Merida - Legende der Highlands26.07.2012, Jan Wöbbeking
Merida - Legende der Highlands

Im Test:

Der Kinostart ist erst am 2. August, doch Computerspieler dürfen schon jetzt die Welt von Pixars Rotschopf Merida erkunden. Die Wahl der Plattformen wirkt konfus: In England gibt es das Spiel auch für PS3 und Xbox 360 (dort heißt es übrigens Brave), doch hierzulande veröffentlicht Disney nur die Fassungen für PC, Wii und DS.

Angriffslustiger Rotschopf

Meridas Dauerfeuer-Bogen wird nach und nach mit Element-Amuletten verstärkt.
Meridas Dauerfeuer-Bogen wird nach und nach mit Element-Amuletten verstärkt.
Auch die Wahl des Genres überrascht. Beim Blick auf das urige Highland-Szenario hatte ich sofort ein Rollenspiel oder Action-Adventure vor Augen, doch der kanadische Entwickler Behavior (Naughty Bear) hat sich für lineare Arcade-Action entschieden. Wie in einem Zweistick-Shooter laufe ich mit dem Rotschopf durch ein eng begrenztes Areal und erlege Unmengen von Harpien, Alraunen und Geisterwölfen mit meinem Bogen. Falls sie mir zu nah auf die Pelle rücken, kommt mein Schwert zum Einsatz, welches auf Knopfdruck einfache Hiebe ausführt. Der linke Stick des Controllers steuert Merida, der rechte die Zielrichtung des Dauerfeuer-Bogens. Ich kann auch mit der Maus zielen: Das klappt genau so gut, doch die Sprungsequenzen gingen mir mit dem Analogstick leichter von der Hand als mit der Tastatur. Der Anlass für die pausenlose Action heißt Mor’Du: Das finstere Wesen ist aus einem langen Schlaf erwacht und terrorisiert die idyllischen Highlands mit allerlei angriffslustigen Biestern.

Der Spielablauf und die Perspektive von schräg oben erinnern auf Anhieb an den Xbox-Starttitel Nightcaster. Auch die Technik erinnert an das zehn Jahre alte Spiel. Auf den ersten Blick wirkt sogar die PC-Version mit ihren kantigen Baumstümpfen und platten Rasentexturen erstaunlich hässlich. Doch wie an einem Retro-Abend hatte ich mich nach ein

Gegen diese Eisriesen helfen am besten Feuerpfeile.
Gegen diese Eisriesen helfen am besten Feuerpfeile.
paar Minuten an das eckige Design und die unscharfen Texturen gewöhnt - und dann entwickelten die Kulissen durchaus ihren Charme. An der Küste peitscht z.B. die rauschende Brandung gegen die Felsen und auch die schummrig beleuchteten Burgmauern passen gut ins Spiel. In den steinigen Festungen und vergifteten Sümpfen gibt es einige Abgründe zu überwinden. Zu Beginn sind die Hüpfpassagen viel zu einfach zu bezwingen. Nach einer Weile werden die Plattformen aber von Gegnern bevölkert – und dann wird es immerhin etwas anspruchsvoller.

Fast wie auf der Original-Xbox

Ähnlich wie in Nightcaster sind die Schattenwölfe, wandelnden Baumstümpfe und anderen Widersacher in vier Element-Klassen eingeteilt. Die großen Eismonster z.B. werden durch Feuerbälle deutlich schneller erlegt als durch Windkraft, welche wiederum stark gegen Steinriesen wirkt. Anders als in Nightcaster besitzt Merida keine neben ihr schwebende

Die Technik wirkt stark veraltet - trotzdem besitzen urige Kulissen wie diese Klippen ihren Charme.
Die Technik wirkt stark veraltet - trotzdem besitzen urige Kulissen wie diese Klippen ihren Charme.
Waffenkugel, daher fallen die Kämpfe etwas schlichter aus, machen aber meistens trotzdem Spaß. Lediglich die stumpfe KI und die geringe Zahl unterschiedlicher Gegner trüben die Freude am Metzeln. Etwa nach der Hälfte der rund fünf Stunden Spielzeit wird es also etwas eintönig.

Wer sich unterfordert fühlt, darf aber von Beginn an den moderaten Schwierigkeitsgrad erhöhen (oder auch senken). Außerdem sorgt das Einkaufen und Aufmotzen neuer Attacken für Abwechslung. All zu viele sind es aber nicht: Es gibt z.B. einen Bodenstampfer oder drei gleichzeitig abgeschossene Pfeile für einzelne Element-Amulette. Auch die Lebensenergie und andere Werte lassen sich durch eingesammelte Münzen erhöhen.

Bären-Attacke

Kein Ruhmesblatt für die Entwickler: Die ruckelnde Wii-Version.
Kein Ruhmesblatt für die Entwickler: Die ruckelnde Wii-Version.

Ab und zu schlüpfe ich außerdem in die Rolle von Meridas Familienmitgliedern, welche in Bären verwandelt wurden. Die drei kleine Brüdern lösen an Toren einfache Schalterrätsel und die große Mutter kann ähnlich wie in Michel Ancels King Kong kraftvoll zuschlagen. Besonders spannend sind die Bären-Einlagen zwar nicht, eine willkommene Abwechslung aber allemal. Wer möchte, kann auch mit einem Freund in den Kampf ziehen – allerdings nur lokal. Ein Knopfdruck auf einem zweiten Controller oder der Tastatur und schon kontrolliert der zweite Spieler ein blau glimmendes Irrlicht, welches die gleichen Angriffe beherrscht wie Merida.  Das Aussteigen klappt genau so unkompliziert. Auf Online-Funktionen verzichtet Disney aber komplett – nicht einmal Bestenlisten gibt es. Deutlich mehr ins Zeug gelegt haben die Entwickler sich bei der Soundkulisse.

