Im Test:
Der perfekte Laberzock
"In Borderlands drehte sich alles um die fette Beute", sagte einer der Entwickler mal. Und ich habe gedanklich nur die Stirn gerunzelt: 'Von wegen!' Für mich war Borderlands vor allem das: Eine Reise, auf der ich mit coolen Leuten jeden Tag ein Stückchen weiter lief. Wir wussten gar nicht, wo wir ankommen wollten und es spielte auch keine Rolle. Es ging um den Spaß an der Sache. Wir spielten einen Shooter, der ebenso unterhaltsam war wie man ihn quasi nebenbei abwandern konnte.
Und das war gut! Gearbox hatte bleihaltige Gefechte so geschickt mit dem Belohnungsrausch des Actionrollenspiels verbunden, dass ich mich wie in einem großen Strom über den Planeten Pandora treiben lassen konnte – die perfekte Feierabend-Action.
Auf seine Weise war es spielerisch und erzählerisch aber auch zu belanglos. Da stellte die Geschichte witzige Querköpfe vor, um sie dann stundenlang am selben
Gearbox hat sich nicht nur das Spiel zur Brust, sondern auch Kritik an der PC-Version des Vorgängers zu Herzen genommen. In einem liebevollen Brief an seine Fans informiert Claptrap deshalb über die Besonderheiten der PC-Fassung. Die bietet nicht nur zahlreiche Einstellungsmöglichkeiten für Grafik und Physik, sondern auch einen hervorragenden FOV-Regler und an die Bedienung per Maus angepasste Menüs.
Tatsächlich liefert Gearbox eine fantastische PC-Version - genau so muss eine saubere Parallelentwicklung aussehen! Fleck versauern zu lassen. Der Handlung erzählte von einem Schatz, der mir ziemlich egal war und an einige Namen kann ich mich nur erinnern, weil die meisten davon im zweiten Teil wieder auftauchen.
Hoch zwei!
Und wie sie wieder auftauchen! Gearbox hat dazugelernt: Teil zwei beamt mich zwar fünf Jahre in die Zukunft, aber der Plot knüpft so nahtlos an den Vorgänger an. Er lässt so viele bekannte Gesichter so geschickt zu Wort kommen, dass sich das erste Borderlands im Nachhinein wie eine nüchterne Einleitung anfühlt – Borderlands 2 (ab 9,99€ bei kaufen) startet erzählerisch richtig durch. Wenn die alten Protagonisten einmal in die Handlung eingebunden sind, in wichtigen Szenen auch in die Action eingreifen und ich an ihrer Seite spannende Szenen erlebe – hossa, was hat Gearbox dazugelernt. Natürlich ist das hier kein intellektueller SciFi-Thriller. Für einen satten Samstagabend-Kracher reicht es aber locker!
Gör'-Power!
Hatte dem Vorgänger noch eine lebendige Welt gefehlt, macht das zweite Borderlands gerade hier viel richtig. Dort, wo Zivilisten wohnen, herrscht diesmal keine Leere. Da flanieren zahlreiche Passanten, die immer wieder einen flotten, blöden, witzigen oder sonstwie schrägen Spruch auf den Lippen haben. Einige bieten kleine Aufträge – fast vorbei
Nein, es ist es nicht der große Rahmen; die besondere Stärke des Abenteuers sind die vielen verrückten Figuren und ihre kleinen Geschichten. Der clevere Wortwitz gehört zum Besten, das ich interaktiv je gehört habe – auf Deutsch übrigens genauso wie auf Englisch. Claptraps heiße Geburtstagsparty etwa ist – *trööööt* – ein absurder Brüller! Anderswo freut sich ein Feueranbeter diebisch über die eigene Verbrennung. Und dann ist da Tiny Tina, die bekloppteste Göre diesseits von Pandora. Dabei hat ihr Charakter sogar eine wirklich traurige Geschichte, die so fluffig leicht in den makaberen Sumpf der Gewalt eingebettet wird, dass ich den Hut vor den Spielemachern ziehe. Wie gesagt: Wenn mich solche Idioten um einen Gefallen bitten, wie könnte ich auch nur einen davon ausschlagen?
Gefallen, die gefallen
Also sage ich Dutzende, bald Hunderte kleine Gefallen zu. Mal soll ich die Fauna katalogisieren, mal eine Bande Gangster mit Pizza aus ihrem Versteck locken, mal eine Waffenkiste voller Erotikbildchen aufspüren, mal rechtzeitig die Post austragen. Natürlich führt kein Weg am Projektilaustausch vorbei. Die Vielfalt der Geschichtchen gaukelt mir aber eine farbenfrohe Missionswelt vor. Diesmal gibt es sogar Bonusziele, die ich für eine Extraportion Herausforderung erfüllen darf. Abgesehen davon wird das Entdecken
Klar: Unterschiedliche Hersteller bauen unterschiedliche Waffen. So feuern Jakobs-Produkte schon bei der geringsten Berührung des Abzugs, während Vladof-Waffen mit hoher Feuerrate schießen.
