Datura08.05.2012, Jens Bischoff
Datura

Im Test:

Datura ist der botanische Name für die Pflanzengattung der Stechäpfel, deren natürlichen Gifte neben ihrer medizinischen Verwendung auch als starkes, kaum kontrollierbares Rauschmittel gelten. Doch wie berauschend ist das gleichnamige Werk der polnischen Pixelkünstler?

Spiel oder Film

Nach Linger in Shadows ist Datura bereits das zweite PS3-Projekt der polnischen Demogruppe Plastic. Doch auch wenn man sich dieses Mal noch weiter von einer reinen Grafikdemo entfernt hat und sogar freie Bewegungen erlaubt, kommt man sich einfach nicht wie in einem Spiel vor. Vielmehr spaziert man wie in einem interaktiven Film von Szene zu Szene, befolgt simple Anweisungen und trifft die ein oder andere Entscheidung.

Es gibt zwar typische Spielelemente wie Erkundung und Hindernisbewältigung, aber die wahlweise auch in stereoskopischem 3D begehbaren Schauplätze sind mickrig, die dort zu findenden Aufgaben banal: Man schlurft gemächlich durchs Unterholz und wird regelmäßig auf in der Nähe befindliche Interaktionsmöglichkeiten hingewiesen. Drückt man die angezeigte Taste, folgen weitere Anweisungen, die man so lange befolgt bis man einen wichtigen Gegenstand erlangt oder ein entsprechendes Ereignis ausgelöst hat.

Böses Erwachen

Dabei fing alles so viel versprechend an: Man kommt in einem Krankenwagen zu sich, wird Zeuge hektischer Reanimationsversuche, verliert das Bewusstsein und findet sich plötzlich

Auch wenn der nebelverhangene Wald endlos erscheint, gibt es nur wenig zu entdecken.
Auch wenn der Nebel verhangene Wald endlos erscheint, gibt es nur wenig zu entdecken.
in einem herbstlichen Waldstück wieder, wo man eine Reihe bizarrer Situationen durchlebt: Man streichelt Birken, um eine Landkarte anzufertigen, fällt in Brunnen, die Kindheitserinnerungen wecken oder flüchtet vor schießwütigen Obstbauern, deren Bäume mehr Fallen als Früchte tragen.

Das erinnert im Ansatz durchaus an große Vorbilder wie Alice, Myst oder Silent Hill, letztendlich folgt man aber nur vorgegebenen Wegen, äfft eingeblendete Aktionen nach und entscheidet sich gelegentlich zwischen zwei mehr oder weniger offensichtlichen Handlungen. Und hier sind zwei Dinge wichtig: Die durchaus harten Konsequenzen lassen einen anders als in Heavy Rain erstaunlich kalt. Und ganz anders als in Dear Esther wird man auch nicht von einer mysteriösen Erzählung ergriffen. Hätte man vielleicht doch nicht auf sprachliche Mittel verzichten sollen?

Schnelles Ende

Ob man sich bei der Bedienung für Move- oder Sixaxis-Controller entscheidet, macht hingegen kaum einen Unterschied. Beides funktioniert generell recht ordentlich, kann einem aber auch ziemlich auf die Nerven gehen. Für das simple Entfernen dreier Holzlatten mit Hilfe einer Brechstange habe ich jedenfalls fast so lange gebraucht wie für

Für kurze Zeit darf man sogar hinter dem Steuer eines Wagens Platz nehmen.
Für kurze Zeit darf man sogar hinter dem Steuer eines Wagens Platz nehmen.
einen zweiten Durchgang des gesamten Spiels...

Und da sind wir auch schon beim nächsten Kritikpunkt: Die Spiellänge von gerade mal einer Stunde. Nichts gegen kurz und knackig, aber hier hatte man am Ende eher das Gefühl ein etwas längeres Tutorial bestritten zu haben. Auch wenn die Entwickler Datura absichtlich in etwa der Länge eines Films konzipiert haben, um eine Spielerfahrung ohne Unterbrechungen zu ermöglichen, hat man damit in meinen Augen mehr verschenkt als gewonnen.

Denn mickrige Spielwelt hin, banale Rätsel her, atmosphärisch hat Datura durchaus überzeugt und Lust auf mehr gemacht. Es scheint fast als hätten die Entwickler selbst lediglich an der Oberfläche eines Abenteuers gekratzt, das irgendwo unter dem Laub des Waldes vergraben liegt, aber leider unentdeckt blieb...

Fazit

Datura versagt in vielen Bereichen: Die Welt ist winzig, die Aktionsmöglichkeiten sind bescheiden, die Hindernisbewältigung ist banal, die Länge ist ein Witz und die Steuerung ist stellenweise eine echte Katastrophe - gerade Letzteres darf man sich bei so wenig Interaktion nicht erlauben. Trotzdem werden interessante Bilder gemalt, Stimmungen erzeugt und Entscheidungen verlangt. Aber selbst wenn es entfernte Ähnlichkeiten gibt: Das Erlebte hält einem Vergleich mit der emotionalen Dramatik eines Heavy Rain, mit der erzählerischen Poesie eines Dear Esther oder mit der hypnotischen Eleganz eines Journey nicht Stand - die qualitativen Unterschiede sind einfach zu groß. Unterm Strich bleibt ein experimenteller, nur halbwegs gelungener Spaziergang durch den Gedankenwald einer geplagten Psyche, die man gerne intuitiver, freier und tiefer durchforstet hätte...

Wertung

PlayStation3

Atmosphärisch interessanter, aber spielerisch banaler sowie extrem kurzer Waldspaziergang aus psychotischer Ego-Perspektive.

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