Omerta: City of Gangsters08.02.2013, Mathias Oertel
Omerta: City of Gangsters

Im Test:

Die Tropico-Macher von Haemimont werden kriminell: Nachdem man jahrelang als Diktator die Geschicke eines Inselstaates gelenkt hat, darf man sich nun als Gangster in Atlantic City in der Zeit der Prohibition versuchen. Wartet hier spannende Aufbaustrategie mit Mafiaflair à la Boardwalk Empire oder wird die ganze kriminelle Energie verpulvert?

Omer-was?

Wenn das Spiel in Atlantic City angesiedelt ist, wieso heißt es dann "Omerta – City of Gangsters"? Nun, Omerta kennzeichnet einen Ehrencodex, der in erster Linie mit der italienischen Mafia in Verbindung gebracht wird. Er beinhaltet Verschwiegenheit, verbietet kategorisch die Zusammenarbeit mit Behörden und betont die Nichteinmischung in die (legalen wie illegalen) Angelegenheiten anderer. Das geht sogar so weit, dass man ggf. Bestrafungen für Taten auf sich nimmt, die man gar nicht begangen hat - das Verpfeifen des eigentlichen Täters wäre ein Verstoß gegen Omerta. Und diese Verstöße werden normalerweise mit dem Tod geahndet. Wer Filme wie Der Pate oder Goodfellas bzw. Serien wie Die Sopranos oder jüngst Boardwalk Empire gesehen hat, weiß, worum es geht.

Mit diesem Hintergrund hat sich Haemimont Games (Tropico-Serie) an ein Strategiespiel mit Gangsterflair gewagt. Angesiedelt in Atlantic City (quasi das amerikanische Ostküsten-Las Vegas) in der Zeit der Prohibition versucht man sich als frisch immigrierter Kleingangster nach oben zu arbeiten und die Kontrolle über die Stadt zu übernehmen. Dabei befindet man sich in der für Wirtschafts- bzw. Aufbausimulationen typischen isometrischen Draufsicht auf die Stadt, genauer gesagt: den Stadtteil, da man in relativ kleinen Gebieten unterwegs ist. Um sämtlichen Perspektiven-Problemen aus dem Weg zu gehen, bzw. immer einen guten Blick auf die zweckmäßige, aber letztlich wenig stimmungsvolle sowie letztlich bis auf wenige Wahrzeichen austauschbare Kulisse zu haben, kann man die Kamera zoomen und schwenken, während im Hintergrund Jazzmusik dudelt. So weit, so okay.

Vom Kleingangster zum Paten

Dies sollen die Straßen in Atlantic City sein, könnten aber auch aus jeder anderen amerikanischen Stadt jener Epoche stammen - die Kulisse wirkt oberflächlich und austauschbar.
Dies sollen die Straßen in Atlantic City sein, könnten aber auch aus jeder anderen amerikanischen Stadt jener Epoche stammen - die Kulisse wirkt oberflächlich und austauschbar.
Um seinen Einfluss zu erweitern, illegal (und legal) Geld zu verdienen und so nach und nach zum Gangster-Mogul zu werden, hat man zahlreiche Optionen. Doch zuerst sollte man bei den zur Verfügung stehenden Informanten Auskünfte einholen. Das läuft folgendermaßen ab: Man markiert das entsprechend gekennzeichnete Gebäude und hat eine Auswahl, wie man an die Infos kommt. Zumeist ist dafür bare Münze nötig, aber es kann auch sein, dass man mit Alkohol seine Zunge lösen muss oder per Bedrohung die Gesprächsbereitschaft fördert. Allerdings zeigt sich hier schon die erste der vielen Oberflächlichkeiten, denn letztlich ist dies nur eine Erweiterung des überschaubaren Ressourcen-Managements. Hat man fünf Schnapsflaschen oder zehn Biere zur Verfügung bzw. fünf Schusswaffen zur Bedrohung, werden die Informationen preisgegeben, ansonsten schaut man in die Röhre und muss sich die Rohstoffe kaufen, sie produzieren oder klauen.