Maliwan stellt hingegen Waffen mit wirkungsvollem Elementarschaden her und Hyperion-Knarren treffen umso genauer, je länger man den Abzug gedrückt hält. Verrückt!
Aber längst nicht so verrückt wie Tediore-Waffen, die man beim Nachladen einfach wegschmeißt, woraufhin sie wie Granaten explodieren. Praktisch! Verrückt!!
Also, welche soll's denn sein? versteckter Symbole, Aussichtspunkte usw. belohnt: Dadurch und nach dem Erfüllen etlicher Nebenbei-Aufgaben (soundso viele tote Banditen, Kopfschüsse oder geöffnete Kisten) erhält mein Schatzsucher eine winzige Verbesserung einer Eigenschaft. Dazu zählen Feuerrate, Schildstärke, Ladegeschwindigkeit oder Nahkampfschaden. Pandora sieht mit seinen eisigen Berggipfeln und grünen Tälern abwechslungsreicher aus: Die grünstichige Luft einer gigantischen unterirdischen Höhle verschleiert eines der vielen famosen Panoramen, anderswo wurden Ozeanriesen in hohen Eiswellen festgefroren. Und es gibt mehr zu entdecken.
Und die Action? Die ist toll! Die "Bazillionen" Knarren rattern, knallen, bratzen, brummen, donnern, brüllen und rasseln in allen Tonlagen. Granaten und Fässer explodieren, während fieser Elementarschaden sekundenlang auf den Körpern getroffener Gegner sprudelt: Grün, blau, rot und neuerdings auch lila „brennen“ die Feinde und unglückliche Mitstreiter. Das ist wichtig, denn der pure Schaden kratzt vor allem die starken Gegner kaum. Erst wenn Banditen dauerhaft brennen, Roboter von Säure zersetzt und Schilde von Elektroschocks zerstört werden, gewinnt man die Oberhand. Neu ist der lilafarbene Slag, durch den nachfolgende Angriffe viel stärker treffen als ohne die Schwächung.
Das bunte Treiben
Gerade wenn zwei, drei oder vier Schatzsucher gemeinsam kämpfen, gewinnen die Schusswechsel eine wundervolle taktische Komponente, wenn sich das Team mit unterschiedlichen Elementarangriffen und geschicktem Stellungsspiel gegenseitig unterstützt. Weil Gegnergruppen viel durchmischter sind, weil sie sich irgendwann untereinander heilen oder gar neue Einheiten herbeirufen und weil die Feinde mehr normale Treffer einstecken, ist die richtige Taktik viel wichtiger als im Vorgänger – eine
Die Gefechte sind auch deshalb intensiver, weil die Widersacher dazu gelernt haben: Sie gehen besser in Deckung oder springen häufig zur Seite. Selbstmordattentäter rennen direkt auf einen Schatzsucher zu, während geflügelte Fauna sowie surrende Gleiter häufiger aus der Luft attackieren. Ausgebuffte Schlaumeier sind allerdings nicht darunter. Viel zu oft bin ich auf offenem Gelände um eine Deckung herumgelaufen, während mein Kontrahent seelenruhig dahinter sitzen blieb. Abgesehen davon fehlt mir eine deutlichere Warnung vor dem Verlust von Schild oder Leben. Schließlich explodieren hier so viele Farben in einer so hohen Frequenz, dass ich den zart blinkenden Bildschirmrand kaum wahrnehme. Unnötig oft kroch ich urplötzlich am Boden, ohne auch nur den fehlenden Schild bemerkt zu haben.
Nah oder fern?
Wie gehabt sind Waffen aber nicht das einzige Einsatzmittel; schließlich unterscheiden sich die Figuren vor allem durch ihre markanten Fähigkeiten. Die Sirene Maya hält Gegner etwa in einer Art magischen Blase gefangen, Gunzerker Salvador schießt beidhändig, Attentäter Zer0 fällt seinen Gegnern unsichtbar in den Rücken und Axton stellt wie sein Vorgänger Roland einen mächtigen Geschützturm auf. Die eine Spezialfähigkeit begleitet einen Charakter das gesamte Abenteuer hindurch – ich kann sie allerdings auf verschiedene Art ausbauen. Ich könnte etwa mit jedem Stufenaufstieg Zer0s Fertigkeit als Scharfschütze
Jeweils eine Mod sowie ein Artefakt ändern die Eigenheiten meines Charakters weiter, sogar die Magazingröße oder die Aufladezeit der Spezialfähigkeiten meiner ganzen Gruppe kann ich manipulieren. Was ich allerdings nach wie vor schmerzlich vermisse ist die Möglichkeit, in irgendeiner Form meine ganz persönliche Lieblingswaffe zusammenzuschrauben. Die Jagd nach einer Zufallswaffe ist ja nett – richtig aufregend wäre sie dann, wenn ich zunächst das Grundmodell meines bevorzugten Herstellers suchen könnte, um mich daraufhin auf die Suche nach dem richtigen Elementarschaden, einem Zielfernrohr und noch einer speziellen Eigenschaft zu machen. Ich vermisse nach wie vor „diese eine meine Waffe“, die mehr ist als ein unpersönliches Zufallsprodukt.
