FIFA 1328.09.2012, Jörg Luibl
FIFA 13

Im Test:

Electronic Arts bewegt sich mit FIFA 13 (ab 4,76€ bei kaufen) weiter Richtung Simulation. Aber  obwohl die Kanadier schon seit Jahren sehr guten Fußball inszenieren, ist er noch weit weg von realistischer Ballphysik auf dem Rasen, wirklich authentischem Spielgefühl oder aktueller Fankultur in den Stadien. Warum feiern wir ihn dann? Weil kein anderer Titel die Faszination Fußball vom Tor bis zum Jubel so gut einfängt! Selbst wenn noch viel Luft nach oben ist, wird dieser Sport auch dieses Jahr erstklassig zelebriert.

Zu viel Tamtam ums Drumherum?

Wir haben seit Wochen sehr viel Spaß mit FIFA 13. Warum das so ist, klärt dieser vierteilige Vergleich und natürlich dieser Test. Allerdings liegt der Schwerpunkt hier eher auf dem, was nicht so gut funktioniert. Denn auch dieses Jahr wird FIFA kein Platin erobern. Warum nicht? Weil es sich in einigen Bereichen etwas, in anderen nicht weit genug entwickelt hat, weil das Spieldesign also nicht die Fortschritte macht, die es letztes Jahr durch das „Tactical Defending“ gab – da musste man sich richtig umstellen, neue Mechanismen verinnerlichen.

Dieses Jahr fühlt sich der sehr gute, in vielen Bereichen wie etwa physikalische Zweikämpfe deutlich verfeinerte Kick auch sehr vertraut an. Kann es sein, dass das der Fluch des wirtschaftlichen Erfolges ist? Dass mittlerweile zu wenig in das kreative Team um David Rutter, aber zu viel in das Marketing und Drumherum investiert wird? FIFA 12 hat Verkaufsrekorde gebrochen und sich als eine der lukrativsten Marken der Spielebranche etabliert – die Lizenzkosten spielt man mittlerweile in der ersten Woche

wieder ein. Trotzdem ist man inhaltlich nicht in allen Bereichen der Spitzenreiter.

Umsatzrekorde, aber wenig Entwicklung

Wir haben FIFA 13 und PES 2013 in vier großen Bereichen verglichen.
Wir haben FIFA 13 und PES 2013 in vier großen Bereichen verglichen.
Noch hat man auf dem Platz nicht diese letzte Welle der Euphorie ausgelöst wie Pro Evolution Soccer zu seinen besten Zeiten. Warum eigentlich nicht? Natürlich: Die Japaner hängen mit ihrer veralteten Engine, der Lizenzarmut, der Präsentation sowie den überholten Strukturen vieler Spielmodi fest. Aber auf kreativer Ebene robben sie sich trotz fehlender Lizenzen und viel weniger Umsatz jedes Jahr ein Stückchen näher ran. Ganz einfach, weil sie ein Element der Faszination Fußball besser abbilden: Die individuelle Antizipation des Balles, das temporeiche Umschalten und den Angriff. Hier hätte ich wesentlich mehr Fortschritte vom Marktführer erwartet.

Natürlich hat Pro Evolution Soccer 2013 auch Probleme. Und es wirkt in vielen Bereichen unrealistisch oder überdreht. Aber nach gefühlten hundert Spielen ist mein größter Kritikpunkt an diesem FIFA 13: Es tut zu wenig für die Offensive! Keine Frage: Auch dieses Jahr gibt es tolle Tore und spannende Strafraumszenen, aber man vermisst mehr Individualität und Möglichkeiten hinsichtlich der Dribblings sowie der antizipierten Ballannahme. Außerdem braucht man für Schüsse, die jetzt lobenswerterweise wuchtiger sind, immer noch zu viel Zeit und Raum – fast alles wird geblockt. Etwas zu oft versackt der Stürmer also mit seinen Finten oder Schussversuchen in der starken Abwehr.

