Madden NFL 1215.09.2011, Mathias Oertel
Madden NFL 12

Im Test:

Letztes Jahr legte die Madden-Serie in Deutschland eine Zwangspause ein: Der Titel wurde von EA nicht veröffentlicht und war nur als Import erhältlich. 2011 kehrt der Football-Altmeister wieder offiziell in die Händler-Regale zurück - immer noch ohne Konkurrenz und trotz der einjährigen Abstinenz mit der Befürchtung, dass hier vielleicht doch wieder mal nur ein Update zum Vollpreis schlummert.

Gehen sie weiter…

… es gibt hier nichts zu sehen - zumindest nichts Neues. Sehr häufig stehen alljährlich erscheinende Serien, allen voran Sportspiele, unter besonderer Beobachtung. Denn Jahr für Jahr müssen sie nicht nur beweisen, dass sie die aktuellsten Lizenzen besitzen, sondern dass sie auch abseits der teuer erkauften Inhalte mit weiteren Neuerungen punkten. Jedes Jahr kämpfen auch und insbesondere die American Footballer aus dem Hause Electronic Arts gegen das Update-Gespenst. Wobei Madden NFL 12 (ab 7,29€ bei kaufen) (M12) es dieses Jahr eigentlich leichter haben dürfte, da es der Vorgänger 2010 nicht offiziell in den deutschen Handel geschafft hat und nur per Import zu haben war. Zumal die Fußballer meist die Konkurrenz im Nacken spüren, während die Madden-Serie wie NHL alleiniger Platzhirsch auf weiter Flur ist. Die Zeiten, in denen sich die Teams von Visual Concepts auf Seiten von 2KSports sowie Tiburon auf EA-Seite heiße Schlachten um den Titel als bestes Football-Spiel lieferten und sich dabei gegenseitig zu Höchstleistungen anspornten, sind lange vorbei. Höhepunkt dieses Duells war das Jahr 2004, in dem NFL 2K5 mit dem Auslaufen der Lizenz  ein Spektakel ablieferte, das für viele bis heute als definierender Moment des virtuellen American Football gilt.

Doch seitdem hatten es American Football-Spiele schwer. Ohne Lizenz musste 2K Sports nach All-Pro Football 2K8 die Segel streichen. Midways NFL Blitz-Serie mit ihrem brachialen Arcade-Ansatz stellte sich mehr als nette Ergänzung denn als ernst zu nehmende Konkurrenz heraus. Und was Natural Motions Backbreaker mit der fantastischen Physikberechnung der Tacklings an Sympathien sammelte, verlor es auf der anderen Seite mit einem sehr eingeschränkten Spielzugsystem und der Präsentation. Die Madden-Serie war der Platzhirsch, ist der Platzhirsch und wird voraussichtlich noch lange Zeit der Platzhirsch sein. Und EA Tiburon muss nicht einmal laut röhren, um sein Revier zu verteidigen.

Alles drin - und noch mehr...

Dass man keine Konkurrenz fürchtet, lässt sich unter anderem daran festmachen, dass man hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Spielmodi keine Unterschiede zur Importversion des letzten Jahres ausmachen kann. Im Detail wurde allerdings überall geschraubt, wobei der Franchise-Modus die meisten Änderungen spendiert bekam. "Rollen", in die Spieler im Laufe einer Saison basierend auf ihren Leistungen hineinwachsen (quasi eine Variation eines Features aus der 08-Version) gehören ebenso dazu wie erweitertes Scouting und die Möglichkeit, Tiefe und Intensität des Franchise-Modus über breites Options-Spektrum auf die eigenen Bedürfnisse zuzuschneiden.  Sprich: Sowohl hier als auch mit den anderen Modi wie Be-A-Pro, der trotz Detailverbesserungen vor allem hinsichtlich des Trainings immer noch oberflächlich bleibt, gibt es genug Möglichkeiten für ausgedehnte Spielsessions.

Präsentation ist alles?

Da sich aber im Umfeld und Umfang nichts geändert hat, kommt dem Spiel auf dem Platz eine erhöhte Bedeutung zu. Denn irgendwo muss Tiburon doch angesetzt haben, um virtuellen Football zu verbessern.

Es wird um jedes Yard gekämpft.
Es wird um jedes Yard gekämpft.
Oberflächlich ist dies vor allem an der neuen Präsentation festzumachen: Authentische Einmärsche der Teams oder Kameras, die mitten im Getümmel postiert werden, sorgen zumeist erfolgreich dafür, dass man sich wie ein Teil des Teams fühlt. Hat man sich jedoch daran gewöhnt, merkt man schnell, dass es hier insgesamt wenig Variation gibt. Und wenn man schon ein Augenmerk auf eine möglichst nah am echten Produkt liegenden Darstellung legt: Wie wäre es dann mit einer stark optimierten Einspielung von Wiederholungen? Allzu häufig passiert es, dass sowohl in den gut gemeinten, aber letztlich unspektakulären Pauseneinspielern Banalitäten abgespult werden, anstatt die besten Tacklings des letzten Viertels einzuspielen oder eine Reihe gelungener Würfe oder Laufspiele zu zeigen.

Und sind die „wichtigen“ Spielzüge tatsächlich Bestandteil der Sofortwiederholung oder Einspieler, kann es immer wieder passieren, dass die Kamera einen unglücklichen Ausschnitt zeigt, anstatt die volle Detailpracht auszunutzen.

