Im Test:
Slomkas 10-Sekunden-Regel
Falls dieser Test noch Fragen offen lässt: In unserem großen Fußballvergleich geht es in den vier Bereichen Präsentation, Umfang, Spielmechanik und Figurenverhalten inkl. Videos ans Eingemachte - von der Stadienzahl bis zur Flanke! Ich erobere den Ball in der eigenen Hälfte, schaue kurz nach vorne, passe einmal, dann nochmal und schon jagt mein offensiver Mittelfeldspieler mit Ball gen Strafraum, begleitet von zwei Flügelflitzern und einem Stürmer im Vollsprint, die auch noch die Wege kreuzen. Um es anders zu formulieren: Ich fahre in null Komma nichts einen Konter dank druckvoller Kurzpässe, habe dann enorme Auswahl in der Vorwärtsbewegung, weil die Offensiv-KI mitdenkt und kann gleich mit einem Tor abschließen – das muss in etwa das sein, was Slomka mit seiner 10-Sekunden-Regel für Konter bei Hannover 96 eingeführt hat. Und zwar so schnell, dass sie selbst nicht bemerkten, dass sie international spielen.
Aber Schlaudraff und Ya Konan haben die Überzahl in der Realität besser ausgenutzt. Leider lasse ich mir mit Manchester City angesichts all der Möglichkeiten zu viel Zeit und versuche es auch noch besonders toll zu machen: Mit der neuen „Teammate Control“ wechsel ich über einen Druck des rechten Analogsticks zum Stürmer ohne Ball und bewege Aguero frei in die Schnittstelle der beiden Innenverteidiger, während ich den Ballführenden Silva weiter mit dem linken Stick abbremse. Zu viel Arbeit für beide Gehirnhälften? Dabei übersehe ich jedenfalls, dass einer der Bayern-Verteidiger bereits ins Tackling geht und mir den Ball stibitzt, während ich noch mit dem Mann ohne Ball hantiere – Mist aber auch! Jetzt muss ich aufpassen, dass die Gegner-KI nicht selbst einen Konter fährt. Kroos treibt den Ball schon nach vorne…
Rasante Offensive, taktische Defensive
Gut, dass ich die „Teammate Control“ von manuell auf unterstützt stellen kann, denn das gleichzeitige Steuern von zwei Spielern ist angesichts des Tempos von PES nur selten von Erfolg gekrönt. Mit der alternativen Methode reicht ein Klick auf den Stick aus, um den entsprechenden Spieler nach vorne sprinten zu lassen – das ist einfacher und effizienter, zumal man das im Gegensatz zu FIFA nicht nur mit dem nächsten, sondern mit jedem Spieler machen kann. Allerdings läuft auch das nicht immer präzise, denn bei der Auswahl des passenden Stürmers kann es schon mal Missverständnisse geben. Unterm Strich ist diese Steuerung eine Bereicherung, wenn sie funktioniert, aber sie ist noch nicht intuitiv genug umgesetzt.
Wieder dabei: Trainingsübungen inkl. Rangliste und Pokalvergabe. |
Auch in der Defensive habe ich neue Möglichkeiten: Ich kann wie gehabt einen zweiten Verteidiger zum Pressing auf den Gegner schicken, muss den Kontakt aber besser dosieren, sonst wird das plumpe Anrennen als Foul gepfiffen – sehr schön. Genauso wie die neuen Balanceprobleme, die beim Vollkontakt entstehen und neben einigen emotionalen und kleinen Zusätzen die Präsentation beleben: Da regen sich Spieler noch während des laufenden Matches über eine vergebene Chance auf, da wird sich angebrüllt oder einfach nur der Ball am Trikot abgewischt.
Sehr elegant ist auch das Abschirmen in der Defensive: Ähnlich wie in FIFA kann man den Ballführenden in der Rückwärtsbewegung begleiten, dabei den Raum decken und im richtigen Moment ins Tackling gehen, um den Ball fair zu erobern. Das funktioniert sehr gut und nach etwas Übung flüssiger als bei der Konkurrenz. Außerdem kann man mit dieser Taktik sowohl Distanzschüsse effektiv blocken als auch Dribbler nach hinten tänzelnd aufhalten.
