Im Test:
Omer-was?
Wenn das Spiel in Atlantic City angesiedelt ist, wieso heißt es dann "Omerta – City of Gangsters"? Nun, Omerta kennzeichnet einen Ehrencodex, der in erster Linie mit der italienischen Mafia in Verbindung gebracht wird. Er beinhaltet Verschwiegenheit, verbietet kategorisch die Zusammenarbeit mit Behörden und betont die Nichteinmischung in die (legalen wie illegalen) Angelegenheiten anderer. Das geht sogar so weit, dass man ggf. Bestrafungen für Taten auf sich nimmt, die man gar nicht begangen hat - das Verpfeifen des eigentlichen Täters wäre ein Verstoß gegen Omerta. Und diese Verstöße werden normalerweise mit dem Tod geahndet. Wer Filme wie Der Pate oder Goodfellas bzw. Serien wie Die Sopranos oder jüngst Boardwalk Empire gesehen hat, weiß, worum es geht.
Mit diesem Hintergrund hat sich Haemimont Games (Tropico-Serie) an ein Strategiespiel mit Gangsterflair gewagt. Angesiedelt in Atlantic City (quasi das amerikanische Ostküsten-Las Vegas) in der Zeit der Prohibition versucht man sich als frisch immigrierter Kleingangster nach oben zu arbeiten und die Kontrolle über die Stadt zu übernehmen. Dabei befindet man sich in der für Wirtschafts- bzw. Aufbausimulationen typischen isometrischen Draufsicht auf die Stadt, genauer gesagt: den Stadtteil, da man in relativ kleinen Gebieten unterwegs ist. Um sämtlichen Perspektiven-Problemen aus dem Weg zu gehen, bzw. immer einen guten Blick auf die zweckmäßige, aber letztlich wenig stimmungsvolle sowie letztlich bis auf wenige Wahrzeichen austauschbare Kulisse zu haben, kann man die Kamera zoomen und schwenken, während im Hintergrund Jazzmusik dudelt. So weit, so okay.
Vom Kleingangster zum Paten
Klappt alles nach Plan, tauchen die „Infos“ als neu markierte Häuser auf der Karte auf. Dazu gehören Gebäude, die man kaufen kann, um z.B. eine Brauerei zur Bierherstellung oder eine Destille zu installieren, Geschäftsräume, um die hergestellten Waren an den Mann zu bringen, aber auch Räumlichkeiten, die hier und dort für positive Effekte sorgen. Von Zeit zu Zeit werden auch die Wohnsitze von hohen Beamten, Polizisten oder lokalen Berühmtheiten sichtbar, die man ebenfalls für seine Zwecke nutzen kann. Ein bestochener Polizist kann einem z.B. später aus der Patsche helfen. Den Vize-Bürgermeister in eine kompromittierende Situation zu bringen, ist ebenfalls nützlich. Und wenn man mit einer Berühmtheit gesehen wird, steigt die Beliebtheit seiner Figur. Die Möglichkeiten wirken auf den ersten Blick facettenreich, doch stoßen durch ständige Wiederholung und ein quasi nicht vorhandenes Anforderungsniveau sehr schnell an ihre Grenzen.
Eintönige Missionen
Mit wechselnden Missionszielen, die von "Erkunde das Viertel" über "Erwirtschafte X Dollar" und "Finde X Hinweise auf die konkurrierende Gang" bis hin zu "Befreie Person X aus den Klauen der Feinde" reichen, soll für Abwechslung gesorgt werden, doch letztlich läuft alles auf Schema F hinaus: Gehe zu den Informanten, kaufe oder miete Gebäude, setze einen Wirtschaftskreislauf auf, verdiene zweierlei Geld (legal, illegal), gehe zu weiteren Informanten, kaufe und miete weitere Häuser und erreiche so die wirtschaftlichen Missionsziele.
Das Problem: Man hat schnell ein paar Kreisläufe innerhalb der wenigen Möglichkeiten herausgefunden, die mal mehr, mal weniger schnell, aber auf jeden Fall kontinuierlich Geld in die Kasse spülen. Zusätzlich erleichtert wird das Erwirtschaften durch das Fehlen jeglicher Konkurrenz sowie vollkommen vernachlässigbarer Auswirkungen von Aktionen.
