Saints Row: The Third17.11.2011, Mathias Oertel
Saints Row: The Third

Im Test:

Denkt man an Open World- bzw. die so genannten Sandbox-Titel, fällt den meisten spontan wohl irgendein Spiel von Rockstar Games ein. Dabei vergisst man gerne, dass Volition mit Saints Row bereits 2006 das erste HD-Spiel dieses von GTA geprägten Genres veröffentlichte. Mit dem mittlerweile dritten Teil möchte man den Niko Bellics, Ezio Auditores und John Marstons den Platz an der Sonne streitig machen.

Neue Stadt, neues Glück?

Die Third Row Saints, die vor gut fünf Jahren mit ihrem Aufstieg einer Hinterhofgang zur führenden Bande Stilwaters das erste Mal eine Visitenkarte in der Videospielewelt hinterließen, sind zu Beginn von Saints Row The Third (SR3) auf dem Zenit angekommen: Sie werden wie Popstars gefeiert, sie besitzen Klamottenläden, es ist ein Film von, über und mit ihnen in Planung und mit einem weiteren Standbein im Bereich Energy Drinks müssten sie sich eigentlich nicht mehr mit krummen Dingern beschäftigen.

Doch ein Gangster kann nicht aus seiner Haut. Also macht man sich flugs auf, um eine Bank zu überfallen - inkl. eines Schauspielers im Schlepptau, der für seine nächste Rolle recherchieren will. Nach einigen wilden Schießereien (u.a. auf dem Tresor, der von einem Helikopter aus der Bank geschleppt wird!), werden die Saints mit ihrem Anführer (verkörpert vom Spieler) dingfest gemacht und hinter Gitter gesteckt - und das, obwohl sie die Polizei eigentlich in der Tasche haben. Das Geheimnis: Die Saints haben eine Bank des Syndikats überfallen, eine multinationale kriminelle Organisation, die eigentlich aus Steelport heraus operiert, nun aber alle Trümpfe in der Hand zu halten scheint, um die Saints in Stilwater zu schlagen.

Doch die vornehmlich in lila Klamotten gekleideten Gangster denken gar nicht daran, auf das lächerliche Angebot des Syndikats einzugehen. Was folgt, ist ein Kampf an Bord eines Großraumflugzeugs, der in einem spektakulären Finale gipfelt, bei dem man sich fragt, wieso Drehbuchautoren in Hollywood (oder Hong Kong) noch nicht auf diese Idee gekommen sind. Wie dem auch sei - die Saints sind in Steelport gestrandet und schwören Rache.

Mein Held, dein Held, unser Held

Mit diesen ersten gut 20 bis 25 Minuten vollkommen überzogener Action, die mit haarsträubenden Stunts und coolen Dialogen aufgefüllt wird, setzt Volition den Grundton für dieses Gangster-Abenteuer in einer offenen Welt.

Unterbrochen wird die Einstiegsphase nur von der Charaktergenerierung im ausschweifenden Editor. Hier hat man nicht nur die Möglichkeit, das Aussehen oder die Kleidung anzupassen, sondern kann auch aus verschiedenen Stimmen (drei männlich, drei weiblich, ein Mal herrlich brabbelnder Zombie!) wählen, die jeweils im Verlauf der Kampagne zu leicht anderen Dialogen führen und somit die unterschiedlichen Attitüden verdeutlichen, mit denen man den Saints-Anführer ausstatten kann.

Meldet man sich auf der offiziellen Seite an und verknüpft sein Account (gleichgültig auf welchem System man spielt) mit dem dort verfügbaren Exchange-Service, kann man sogar Figuren-Kreationen der Community herunterladen und als Anführer der Saints in Steelport herumlaufen lassen. Das ist eine gute Idee. Noch besser wäre es allerdings gewesen, wenn man die Möglichkeit gehabt hätte, die auf Dauer sehr eintönigen Zivilisten, für die es nur etwa eine Hand voll Gesichter zu geben scheint (von denen zwei auch noch unnötig alt, aufgedunsen und teigig aussehen) durch Community-Inhalte austauschen zu können.

