Assassin's Creed: Recollection14.03.2012, Jörg Luibl
Assassin's Creed: Recollection

Im Test:

Ein Sammelkartenspiel in der Welt von Assassin’s Creed? Das kann doch nur Lizenzmüll sein! Edel designter Murks ohne Tiefgang. Zumindest irgendein billiger Versuch, den großen Namen auch in kleinen Formaten zu melken – kennt man ja. Aufgrund dieser Skepsis habe ich dem Spiel zu seiner Premiere keine Minute gegönnt. Aber selbst wenn sich diese in Teilen bewahrheitet: Man kann einige spannende Stunden damit verbringen!

Kreative Echtzeitspannung

Egal ob man Magic: The Gathering spielt oder sich in anderen Sammelkarten-Universen tummelt: Normalerweise hat man genug Zeit für seinen nächsten Zug. Man kann gemütlich darüber grübeln, welche Kreaturen beschworen oder welche Zauber gewirkt werden. Jetzt stelle man sich vor, jemand würde Sanduhren an die Seite jeder Karte stellen, die sowohl das Aufladen von Mana als auch Monstern symbolisieren – und erst dann, wenn das letzte Körnchen durchgerieselt ist, schlägt der Drache  oder Eiszauber zu. Der Gegenspieler muss vorher kontern, sonst zählt der Schaden!

So ähnlich fühlt sich dieses Assassin’s Creed an, das nicht nur an der Oberfläche mit seinem edlen Artdesign punktet, sondern auch darunter mit seinem kreativen Ansatz. Die tickende Uhr bringt frischen Wind auf den Kartentisch, ohne dass hektisches Chaos entsteht: Man sitzt sich allerdings klassisch gegenüber und jeder hat einen Bereich zum Auslegen. Von einem 50 Karten starken Deck zieht man zufällig sechs auf die Hand, die nicht sofort beim Ausspielen, sondern erst mit der Zeit wirken. Und man hat immer alles im Blick: Auf jeder Karte läuft ein silberner Balken von oben nach unten, der langsam das gezeichnete Renaissance-Motiv (es geht um Bilder aus dem zweiten Teil sowie Brotherhood) entblättert und es irgendwann vollständig enthüllt – sehr ansehnlich.

Zwei von drei Gebieten beherrschen

Sieht kompliziert aus, ist es aber nicht: Die roten Pfeile deuten an, wo sich ein Konter oder eine Aktion auswirkt.
Sieht kompliziert aus, ist es aber nicht: Die roten Pfeile deuten an, wo sich ein Konter oder eine Aktion auswirkt.
Und erst dann schlägt der Pikenier, Söldner oder Dieb zu; erst dann zählen Städte, Tempel oder Burgen. Aber nicht nur einzelne Karten, auch die Runde als solche läuft zeitlich begrenzt ab: Ein vertikaler Schweif zieht langsam von links nach rechts über den Schirm - und bei jedem Durchlauf eines so simulierten Tages bekommt man quasi Mana aka Gold gut geschrieben, um eine weitere Karte zu kaufen und zu legen. Man kann also auch Gold sparen, um teurere und schlagfertigere Karten einzusetzen. Aber kann man sich diese Zeit lassen, wenn der Gegner kleine Nadelstiche setzt? Wie in anderen Sammelkarten-Spielen geht es hier ebenfalls um die geschickte Dosierung seiner Ausgaben und Attacken. Die Menge des Goldes kann man ebenfalls über Karten beeinflussen.

Aber die übergeordnete Strategie weicht angenehm von bekannten Mechanismen ab. Ziel des Spiels ist es, in zwei von drei nebeneinander angelegten Gebieten des Spielfeldes zuerst zehn Punkte zu erreichen – und für alle drei wird jeden Tag der aktuelle Stand addiert. Auf diese Gebiete kann z.B. jeweils ein Ort gelegt werden, der nach seinem Bau jede Runde vielleicht zwei Punkte einbringt. Bleibt dieser also fünf Runden aktiv, hätte man in diesem Gebiet die zehn Punkte erreicht. Zieht man einen besseren vom Stapel, kann man ihn ersetzen: Ein Galgen bringt z.B. einen, eine Borgia-Mine zwei, eine Kaserne immerhin vier, aber erst ein Ort wie San Gimignano satte acht Punkte  – und es gibt noch bessere unter den 280 Karten, die sich grob in Stätte, Agenten und Aktionen aufteilen .

