Port Royale 314.09.2012, Mathias Oertel
Port Royale 3

Im Test:

Wirtschafts-Simulationen auf Konsole? Geht nicht, funktioniert nicht, gibt’s nicht! Doch, es gibt sie! Zumindest versucht Kalypso, die Konsoleros eines Besseren zu belehren. Das hat seinerzeit schon mit Tropico 3 funktioniert und auch Port Royale 3 (ab 5,75€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) will die Händler und Profitjäger unter den Wohnzimmer-Spielern ansprechen.

Beinahe wie am PC

Da sich Port Royale 3 auf PlayStation 3 und Xbox 360 inhaltlich nicht von der im Mai veröffentlichten PC-Variante präsentiert, möchte ich für die detaillierte Wertungsargumentation auf den entsprechenden Test hinweisen (Wertung: 83%). Hier

Kulisse und Inhalt sind kaum von der PC-Fassung zu unterscheiden - allerdings fehlt der Mehrspieler-Modus!
Kulisse und Inhalt sind kaum von der PC-Fassung zu unterscheiden - allerdings fehlt der Mehrspieler-Modus!
werde ich nur auf Basis-Informationen zum Spielprinzip sowie Änderungen hinsichtlich Kulisse, Benutzerführung und sonstige Anpassungen eingehen.

Dementsprechend gibt es gleich eine schlechte Nachricht: Der Mehrspielermodus (der am PC zwar anfänglich buggy, aber dennoch unterhaltsam war), ist der Schere zum Opfer gefallen. Es gibt keine Möglichkeit mehr, menschliche Gegner zum Duell auf hoher See herauszufordern oder gar mit einem Kumpel einen Wettstreit auszufechten.

Allerdings ist dies schon das größte Zugeständnis, das Konsolen-Spieler machen müssen. Die Inhalte für Solisten mit ihren zwei Kampagnen (eine eher fokussiert auf Handel, eine eher auf Kampf und martialische Eroberung) sowie das freie Spiel sind inhaltsgleich zum Rechenknecht.

Aller Anfang ist leicht

Um den Einstieg in die Welt von Profitgier, Warenkreisläufen und Seegefechten zu erleichtern, gibt es bei Bedarf ein Tutorial-Video, das auch nachträglich betrachtet werden kann. Diese Clips sind zwar hilfreich, noch besser  wäre es allerdings gewesen, diese Lehrstunden interaktiv zu gestalten, damit man sich praxisnah an die Steuerung gewöhnt. Die ist aber ohnehin nicht allzu komplex und schnell erfasst.

Und bevor man sich versieht, ist man mittendrin im Ausbaldowern von Handelsrouten und dem Ausbau seines Wirtschaftssystems, das das Prinzip von Angebot und Nachfrage gut widerspiegelt. Man versucht, die sich dynamisch verändernden und auch von Zufallsereignissen gebeutelten Bedürfnisse sowie Überproduktionen der gut 60 Städte unter einen Hut zu bringen. Man baut seine Flotte aus, erledigt Aufträge für verschiedene Fraktionen (meist Hol-, Bring- und Lieferdienste) und verdient sich die Gunst der teils

Städte lassen sich betreten und im Detail betrachten.
Städte lassen sich betreten und im Detail betrachten.
untereinander verfeindeten Nationen.

Natürlich kann man auch versuchen, die mitunter komplexen Wirtschaftskreisläufe für sich auszunutzen und eine Produktionskette aufzubauen, bei der man von den Rohstoffen bis zum Endprodukt alles in einer Hand hat. Ab und zu trifft man zwar auf Unstimmigkeiten, so z.B. wenn in einer als Holz-Produktionsstadt ausgewiesenen Karibik-Metropole trotz umfangreichen Bestandes horrende Preise für meine Lieferung gezahlt werden, allerdings erleidet man nur selten durch diese unerklärliche Preisgestaltung einen Nachteil - es gibt ja genug andere Märkte.

Die Crux der Informationsflut

Statistiken, Übersichten und sonstige Informations-Bildschirme sind in einer Wirtschafts- und Aufbausimulation zwingend notwendig. Auch in Port Royale 3 gibt es haufenweise dieser Ansichten. Daher kann es schon mal dauern, bis man z.B. für seinen Schiffskonvoi bzw. ein einzelnes Boot genau die Info oder Konfigurationsanzeige gefunden hat. Beim Zusammenstellen einer Handelsroute ist auch Kleinarbeit angesagt: Jede Stadt muss einzeln auf ihre Produktionsgüter überprüft werden, damit man nicht irgendwann eine Schleife abfährt, in der man entweder keinen Profit macht oder (für den Fall, dass es eine Sammeltour ist) irgendwann nur noch mit leeren Laderäumen durch das wunderschöne blaue Wasser pflügt. Doch an all dies kann man sich gewöhnen.

