Army Men: Sarge's War24.08.2004, Jens Bischoff
Army Men: Sarge's War

Im Test:

Wer glaubte, nach dem Konkurs von 3DO endlich Ruhe vor weiteren Army-Men-Spielen zu haben, hat sich zu früh gefreut. Take 2 scheint auf der Lizenzmüllhalde des Pleitegeiers noch einen fast fertigen Plastiksoldaten-Shooter gefunden zu haben, den man nun als Army Men: Sarge‘s War zum Budget-Preis verhökern will. Ob es sich dabei um gewohnten Sondermüll oder doch ein überraschend gutes Schnäppchen handelt, erfahrt ihr im Test.

Schrei nach Vergeltung

Kaum zu glauben, aber die grüne und beige Armee schließen in Sarge‘s War endlich Frieden und alle Zwistigkeiten werden ad acta gelegt. Doch da haben die so plötzlich pazifistischen Spielzeugsoldaten ihre Rechnung ohne den abtrünnigen Lord Malice und seine Schergen gemacht.

Skrupellos: Der abtrünnige Lord Malice hat all eure Plastikkameraden auf dem Gewissen (PS2).
Denn kaum ist der Friedensvertrag unterzeichnet, verwandelt ein heimtückischer Bombenanschlag die gesamte Festgesellschaft in einen Klumpen Plastik. Nur Sarge, der zu spät von einem Einsatz zurückkommt, überlebt das Spielzeugmassaker. Alles Weitere könnt ihr euch denken: Sarge will Vergeltung und nicht eher ruhen, bis er Lord Malice zur Strecke gebracht hat.

Zu den Waffen!

Dazu kämpft ihr euch durch zwölf lineare, in winzige Anschnitte unterteilte Levels und ballert mit insgesamt acht Schusswaffen und Granaten alles zu Brei, was sich euch in den Weg stellt. Seid ihr dabei anfangs noch ausschließlich auf euren mit unendlich Munition bestückten Karabiner angewiesen, kommen im weiteren Spielverlauf schon bald interessantere Kaliber wie Schrotflinte, Panzerfaust, schweres MG oder Scharschützengewehr hinzu, mit denen ihr eure Widersacher im wahrsten Sinne des Wortes auseinander nehmen könnt.

Da fliegt das Plastik

Sämtliche Plastiksoldaten sind nämlich äußerst hart im Nehmen und kämpfen teils sogar noch mit abgetrennten Gliedmaßen, durchlöchertem Körper oder fehlender Kopfhälfte weiter. Schade nur, dass man mit dem Flammenwerfer nicht das Ergebnis erzielen kann, wie damals im Sandkasten mit einer Lupe...

Schweizer Käse: Mit solch kapitalen Schusswunden kämpft nur ein Plastiksoldat tapfer weiter (Xbox).
Aber auch ohne zusammenschmelzende Plastikkrieger kann sich das Schadensmodell durchaus sehen lassen und mit detaillierten Trefferzonen für hämisches Grinsen sorgen - vor allem wenn man gegen einen (PS2) bzw. drei (Xbox) Freunde spielt.

Multiplayer auf Sparflamme

Dennoch ist der Multiplayer-Modus äußert mager: Es gibt gerade einmal vier Maps, keine zuschaltbaren CPU-Bots und keine vernünftige Online-Nutzung. So können Xbox-User nur verabredete Duelle gegen Freunde aus ihrer Xbox-Live-Kontaktliste bestreiten, während PS2-Besitzer überhaupt nicht online gehen können. Alternativ gibt es zwar auch noch die Möglichkeit via Splitscreen gegeneinander anzutreten, aber da man dabei sämtliche Gegnerpositionen einsehen kann, sind Hinterhalte oder Überraschungsangriffe quasi unmöglich, was den Spielspaß deutlich mindert - vor allem auf der PS2, wo sowieso nur Duelle möglich sind. Auf der Xbox kann man wenigstens zu viert in die Schlacht ziehen und auch andere Modi wie Team-Fortschritt (Stellungen einnehmen und verteidigen) und Capture-the-Flag spielen.

Unfertiger Gesamteindruck

Die Einzelspielerkampagne präsentiert sich hingegen auf beiden Systemen gleich karg: Die Story ist belanglos, der Spielverlauf strikt linear, die Abschnitte winzig klein und sämtliche Gegner bereits nach wenigen Stunden Plastikmüll. Zudem zicken Zielerfassung, Steuerung und Kollisionsabfrage, vom monotonen Gameplay sowie Gegner- und Leveldesign ganz zu schweigen.

Großes Kaliber: Mit der Bazooka lassen sich verheerende Schäden anrichten (PS2).
Überhaupt wirkt alles irgendwie unfertig - von den unfreiwillig komischen Animationen ohne Schusswaffe über die starken Schwankungen bei der Bildrate (vor allem auf der PS2) bis hin zur unvollständigen und teils peinlich schlechten Lokalisierung. Freispielbare Extras sucht man ebenfalls vergebens; zwar erhält man durch gewisse Leistungen schmucke Medaillen, aber da diese ohne jeglichen weiteren Nutzen sind, lohnt es sich erst gar nicht, danach zu trachten....