Viel zu tun

Steelport ist prall gefüllt mit coolen Dialogen und herrlich überzogener Action.
Steelport ist prall gefüllt mit coolen Dialogen und herrlich überzogener Action.
Doch angesichts des prall gefüllten Ideenkoffers, aus dem sich Volition hinsichtlich der knapp 50 Hauptmissionen sowie weiterer über 50 Nebenmissionen (Hitman-Aufträge und Auto-Diebstähle nicht mitgerechnet) bedient, nehme ich die Klon-Zivilisten in Kauf.

Kein Thema ist zu heilig, keine Idee zu abstrus, solange sie nur in überzogener Action münden kann. Man geht z.B. in ein Etablissement des horizontalen Gewerbes, um aus der "Pony-Abteilung" einen Homie zu befreien, der mit einem Gagball versehen und nur leicht bekleidet ist, aber immerhin einen wunderschönen Ledersattel auf dem Rücken geschnallt hat. Als ob das nicht reicht, kann er sich nur über ein Kehlkopfmikrofon verständigen und hat einen sehr stark an GlaDOS erinnernden Sprachgesang. Und um dem jetzt noch die politisch inkorrekte Krone aufzusetzen, jagt man ihn an eine Rikscha geschnallt durch die Stadt, während man versucht, die Verfolger mit Waffengewalt abzuschütteln. Und dies ist noch eines der harmloseren Beispiele.

Im Laufe der gut 10 bis 15 Stunden, in der man die Kampagne bewältigen kann, legt man quasi die halbe Stadt in Schutt und Asche, versenkt einen Flugzeugträger, räumt als Toiletten- oder Sexpuppen-Avatar im Cyperspace auf, ist Teilnehmer an einem herrlich inszenierten Wrestling-Match und muss sogar einer Zombieplage Herr werden - die meisten  Hauptaufgaben und deren klimaktische Auflösung sind derart abgefahren, dass man es sehen muss, um zu glauben. Zwar zeigen die Saints bei der Inszenierung immer wieder Schwächen, so dass man insgesamt nur selten über B-Film-Niveau hinauskommt. Aber ähnlich wie Expendables macht SR3 überhaupt keinen Hehl aus seinem Vorhaben, einfach "nur" zu unterhalten. Und das gelingt ihm so gut und so explosiv wie kaum einem anderen Open World-Spiel.

A wie Action

Es wird nicht nur in den Straßen Steelports gekämpft.
Es wird nicht nur in den Straßen Steelports gekämpft.
Mit seinen Zitaten, Kameraperspektiven und Anspielungen auf einschlägige Action aus Spiel und Film von Karate Kid über Terminator bis hin zu Walking Dead oder Modern Warfare wirkt SR3 wie eine gewaltige Hommage an alles, was auch nur annähernd mit Action zu tun hat - egal aus welcher Epoche und gleichgültig ob auf B-Film-, Blockbuster- oder Serien-Niveau.

Eingeleitet werden die Missionen durch gute bis fantastische sowie sauber untertitelte Telefon-Dialoge oder Cutscenes (häufig auch in Kombination), bei denen ich mich immer wieder dabei ertappte, lauter zu lachen als eigentlich beabsichtigt. Dabei ist es nicht nur die Qualität der englischen Sprachausgabe, die von Anfang bis Ende nahezu perfekt besetzt wurde (u.a. mit Hulk Hogan als gescheiterter Wrestler Angel), sondern vor allem die inhaltliche Klasse. Mit Dialogen, die von der Absurdidität eines Tarantino-Drehbuches bis hin zur ernsten Leichtigkeit eines Martin Scorsese reichen, ist das Skript eigentlich filmreif und geizt auch nicht mit Überraschungen. Von Zeit zu Zeit kann man sogar Entscheidungen treffen, so etwa, ob man den Transporter mit Zombiegas ins eigene Hauptquartier karrt und von nun an zombiefizierte Saints zu Hilfe rufen kann oder ob man ihn vernichtet und damit einen permanenten Respekt-Zuwachs bekommt.

Doch bis auf die allerletzte Mission, die je nach Entscheidung zu gewaltig unterschiedlichen Enden führt, kann man sie nicht wiederholen, um die "andere" Auswirkung kennenzulernen, sondern muss eine neue Kampagne starten.