Unverschämt!
Abgesehen davon übertrifft Borderlands 2 nicht nur seinen Ahnen, sondern ist ein großartiger Shooter in einer nahezu offenen Welt. Ich habe jedenfalls unverschämt viel Spaß mit diesem Spiel und lange darüber nachgedacht, ihm einen goldenen Orden anzustecken. Ich habe mich dagegen entschieden. Warum? Weil es sich Fehler leistet, die
Ich muss dem Abenteuer aber ankreiden, dass es verdammt behäbig in Gang kommt. Es dauert zähe Stunden, bis sich der Nachfolger von Borderlands 1.2 zu Borderlands 2.0 entwickelt, das betrifft sowohl den roten Faden der Erzählung als auch das eigentliche Spiel. Und wenn die aufregende Geschichte endlich Fahrt aufnimmt und die Gefechte anspruchsvoller werden? Selbst dann ziehen sich viele Passagen mit Kämpfen gegen immer gleiche Gegnergruppen – manchmal ist der perfekte Laberzock ein bisschen wie gemeinsames Kaugummi-Kauen. So bunt gemischt jede Feindwelle für sich genommen ist, so sehr wiederholen sich die Wellen Angriff um Angriff und manchmal ist mir das zu viel. Vor allem als Solist vermisse ich spielerische Abwechslung.
Kindergarten
Einen richtigen Fehltritt leistet sich das Abenteuer schließlich dort, wo es stark sein müsste: in den vielen Aufgaben abseits der Handlung. Was habe ich da für abgefahrene Geschichten erlebt! Und wie öde waren die Missionen – stellenweise eine halbe Stunde lang. Denn die Gegner passen sich nicht ausreichend dem Niveau meiner Schatzsucher an. Dadurch wird
Es sind ja nicht nur Kleinaufträge. Selbst einen als besonders mächtig eingeführten Boss hatte ich im Handumdrehen mit Links besiegt. Von einem ehrlichen Kampf konnte kaum die Rede sein. Nein, hier hat Gearbox das Rollenspiel einfach vergeigt; so macht es keinen Spaß. Frustrierend banale Momente sind zwar bei weitem nicht die Regel. Für einen Kleinanzeigen-Jäger wie mich häufen sie sich aber zu sehr, als dass ich darüber hinweg sehen könnte.
Fazit
Dieses lockerleichte Fallenlassen in einen makaber-witzigen Shooter-Comic – ob online oder offline, mit Freunden oder im öffentlichen Spiel – packt Borderlands 2 ganz hervorragend! Pandora ist bunter, lebendiger und es gibt mehr zu entdecken als im Vorgänger. Die Gegner agieren diesmal geschickter, greifen in bunten Gruppen an, so dass bis zu vier Helden clever zusammenarbeiten müssen: Aufeinander abgestimmte Elementarschäden und Stellungsspiel sind ungemein wichtig. Leider kommt das Abenteuer spielerisch und erzählerisch dabei nur langsam in Fahrt und bleibt gelegentlich in einer gleichförmigen Missionstretmühle hängen. Und es nimmt ausgerechnet auf seine Helden keine Rücksicht, wenn ehrgeizige Erfahrungssammler mit lächerlich banalen Bosskämpfen bestraft werden – das darf nicht passieren! Auch beim fehlenden Waffenbau vermisse ich ein stärkeres Rollenspiel, denn das Herstellen maßgeschneiderter Schießeisen könnte dem "Prinzip Zufallswumme" erst den richtigen Pepp verleihen. Im Gegenzug bietet die erweiterte Charakterentwicklung dafür ausgefeilte Möglichkeiten der Selbstfindung, während die Geschichte bald spannende Wendungen nimmt. Vor allem aber ist es der fantastische Wortwitz, es sind die durchgeknallten Figuren... Ich kann den ehrlichen, furchtbar bekloppten Geek beinahe sehen, der hinter den Kulissen an tausend Fäden zieht und mich immer wieder zum Lachen bringt. Dank ihm ist auch das zweite Borderlands einfach wundervolle Feierabend-Action!
Pro
Kontra
Wertung
360
Fantastischer Wortwitz und großartige Nebenfiguren zeichnen eine spannende Schatzsuche aus, die manchmal im eintönigen Missionstrott festhängt.
PC
Eine sorgfältige Parallelentwicklung, die inhaltlich den Konsolenfassungen gleicht, aber mit zahlreichen PC-spezifischen Optionen glänzt.
PlayStation3
Fantastischer Wortwitz und großartige Nebenfiguren zeichnen eine spannende Schatzsuche aus, die manchmal im eintönigen Missionstrott festhängt.
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