Da man nach und nach weitere Mitglieder in seine Gang aufnimmt, die man für die üblichen Aufgaben wie Häuserkauf einspannen kann, deren Eigenschaften aber keinerlei Auswirkung auf das Ergebnis haben, kann man beinahe im Blindflug durch die Gebiete cruisen. Dementsprechend ist der wirtschaftliche bzw. Aufbauaspekt, den man auch im separaten Sandkasten-Modus ausleben kann und der noch schonungsloser die Schwächen der Gangsterwirtschaft aufzeigt, eine Enttäuschung. Und das, obwohl man mit den letzten Tropicos doch bewiesen hat, dass man komplexe Kreisläufe aufbauen kann.
Gangster-XCOM?
Glücklicherweise gibt es aber nicht nur den friedlichen Aufbau. Was wäre ein Gangster ohne die gewaltsame und häufig bleihaltige Auseinandersetzung mit seinen Widersachern? Abgesehen davon, dass ich mich frage, wieso ich mich in den eingeschobenen rundenbasierten Gefechten Gegnern ausgesetzt sehe, die sich ansonsten aber einen feuchten Kehricht darum zu kümmern scheinen, was ich in ihrem Gebiet anstelle, läuft auch hier nicht alles rund. Denn nur ein paar Monate, nachdem XCOM Enemy Unknown rundherum gelungene Rundenstrategie auf PC und Konsole abgeliefert hat, wirken die Schießereien hier oberflächlich und bar jeglichen KI-Tiefgangs.
Da stimmt was nicht
Überhaupt ist das Deckungssystem sehr wankelmütig. Denn Sicherheit ist nur dort gewährleistet, wo die Entwickler es vorgesehen und einprogrammiert haben. Wenn man in XCOM hinter einem Auto Deckung sucht, kann man sich prinzipiell an jeder Stelle positionieren. In Omerta gibt es in dieser Situation vielleicht vier Orte (einer an jedem Kotflügel), die Schutz gewährleisten - wobei dieses Phänomen bei allen Objekten zu beobachten ist: Ein Türrahmen bietet Deckung, die daran angrenzende Wand oder das Regal, das im rechten Winkel zu dieser Wand steht, zählt jedoch nicht.
Doch da die KI sich nicht von ihrer hellsten Seite zeigt, kann man das System auch zu seinen Gunsten nutzen, so dass sich wenigstens eine gewisse Befriedigung niedriger Instinkte einstellt, wenn man die zahlenmäßig überlegene Gegnertruppe ausblutend auf dem Asphalt zurück lässt.
Fazit
Die Tropico-Macher arbeiten an einem Gangsterspiel? Mit rundenbasierten Kämpfen à la XCOM? Cool! Doch meine Freude währte nicht lang. Was anfänglich nach einer todsicheren und gewinnbringenden Kombination aussah, wird schnell zu einem redundanten und langweiligen Anhäufen von Geld im Wirtschaftsteil auf der einen sowie leidlich spannenden Rundenkämpfen mit einem vollkommen inkonsequenten Deckungssystem auf der anderen Seite. Zwar spielt die Technik bei Titeln dieser Art nur eine untergeordnete Rolle, doch die Oberflächlichkeit, die sich durch das komplette Spieldesign zieht, findet sich auch in der Kulisse: Nicht wirklich hässlich, aber auch weit davon entfernt, Titeln wie Anno 2070 oder XCOM auch nur ansatzweise gefährlich werden zu können, wirken die kleinen Abschnitte austauschbar und verströmen nur in Ansätzen die Atmosphäre, die Atlantic City als Schauplatz potenziell zur Verfügung steht. Wer wie ich auf ein spielbares „Boardwalk Empire“ mit spannenden Rundenkämpfen und Auseinandersetzungen um Gebiete hoffte, das einen ähnlichen Tiefgang oder zumindest wirtschaftliche Zusammenhänge à la Tropico bietet, muss weiter suchen. Haemimont hat diese Chance nicht genutzt.
Pro
Kontra
Wertung
360
Inhaltlich identisch sorgt ein übler Soundbug für zusätzliche Abzüge bei dieser belanglosen und spannungsarmen Gangster-Strategie.
PC
Das Konzept klingt viel versprechend, doch am Ende steht oberflächliche belanglose Strategie, die zu selten Gangster-Flair verströmt.
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