Klappt alles nach Plan, tauchen die „Infos“ als neu markierte Häuser auf der Karte auf. Dazu gehören Gebäude, die man kaufen kann, um z.B. eine Brauerei zur Bierherstellung oder eine Destille zu installieren, Geschäftsräume, um die hergestellten Waren an den Mann zu bringen, aber auch Räumlichkeiten, die hier und dort für positive Effekte sorgen. Von Zeit zu Zeit werden auch die Wohnsitze von hohen Beamten, Polizisten oder lokalen Berühmtheiten sichtbar, die man ebenfalls für seine Zwecke nutzen kann. Ein bestochener Polizist kann einem z.B. später aus der Patsche helfen. Den Vize-Bürgermeister in eine kompromittierende Situation zu bringen, ist ebenfalls nützlich. Und wenn man mit einer Berühmtheit gesehen wird, steigt die Beliebtheit seiner Figur. Die Möglichkeiten wirken auf den ersten Blick facettenreich, doch stoßen durch ständige Wiederholung und ein quasi nicht vorhandenes Anforderungsniveau sehr schnell an ihre Grenzen.

XCOM für Gangster? Leider nein!
XCOM für Gangster? Leider nein!
Es gibt zwar rudimentäre Zusammenhänge, so etwa wenn ein CPU-gesteuerter Brauerei-Betreiber einem positiv gesinnt ist, wenn man eine Kaschemme eröffnet oder wenn ein Politiker seine Einstellung von freundlich zu neutral ändert, weil man wieder ein Lagerhaus in dem Viertel überfallen hat. Doch die Verbindungen und Wechselwirkungen sind unheimlich schnell durchschaut.

Eintönige Missionen

Mit wechselnden Missionszielen, die von "Erkunde das Viertel" über "Erwirtschafte X Dollar" und "Finde X Hinweise auf die konkurrierende Gang" bis hin zu "Befreie Person X aus den Klauen der Feinde" reichen, soll für Abwechslung gesorgt werden, doch letztlich läuft alles auf Schema F hinaus: Gehe zu den Informanten, kaufe oder miete Gebäude, setze einen Wirtschaftskreislauf auf, verdiene zweierlei Geld (legal, illegal), gehe zu weiteren Informanten, kaufe und miete weitere Häuser und erreiche so die wirtschaftlichen Missionsziele.

Das Problem: Man hat schnell ein paar Kreisläufe innerhalb der wenigen Möglichkeiten herausgefunden, die mal mehr, mal weniger schnell, aber auf jeden Fall kontinuierlich Geld in die Kasse spülen. Zusätzlich erleichtert wird das Erwirtschaften durch das Fehlen jeglicher Konkurrenz sowie vollkommen vernachlässigbarer Auswirkungen von Aktionen.

Markante Wahrzeichen findet man auf den kleinen Karten zu selten - alles wirkt austauschbar.
Markante Wahrzeichen findet man auf den kleinen Karten zu selten - alles wirkt austauschbar.
Es gibt keine Reaktionen der Bevölkerung, die sich nachteilig auswirken. Auch gegnerische Gangs, die mit einem um Bezirke streiten, sucht man vergeblich. Selbst die stetig steigende Aufmerksamkeit der Polizei bei illegalen Aktionen, die irgendwann in einer Razzia gipfelt, kann man lachend beiseite wischen. Denn entweder nutzt man einen der privat geschmierten Cops (entspricht quasi der "Du kommst aus dem Gefängnis frei"-Karte bei Monopoly) oder besticht die Hüter des Gesetzes direkt. Der Betrag steigt zwar jedes Mal, wenn es zu einer Razzia kommt, aber wenn man sich nur halbwegs clever anstellt, hat man zum jeweiligen Zeitpunkt bereits ein Vielfaches dieser Summe eingenommen.

