X-Men: Destiny05.10.2011, Mathias Oertel
X-Men: Destiny

Im Test:

Bislang konnte man in den Action-Rollenspielen aus dem bekannten Comic-Universum mit Wolverine, Cyclops, Emma Frost & Co. aktiv in den Kampf ziehen. Das ist vorbei: In X-Men Destiny nimmt man als Mutanten-Frischling das Schicksal in die Hand und macht die eingesessenen Helden zu mitlaufenden Komparsen. Das Konzept ist nicht einmal schlecht, doch irgendwo auf dem Weg hat Silicon Knights das Wesentliche aus den Augen verloren...

Die Zeit nach X

Es sind schwere Zeiten für Mutanten angebrochen: Professor X ist tot, die X-Men um ihren neuen Anführer Cyclops und die Bruderschaft rund um Magneto liegen nach wie vor in einem erbitterten Zwist. Die Lage eskaliert, als es bei Feierlichkeiten in San Francisco zu Ehren des neuen Friedens zwischen Mutanten und "normalen" Menschen zu Auseinandersetzungen kommt. Die halbe Stadt wird durch einen Angriff in Schutt und Asche gelegt, die Mutanten auf beiden Seiten dafür verantwortlich gemacht. Das wiederum spielt den "Purifiern" in die Hände, einer Organisation, die es sich zum Ziel gemacht hat, alle "Muties" auszurotten. Zu allem Überfluss machen sich genau zu diesem Zeitpunkt bei drei jungen Menschen in der Bevölkerung mutierte Kräfte bemerkbar. Es ist Zeit, seinem Schicksal gegenüber zu treten.

Wahlweise in der Rolle des College-Footballers Grant Alexander, der jungen Japanerin Aimi Yoshida oder Adrian Luca, dem Sohn eines Purifiers (alle drei sind der Klischee-Schublade entsprungen), macht man sich auf den Weg, sowohl seine neu entdeckten Kräfte zu meistern als auch das Rätsel um den mysteriösen Angriff zu entwirren.

Unausweichliches Schicksal

Man kämpft Seite an Seite mit X-Men und Bruderschaft.
Man kämpft Seite an Seite mit X-Men und Bruderschaft.
Das klingt doch gar nicht so schlecht. Doch wie so vieles  in X-Men Destiny (XMD) bleibt es an der Oberfläche. Denn obwohl die unterschiedlichen soziologischen Hintergründe Stoff für interessante und vor allem verschiedene erzählerische Ansatzpunkte bieten, läuft die Geschichte bei allen nahezu identisch ab. Hier und da gibt es zwar leichte Änderungen innerhalb der passabel geschriebenen Dialoge, doch ein unterschiedliches Spielerlebnis findet sich nicht. Was auch daran liegt, dass alle drei Helden auf die gleiche Entwicklung mit anfänglich drei unterschiedlichen Superkräften zurückgreifen. Je nach Entscheidung öffnet sich danach ein anderer Baum, bei dem man sich wiederum durch Entscheidungen an Schlüsselstellen neue Kräfte aneignet.

Überhaupt räumt man Entscheidungen einen hohen Stellenwert ein: Innerhalb des gut zehn Stunden dauernden Abenteuers trifft man auf Mitglieder sowohl der X-Men als auch der Bruderschaft, kämpft an ihrer Seite, dann mal gegen sie, gewinnt Sympathiepunkte und kann sich schließlich einer Fraktion anschließen. Das ändert allerdings am Spiel- oder Storyverlauf ebenso wenig wie am Unterhaltungswert. Die vermeintlichen Entscheidungen bleiben vollkommen oberflächlich und unter dem Strich ist es für den Ausgang der Geschichte vollkommen egal, wie man sich wann entscheidet. Hinsichtlich des Wiederspielwertes sind die sich mitunter ausschließenden Auswahlmöglichkeiten zwar interessant, doch das ist der falsche Fokus.

Kampfmaschine

Man kann seine Figur mit potenten Spezialfähigkeiten aufwerten.
Man kann seine Figur mit potenten Spezialfähigkeiten aufwerten.
Es gibt zwar drei grundlegende Fähigkeiten von Nah- bis Distanzkampf, für die man sich anfänglich entscheiden kann, doch auf grundsätzliche Unterschiede braucht man nicht hoffen: Letztlich ist bis auf wenige Ausnahmen Knopfhämmern angesagt, das mit einem gezielten Einsatz einer Sonderfähigkeit ergänzt wird. Begünstigt wird das simple Prinzip durch eine vollkommen marode KI innerhalb der Klontruppen, die einem das Leben schwer machen wollen: Mehr als einen stupiden Frontalangriff bringen die Purifier selten zustande. Gleiches gilt übrigens auch für die bekannten Helden, die sporadisch mit einem unterwegs sind. Anstatt vielleicht den stärksten Gegner anzugreifen, suchen die sich meist den nächstbesten. Da der Anforderungsgrad aber ohnehin auf "Durchkommen" getrimmt wurde, muss man sich nicht einmal auf X-Treme übermäßig anstrengen, um zum Ziel zu kommen. Die Ausnahme bilden die Bosskämpfe, die klassisch in mehreren Phasen ablaufen und bei denen man die Angriffsmuster erkennen sowie kontern muss.