Technik von gestern

Auch was die Renderware-Engine an Spielgrafik ausspuckt, ist vor allem im Vergleich zu den vorgerenderten Zwischensequenzen alles andere als überzeugend. Die Texturen wirken matschig, die Charaktermodelle klobig und die meisten Effekte einfach nur billig. Zudem ist das Bild bei 50Hz-Darstellung (60Hz gibt es nur auf der Xbox) stark gestaucht und auf der PS2 zudem durch PAL-Balken beschnitten. Ähnliche Unterschiede gibt es auch beim Sound, der auf der Xbox in Dolby Digital und auf der PS2 nur in Stereo erklingt. So oder so ist die Soundkulisse aber eher durchschnittlich, was vor allem an den ständig gleichen Soundeffekten sowie der spärlichen Sprachausgabe und Musikuntermalung liegt.

Alles im Griff?

Speichern kann man übrigens nur am Ende eines Levels, was angesichts der zahlreichen Checkpoints und mickrigen Spielabschnitte aber nicht weiter tragisch ist. Und auch wenn oft nachgeladen wird, halten sich die Wartezeiten, die auf der Xbox etwas kürzer ausfallen, in Grenzen.

Entscheidender Unterschied: Während ihr auf der PS2 nur einsame Duelle bestreiten könnt, geht's auf der Xbox auch zu viert zur Sache (Xbox).
Selbst die nicht konfigurierbare Steuerung geht auf beiden Konsolen gut von der Hand, wobei der Waffenwechsel auf der PS2 minimal komfortabler ist. Ärgerlich ist nur, dass man die Stick-Empfindlichkeit nicht ändern kann, denn die Standardeinstellung ist gerade beim Snipern viel zu sensibel. Zum Glück lässt sich jedoch wenigstens die Vertikalsteuerung umkehren, denn sonst hätte man sich die Scharfschützenfunktion komplett sparen können.

Seltene Lichtblicke

Die KI der gegnerischen Spielzeugsoldaten und gelegentlichen CPU-Mitstreiter ist übrigens ganz passabel: sie gehen bei Beschuss in Deckung, versuchen zu flankieren und rufen auch mal Verstärkung herbei. Für Laune sorgen hin und wieder auch die Konfrontationen mit feindlichen Panzern, Hubschraubern und Geschützstellungen, wobei man allerdings nur letztere auch zu eigenen Zwecken nutzen kann. Auch das gelungene Setting mancher Real-Life-Levels wie im Sandkasten oder in der Garage sorgt gelegentlich für Stimmung. Solche Zwischenhochs sind aber viel zu selten und nutzen sich mit der Zeit auch ab. Noch wesentlich deutlicheren Abnutzungserscheinungen unterliegt jedoch das Missionsdesign, dessen Facettenreichtum sich quasi auf das Zerstören vorgegebener Ziele und das Erreichen von Wegpunkten beschränkt.

Fazit

Zugegeben: So schlecht wie anfangs befürchtet, ist Sarge‘s War auch wieder nicht - vor allem zu viert auf der Xbox kommt hin und wieder sogar so etwas wie Spielspaß auf. Doch auch die besseren Army-Men-Spiele sind im übergreifenden Genrevergleich immer noch Shooter maximal dritter Klasse. Wieso soll sich jemand diesen Titel geben, wenn er für das gleiche Geld wesentlich bessere Alternativen wie Medal of Honor: Frontline oder TimeSplitter 2 haben kann? Das Einzige, was die an sich kultigen Plastiksoldaten von der Konkurrenz abhebt, sind die originellen Schauplätze sowie das einzigartige Schadensmodell; aber selbst hier schöpft Sarge‘s War das verfügbare Potential bei weitem nicht aus. Darüber hinaus ist das Gameplay einfach zu monoton und altbacken, die Technik zu antiquiert, die Steuerung zu hakelig und der Mehrspielspielermodus vor allem auf der PS2 nicht mehr als ein schlechter Witz. Wer nicht gerade von den Army Men besessen oder masochistisch veranlagt ist, sollte den digitalen Sarge da lassen, wo er her kam: auf 3DOs Lizenzmüllhalde.

Pro

günstiger Preis
60Hz-Modus (Xbox)
einfache Handhabung
amüsantes Schadensmodell
passable KI & Rendersequenzen

Kontra

winzige Levels
schwache Technik
instabile Framerate
geringer Spielumfang
altbackenes Gameplay
ungenaue Kollisionsabfrage
unfertig wirkende Präsentation
witzloser Mehrspielermodus (PS2)
monotones Gegner
& Leveldesign
hakelige Steuerung & Zielerfassung

Wertung

PlayStation2

Aus der Lizenzmüllhalde gefischter und lieblos wiederbelebter Plastiksoldaten-Shooter.

XBox

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