Captain America: Super Soldier28.07.2011, Mathias Oertel
Captain America: Super Soldier

Im Test:

Segas jüngste Umsetzungen zu Superhelden-Filmen aus dem Marvel-Universum standen unter keinem guten Stern. Sowohl Iron Man als auch vor allem Thor enttäuschten mit ihren inhaltlich müden sowie technisch meist schwachen Auftritten. Dementsprechend war ich hinsichtlich des ersten Solo-Auftritts von Captain America skeptisch. Doch man sollte den "Super Soldier" nicht abschreiben.

Superhelden im Überfluss

Bin ich eigentlich der Einzige, dem die derzeitige Superhelden-Schwemme auf den Geist geht? Es gab mal eine Zeit, in der die Hollywood-Studios darauf geachtet haben, den Abstand zwischen ihren Produktionen so groß wie möglich zu halten. DCs Superman kollidierte in den siebziger und achtziger Jahren nicht mit Marvels Spider-Man. Und Peter Parker hatte gegen Ende des 20. Jahrhunderts auch keine Probleme, wenn es darum ging, einen Veröffentlichungstermin zu finden, der so weit wie möglich von Batman, Hulk oder den X-Men entfernt lag.

Doch mittlerweile fühlt man sich, als ob die Superhelden einen nicht enden wollenden Staffellauf durchführen, der den Olympischen Spielen nächstes Jahr würdig wäre. Iron Mans zweiter Auftritt, Thor, Green Lantern, Captain America (der zudem auch die "Avengers" weiter einleiten soll), Spider-Man kehrt auch bald zurück, nicht zu vergessen Batmans Abschluss der Trilogie von Christopher Nolan. Und fast immer kommt ein Spiel auf den Markt, das den Film begleitet. Zu dumm nur, dass vor allem bei den letzten Marvel-Titeln aus Sega-Händen die Qualität zu wünschen übrig ließ. Und jetzt soll ausgerechnet ein Held, der im Zweiten Weltkrieg zu Propaganda-Zwecken in den USA entstanden ist und der einen Schild als Waffe führt, die Kohlen aus dem Feuer holen?

Das nächste Level

Ich gebe zu, dass ich nach dem God of War-Abklatsch Thor wenig Hoffnung hatte, dass Segas Marvel-Spiele noch die Kurve kriegen. Doch da habe ich die Rechnung ohne das Team von Next Level gemacht, das mit der Produktion von Captain America Super Soldier (CASS) beauftragt wurde. Denn die Kanadier haben ein durchaus wohlklingendes Portfolio: Die Mario Strikers-Spiele stammen aus ihrem Hause, der Xbox Live-Titel Ticket to Ride (Zug um Zug) ebenso und auch Spider-Man Friend or Foe oder Transformers Cybertron Adventures waren keine Totalausfälle. Zudem sitzen sie auch gerade an Luigi’s Mansion 2. Und dieses grundsätzliche Qualitäts-Bewusstsein spiegelt sich hier wider.

Batman lässt grüßen

Bereits in den ersten Tutorial-Minuten, in denen man mit Captain America (bürgerlicher Name: Steve Rogers) durch Schützengräben läuft und deutsche Nazi-Soldaten nach Strich und Faden verprügelt, weht ein Hauch Batman Arkham Asylum durch die Kulisse: Die Kampfanimationen sind flüssig, Cap springt behände von einem zum nächsten Gegner  und verteilt Hiebe; man kann blocken, ausweichen sowie Konter setzen – und natürlich seinen Schild wie einen Batarang den Widersachern entgegen schleudern. Sprich: Next Level hat sich genau angeschaut, was die Kollegen von Rocksteady mit dem Beschützer Gothams angestellt haben. Im Gegensatz zu Thor, der sich auch an einem großen Vorbild orientiert, aber kläglich scheitert, geht das Konzept hier auf.

Die Kämpfe sind dynamisch, aber auf Dauer abwechslungsarm. Es gibt z.B. nur etwa ein halbes Dutzend Standard-Gegner.
Die Kämpfe sind dynamisch, aber auf Dauer abwechslungsarm. Es gibt z.B. nur etwa ein halbes Dutzend Standard-Gegner.
Sicher: Auf lange Sicht könnte das Gegnerspektrum abwechslungsreicher sein als das gute halbe Dutzend Angreifer in zwei Kategorien (leicht/fortgeschritten), das mit einer weiteren Hand voll Bosse ergänzt wird.