Da man nach und nach weitere Mitglieder in seine Gang aufnimmt, die man für die üblichen Aufgaben wie Häuserkauf einspannen kann, deren Eigenschaften aber keinerlei Auswirkung auf das Ergebnis haben, kann man beinahe im Blindflug durch die Gebiete cruisen. Dementsprechend ist der wirtschaftliche bzw. Aufbauaspekt, den man auch im separaten Sandkasten-Modus ausleben kann und der noch schonungsloser die Schwächen der Gangsterwirtschaft aufzeigt, eine Enttäuschung. Und das, obwohl man mit den letzten Tropicos doch bewiesen hat, dass man komplexe Kreisläufe aufbauen kann.

Gangster-XCOM?

Glücklicherweise gibt es aber nicht nur den friedlichen Aufbau. Was wäre ein Gangster ohne die gewaltsame und häufig bleihaltige Auseinandersetzung mit seinen Widersachern? Abgesehen davon, dass ich mich frage, wieso ich mich in den eingeschobenen rundenbasierten Gefechten Gegnern ausgesetzt sehe, die sich ansonsten aber einen feuchten Kehricht darum zu kümmern scheinen, was ich in ihrem Gebiet anstelle, läuft auch hier nicht alles rund. Denn nur ein paar Monate, nachdem XCOM Enemy Unknown rundherum gelungene Rundenstrategie auf PC und Konsole abgeliefert hat, wirken die Schießereien hier oberflächlich und bar jeglichen KI-Tiefgangs.

Bedingt durch das willkürlich scheinende Deckungssystem werden die grundsätzlich spannenden Rundengefechte entwertet.
Bedingt durch das willkürlich scheinende Deckungssystem werden die grundsätzlich spannenden Rundengefechte entwertet.
Mit Sichtlinien, die mitunter zu penibel beachtet werden müssen, dynamischem Kriegsnebel, einem Deckungssystem mit zerstörbaren Objekten sowie "Friendly Fire", so dass man z.B. bei Schrotflinten aufpassen muss, dass kein Kumpan im Schusskegel steht, wird ein interessantes mechanisches Fundament gegossen. Diese Grundlage ist es auch, die nicht nur die Gefechte, sondern Omerta als Ganzes vor dem Absturz rettet - grundsätzlich kommt Spannung auf. Allerdings finden sich auch immer wieder Inkonsequenzen, die einem den Spaß verleiden. Und damit meine ich nicht die unrealistische Trefferchancen-Relation von z.B. Pumpgun und Revolver, die selbst auf mittlere Entfernung zu Gunsten der Schrotflinte ausfällt. Doch das Deckungssystem funktioniert hinten und vorne nicht. Und das nicht nur, weil es keine Möglichkeit gibt, seine Figur manuell "in Deckung gehen" zu lassen - es reicht, am Ende des Zuges am richtigen Punkt zu stehen, damit dieser als Deckung anerkannt und berechnet wird. Das geht sogar so weit, dass ein Gegner direkt vor einem meiner Schergen steht und schießt (oder schlägt) und das Ergebnis aber dennoch mit komplettem Deckungsschutz ausgewürfelt wird. Anders kann ich mir nicht erklären, dass ein Schuss aus nächster Nähe nur 45-prozentige Erfolgsaussichten hat. Oder handelt es sich bei dem Schützen um Joe "Two-Blind-Eyes" Castellano?

Da stimmt was nicht

Überhaupt ist das Deckungssystem sehr wankelmütig. Denn Sicherheit ist nur dort gewährleistet, wo die Entwickler es vorgesehen und einprogrammiert haben. Wenn man in XCOM hinter einem Auto Deckung sucht, kann man sich prinzipiell an jeder Stelle positionieren. In Omerta gibt es in dieser Situation vielleicht vier Orte (einer an jedem Kotflügel), die Schutz gewährleisten - wobei dieses Phänomen bei allen Objekten zu beobachten ist: Ein Türrahmen bietet Deckung, die daran angrenzende Wand oder das Regal, das im rechten Winkel zu dieser Wand steht, zählt jedoch nicht.