Wenn der Ball am Fuß klebt
Die Nationalspieler sehen ihren Vorbildern sehr ähnlich. |
Das Spiel nach vorne profitiert allerdings auch von den brandgefährlichen Flanken: Erstens kann man sich den Ball wunderbar vorlegen, um Tempo im Sprint zu machen. Zweitens jagen die Bälle von der Seite wirklich scharf in den Strafraum – egal ob flach, auf den kurzen oder langen Pfosten. In diesen Situationen kann man ein Tor fast riechen, weil die Torhüter die Bälle abprallen lassen, beim Herauslaufen nicht erreichen oder weil die Verteidiger an ihnen vorbei ins Leere köpfen. Hier baut PES unheimlich viel Spannung auf, weil es unberechenbare Szenen gibt.
Hinzu kommen klasse Zweikämpfe nach einem Pass in die Tiefe. Kommt es dann zum Laufduell zwischen abfangendem Verteidiger und Stürmer, kann es auf den letzten Metern bis zum Ball noch passieren, dass der hinten liegende Stürmer in letzter Sekunde noch vorbei zieht und das Leder erobert – das sind klasse Szenen, die ich in dieser Dynamik bisher in keinem Fußballspiel gesehen habe. Sehr schön ist auch, dass die Distanzschüsse nach etwas Übung so richtig krachen: Es macht einfach Spaß, aus der zweiten Reihe abzuziehen oder vor dem Schuss nochmal anzutäuschen, um den Torhüter zu irritieren.
Der Kasten ist sicher?
Die "Teammate Control" erlaubt das manuelle Steuern eines zweiten Spielers. |
Hinzu kommt die alte Präsentations-Schwäche: Von TV-Flair kann einfach keine Rede sein! Ja, die Kameraleute bewegen sich. Und die Trainer gestikulieren. Aber Konami serviert schon wieder schrecklich schwache Fangesänge neben den altbekannten Kommentatoren Fuss und Küpper. Letztere kann man ausschalten, Ersteres aber nicht, wenn nicht viel von der Stimmung verloren gehen soll. Warum muss es bei einem Länderspiel zwischen Deutschland und Brasilien so einen monotonen Singsang geben? Zwar können sich die Soundeffekte bei Lattentreffer und Pressschlag hören lassen, aber viel wichtiger wären authentischere Schlachtrufe. Auch die Fanblöcke in den Stadien enttäuschen optisch mit einem statischen Einheitsbrei, der dem bunten Treiben und Springen in den Arenen einfach nicht mehr gerecht wird. Hinsichtlich der Fankulisse ist PES noch in der Steinzeit unterwegs.
Kontrollierte Defensive, überdrehte Offensive
Das Zweikampfverhalten wurde verbessert - sowohl optisch als auch technisch. |
Bei allem Spaß an brisanten Situationen und Konterfußball: PES übertreibt es ein wenig mit dem Tempo - manchmal wirkt das Spiel fast zu überdreht und flipperhaft, wenn die Bälle schnurgerade durch die Reihen jagen oder zu weit abprallen. Zwei Einstellungen helfen hier: Erstens sollte man als einigermaßen erfahrener Spieler die neue Passunterstützung von der voreingestellten vierten von fünf mindestens auf die dritte Stufe herunter schrauben. Damit erhöht sich sowohl die Fehlerquote hinsichtlich der Richtung als auch die Notwendigkeit, die Stärke des Passes besser zu dosieren. Zweitens habe ich zum ersten Mal die Spielgeschwindigkeit herunter geschraubt – und zwar um einen oder zwei Punkte. Mit diesen kleinen Änderungen spielt sich PES auch weniger arcadig als es zu Beginn den Anschein hat, weil alles schnell und präzise ankommt. Denn unter der rasanten Oberfläche steckt eine sehr vielschichtige Fußballsimulationen mit taktischen Finessen, in der man auch wunderbar das Tempo rausnehmen und den Ball halten kann. Außerdem wirkt sich ein Formations- und Verhaltenswechsel umgehend auf das Gefüge und die Kompaktheit auf dem Platz aus.