Doch da sämtliche Kampfaktionen gut von der Hand gehen, wird man hier beinahe so gut unterhalten wie bei den Auseinandersetzungen Batmans mit Jokers Schergen – wobei der dunkle Ritter sowohl technisch als auch mechanisch mindestens eine Klasse vor Captain America liegt.

Next Level baut dabei auf die Trioviz-Middleware von Darkworks (Cold Fear) und zimmert damit einige interessante und architektonisch stimmige Abschnitte zusammen. Allerdings hat man auf beiden HD-Systemen mitunter starke Probleme, eine beständige Bildrate auf den Schirm zu bringen. Dass man im Gegenzug die Möglichkeit hat, sich mit Cap in komplettem 3D durch die Botanik zu prügeln, ist dabei nur ein schwacher Trost – denn auch die dritte Dimension hätte ruckelfrei noch besser ausgesehen.

Runde Mischung

Nicht nur im Hinblick auf die Kampfchoreografie hat man sich an Batman orientiert. Auch das Erfahrungssystem, bei dem man für erledigte Gegner Punkte bekommt (mit stilvollen Attacken wie Kontern, aufladbaren Superschlägen etc.) und auch durch das Finden von Objekten sein Konto auf die nächste Stufe hieven kann, erinnert an Arkham Asylum. Zwar hat man hier weniger Möglichkeiten, seine Figur aufzuwerten, doch effektiv sind die neuen Angriffe allemal. So etwa, wenn man seinen Schild abwirft und er wie eine Flipperkugel von einem zum nächsten Schergen springt und sie bewusstlos auf dem Boden zurücklässt. Auch das Rammen des Schildes in den Boden samt effektiver Druckwelle, die alle um einen herum zurück und im besten Fall zu Boden wirft, macht einiges her.

Der Schild dient nicht nur der Verteidigung, sondern kann auch zum Angriff eingesetzt werden.
Der Schild dient nicht nur der Verteidigung, sondern kann auch zum Angriff eingesetzt werden.
Haufenweise optionale Nebenaufgaben, die sich meist um Zerstörung drehen (z.B. Statuen, Flak-Geschütze), sowie viel zu leichte Schalterrätsel in Form von Enigma-Maschinen, die den Code zum Öffnen bestimmter Türen offenbaren, runden den unterhaltsamen Superhelden-Alltag ab. Den kann man sich übrigens auch durch einen ganzen Haufen freispielbaren Materials zusätzlich versüßen. So warten z.B. Design-Studien oder Filmmaterial, das einen stilecht als 8mm-Streifen über besondere Soldaten im Dienste von Hydra oder des Hauptantagonisten Red Skull informiert.

Eine Frage der Herausforderung

Parallel zur 18 Kapitel langen Kampagne (was in Zeit umgerechnet etwa neun bis zwölf Stunden bedeutet) kann man sich auch an separat freispielbaren Herausforderungen versuchen. Diese drehen sich meist um das Erledigen von X Gegnern in einem bestimmten Zeitraum oder das Bewältigen von Sprungpassagen (ebenfalls in einem bestimmten Zeitraum.

Doch auch hier wartet neben der Standardkost eine kleine Überraschung: In einer Herausforderung muss man in einem Labyrinth Relikte einsammeln, während man von den Schergen des Bösen gejagt wird. Allerdings kann man sich bei dieser Aufgabe nicht aktiv verteidigen, sondern nur weglaufen. Es sei dann, man schnappt sich das einzige Power-Up, das einen nicht nur schneller laufen, sondern auch Angriffe durchführen lässt. Klar: Ein kleiner gelber Pillenfresser stand hier deutlich Pate, dennoch ist diese Variante eine unerwartete Abweichung der üblichen Mechanismen -  schade, dass es nicht mehr davon gibt.

Überhaupt hätte trotz aller Nebenaufgaben mehr Abwechslung sowohl abseits als auch innerhalb der Kämpfe nicht geschadet. Denn das Aufsammeln der Hydra-Akten ist nur ein not- und zeitaufwändiges Übel, dessen Zweck (Erfahrungspunkte sammeln) komplett überstrapaziert wird. Dabei zeigt Next Level selbst, wie einfach es manchmal sein kann: Eine Aufgabe besteht darin, eine Radarschüssel zu sprengen, bevor sie sich auf das Flugzeug ausrichten kann, das Truppennachschub liefert. Alles läuft nach Plan, das Zeitlimit scheint mit seinen fünf Minuten großzügig ausgelegt - wenn nicht ausgerechnet jetzt ein Boss auftauchen würde und einen davon abhält, sich vornehm zurückzuziehen, bevor alles in die Luft geht. Und auf einmal bekommen die banalen Kämpfe gegen die Allerwelts-Schergen sowie die Auseinandersetzung mit ihrem Oberkommandierenden eine zusätzliche Note. Simpel, aber enorm effektiv.