Respekt, Geld und Spaß

Doch auch abseits der Geschichte gibt es wieder haufenweise Aktivitäten, die man erledigen kann. Dass viele davon wie Snatch (Prostituierte abwerben und in den eigenen Stall bringen), Mayhem (richte so viel Schaden an wie möglich) oder Versicherungsbetrug (man muss sich in Autounfälle verwickeln lassen und dabei maximalen Schaden nehmen), stört mich nicht. Denn bei denen, die es von Stilwater nach Steelport geschafft haben handelt es sich um die interessanten Varianten. Außerdem gibt es auch einige neue Gelegenheiten, Geld und Respekt zu verdienen, von denen vor allem die Eskorte  und Dr. Genkis S.E.R.C. (steht für Super Ethical Reality Climax) im Gedächtnis bleiben. Bei Ersterem sitzt man à la Hangover mit einem Tiger im Auto und muss versuchen, das Tier durch seine Fahrweise zu besänftigen - was nicht so einfach ist, da das Schmusekätzchen auch gerne mal mit der Tatze ausholt und man kurzzeitig die Kontrolle über das Fahrzeug verliert.

Und Letzteres ist die Steelport-Variante einer extremen Gameshow, in der man als Teilnehmer unter Zeitdruck über einen mit Fallen versehenen Parcours hetzt und verschiedene als Maskottchen verkleidete Gegner in die ewigen Jagdgründe schickt.

Die Prof. Genki-Inhalte, die international nur als Pre-Order-Bonus verfügbar sind, gehören in der deutschen Version zur Anfangs-Ausrüstung.
Die Prof. Genki-Inhalte, die international nur als Pre-Order-Bonus verfügbar sind, gehören in der deutschen Version zur Anfangs-Ausrüstung.
Im Gegensatz zu den bisherigen Saints Rows hat Volition aber die Verknüpfung von Aktivitäten zum Fortschritt der Hauptstory entzerrt. Bei den bisherigen Ausflügen der lila gekleideten Gangster wurden die Aufgaben der Kampagne abhängig vom erwirtschafteten Respekt freigeschaltet - und den gab es mitunter nur über die Aktivitäten. Hier hingegen kann man bei Bedarf (oder Zeitmangel) weitgehend auf die Nebenaufgaben verzichten; der Erzählstrang kann weitergeführt werden, sobald alle dafür erforderlichen Hauptmissionen bewältigt wurden.

Das heißt jedoch nicht, dass sich die Aktivitäten nicht lohnen - ganz im Gegenteil: Für das dort (sowie durch  Immobilien) eingenommene Geld kann man sich haufenweise Verbesserungen kaufen. Für die Gang, für sich selbst oder für seine Waffen, von denen die meisten in vier Stufen aufrüstbar sind. So kann aus einer einfachen Schrotflinte ein Monster-Schießprügel werden, der Brandgeschosse durch die Gegend jagt. Der Clou: Viele Verbesserungen werden erst freigegeben, wenn ein bestimmter Respekt-Level erreicht wurde, so dass es sich letztlich doch wieder lohnt, zumindest ein paar der Zusatzaufgaben in Angriff zu nehmen - abgesehen davon, dass es bis auf ganz wenige Ausnahmen einfach nur Spaß macht, sich mit den nebensächlichen Aufgaben zu beschäftigen, die Langeweile nicht aufkommen lassen.

Die T-Frage

So fortschrittlich sich Volition hinsichtlich der Inhalte und dem Spaßfaktor zeigt, so bieder präsentiert sich unter dem Strich die Technik - wieder einmal. Allerdings muss man hier zwischen PC und den Konsolen unterscheiden. Der Rechenknecht hat (ein potentes Innenleben vorausgesetzt) die ansehnlichsten Texturen und auch nur in Ausnahmesituationen mit Bildrateneinbrüchen zu kämpfen, wobei man stets das Gefühl hat, dass die Engine auf einem schmalen Grat wandert und jederzeit in den ruckelnden Bereich abdriften könnte. Die Konsolen sehen hinsichtlich der Texturen leicht schlechter aus, bieten aber die weitgehend identische hohe Sichtweite, kämpfen aber noch stärker mit einer stabilen Bildrate - und verlieren diesen Kampf regelmäßig. Auf der 360 kann man immerhin noch die V-Synchronisation einschalten, so dass man wählen kann, ob man annähernd ruckelfrei, aber mit Tearing oder eben mit sauberer Bildzeichnung, aber instabiler –Rate durch Steelport jagt.

