London 2012 - Das offizielle Videospiel der Olympischen Spiele29.06.2012, Mathias Oertel
London 2012 - Das offizielle Videospiel der Olympischen Spiele

Im Test:

Die Fußball-Europameisterschaft ist noch in vollem Gang, doch England freut sich nach dem verlorenen Elfmeterschießen bereits auf das nächste Großereignis: Die Olympischen Sommerspiele in London. Wie bereits vor vier Jahren kommt das Spiel zu den Spielen aus dem Hause Sega. Hat man aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt oder nagen der Schwierigkeitsgrad und die eintönigen Mechanismen erneut an der Motivation?

Umfang ist das eine...

Oberflächlich betrachtet könnte London 2012 der Heilsbringer für all diejenigen sein, die seit guten alten Track & Field- bzw. Summer Games-Zeiten alles verschlingen, was nach Olympiade aussieht. Satte 46 Disziplinen aus acht Kategorien warten auf Medaillen-Jäger. Doch schaut man etwas genauer hin, kommt das typische Recycling zum Vorschein. Vor allem bei den Schwimmdisziplinen wird man ernüchtert, reduzieren sich die zehn angebotenen Wettbewerbe doch letztlich auf fünf, die nur jeweils mit männlichem bzw. weiblichem Starterfeld angegangen werden. Wendet man diese "Geschlechterformel" auf die anderen Bereiche wie Leichtathletik, Turnen, (Bogen-)Schießen etc. an, bleiben unter dem Strich 31 unterschiedliche Disziplinen übrig. Darunter mischen sich sechs (bzw. drei, siehe Geschlechterformel), das 3m- bzw. 10m-Synchronspringen der Damen/Herren sowie das Team-Bogenschießen für Männer und Frauen, die nur gemeinsam mit Gleichgesinnten im Disziplin-Modus angetreten werden können. Der lässt wie auch der so genannte Party-Modus bis zu vier Spieler vor einer Konsole zu, wobei man für die acht Herausforderungen mindestens einen Freund an der Seite haben sollte. Ansonsten lassen sich mit Ausnahme der Team-Wettbewerbe alle Sportarten solo anwählen, wenn man z.B. trainieren oder seine Bestleistungen ohne olympischen Druck verbessern möchte.

Die Flamme brennt heiß

Kernstück für Solisten ist jedoch  die Teilnahme an den Olympischen Spielen. Hier sucht man sich eine Nation aus, verändert in einem oberflächlichen Editor Aussehen oder Namen der Athleten und begibt sich über zehn Tage mit jeweils zwei Wettbewerben auf Goldjagd.

Tischtennis ist eine der nominell 46 Sportarten, mit denen man in London auf Medaillenjagd gehen darf.
Tischtennis ist eine der nominell 46 Sportarten, mit denen man in London auf Medaillenjagd gehen darf.
Moment mal... Zehn Tage, zwei Disziplinen... Das macht nach Adam Riese gerade mal 20 - zumindest beim ersten Durchlauf! Richtig. Die Frage, wieso Sega nicht alle zur Verfügung stehenden Sportarten (natürlich ohne Teampflicht) freigibt, kann ich auch nicht beantworten. Ebensowenig, wieso potenziell interessante Wettbewerbe wie die 400 Meter der Leichtathletik als taktisch anspruchsvollere Laufdisziplin, Beach-Volleyball oder auch das ebenfalls taktische Rudern der olympischen Schere zum Opfer fielen, während nur geringfügig unterschiedlich zu kontrollierende Schwimmvergleiche im gefühlten Überfluss vorhanden sind. Auf der nach dem ersten Durchlauf freigeschalteten neuen Schwierigkeitsstufe ist man zwar mehr als zehn Tage unterwegs, doch ganz durchdacht wirkt das Olympische Streben nach Bestleistungen nicht.