Clever kontern und abwarten

In zwei von drei Gebieten muss man über Orte, Agenten und Aktionen einen Einfluss von zehn Punkten erreichen.
In zwei von drei Gebieten muss man über Orte, Agenten und Aktionen einen Einfluss von zehn Punkten erreichen.
In den Gebieten können auch bis zu zwei Agenten oder Aktionen bzw. Spezialfähigkeiten wirken, bei denen die Zeit übrigens viel schneller abläuft, damit sie auch Karten beeinflussen können, die schon etwas länger ausliegen. Eine nützliche Fähigkeit des Mediziners ist z.B., dass er gerade ausgelegte Orte wieder auf die Hand des Gegners verbannt – ihn kann man also als Konter spielen, wenn der Gegner gerade eine mächtige Stätte baut. Aber nicht nur statische Orte tragen zum Sieg bei. Falls der Gegner dort einen Söldner auslegt, der drei Punkte einbringt, wird dieser natürlich früher die zehn Punkte knacken. Und falls er neben diesem noch einen mit zwei Punkten platziert, hat er noch früher gewonnen!

Was tun? Schnell reagieren! Oder sich taktisch an diesem Platz zurückhalten, denn es wird ja gleichzeitig in drei Gebieten gekämpft. Vielleicht wäre es klüger, sich auf zwei zu konzentrieren? Aber was legt man dort am besten aus? Und natürlich zieht man nicht immer das, was man braucht – das ist der Glücksfaktor, den es auch in anderen Sammelkartenspielen gibt. Hier ist allerdings das Problem, dass die Decks mit fünfzig Karten zu groß sind, denn man braucht mehr als die Hälfte gar nicht, weil das Spiel zu schnell vorbei ist. Es ist also knifflig, spezialisierte Decks auch wirklich effizient einzusetzen, selbst wenn man mehrfach Karten einer Sorte dort einbaut. Hinzu kommt, dass zu wenig Karten das Nachziehen ermöglichen: manchmal hat man eine Menge Gold, aber kann

Manche Karten haben auf ihrer Rückseite spezielle Fähigkeiten.
Manche Karten haben auf ihrer Rückseite spezielle Fähigkeiten.
gerade mal eine kleine Karte kaufen – hier wirkt die Balance zwischen Energie und Ertrag nicht immer optimal.

Trotzdem entwickelt sich im Story-Modus ein spannendes Lege-, Kampf- und Konterspiel, denn man kann Stätten über Spezialfähigkeiten zerstören, Agenten noch vor der Auslage meucheln oder Ereignisse neutralisieren – das machtpolitische Hin und Her der Renaissance wird hier in den 20 Missionen sehr gut abgebildet. Schön ist, dass man die Karten drehen kann und dort ihre besonderen Talente entdeckt. Man hat auch meist die Wahl, ob man einen Feind direkt blockt oder ihn ignoriert und selber angreift. Bei Ersterem wirkt das übliche Prinzip von Angriff und Verteidigung: Ein einfacher Pikenier hat 1/1, schlägt also mit einem Punkt zu und hat selbst nur einen Punkt Lebenskraft. Legt man ihm gegenüber einen Milizkapitän mit 3/3 wird der Pikenier sterben und auf dem Ablagestapel landen – trotzdem kann man ähnlich wie in Magic mit schwachen Figuren auch starke so blocken, dass sie keinen effizienten Schaden anrichten.

Der Zwang zum Kauf

Man kann mehrere Decks anlegen und speichern, die Karten sortieren und leicht tauschen.
Man kann mehrere Decks anlegen und speichern, die Karten sortieren und leicht tauschen.
Leider hat der ganze Spaß einen gewichtigen Nachteil: Irgendwann muss man Karten dazu kaufen, um die Kampagne für Solisten erfolgreich zu beenden – denn ohne Spezialkarten hat man kaum eine Chance, die Reise von Barcelona bis nach Konstantinopel zu beenden. und das ist verdammt frustrierend. Es ist zwar löblich, dass man auch im Spiel gesammelte Animus-Credits im Shop einlösen kann, aber da kommt man gerade mal auf ein paar hundert, bevor der Schwierigkeitsgrad in Italien weiteren Siegen einen Riegel vorschiebt, denn nur für diese sammelt man sie. Es gibt keinen separaten Kampf gegen die KI, damit man sich nebenbei weitere Credits erarbeiten kann und auch in Online-Matches steht man als Anfänger mit einem rudimentären Deck sehr schnell ohne Chance da. Also wird man in den Shop gezwungen - und zwar viel zu früh.