Was mich jedoch richtig stört, ist die Warenwirtschaft. Zwar kann man alternativ zum Betreten der Stadt und der Auswahl per Cursor die wichtigsten Gebäude wie z.B. Kontor, Taverne, Architekt, Hafenmeister etc. komfortabel über eine Schnellauswahl finden, doch sobald es an den eigentlichen Handel geht, beginnen die Probleme.

Listenscrollen auf Konsolen? Das muss nicht sein und hätte eleganter gelöst werden können.
Listenscrollen auf Konsolen? Das muss nicht sein und hätte eleganter gelöst werden können.
Zehn der 20 pro Stadt handelbaren Güter werden angezeigt. Ich würde jetzt erwarten, dass man über irgendeine Taste auf die zweite Seite mit den nächsten zehn Waren gelangt. Doch weit gefehlt: Wie am PC muss man hier scrollen. Jetzt handle ich allerdings wegen der meist hohen Gewinnspanne häufig mit Rum. Der ist allerdings auf Platz 19. Und das bedeutet: Um in der jeweiligen Stadt den Preis für Rum herauszufinden, muss ich immer für ein paar Sekunden nach unten scrollen – stets begleitet von einem nervenden „dit“, wenn der Cursor auf die nächste Ware schaltet, was für mich jedoch „Dit-dit-dit-dit-dit-dit-dit-dit-dit …“ bedeutet. Da ist es für mich nur ein schwacher Trost, dass die direkte Steuerung der Schiffe in Gefechten dem Mausgeklicke am PC leicht überlegen ist.

Inselidylle

Hinsichtlich der Kulisse kann man sich auch auf Konsolen auf strahlend blaues Wasser und karibische Idylle auf der Übersichtskarte freuen. In der Stadtansicht mit ihrem Wuselfaktor gibt es ebenfalls kaum Grund zur Klage. Allerdings ist die Präsentation im Allgemeinen sehr trocken, die Zwischensequenzen aus der Kampagne sind größtenteils langweilig, was sie jedoch mit ihrem PC-Bruder gemeinsam haben.

Falls jemand beide HD-Konsolen im Wohnzimmer aufgestellt hat und vor der Frage steht, welche Version er sich denn holen solle:: Die PS3-Fassung. Nicht, weil man dort mehr oder bessere Inhalte bekommt, sondern weil die Version für die Sony-Konsole unter deutlich weniger Tearing leidet als das 360-Gegenstück. Das Spielgefühl wird dadurch allerdings nicht beeinflusst, weswegen beide Varianten mit der gleichen Wertung bedacht werden.

Fazit

Wirtschafts- und Aufbausimulationen auf der einen, Konsolen auf der anderen Seite: Die Kluft scheint nicht überbrückbar. Doch mit der Umsetzung des bereits im Mai auf PC erschienenen Port Royale 3 beweist Kalypso das Gegenteil. Ob es jetzt daran liegt, dass man evtl. schon bei der Gesamtkonzeption die Wohnzimmer-Systeme im Hinterkopf hatte, lässt sich nicht genau sagen. Doch die royale Portierung ist weitgehend gelungen. Zwar müssen PS3- und 360-Besitzer auf den Mehrspielermodus verzichten. Doch ansonsten bekommt man auf Konsolen die gleichen motivierenden Inhalte wie am Rechenknecht, das Zusammenspiel von Wirtschaftskreisläufen, Profitgier, Handelsrouten-Optimierung und politischen Intrigen geht auch hier auf. Allerdings nervt das aufgezwungene Scrollen in der Handelsansicht. Unter dem Strich eine gelungene Umsetzung einer guten Wirtschafts- und Aufbaustrategie.

Pro

Tutorial-Videos erklären alles Wesentliche...
leicht erlernbare Steuerung...
Wirtschaftskreisläufe werden über Angebot und Nachfrage gesteuert
zwei Kampagnen...
„Freies Spiel“ lässt sich nach eigenen Wünschen konfigurieren
komplexes wirtschaftliches und politisches System
zufällige Ereignisse sorgen für Überraschungen
angenehm große Spielwelt
direkte Steuerung in See-Gefechten

Kontra

... interaktive Lehrstunden wären aber besser gewesen
... die innerhalb der Warenwirtschaft unnötig scrollwütig ist
keinerlei Mehrspieler-Modi
... die allerdings seicht bleiben und schwach inszeniert werden
Menü-Strukturen mitunter nicht für Konsolen optimiert
Tearing-Probleme (360)
gelegentlich unlogische Preisgestaltung der Waren

Wertung

360

Passable Umsetzung einer guten Wirtschafts-Strategie. Leider ohne Mehrspieler-Modus.

PlayStation3

Passable Umsetzung einer guten Wirtschafts-Strategie. Leider ohne Mehrspieler-Modus.

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