Doch da die KI sich nicht von ihrer hellsten Seite zeigt, kann man das System auch zu seinen Gunsten nutzen, so dass sich wenigstens eine gewisse Befriedigung niedriger Instinkte einstellt, wenn man die zahlenmäßig überlegene Gegnertruppe ausblutend auf dem Asphalt zurück lässt.

Auch Tag-/Nachtwechsel sowie wechselnde Wetterverhältnisse lassen keine Stimmung aufkommen.
Auch Tag-/Nachtwechsel sowie wechselnde Wetterverhältnisse lassen keine Stimmung aufkommen.
Unterschiede zwischen den Versionen halten sich in Grenzen. Naturgemäß bietet der PC die schönere sowie höher aufgelöste Kulisse mit aufwändigeren Effekten, wobei ich Schwierigkeiten habe, den Begriff "schön" mit den zumeist sterilen Stadtteilen in Verbindung zu bringen. Zudem wird die Konsolenfassung immer wieder von Tearing geplagt, was jedoch angesichts eines nervtötenden Soundbugs zu einer Nebensache wird, der mir am PC auch nicht begegnet ist. Immer wieder springt der Jazz-Soundtrack wie eine kaputte Schallplatte. Als Stilmittel mit entsprechend verkratzt klingendem Vinyl könnte ich das ja noch verstehen und würde vielleicht lobend jubeln. So aber musste ich die Musik wegen erhöhter Aggro-Gefahr leider herunterpegeln - was sich auch nicht als vorteilhaft erwiesen hat, da dann sowohl die schwachen Umgebungsgeräusche als auch die leicht unterdurchschnittliche Lokalisierung unvorteilhafte Beachtung finden.

Fazit

Die Tropico-Macher arbeiten an einem Gangsterspiel? Mit rundenbasierten Kämpfen à la XCOM? Cool! Doch meine Freude währte nicht lang. Was anfänglich nach einer todsicheren und gewinnbringenden Kombination aussah, wird schnell zu einem redundanten und langweiligen Anhäufen von Geld im Wirtschaftsteil auf der einen sowie leidlich spannenden Rundenkämpfen mit einem vollkommen inkonsequenten Deckungssystem auf der anderen Seite. Zwar spielt die Technik bei Titeln dieser Art nur eine untergeordnete Rolle, doch die Oberflächlichkeit, die sich durch das komplette Spieldesign zieht, findet sich auch in der Kulisse: Nicht wirklich hässlich, aber auch weit davon entfernt, Titeln wie Anno 2070 oder XCOM auch nur ansatzweise gefährlich werden zu können, wirken die kleinen Abschnitte austauschbar und verströmen nur in Ansätzen die Atmosphäre, die Atlantic City als Schauplatz potenziell zur Verfügung steht. Wer wie ich auf ein spielbares „Boardwalk Empire“ mit spannenden Rundenkämpfen und Auseinandersetzungen um Gebiete hoffte, das einen ähnlichen Tiefgang oder zumindest wirtschaftliche Zusammenhänge à la Tropico bietet, muss weiter suchen. Haemimont hat diese Chance nicht genutzt.

Pro

weitgehend unverbrauchtes Szenario
Figuren mit aufrüstbaren Eigenschaften...
Mischung aus Wirtschaft/Aufbau und Rundenkämpfen
Sichtlinien in Kämpfen
passable Kulisse
zerstörbare Deckung
Aufbau einer schlagkräftigen Gang

Kontra

oberflächliches, leicht zu durchschauendes Wirtschaftssystem
... die aber nur oberflächlich eine Rolle spielen
unlogisches sowie inkonsequentes Deckungssystem
schwache KI
keinerlei Herausforderung im Wirtschaftsbereich
gleichförmiger Spielablauf
spaßfreier Sandkasten-Modus
Soundbug bei Musikausgabe (360)
schwache Präsentation

Wertung

360

Inhaltlich identisch sorgt ein übler Soundbug für zusätzliche Abzüge bei dieser belanglosen und spannungsarmen Gangster-Strategie.

PC

Das Konzept klingt viel versprechend, doch am Ende steht oberflächliche belanglose Strategie, die zu selten Gangster-Flair verströmt.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.