Allen Versionen gemeinsam sind jedoch die anderen technischen Mankos, die den Unterschied zwischen den Saints Rows dieser Welt und diversen anderen Abenteuern in einer offenen Welt ausmachen. Denn ob man nun in den wilden Westen von John Marston zieht, sich die Stadt anschaut, in der Niko Bellic versucht, nach oben zu kommen, den Inselstaat

Technisch reißt Saints Row The Third keine Bäume aus.
Technisch reißt Saints Row The Third keine Bäume aus.
Panau zum Vergleich bereist oder diverse mittelalterliche Städte mit Ezio Auditore erforscht: Alle haben markante Eigenheiten, die sie auszeichnen und neben denen der Schauplatz in Saints Row 3 zu steril wirkt. Zwar bilden die farbig beleuchteten Hochhäuser der Innenstadt Steelports eine Ausnahme und sind vor allem nachts sehr ansehnlich, doch Vorstädte und andere Gebiete könnten auch Stilwater zuzurechnen sein.

Auch die zu häufig gleich aussehenden NPCs (wobei vor allem zwei aufgedunsene Teiggesichter so gar nicht passen wollen) sowie die Klonarmeen der Feinde (auch wenn sie ansatzweise gut erklärt werden) sind ein Störfaktor.

Es spricht jedoch für die inhaltliche Klasse und die Qualität aller visuellen Effekte, die mit Action zu tun haben, dass ich diese Punkte zwar bedauere, weil sich SR3 dadurch unter Wert verkauft, mir das aber unter dem Strich egal ist. Zu groß ist der Spaß, den man auf den Straßen Steelports erleben kann.

Hör mir zu

Großen Anteil daran hat die Akustik: Die Qualität der Hauptsprecher wurde schon erwähnt. Doch auch solche Kleinigkeiten wie die Reporterin Jane Valderamma, die stets süffisant und reißerisch das kommentiert, was man in der letzten Mission erlebt hat, sind absolut hörenswert.

Ganz zu schweigen von dem grandiosen Soundtrack, der mit seinen Radiostationen nicht nur ein breites Spektrum von Rap über Techno-Elemente bis Rock und die Hits der 80er/90er Jahre anbietet, sondern in entscheidenden Szenen wunderbar auf das Geschehen geschnitten wurde. Kanye Wests "Power" z.B. passt wie die Faust aufs Auge, wenn man sich aus einem Helikopter stürzt um ein Penthouse als eigene "Crib" einzunehmen. Und wenn Bonnie Tyler zum Finale "I need a Hero" schmettert, kommt man gar nicht umhin, als mit einem breiten Grinsen im Gesicht den Turbo zu zünden und auf Rettungsmission durch Steelport zu düsen.

Glücklicherweise hat Volition im Vergleich zur Vorschauversion noch an der Motorenakustik gearbeitet. Die kann zwar reinrassigen Rasen wie Forza Motorsport oder Gran Turismo nicht das Wasser reichen, hat aber mittlerweile keine Probleme mehr, mit Titeln wie GTA 4 oder Just Cause 2 gleichzuziehen. Allerdings hat sich hier ein kleiner Fauxpas eingeschlichen: Wer genau hinhört und eine entsprechend lange Straße vor sich hat, wird feststellen können, dass die Wagen nahezu unendlich die Gänge hochschalten können. Das ist nicht gravierend, aber wirkt mitunter befremdlich.

Zu Lande, zu Wasser und in der Luft

Zusätzlich hat man auch an der Physik der Vehikel geschraubt. Mit dem Ergebnis, dass sich die zahlreichen Fahrzeuge zwar (natürlich) arcadig, aber höchst unterschiedlich steuern und man nie das Gefühl hat, die Kontrolle durch eigenes Verschulden zu verlieren.