Doch abseits dessen weiß die Olympiade in kleinen Dosen zu unterhalten. Die Schauplätze wie das neu gebaute Stadion oder Lord's Cricket Grounds, das z.B. für das Bogenschießen genutzt wird, wurden akkurat umgesetzt und sorgen mit ihren prall gefüllten Rängen für Atmosphäre. Untermalt von einem gelungenen englischen Kommentar sowie eingerahmt von Eröffnungsfeier oder Nationalhymnen bei der Medaillenvergabe spielt Sega den Reiz der Lizenz voll aus.

Dass man anfänglich auf 20 Disziplinen beschränkt wird, soll vor allem durch die für jeden Wettbewerb nötige Qualifikation kompensiert werden, was jedoch nur eingeschränkt gelingt. Immerhin werden dadurch die Spannung sowie der Druck auf den Spieler etwas gesteigert: Es reicht nicht, einmal gute Leistung zu bringen, sondern man muss mindestens zwei Mal (bei Wurf- oder Sprungwettbewerben sogar häufiger) beweisen, dass man es verdient, auf dem Podium zu stehen.

Als weiterer kleiner Ausgleich für die "nur" 20 Wettbewerbe kann man die Reihenfolge seines olympischen Abenteuers weitgehend selber festlegen: Am ersten Tag stehen vier Disziplinen zur Auswahl, von denen man zwei in Angriff nimmt. In den nächsten Tagen werden diese auf jeweils sechs aufgestockt, bevor man schließlich gegen Ende wieder eingeschränkt wird. Durch dieses Maß an "Selbstbestimmung" bekommen die Spiele eine persönliche Note.

Taktisches Knopfdrücken

Die Arenen, hier das neue Olympiastadion, wurden akkurat nachgebildet.
Die Arenen, hier das neue Olympiastadion, wurden akkurat nachgebildet.
Andererseits werden Disziplinen, bei denen man mit den Steuerungsmechaniken besser vertraut ist (vorbildlich: es gibt immer ein aktives Tutorial) oder sie intuitiver umsetzen kann, bei der Qualifikation schnell langweilig - auch wenn die KI mitunter ordentliche Forderungen stellt. Dies ist jedoch ein Bereich, an dem im Vergleich zum Beijing-Vorgänger deutlich geschraubt wurde: Sowohl die Rekorde als auch die für den Sieg erforderlichen Weiten/Zeiten/Punkte sind in greifbarer Nähe - wobei natürlich der gewählte Schwierigkeitsgrad eine Rolle spielt. Doch selbst auf "Hart"  kommt nie der Frust auf, der seinerzeit den Ausflug nach Peking prägte.

Weswegen ich London im Vergleich zu Peking ebenfalls den Vorzug gebe, ist die Art der Kontrolle über die Athleten. Wurde im Vorgänger (sowie in vielen vergleichbaren Titeln) noch das beinahe klassische Track & Field-Motto des Power-Knopfhämmerns verinnerlicht, ist man hier mittlerweile deutlich fortschrittlicher - und damit meist auch taktischer. So ganz ohne wildes Gedrücke kommt man aber auch hier nicht aus. Wenn es aber wie im Gewichtheben oder beim Schwimmen z.B. nach einer Wende zur Anstrengung des Sportlers passt, nehme ich das gerne in Kauf. Denn beim Rest der Disziplinen wird eher auf Timing gesetzt - und man sieht auch mit "Fehltrittanimationen" oder bösen Bauchklatschern, wenn die Umsetzung seitens des Spielers suboptimal war.

