der Partie, die auch schon im dritten Teil dabei waren. Prinzipiell hat sich nicht viel geändert, denn es kommt immer noch ab und zu Wahlen, bei denen man betrügen kann, was sich nicht gut macht. Aber der Präsi hat dieses Mal Hilfe, denn es gibt ein Ministerium, welches eines der 20 neuen Gebäude ist. Es empfiehlt sich, das möglichst rasch zu errichten, da wiederum andere Bauten davon abhängen, ob es einen Minister gibt.

Der gnädige El Presidente sucht sich einen Minister aus dem Volk, der sich fortan um diesen Bereich kümmern. Gibt es keinen, muss ein Import her, was wiederum die Nationalisten gar nicht gern sehen. Es gibt Minister für Wirtschaft, Bildung, Verteidigung,  Innen-, und  Außenpolitik, die das Regieren in ihrem Bereich erleichtern, wenn sie denn fähig sind. So verbessert ein guter Außenminister die Beziehungen zu den Großmächten, wie man gerade am Fall Westerwelle sieht. Ein Unfähiger macht hingegen nur Probleme und steht auf der Abschussliste. Bisweilen bekommt man auch gute Ratschläge, etwa wenn sich die jung-dynamische Bildungsministerin über das zu geringe Bildungsniveau beschwert; sie will einen Erlass für mehr Bildung. Die Frau feuern, nix machen oder darauf eingehen?

Kohle scheffeln

Was bauen wir an, um reich zu werden? Und an wen verkaufen wir's?
Was bauen wir an, um reich zu werden? Und an wen verkaufen wir's?

Wie kommt El Presidente ans liebe Geld? Nun, wenn es seinem Land gut geht, fällt auch mal was für ihn ab. In erster Linie muss man sich also ums Staatssäckel kümmern, das nicht mit der eigenen Schwarzkasse zu verwechseln ist. Wie schon im Vorgänger kann man Rohstoffe abbauen und verkaufen, wobei man vom schwankenden Weltmarktpreis abhängig ist. Aus diesem Grund sollte man immer mehrere Standbeine habe, wobei man neben Eisen auch noch Zucker, Fisch oder Holz verkauft. Oder aber man baut eine Produktion auf, indem man selbst Zigarren rollen lässt, die dann deutlich mehr Geld bringen ein als der pure Tabak. Ab sofort kann man auch genau die Nation bestimmen, mit wem man handeln möchte. Zudem kann man Importe zulassen, um an Ware zu kommen, die man nicht selbst produziert, was aber teuer werden kann.

Wer nicht davon abhängig sein will, dass vielleicht mal ein Frachter vorbei schaut, der kann auch noch Touristen anlocken. Da geht eigentlich recht problemlos, wenn man idyllische Strände hat. Man baut dann einfach einen Tourihafen und ein paar Bungalows. Schon kommen spärlich Gäste an, die aber auch was geboten haben wollen, Weshalb man Bars, Clubs oder ein Cabaret bauen kann. Später kann man auch einen Flugplatz bauen, was mehr bringt. Man kann sich entscheiden, ob man statt Massentourismus lieber gehobene Reisen anbieten will. Es scheint die Gäste aber nicht zu stören, ob man nun von Guerillas, Krankheiten oder Katastrophen geplagt ist. Sie kommen eigentlich immer, was recht unrealistisch ist. Beschweren tun sich eigentlich nur die heimischen Umweltschützer, die härtere Gesetze wollen. Ob da eine stinkende Müllentsorgung reicht?

Heroische Verteidigung

Die festen Wachposten sind am wichtigsten beim Kampf um die Macht.
Die festen Wachposten sind am wichtigsten beim Kampf um die Macht.

El Presidente kümmert sich natürlich auch darum, dass die elenden Rebellen nicht zu stark werden, etwas wo Gaddafi in echt doch ziemlich versagt hat. Als tropicanischer Diktator sollte man daher seine treuen Kämpfer nicht vergessen, die sonst selbst gern putschen. Im Vergleich zum dritten Teil  hat sich doch eher wenig getan. Periodisch kommt es zum Aufstand, bei dem die Soldaten dann automatisch in den Kampf laufen, wobei auch El Presidente mit von der Partie ist. Da hört man schon mal stolz aus dem Buschfunk, dass der Diktator im Kampf verletzt wurde. Natürlich passiert ihm meist nichts! Taktisch ist wenig zu tun, man muss lediglich die Wachtürme so setzen, dass sie auch Sinn machen. Für jeden Außenposten braucht man einen General, was man von früher kennt.

Präventiv kann man eigentlich wenig gegen Aufstände machen. Es sei denn, man geht auf die Forderungen der Opposition ein und versorgt alle mit Wohnung, Nahrung und Jobs. Selbst in einem optimal geführten Inselstaat kommt es jedoch zu Rebellen, die sich periodisch zusammenrotten. Man kann aber deren Anführer bekämpfen, indem man sie präventiv vom Geheimdienst verhaften lässt. Da man jeden Bürger anklicken kann, weiß man auch gleich, was er so denkt. Hoffentlich denkt er das Richtige, sonst kommt er in den schönen Inselknast. Wichtig wird das eigentlich nur bei Regimegegnern, die man sogar umbringen lassen kann, was aber eine schlechte Presse bringt. Eleganter und teurer ist es, vom Geheimdienst einen Unfall inszenieren zu lassen.