Feine Verbesserungen

Dabei bietet dieses FIFA 13 einige Verbesserungen, die für ein temporeicheres Spiel sorgen können. Zum einen lassen sich flache Pässe druckvoller in die Tiefe spielen, so dass sie für Schnelligkeit sorgen – sehr schön! Aber warum versacken die hohen Zuspiele so oft nach der viel zu trägen Ballannahme? Selbst die direkte Weiterleitung der Pille mit dem Analogstick bringt nicht die gewünschte Explosivität auf den ersten Metern. Und genau das ist ein Schwachpunkt: Die Tempowechsel aus dem Spiel heraus. Obwohl sie möglich sind, kann man sie zu leicht über seine Abwehr ersticken.

Vor allem, wenn gleichstarke Spieler aufeinander treffen, kann dieses FIFA 13 zu einem Festival der Unentschieden mit ein, zwei Torszenen kommen. Das liegt skurriler Weise daran, dass EA eigentlich einen guten Job gemacht hat: Man hat das „Tactical Defending“ des Vorjahres so verbessert, dass man auch über das Abschirmen wesentlich schneller in den Stürmer kommt, dass man also effizienter Druck ausüben und die Pille erobern kann. Wer gegen den Ball arbeiten will, wird seine wahre Freude haben – hier bildet FIFA also modernen Defensivfußball sehr gut ab. Und da gehören auch torlose Unentschieden dazu! Lobenswert ist übrigens auch, dass die Ausdauer spürbar sinkt, wenn man Dauerdoppelpressing zelebriert.

Wo ist „Creative Offensive?“

Neu ist, dass man aktuelle Spiele unter realen Bedingungen nachkicken kann: Also inkl. der aktuellen Formwerte sowie Verletzungen. Cool: Auch die Kommentare gehen darauf ein.
Neu ist, dass man aktuelle Spiele unter realen Bedingungen nachkicken kann: Also inkl. der aktuellen Formwerte sowie Verletzungen. Cool: Auch die Kommentare gehen darauf ein.
Die Crux daran: Es gibt bis auf ein Manöver, und zwar das auch bei Blickkontakt zum Gegner nach hinten mögliche Dribbeln mit beiden gedrückten Schultertasten, kaum Verbesserungen in der Offensive. Also keine Möglichkeiten, den Ball selbst als Angreifer besser abzuschirmen oder effizienter am Verteidiger vorbei zu dribbeln. Im realen Fußball kann ein Stürmer wie Robert Lewandowski das hohe Zuspiel so sicher verarbeiten, dass er den Ball erstmal über seinen Körpereinsatz kontrolliert und dann weiter passt. In FIFA 13 wird diese individuelle Klasse der Antizipation und Absicherung nicht gut genug abgebildet – hier verliert man den Ball auch als Top-Spieler wie Messi, Iniesta oder Ronaldo in null Komma nichts.

Nach „Tactical Defending“ aus dem Vorjahr hätte FIFA eine Art „Creative Offensive“ mit frischen Manövern anbieten müssen. Natürlich kann man auch in diesem Spiel die Verteidiger düpieren und fulminant abschließen, es gibt zig bekannte Finten und elegante Körperdrehungen. Und das oben angesprochene präzise Dribbeln hat auch sinnvolle Effekte: Der Ballführende kann das Tempo verlangsamen und mit dem Ball nach hinten oder zur Seite dribbeln, ohne Blickkontakt zu verlieren. Und so verschafft man sich auch mehr Zeit für einen guten Pass, während die anderen Spieler an einem vorbei in die Spitze laufen - das sieht nicht nur sehr elegant aus, sondern sorgt für gefährliche Situationen.