Selbst beim klassischsten aller Buttonmasher, dem "100 Meter Sprint", muss man auf einen ordentlichen Rhythmus innerhalb der "Laufleiste" achten, damit man seinen Leichtathlet nicht überpowert und letztlich das Nachsehen hat. Natürlich kommt es

Das Tontaubenschießen ist unterhaltsam und auch im Partymodus mit seiner "Man darf nicht von den Tontauben getroffen werden"-Modifkation ein Spaßgarant.
Das Tontaubenschießen ist unterhaltsam und auch im Partymodus mit seiner "Man darf nicht von den Tontauben getroffen werden"-Modifkation ein Spaßgarant.
zwangsläufig bei ähnlichen Wettbewerben zu geringen Variationen der jeweiligen Mechanik, so dass man sich nicht wundern darf, wenn einem z.B. beim Turmspringen Kontrolloptionen begegnen, die dem Trampolinspringen zum Verwechseln ähnlich sehen. Und dass es innerhalb von Lauf- oder Schwimmdisziplinen nur wenig Anlass zu Veränderungen gibt, leuchtet ebenfalls ein.  Mitunter wirken die Anforderungen zwar etwas zu sehr auf die Teilnahme einer größtmöglichen Zielgruppe (sprich: Familie inkl. jüngerer Kinder) getrimmt, doch dieser Weg ist mir lieber als das erzkonservative Rumgedrücke des Vorgängers, das selbst die im Ernstfall bewährten Competition Pro-Joysticks der C64-Ära in Bedrängnis gebracht hätte.

Sehr schön ist übrigens auch, dass am PC alternativ zur empfohlenen Steuerung per Pad (idealerweise 360 Pad für Windows) auch die Tastatursteuerung akzeptable Resultate ermöglicht.

Party-Olympiade

Dass man die Sommerspiele in London nicht gemeinsam angehen kann, ist schade, zumal sie auch nicht allzu lange dauern. Doch dafür gibt es ja die separate Disziplinauswahl, bei der sich auch "Playlists" mit acht Disziplinen anfertigen lassen, den Partymodus sowie das Online-Spiel.

Wie man es von Titeln dieser Art erwartet, hilft der kompetitive bzw. in einigen Fällen kooperative Charakter dem Unterhaltungswert enorm. Vor allem der Partybereich mit seinen speziellen Disziplinen wie Speerwurf-Dart oder die Herausforderungen für mindestens zwei Spieler, die gemeinsam Höchstleistungen abliefern müssen, ist dabei für die eine oder andere spaßige Überraschung gut.

Beach-Volleyball gibt es ebenfalls, ist aber nur außerhalb der Olympiade spielbar.
Beach-Volleyball gibt es ebenfalls, ist aber nur außerhalb der Olympiade spielbar.
Allerdings werden hier auch einige der Schwächen der als Disziplinen verkleideten Mini-Spiele schonungslos aufgedeckt. Nicht, dass dies während der Olympiade anders wäre, denn auch hier sind die sich leidlich an Referenzen wie Rockstar Games Tischtennis oder Outlaw Volleyball orientierenden Mechaniken nicht immer über alle Zweifel erhaben. Doch "nur zum Spaß" würde man sich im Zweifel doch für die vollwertigen Umsetzungen der jeweiligen Sportart entscheiden. Doch diese Aussetzer innerhalb der 46, quatsch: 31, knapp über 25 Wettbewerbe sind die Ausnahme. Die meisten machen Laune und sorgen sogar ab und an für Spannung - sowohl solo als auch mit Gleichgesinnten.

Auf der Xbox 360 darf man den Party-Modus sogar mit Kinect in Angriff nehmen, auf der PlayStation 3 kommt Move zum Einsatz. Und nein: Die Bewegungserkennung arbeitet nicht so akkurat, wie es sinnvoll wäre und ist auch nicht immer intuitiv. Aber: Gerade als Partyspaß unterstützt das Gehampel den Unterhaltungswert – vor allem, wenn ein wenig (nicht dem Olympischen Gedanken entsprechendem) Alkohol mit zu Besuch ist… Wenn man etwas durchweg Positives aus der Kinect-Anbindung ziehen möchte, dann dass Sega in weiser Voraussicht darauf verzichtet hat, den Kampf um Sekunden, Punkte und Zentimeter innerhalb der Olympiade von der Bewegungssteuerung abhängig zu machen.