Mutanten-Mix

Abseits der ausgewogenen Kräfte, die man sich aneignen kann, hat man die Möglichkeit, seinen Superhelden über so genannte X-Gene modifizieren. Diese sind überall auf den Schlachtfeldern sowie in besonderen Herausforderungen versteckt und fallen in drei Kategorien: Offensiv, Defensiv und Hilfsgene. Durch das Anlegen dieser Gene wird nicht nur die Farbe des Angriffs beeinflusst, sondern auch die Auswirkungen. So kann z.B. der letzte Schlag einer Attacke die Gegner kurzzeitig zurückwerfen oder lähmen. Oder man legt ein Gen an, das einen mit Kristallhaut versieht und einen Prozentsatz des erlittenen Schadens reflektiert. Über diese Variationsmöglichkeiten kann man seine Figur unkompliziert an die eigene Spielweise anpassen - ist dabei aber auf Glück angewiesen, da oft zufällig ausgewürfelt wird, welches Gen man jetzt bekommt. Das ist vor allem hinsichtlich des so genannten X-Modus problematisch: Denn dieses Zeitfenster, in dem man wahrlich mächtige Angriffe vom Stapel lassen kann, öffnet sich nur, wenn man alle drei Gen-Typen eines Superhelden sowie den dazu passenden Anzug anlegt, der ebenfalls erst einmal gefunden werden muss.

Unausgegorenes Design

Die Kulisse ist nicht zeitgemäß - was nicht nur den einfallslosen Gegnerklonen zuzuschreiben ist...
Die Kulisse ist unzeitgemäß - was nicht nur den einfallslosen Gegnerklonen zuzuschreiben ist...
Auf dem Papier macht Silicon Knights gar nicht so viel falsch. Im Endeffekt fehlt zwar allerorten der letzte Feinschliff, doch sowohl die Mechanik als auch die überschaubare Charakterentwicklung zeigen Potenzial. Doch das wird angesichts eines vollkommen banalen Missionsdesigns sowie einer maximal durchschnittlichen Technik den Purifiern zum Fraß vorgeworfen. Mehr als ein "Gehe dahin und mache Purifier platt" gibt es nur selten. Und selbst dann werden Elemente wie Maschinen, die einem Energie entziehen, so dass man keine Spezialfähigkeiten anwenden kann, so häufig wiederholt, dass der Reiz der Abwechslung schnellstens entsorgt wird.

Und hatte Silicon Knights bei Too Human wenigstens noch Unreal-Technologie im Einsatz, die halbwegs ansehnliche Ergebnisse lieferte (auch wenn man sie nicht komplett im Griff hatte), bleibt die visuelle Umsetzung hier ebenso blass und unausgegoren wie viele andere Spielelemente. Die Gegner bestehen aus uninteressanten Klonarmeen, deren Animations-Repertoire höchst überschaubar und häufig unsauber ist. Die Bewegungen der Helden wurden zwar besser in Szene gesetzt, erreichen aber auch nur maximal veraltete Durchschnittswerte - gleiches gilt für die Effekte, die zu selten gängige Standards erreichen. Positiv festzuhalten ist jedoch, dass sich das Design mit seinen knallbunten Farben und retroangehauchten Kostümen stark an den Comics orientiert. Zu schade, dass der Rest der Technik nicht mithalten kann.

Fazit

Nach Too Human wagt sich Silicon Knights erneut an ein Action-Rollenspiel - und wie seinerzeit bei der nordischen Göttersage hinkt das Ergebnis den Ambitionen hinterher. Zwar kann X-Men Destiny mit einem interessanten Storyansatz sowie Entscheidungen punkten, doch das Drumherum kann es nicht mit den "alten" Action-Rollenspielen rund um die Superhelden-Mutanten bis hin zu Marvel Ultimate Alliance 2 aufnehmen. Das Dialogsystem ist spröde, die Auswirkungen der Entscheidungen sind oberflächlich und das Missionsdesign ist bis auf wenige Ausnahmen zu eintönig. Das runde, aber ebenfalls oberflächliche Kampfsystem sowie die durchaus gelungene Figurenentwicklung versuchen zu retten, was zu retten ist. Doch nicht einmal die Auftritte von Wolverine, Cyclops oder Magneto können dem konzeptionell interessanten Superhelden-Abenteuer Esprit verleihen. Keine Frage: Als Comic-Fan wird man für gut zehn Stunden unterhalten, freut sich trotz der schwachen KI über die Zusammentreffen mit Wolverine & Co. und kommt bei einigen Bosskämpfen auch mal ins Schwitzen. Doch unter dem Strich tut Silicon Knights den Marvel-Stars keinen Gefallen und startet mit der Demontage des guten Rufes, der die X-Men-Spiele bislang aus der Masse hob.

Pro

nette Bosskämpfe
Entscheidungen...
drei spielbare Figuren...
versteckte Herausforderungen
passable Fähigkeitenauswahl
Kameo-Auftritte der anderen X-Men
gute deutsche Untertitel
eingängiges Kampfsystem

Kontra

kaum Gegnervariation
... die sich aber kaum auswirken
... die sich nur wenige unterscheiden
Kampf selten fordernd
veraltete Technik
eintönige Missionsstruktur
größtenteils marode KI

Wertung

360

Die "alten" X-Men Action-Rollenspiele waren ein Garant für gute Unterhaltung. Davon ist in diesem oberflächlichen Abenteuer nicht mehr viel übrig.

PlayStation3

Es stecken einige interessante Ideen im neuen X-Men Action-Rollenspiel. Die Umsetzung bleibt jedoch in jeder Hinsicht oberflächlich...

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