Kein Spiel, in dem man einen eineinhalb Meter langen Dildo als Waffe benutzen darf, kann wirklich schlecht sein...
Kein Spiel, in dem man einen eineinhalb Meter langen Dildo als Waffe benutzen darf, kann wirklich schlecht sein...
Ein zweischneidiges Schwert ist jedoch das KI-System. Dass die eher auf Masse denn auf Taktik setzenden Gegner wie in einem klassischen Actionfilm der 80er Jahre eigentlich nur da sind, um über den Haufen geknallt, gefahren oder geprügelt zu werden, stört mich letztlich weniger. Ich bin in Steelport, um Chaos anzurichten – und je mehr Leichen meinen Weg pflastern, umso besser…  

Dass allerdings meine Kumpel zu häufig das Zeitliche segnen, weil sie keine Anstalten machen, sich aus dem Kugelhagel hinter eine schützende Mauer zu begeben, ist ärgerlich. Im Vergleich zur Vorschau-Version wirkt die KI zwar verbessert, aber optimal ist sie noch nicht - was sich auch in den Sequenzen zeigt, in denen man nur als Beifahrer oder beobachtender Schutzengel im Helikopter unterwegs ist. Hier sieht man allzu deutlich, dass die Routinen nicht reaktiv arbeiten, sondern nur darauf aus sind, ihre Minimalskripte zu erledigen. Und das bedeutet im Zweifelsfall, dass man auch mal eine vollkommen unnötige Schlangenlinie fährt oder keine Anstalten macht, auf einen zurauschenden Fahrzeugen auszuweichen. Glücklicherweise gibt es nicht sehr viele dieser Missionen, so dass der Spaß nur unwesentlich gemindert wird.

Das Schnitt-Problem?

In der deutschen USK-Version kann man keine Zivilisten als Geiseln nehmen. Doch im Vergleich zu den vorherigen Teilen halten sich die Schnitte dennoch in akzeptablen Grenzen.
In der deutschen USK-Version kann man keine Zivilisten als Geiseln nehmen. Doch im Vergleich zu den vorherigen Teilen halten sich die Schnitte dennoch in akzeptablen Grenzen.
Machen wir uns nix vor: Die bisherigen Saints Row-Teile waren nicht gerade Lieblinge der USK - vor allem Teil 2 wurde für die USK-Plakette "Ab 18" beinahe bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Die schlechte Nachricht: Auch Teil 3 wurde nicht ohne Schnitte mit der Plakette für den deutschen Markt freigegeben. Die gute: Ähnlich wie bei Red Faction Guerilla kann man bis auf eine Ausnahme mit den Schnitten leben. Doch was hat sich geändert? Zum einen ist der von der Kampagne unabhängige "Whorde Modus" weggefallen. Dahinter verbarg sich eine Variation der allseits bekannten Horde, wobei hier nicht nur die Gegner, sondern auch die Waffen, mit der man sie erledigen muss, vorgegeben sind. Da die Qualität dieses Modus jedoch nicht die des Vorbildes erreicht, kann ich es locker verschmerzen, dass man hierzulande darauf verzichten muss.

Des Weiteren kann man im Gegensatz zur internationalen Version keine Zivilisten als Geisel nehmen. Das ist zwar auf den ersten Blick schade, doch da man sich in den meisten Missionen haufenweise Feinden gegenübersieht, die man als menschlichen Schutzschild nutzen kann, ist diese kleine Einschränkung für den deutschen Markt ebenfalls nicht tragisch.

Dritte Änderung ist der Umgang mit Zivilisten im Allgemeinen: In der Original-Version kann man sie mit vorgehaltener Waffe ausrauben und die Ordnungshüter sind bei Vergehen gegen die Bevölkerung Steelports nachgiebiger. Überfährt man z.B. "aus Versehen" einen NPC, ist die Polizei international nicht sofort hinter einem her. Nicht so hierzulande: Ein Unfall mit involvierten Passanten und die Cops rufen die erste Stufe der Verfolgung aus. Gleiches gilt für Waffengewalt gegen Unschuldige. Diese Null-Toleranz-Politik ist etwas gewöhnungsbedürftig - vor allem, wenn die NPCs in einem Anflug geistiger Umnachtung vor die Karre laufen und auch nicht auf die Hupe reagieren. Doch unter dem Strich ist auch diese Änderung im Vergleich zu den anderen Versionen nicht gravierend.