Stereotype Geschichte

Die Akrobatik-Einlagen sind ansehnlich, aber zu eintönig und wenig fordernd.
Die Akrobatik-Einlagen sind ansehnlich, aber zu eintönig und wenig fordernd.
Dass ich bis hierhin kaum ein Wort über die Geschichte verloren habe, liegt daran, dass sie zum einen keine nennenswerten Überraschungen zu bieten hat, zum anderen comictypisch plakativ ist: Cap kämpft in einer deutschen Alpenkleinstadt samt Schloss gegen die Schergen des Dritten Reiches unter der Führung von Red Skull, der die Herrenrasse zur Macht führen will. Punkt.

Immerhin schmeißt Next Level noch ein paar Figuren wie Arnim Zola, Baron Zemo, Madame Hydra und Baron Strucker hinzu, die Captain America- Fans aus den Comics kennen. Auch über einige Mitglieder der "Invaders", quasi den zweitweltkrieglichen Vorläufern der Avengers, kann man sich freuen. Das Abenteuer wurde übrigens ordentlich vertont, wobei die Qualität der Akustik nicht bei der dynamischen Musik sowie den passablen Kampfgeräuschen oder mächtigen Explosionen endet. Die deutsche Lokalisierung ist bis auf wenige Ausnahmen brauchbar bis gelungen. Sie reicht aber nicht an das englische Original heran, in der nicht nur die bösen Nazi- (pardon: Hydra-) Schergen Englisch mit starkem deutschen Akzent sprechen (herrlich!), sondern darüber hinaus auch Captain America-Darsteller Chris Evans ins Studio gezerrt wurde, um dem virtuellen Superhelden seine Stimme zu leihen.

Fazit

Angesichts der letzten Superhelden-Auftritte Segas, allen voran die grenzwertig peinliche Götterhämmerung Thor, muss man Captain America zugestehen, dass die Rehabilitation geglückt ist. Zwar ist der Supersoldat hinsichtlich Mechanik, Unterhaltungswert und vor allem Technik noch ein gutes Stück von der Klasse eines Batman Arkham Asylum entfernt, an dem er sich in vielerlei Hinsicht orientiert. Aber als Filmumsetzung bzw. Spin-Off ist die mitunter ansehnlich animierte Akrobatik-Action mehr als brauchbar. Es hätte sogar noch unterhaltsamer werden können, wenn Next Level Games mehr Variationen der Mechaniken wie in den Herausforderungen oder in den leider zu seltenen Momenten der Kampagne eingebaut hätte. Doch scheinbar hat man nicht in die eigenen kreativen Fähigkeiten vertraut und stattdessen eine weitgehend tumbe Gegenstands-Jagd integriert, bei der vor allem die vollkommen planlos verstreuten Hydra-Akten ein notwendiges Übel zur Figurenaufwertung darstellen, ohne einen weiteren Zweck zu erfüllen. Man wird zwar über die gesamte Länge der etwa neun bis zwölf Stunden langen Kampagne akzeptabel unterhalten, dennoch wird Captain America schnell in Vergessenheit geraten. Das Konzept funktioniert zweifellos auch ohne die Lizenz im Rücken - was bei "Filmspielen" immer ein gutes Zeichen ist. Doch letztlich gibt es zu wenige erinnerungswürdige Momente.

Pro

unkomplizierte Superhelden-Prügel-Action
schicke Animationen...
eingängige Steuerung
halbwegs offen zugängige Gebiete...
ansehnliche Plattform-Akrobatik...
gelungene Bosskämpfe

Kontra

wenig Gegner-Variation
... die allerdings zahlreicher hätten ausfallen können
technisch mit einigen Problemen (vor allem Bildrate)
... die lineare Struktur erstickt jeglichen Entdecker-Drang
... die aber zu mechanisch abläuft und wenig fordert
Hydra-Akten sammeln wird zur nötigen Qual

Wertung

360

Captain America bietet passable Action im Arkham Asylum-Stil, bleibt aber spielerisch und vor allem technisch im Durchschnitts-Morast hängen.

PlayStation3

Captain America orientiert sich spielerisch an Batman Arkham Asylum, erreicht aber weder inhaltlich noch technisch dessen Klasse.

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