Dementsprechend wird das Ziel einer fernsehnahen Präsentation nicht immer erreicht. Auch die Kommentatoren haben Mühe, so etwas wie Atmosphäre zu generieren. Dass einige Kernaussagen sich relativ schnell wiederholen, ist ein Ärgernis, das man auch aus anderen Sportspielen kennt. Dass allerdings das Gesagte - obwohl es häufig sehr allgemein bleibt - auch Probleme hat, zum Geschehen auf dem Bildschirm zu passen, ist eher ungewöhnlich.

Taktisches Getümmel

Doch Präsentation hin, Kommentare her: Was zählt, ist auf dem Platz. Dort ist Madden dieses Jahr stärker als im Vorjahr, was vor allem zwei Faktoren zuzuschreiben ist: Einer aufgewerteten KI sowie einem neuen Tackling-System, das ähnlich wie bei den FIFA- und NHL-Kollegen auf Physik als Basis setzt. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Zwar erreicht man in dieser Hinsicht immer noch nicht die Intensität oder den Realismus, den Backbreaker auszeichnet, doch befindet man sich auf dem richtigen Weg: Das Aufeinanderprallen der Athleten führt zu authentisch wirkenden "Fallstudien", die Kollisionen führen immer wieder zu sehenswerten Ergebnissen.

Mit den neuen Einmärschen wird Stimmung erzeugt - allerdings nutzen sich die Intros schnell ab.
Mit den neuen Einmärschen wird Stimmung erzeugt - allerdings nutzen sich die Intros schnell ab.
Beim Ball hingegen zeigt die Physik auch gelegentliche Aussetzer, so etwa, wenn ein Ball merkwürdig von einem Rücken oder einer Schulter abprallt oder eine sicher geglaubte Interception beinahe wie beim Volleyball von der Hand wegpritscht. Diese Situationen stellen zwar die Ausnahme dar, machen aber deutlich, dass Tiburon die Physik noch nicht komplett im Griff hat.

Fortschritte hat man auch bei der KI gemacht: Sowohl im Angriff als auch in der Defensive gibt es keine "Allheilmittel" mehr, auch auf Audibles reagieren die CPU-Coaches meist angemessen. Zwar kann man bei längerem Spielen auch kleine Aussetzer feststellen, doch angesichts der bereits auf der Standardstufe wartenden Herausforderung, die auf All-Star keinerlei Fehler mehr verzeiht, ist man sogar über kleine Fehler bei den KI-Routinen dankbar, als dass sie einen aus dem Geschehen reißen. An der umfangreichen Spielzugauswahl, die wie letztes Jahr sowohl eine komfortable Schnellauswahl als auch eine detaillierte Ansicht ermöglicht, gibt es weiterhin wenig auszusetzen.

Fazit

Ist Madden NFL 12 das beste Spiel der Serie? Ja! Für mich ist es dank des Umfangs und der Möglichkeiten sogar das beste American Football seit Visual Concepts NFL 2K5. Allerdings kann EA trotz des "offiziellen" Nichterscheinens des Vorgängers nicht verhehlen, dass sich die Unterschiede zum letzten Jahr in Grenzen halten. Es gibt keine neuen Spielmodi, die vorhandenen wie der Franchise-Modus wurden aber mit sinnvollen Neuerungen und Ergänzungen verfeinert, die für noch mehr Tiefgang sorgen. Die großen Stärken dieses Jahres sind allerdings die stark verbesserte KI, die bereits auf Normal fordert wie selten zuvor und auf All-Star keine Fehler verzeiht sowie das runderneuerte Animations- und Tackling-System, das wie bei den Fußball- und Eishockey-Kollegen authentischere Kollisionen zeigt. Hier wird  zwar nicht die Dynamik der Backbreaker-Physik erreicht, doch es sorgt für einen spürbaren Fortschritt. Das Präsentationsumfeld zeigt sich ebenfalls verbessert, schafft es aber nicht für eine Dauerfaszination zu sorgen, was auch den beständig zwischen Licht und (leider mehr) Schatten herumhuschenden Kommentatoren zuzuschreiben ist. Es ist schade, dass Electronic Arts den American Football nahezu konkurrenzlos dominiert. Denn mit einem Verfolger im Nacken wäre EA Tiburon gefordert, mehr als diese zwar sinnvollen und gut umgesetzten, aber dennoch nur kleinen Fortschritte einzubauen. Dabei zeigt sich das Spielgefühl trotz allem stärker verbessert als z.B. bei NHL 12, so dass hier auch Importeure der Vorjahresversion ohne Gewissensbisse auf Touchdown-Jagd gehen können. Hinsichtlich der Mechanik, taktischer Tiefe sowie der Spieldynamik kann den Floridianern ohnehin kaum einer etwas vormachen - und das wird mit Madden NFL 12 eindrucksvoll untermauert.

Pro

gelungene Präsentation...
neues, überzeugendes Tackling-System
enorme Auswahl an Spielzügen
Sprecher überzeugen mit guten Analysen...
sowohl Spielzug-Vorauswahl als auch Detaileinstellung möglich
fordernde KI
erweiterter Franchise-Modus
haufenweise Spielmodi
umfangreiche Statistiken

Kontra

... an der man sich aber bald satt gesehen hat
Wiederholungen häufig unsauber bzw. unpassend
Ballphysik manchmal unglaubwürdig
... nerven aber bald mit Wiederholungen und liegen häufig daneben
keine neuen Spielmodi

Wertung

360

Dank guter KI und überarbeiteten Animationen und Tacklings kann sich EAs American Football dieses Jahr vom Import-Vorgänger absetzen.

PlayStation3

Dass Madden NFL 12 besser als der nur per Import erhältliche Vorgänger abschneidet, ist vor allem der fordernden KI sowie dem neuen Tackling-System zuzuschreiben.

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