Das günstigste Kartenpaket fängt bei 100 Credits an. Dafür bekommt man gerade mal zwölf Karten, die auch noch in alter Boostermanier neben einer seltenen und drei ungewöhnlichen acht häufige, also evtl. viele doppelte Karten beinhalten – man wird also die Katze im Sack kaufen, zumal es kein Auktionshaus zum direkten Tausch gibt. Sehr ärgerlich! Der einzige Ausweg: Credits im Shop kaufen.

Viele Doppelte, wenig Durchblick

Leider wird man zu schnell zum Kartenkauf gezwungen. Und man weiß nie, was sich in einem Paket verbirgt.
Leider wird man zu schnell zum Kartenkauf gezwungen. Und man weiß nie, was sich in einem Paket mit den zwölf Karten für je 100, 500 oder 900 Credits verbirgt. Hier die Preise für Credits: 2750 = 3,99 Euro; 1050 = 1,59 Euro;  500 = 0,79 Euro; 11500 = 15,99 Euro; 30000 = 39,99 Euro.
Wer 0,79 Cent investiert, bekommt 500 Credits und kann dafür immerhin fünf Templer-Pakete erwerben, also 60 Karten. Die wirklich guten Karten finden sich im Assassinen-Paket, das mit 900 Credits zu Buche schlägt. Angesichts der Tatsache, dass das Spiel mittlerweile kostenlos erhältlich ist und viel Qualität anbietet, kann man das zwar verschmerzen. Aber es wäre wesentlich motivierender gewesen, wenn man mit einem einmalig kostenpflichtigen Spiel zumindest einen Großteil der Karten hätte freispielen können, um die Kampagne zu meistern. Dann hätte man für ganz seltene Karten zusätzlich Pakete anbieten können.

Außerdem nervt es, dass man bei der Zusammenstellung seiner Decks (man kann mehrere speichern) noch beschränkt wird: Man darf nicht alle Arten an Karten wild durcheinander werfen, sondern muss sich an thematische Beschränkungen, z.B. maximal zwei Expertisen halten, sonst ist das Deck ungültig. Hier ist das ansonsten sehr vorbildlich über Hilfe und Tutorialphasen strukturierte Spiel nicht informativ genug: Die faulen Karten müssten umgehend angezeigt werden, damit man sie nicht umständlich suchen muss.

Fazit

Das ist eines der besten Sammelkarten-Spiele im AppStore! Dieses Assassin’s Creed punktet nicht nur an der Oberfläche mit seinem edlen Artdesign, sondern auch darunter mit seinem kreativen Ansatz. Die tickende Uhr bringt frischen Echtzeitwind auf den Kartentisch, ohne dass hektisches Chaos entsteht. Außerdem überzeugt das System mit drei möglichen Sieggebieten und cleveren Kontern. Bis hierher wäre fast Gold möglich, aber zum einen nagt das viel zu große Deck an der Motivation: Manchmal braucht man nur zwölf von den fünfzig Karten oder man sitzt mit zu viel Gold auf einer - es fehlen mehr Nachziehaktionen. Zum anderen wird man schon in der Kampagne zum Kartenkauf genötigt: Man kann sie quasi nicht ohne Zukäufe abschließen, wird immer wieder von Niederlagen frustriert und damit viel zu früh in den Shop gedrängt. Dort nervt das veraltete Boostersystem, mit dem man viele Nieten erwirbt, zumal man seine Decks nicht komplett frei gestalten kann. Und warum gibt es kein Auktionshaus, wo man gezielt Karten suchen kann? Trotz dieser ärgerlichen Defizite kann ich diese App empfehlen, zumal sie mittlerweile gratis erhältlich ist und innerhalb des Genres ein frisches Spielprinzip etabliert.

Wertung

iPad

Das ist im Ansatz eines der besten Sammelkarten-Spiele für das iPad! Aber der Zwang zum Kartenkauf kommt viel zu früh...

iPhone

Auf dem iPhone hatten wir zu viele Abstürze, deshalb gibt es Abzüge.

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