Etwas unberechenbarer Spielaufbau

Schon nach wenigen Matches fallen auch andere Verbesserungen auf, darunter zwei physikalische: Der Ball springt öfter vom Fuß, prallt plötzlich ab oder geht im Zweikampf verloren. Wenn man ihn im Sprint annimmt, kann das bei weniger versierten Technikern sehr unglücklich aussehen - im schlimmsten Fall hebt er hüfthoch ab. Es gibt also etwas mehr Unberechenbarkeit im Spielaufbau, denn wenn ein Verteidiger nicht aufpasst, wird ihm der abspringende Ball stibitzt. Aber nicht zu früh freuen, denn diesmal ist nach dem Verlust auch die Rückeroberung leichter. Und sie wird wesentlich besser inszeniert, denn die Zweikämpfe sehen nicht mehr so brüchig aus, wenn zwei Spieler kollidieren; es gibt weichere Animationen. Hinzu kommt, dass die Ausdauer eine größere Rolle spielt: Manche Spieler sind in der Mitte der zweiten Halbzeit so richtig ausgepowert und man hat kaum noch die Chance, ein Laufduell zu gewinnen.

Lobenswert ist zudem, dass sich die Stürmer markanter freilaufen: Sie gehen weite Wege und winken für den Pass! Allerdings tun sie das nicht clever und schnell genug – kein Vergleich zu PES, wo die Spieler regelrecht ausschwärmen. Außerdem ist der Nachteil daran, dass sie einen wirklich perfekten Ball brauchen, denn selbst wenn man nach einem schlechteren Zuspiel auf diese Stürmer wechselt, die also manuell kontrollieren will, brechen sie den einmal eingeschlagenen Weg nicht schnell genug ab. Das ist also kein großer Kritikpunkt, weil Bälle in den Rücken nunmal schlampig sind. Die Kritik lautet, dass man als Angreifer das Leder nicht besonders effizient mit dem Körper schützen oder auf kreative Art in eine Körpertäuschung umleiten kann, dass es zu wenige intuitive Möglichkeiten gibt, den heran kommenden Ball zu verarbeiten.

Guter Netzcode, zig Spielmodi

Obwohl manche Spieler hinsichtlich der Posen gut getroffen werden, vermisst man ihre individuelle Klasse auf dem Platz.
Obwohl manche Spieler hinsichtlich der Posen gut getroffen werden, vermisst man ihre individuelle Klasse auf dem Platz.
Der Netzcode ist (bis auf den ärgerlichen Freeze-Bug, der manche gestern plagte) klasse und das Online-Angebot von FIFA 13 ist unglaublich gut: Mal abgesehen davon, dass FIFA 12-Veteranen  gleich auf einem erhöhten Level innerhalb des neuen Erfahrungssystems starten, entsprechend Startgeld bekommen, gibt es viel zu erleben. Das beliebte Ultimate Team lockt mit seinen Sammelreizen, man kann mit 22 Mann online gegeneinander spielen, es gibt private Clubbildungen und vor allem die Identifikation mit dem eigenen Verein, für den man mit anderen Kickern weltweit Punkte sammelt.

Man kann endlich auswählen, ob man offline mit aktualisiertem Form- oder Standard-Kader loslegen will. Außerdem kann man prominente Spiele der Woche im Matchday nachkicken, wo die immer noch durchwachsenen Kommentare von Buschi und Breucki Bezug auf vergangene Serien etc. nehmen – eine tolle Idee! Hinzu kommt  ein Erfahrungssystem mit virtueller Währung, mit der man besondere Trikots oder Boosts für die Offline-Karriere freischaltet sowie  eine recht gute Kinect-Einbindung, die es offline ermöglicht taktische Anweisungen bis hin zur Auswechslung per Sprache zu steuern. Apropos Taktik: Es gibt 33 Formationen und  elf Taktikparameter wie „Passspiel“ oder „Druck“. Außerdem gibt es neue Formationen wie „5-4-1 flach“, „4-2-3-1 breit“ oder „4-3-3 falsche 9“, mit denen es sich tatsächlich etwas anders spielt.  Schön: Die Änderungen an den Schiebereglern werden so visualisiert, dass man das taktische Konzept besser versteht.