Mit halber Fahrt zurück zum Training
In den Offline-Spielmodi kann man als Spielertrainer und neuerdings auch als reiner Manager ran. Mehr dazu im Fußballvergleich! |
Veteranen wird es auf den ersten Blick freuen: Direkt nach der Installation gibt es die Frage, ob man an Herausforderungen im Training teilnehmen will. Dort kann man in drei Stufen sowohl Freistöße, Dribblings, Angriff, Verteidigung als auch Elfer in praxisnahen Situationen mit Punktausschüttungen und drei Pokalen üben. Letztere werden übrigens wieder auf die alte Art geschossen – das vermurkste System des Vorgängers wurde ad acta gelegt. Auf den zweiten Blick ist das Training allerdings nicht so umfangreich wie noch zu besten Zeiten auf der PlayStation 2: Warum kann man dort z.B. nicht einzelne Bewegungen oder Dribblings einstudieren, indem man sie nachahmen muss?
Selbst die neuen Tricks am Ball kann man nicht trainieren. Wer sie finden will, muss tatsächlich Seite 6 der Steuerungsübersicht aufrufen. Aber die Lektüre lohnt sich, obwohl relativ wenig am grundlegenden Passen und Schießen geändert wurde. Dort findet man unter „Attack“ allerdings auch den Hinweis auf die neuen Temposchübe: Wer stehend oder dribbelnd die R2-Taste gedrückt hält, kann den Spieler über den Analogstick in eine Richtung sprinten lassen – hört sich unspektakulär an, aber durch diesen kurzen Antritt kann man wunderbar auf engstem Raum am Gegner vorbeiziehen. Bisher ist dieses Manöver, das es auch für den Vollsprint gibt (R2 und R1 gedrückt halten), für mich die beste Detailänderung an PES, weil man sich elegant Freiraum schaffen kann.
Fazit
PES macht wieder richtig Spaß! Das ist rasanter Fußball mit spürbaren Tempowechseln, toller Offensiv-KI und herrlicher Konterdynamik. Es gibt Situationen, die einfach wunderbar sind: Nach zwei, drei Stationen gefährlich in die Spitze spielen, auf den letzten Metern ein Sprintduell gewinnen und den Ball mitnehmen – klasse! Konami hat die Animationen deutlich verfeinert, es gibt mehr Emotionen auf dem Platz und so gefährliche Flanken, dass man die Tore beim Landeanflug fast riechen kann. Aber an ihre frühere Brillanz kommen die Japaner noch nicht heran. Das liegt zum einen an der alten Schwäche hinsichtlich der Präsentation: die Fangesänge sind ein Graus, die Fanblöcke kaum zu erkennen. Zum anderen wirkt der Fußball manchmal etwas zu sprunghaft, wenn der Ball unrealistisch weit abspringt, dann wieder wie magisch am Stürmerfuß klebt oder von den schwachen Torhütern selten dämlich ignoriert wird. Dem lethargischen FIFA will man manchmal zurufen „Gib Gas, Junge!“, dem überdrehten PES will man empfehlen „Schalt einen Gang runter, Baby!“ Es fehlt immer noch die magische Balance der alten Tage. Aber das Schöne ist, dass man jetzt wieder näher dran und auf einem sehr guten Weg ist.
Pro
Kontra
Wertung
360
Ab und zu blitzt der alte Zauber auf: PES ist nah dran am tollen Fußball vergangener Tage.
PC
Auch auf dem Rechner läuft der Ball rund: PES ist ideal für Offensivfußballer!
PlayStation3
PES macht wieder richtig Spaß! Das ist rasanter Fußball mit spürbaren Tempowechseln, toller Offensiv-KI und herrlicher Konterdynamik.
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