Tritt in den Hintern

Der Avatar des Diktators sieht, hört und registriert alles.
Der Avatar des Diktators sieht, hört und registriert alles.

El Presidente regiert sein Land nicht nur mit eiserner Faust, stellt sich dem Ausland und kämpft auch mal gegen unwillige Mitbürger, er ist zudem quasi omnipräsent. Das kennt man ja auch von Demokraten wie US-Präsident Obama, dass er sich mal nen Hamburger holt, um Volksnähe zu zelebrieren. Der Potentat erhöht nämlich den Ausstoß, wenn er in Betrieben oder Lokalen einen Besuch abstattet. Allerdings braucht der Spieler das kaum, denn der für die Karibik bekannte Schlendrian ist bei Tropico 4 (ab 4,21€ bei kaufen) nicht so ausgeprägt wie im ersten Teil. Der Präsi muss also nur selten auf den Bau gehen, um die Bauarbeiter zum schnellen Arbeiten zu animieren. Da helfen ein ordentlicher Lohn, ein paar Erleichterungen und geregelte Arbeitszeiten eher, um die Stimmung der Werktätigen oben zu halten.         

Wesentlich wichtiger als diese gelegentlichen Stippvisiten ist das Können von El Presidente in einzelnen Lebensbereichen. Jeder Politiker hat seine Eigenheiten: Da gibt es den Helden der Revolution, der bei den Linken oder den Sowjets ankommt, so dass mehr Entwicklungsgelder aus Moskau fließen  Ebenso gibt es Freunde der USA, die meist auch noch die Kirche gern mag. Oder das Industriellensöhnchen, das die Wirtschaft ankurbelt, weil es allgemein die Produktion erhöht. Bei der Wahl des Avatars sollte man also durchaus darauf achten, was El Presidiente für Fähigkeiten hat. Daher kann man auch wieder die ganzen Politiker aus Teil 3 wählen, wozu etwa auch Fidel Castro zählt.  

Fazit

Tropico 4 bietet alles, was ein karibischer Hobby-Diktator braucht. Man kann wieder seine fiktive Insel in die Zukunft führen, wobei man grundsätzlich die Wahl hat, ob man sie lieber in ein Arbeiterparadies oder die ausbeuterische Vorhölle verwandeln möchte. Das gilt insbesondere für den freien Modus, denn in der Kampagne hat gute El Presidente nun doch mehr zu arbeiten als beim Vorgänger. Hier gibt es nun deutlich mehr Aufträge der politischen Gruppen, die man aber nur selten erledigen muss. Wer keine Kirche bauen will, muss das nicht tun, aber auch mit den möglichen Konsequenzen leben. Nicht entziehen kann man sich den leider schwach inszenierten Naturkatastrophen, die dennoch eine der wenigen echten Neuerungen sind. Ebenfalls neu ist das Ministerium, das clever eingebunden wurde, da man es wirklich braucht, um weiter zu kommen. Die Haupteinnahmequelle ist wieder der Außenhandel, den man nun gezielter durchführen kann, da man einzelne Nationen ausschließen kann. Tropico 4 kehrt ohne große Innovationen oder gar Multiplayer wieder zu den Wurzeln zurück, wobei es zwar unterhaltsam, aber auch weniger anspruchsvoll ist.


Update vom 19. Oktober 2011

Mit ein wenig Verspätung erscheint morgen die Xbox 360-Fassung der Präsidentenlaufbahn: Inhaltlich handelt es sich um das gleiche Spiel wie die PC-Version. Grafisch müssen El Konsoleros allerdings Einbußen hinnehmen - dank unscharfen Texturen und fehlenden Details in der Entfernung wirken die 360-Inseln nicht ganz so exotisch. Vor allem macht Gamepad-Herrschern aber die Steuerung zu schaffen, denn meist bewegt man sich mit dem unhandlichen Digikreuz durch wichtige Menüs und darf die Einstellungen für Kameradreh und -zoom nicht umkehren.

Pro

Kampagne mit vielen Aufträgen
Minister einstellen
Gruppen austarieren
Naturkatastrophen überstehen
Avatar selbst bestimmen
besserer Außenhandel
satirisch angehaucht
Witziges vom Sprecher
Editor für Missionen

Kontra

keine grundsätzlichen Änderungen
nicht all zu schwer
nur ein Schwierigkeitsgrad
kein Multiplayer
Katastrophen könnten besser aussehen

Wertung

360

Die inhaltlich ebenbürtige Umsetzung ist grafisch schwächer und kämpft mit einer unhandlichen Steuerung.

PC

Jetzt mit Naturkatastrophen und einigen Neuerungen im Detail - kein großartiges, aber ein gutes Spiel für Diktatoren!

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.