Bei der deutschen Vertonung besitzt das Spiel sogar einen echten Vorteil: Anders als im Kinofilm gibt es keine Promi-Synchro. Statt von Norah Tschirner (Keinohrhasen) wird die Heldin hier von Anne Helm gesprochen. Die Synchronsprecherin lieh Merida bereits im Trailer ihre leicht heisere Stimme und passt deutlich besser zur Rolle der rebellischen Prinzessin. Zwischendurch kommentiert sie die Action mit selbstironischen Einwürfen wie „Immer dieses Rumgehüpfe!“ oder „Warum führe ich schon wieder Selbstgespräche?“ Für

Es geht noch hässlicher: Hier ein Blick auf die DS-Umsetzung.
Es geht noch hässlicher: Hier ein Blick auf die DS-Umsetzung.
eine gute Stimmung sorgt auch der Soundtrack. Die schwungvollen Stücke mit Gitarren- und Dudelsack-Einlagen schaffen es erstaunlich gut, von der veralteten Technik abzulenken. Zwischen den Levels wird die Geschichte nur mit vorgelesenen Bilderbuchseiten weitererzählt.

Sparmenü für Konsolenbesitzer

Die Wii-Umsetzung sieht durch unscharfen Texturen und grobe Pixelkanten sogar noch eine ganze Ecke altbackener aus als auf dem PC. Außerdem kommt es hier manchmal zu starken Ruckel-Einlagen. Auch die Steuerung wurde nicht sinnvoll umgesetzt. Die Fernbedienung wird nicht als Mausersatz genutzt, um mit ihr die Schussrichtung anzupeilen. Stattdessen ist Fuchteln angesagt: Wer mit dem Schwert zuschlägt, muss vorher kräftig wedeln, was auf Dauer nicht nur für einen lahmen Arm sorgt, sondern auch unpräzise erkannt wird. Der Analogstick des Nunchuks steuert Merida, Die Pfeile werden mit dem Steuerkreuz abgefeuert. Wer das Layout nicht mag, hat Pech gehabt: In den Optionen lässt es sich kein Bisschen umkonfigurieren. Ein weiterer Nachteil der Wii-Fassung ist der leicht kratzig klingende Sound.

Die DS-Version bietet ein trauriges Bild: Dort laufe ich meist mit seitlicher Kamera durch schmalere Areale. Der Sound klingt naturgemäß noch etwas rauer, es hält sich aber in einem erträglichen Rahmen. Das größte Manko sind die grenzdebilen Feinde: Befindet sich zwischen ihnen und mir eine Steinsäule, laufen die grobschlächtigen Polygonklumpen stumpf dagegen. Meist flüchte ich also in eine Ecke und decke die Hirntoten Gegner mit Pfeilen ein – unheimlich spannend. Zwischendurch sorgen immerhin einfache Schiebe- und Schalterrätsel für etwas Abwechslung. Auch hier gibt es einen Shop für Upgrades, welche allerdings etwas einfacher strukturiert sind. Der Koop-Modus wurde komplett gestrichen.

Fazit

Etwas seltsam wirkt es schon, dass Disney bei der Filmumsetzung von Merida zuerst an eine Zweistick-Shooter gedacht hat. Okay, manchmal haut man auch mit dem Schwert zu oder motzt die Attacken auf, aber im Kern handelt es sich bei dem Spiel um blitzschnelle Arcade-Action. Mir soll’s recht sein: Als ich mich an die steinzeitliche Technik mit Monsterpolygonen und Texturbrei gewöhnt hatte, machte mir das Metzeln durchaus Spaß. Zumindest in der PC-Version, denn sie profitiert von der präzisen Steuerung und einfach gestrickten, aber motivierenden Kämpfen. Auch der schwungvolle Soundtrack und die gelungene deutsche Synchronisation schaffen Atmosphäre. Auf Dauer macht der Mangel an Gegnertypen das Spiel aber etwas eintönig - daran ändern auch die überschaubaren Waffen-Upgrades nichts. Wii-Besitzer sollten sich den Kauf gut überlegen: Auf der Nintendo-Konsole leidet das Gemetzel unter Ruckel-Einlagen und einer nervigen Fuchtelsteuerung. Das es noch schlechter geht, beweist die DS-Fassung: Die grenzdebilen Gegner machen die Kämpfe hier zur trägen Beschäftigungstherapie.

Pro

motivierend flotte Arcade-Kämpfe
uriges Highland-Szenario
schwungvolle Musikbegleitung
hervorragende deutsche Synchronisation
ein lokaler Mitspieler kann jederzeit ein- oder aussteigen

Kontra

auf Dauer zu wenig Abwechslung
grobschlächtige Polygone
unscharfe Texturen und Oberflächen
nur rund fünf Stunden kurz
keine Bestenlisten
schlecht umgesetzte Steuerung (Wii)
gelegentliche Ruckel-Einlagen (Wii)
schlechte Soundqualität (Wii, DS)
schrecklich debile Gegner (DS)
träge, einförmige Kämpfe (DS)
kein Mehrspielermodus (DS)

Wertung

NDS

Grenzdebile Feinde aus hässlichen Monsterpolygonen machen die DS-Kämpfe zur zähen Beschäftigungstherapie.

PC

Die einfach gestrickte Arcade-Action in den Highlands motiviert kurzfristig, bleibt auf Dauer aber zu eintönig.

Wii

Bei der Wii-Umsetzung haben die Entwickler geschlampt: Unpräzise Fuchtelsteuerung und Ruckel-Einlagen dämpfen den Spaß am Monstermetzeln.

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