Mia san mia

Wo die Saints marschieren hinterlassen sie eine Schneise der Zerstörung.
Wo die Saints marschieren, hinterlassen sie eine Schneise der Zerstörung.
Zumal alle anderen Auswirkungen von Gewalt weiterhin in aller Klarheit vorhanden sind. Ohne jetzt zu sehr in Storydetails gehen zu wollen, kann ich verraten, dass an entsprechenden Stellen nicht mit roten Pixeln gegeizt wird. Auch das Waffenarsenal (inkl. Haftminen etc.) ist komplett in der deutschen Version enthalten. Sprich: Man kann später mit der Kettensäge hantieren, mit dem eineinhalb Meter messenden purpurfarbenen Dildo auf seine Gegner einschlagen, mit dem "Sonic Boom" Zombies und Feinde in einer roten Pixel-Explosion aufgehen lassen oder mit der Apocafist die Gegner zermantschen.

In einem Punkt ist Volition aber sehr behäbig an die "deutsche" Version heran gegangen: Wo Firmen wie Valve bei Spielen wie Left 4 Dead darauf geachtet haben, dass auch die geschnittene USK-Variante mit den internationalen Versionen kompatibel war und dementsprechend Spieler aus Deutschland mit der weiten Welt gegen die angreifenden Zombie-Horden antreten durften, ist man hier lokal beschränkt. Deutsche können mit Deutschen spielen - sonst nix.  Da jedoch wie erwähnt, ein ausufernder Mehrspieler-Modus wie z.B. in GTA 4 fehlt und man nur kooperativ antreten kann (wobei der Partner jedoch mindestens so weit in der Kampagne sein muss wie man selbst), relativiert sich auch dieser Schnitt wieder, ist aber dennoch ärgerlich.

Fazit

Seine stärksten Momente hat Saints Row The Third, wenn es sich hemmungslos seiner vollkommen überzogenen Action hingibt und dabei einschlägige Filme, andere Actionspiele und nicht zuletzt sich selbst immer wieder zielsicher auf die Schippe nimmt. Die Inszenierung ist zwar manchmal etwas unsauber, doch die Dialoge mit ihren Texten irgendwo zwischen Scorsese und Tarantino machen das mehr als wett. Aber Steelport hat auch seine nicht so erfreulichen Seiten. Die finden sich technisch auf den Konsolen z.B. wahlweise in grenzwertiger Bildrate (PS3) oder der Wahl der Qual zwischen fehlendem V-Sync oder grenzwertiger Bildrate (360). Diese Luxus-Probleme hat man am PC zwar nicht, doch dafür zeigen sich dort die übergreifenden visuellen Probleme ebenso wie einige mechanische Mankos: Steelport ist zwar stimmig designt, entfacht aber nur selten die visuell markante Faszination, die von anderen Open World-Titeln ausgeht. Trotzdem wird man in Steelport von Anfang bis Ende verdammt gut, extrem explosiv sowie explizit unterhalten - und das sogar mit der deutschen Version. Deren Schnitte zerstören im Vergleich zu den anderen Teilen zwar nicht das Spielerlebnis. Sie beeinträchtigen es wie die nicht auf gezogene Waffen reagierenden Zivilisten aber mitunter und sind im Falle der mangelnden Online-Kompatibilität mit internationalen Versionen sogar ärgerlich. Dennoch: Selten hatte ich mit Open World-Action in den letzten Jahren so viel ungezügelten sowie politisch inkorrekten Spaß.

Pro

herrlich überzogene, politisch häufig inkorrekte Gang-Action
kooperativ spielbar...
cooles Drehbuch mit sehr guten, übertriebenen Dialogen
sehr gute Sprecherriege
fantastischer Lizenz-Soundtrack
saubere deutsche Texte
haufenweise Nebenmissionen
umfangreiche Personalisierung
deutsche Version angepasst, ohne den Spaß zu zerstören
passable Arcade-Fahrphysik
viel zu entdecken
enormes Waffenrepertoire

Kontra

technisch bieder
... aber keine Splitscreen-Möglichkeit
Steelport mit wenig markanten Momenten
online nicht mit internationalen Versionen kompatibel
KI-Schwächen
viele Nebenmissionen konzeptionell bekannt

Wertung

360

Herrlich überzogene Action, der man die technischen Schwächen angesichts der coolen Dialoge gern verzeiht.

PlayStation3

Die technisch biedere Kulisse wird angesichts der fulminant inszenierten Over-The-Top-Action zur Nebensache.

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