Passable Kulisse

Dass die den echten Schauplätzen nachempfundenen Umgebungen einen

Das Kleinkaliberschießen gehört ebenfalls zu den besseren der eingebauten Disziplinen.
Das Kleinkaliberschießen gehört ebenfalls zu den besseren der eingebauten Disziplinen.
stimmungsvollen, wenngleich nur etwas über dem Durchschnitt liegenden Eindruck hinterlassen, wurde bereits gesagt. Glücklicherweise nimmt sich der Rest der Kulisse keine Auszeit und liefert ein gleichsam passables Bild ab. Die Animationen sind größtenteils gelungen, ohne allerdings Maßstäbe zu setzen. Ausgerechnet die Gewichtheber aber haben es mir in diesem Bereich angetan, deren Muskeln sich eindrucksvoll unter der Haut bewegen und deren Gesichter sich unter der Anstrengung mitunter zu einer Fratze verziehen.

Im Detail findet man allerdings auch ein paar Schwächen wie die an "Hundepaddeln" erinnernden Nachzügler in den Schwimmwettbewerben, die Radfahrer, die auch bei heftigen Kollisionen nicht zu Stürzen zu bewegen sind oder die Zuschauer, die nicht einmal in einem festlichen Moment wie dem Abspielen der Nationalhymne ihren frenetischen Jubel unterbrechen, um dem Sieger Anerkennung zu spenden.

Fazit

Der  ganz große Olympia-Wurf ist Sega mit London 2012 zwar nicht gelungen, doch das aktuelle Spiel zu den Spielen ist immerhin besser als sein Beijing-Vorläufer. Die Kulisse passt, ohne Bäume ausreißen zu können und die wesentlichen Kritikpunkte wie eintönige Mechanismen oder der zu hohe Schwierigkeitsgrad wurden ausgemerzt. Die über 40 Disziplinen, die sich allerdings schnell auf gerade mal 25 bis 30 unterschiedliche Wettbewerbe ausdünnen, setzen nur im Ausnahmefall auf reines Knopfhämmern. Stattdessen ist Timing, Rhythmus und etwas Technik gefragt - was zu einem Großteil auch aufgeht, jedoch immer noch eine spürbare Redundanz innerhalb ähnlicher Wettbewerbe beinhaltet. Wieso man die Olympiade aber nur solo angehen kann und diese nicht alle Sportarten beinhaltet, kann ich mir nicht erklären. Denn sobald man in den anderen Modi mit mehreren Spielern antritt oder online versucht, um Höchstleistungen zu kämpfen, steigert sich der Spaß merklich - typisch für einen Titel, der einer Tradition folgt, die mit Summer Games und International Track & Field begann.

Pro

gelungene Präsentation
über 45 Disziplinen...
unterhaltsamer Party-Modus
eigene Disziplin-Playlists erstellbar
Online-Modus
guter englischer Kommentar
größtenteils passable Animationen
durchdachte Steuerung zwischen Technik, Timing und Knopfhämmern
passabler Schwierigkeitsgrad
Kinect-Steuerung für Party-Modus

Kontra

Detailschwächen in der Kulisse
... die sich allerdings auf knapp 25 bis 30 reduzieren lassen
Solo-Olympiade nicht mit allen Sportarten
Playlists nehmen nur acht Wettbewerbe auf
spartanische Personalisierungsoptionen
für Solisten ein kurzes Vergnügen
Kinect mit den üblichen Erkennungs-Schwächen

Wertung

360

Der Olypische Geist schimmert immer wieder durch. Für Solisten ein eher kurzes Vergnügen, mit mehreren abhängig von der Disziplin ein unterhaltsamer Spaß.

PC

Taktik und Timing statt Knopfhämmern: Vor allem mit mehreren Spielern unterhalten die Sommerspiele. Solo ein eher kurzes Vergnügen.

PlayStation3

Der Olypmische Geist schimmert immer wieder durch. Für Solisten ein eher kurzes Vergnügen, mit mehreren abhängig von der Disziplin ein unterhaltsamer Spaß.

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