Die neue deutsche Meisterschaft

Selbst ein Messi ist relativ leicht zu stoppen. Die große Aufgabe für FIFA 14 sollte sein: Mehr offensive Qualität!
Selbst ein Messi ist relativ leicht zu stoppen. Die große Aufgabe für FIFA 14 sollte sein: Mehr offensive Qualität und mehr Möglichkeiten im 1-gegen-1!
Hinzu kommt bei den Spielmodi die neue Virtuelle Bundesliga, die die private Vereinsliebe und den öffentlichen e-Sport so verbinden will, dass irgendwann der beste aller virtuellen Bayern-Spieler ermittelt wird, der dann real für seinen Club um die Meisterschaft kämpft. Das ist ein cleveres Konzept, das die anonyme Massenfaszination aus all den Wohnzimmern oder Kellern in die echte Welt übertragen will – dazu noch unter dem fairen, aber wenig authentischen Gleichheitsgedanken, der alle Spielerwerte auf 85% egalisiert. Dieser übergreifende Turniergedanke ist auf jeden Fall interessant, aber ich spiele lieber den sehr guten  Ranglistenmodus aus dem letzten Jahr, zumal sich ein Sieg mit einem durchschnittlichen Team gegen Barcelona einfach besser anfühlt als einer mit egalisierten Werten – oder fragt mal die Frankfurter, wie das Unentschieden gegen den Meister geschmeckt hat.

FIFA bietet also zig Online- sowie Offline-Spielmodi. Die lobenswerte Quantität ist allerdings nicht immer gleichbedeutend mit Qualität. Man liegt hier Welten vor PES, gar keine Frage, aber auch FIFA 13 übernimmt nahezu alle strukturellen und dramaturgischen Schwächen des Karriere- und Managermodus. Beide werden immer noch nicht lebendig genug inszeniert, man fühlt sich also nicht mittendrin. Dafür tut sich etwas am Rande: Es gibt frische Minispiele für Schüsse, Freistöße & Co, die man auf mehreren Stufen inklusive Highscore meistern kann. Außerdem sorgen Trainer und sich warm machende Spieler an der Außenlinie für etwas mehr Leben in den Stadien. Und ja, es gibt über 500 lizenzierte Vereine, mehr als 15.000 Spieler sind dabei – bis runter zur zweiten Bundesliga inklusive Pauli-Fangesängen und in England sogar noch darunter.

Aber das ist auch kein Komplettpaket: Viele Nationalteams und Stadien fehlen; es gibt lediglich 58 Arenen, darunter nur sechs deutsche. Und  hinsichtlich der allgemeinen Präsentation muss FIFA zulegen: Wieso hört man die Trainer nicht mal laut fluchen oder sieht sie wild zum vierten Offiziellen rennen? Warum erkennt man weder Klopp noch Mourinho? Wieso gibt es in den Stadien immer noch keine Einpeitscher, keine Choreografien, kaum Plakate und Blockbildungen, also keine Simulation aktueller Fankultur? Warum muss man auch in diesem Spiel mit Fanpixelbrei in manchen Zeitlupen leben? All das sind offene Baustellen für kommende Versionen eines sehr guten Fußballspiels.

Fazit

Tolle Atmosphäre, feine Animationen, traumhafte Tore - das ist klasse Fußball, gar keine Frage! Hinzu kommt ein Online-Modus, der mit all seinen Möglichkeiten und Modi seinesgleichen sucht sowie eine faszinierende Anbindung an die Bundesliga: Es gibt Kommentare mit aktuellem Bezug sowie reale Matchbedingungen. Es ist gut, dass Electronic Arts weiter Richtung Simulation entwickelt und auch Feinheiten wie das Leben an der Außenlinie verbessert. Aber der inhaltliche Schritt von FIFA 11 zu FIFA 12 war größer, denn das „Tactical Defending“ verlangte eine Umstellung der Spielweise - diesmal hat man sich schnell daran gewöhnt. Der Aufbau ist zwar etwas unberechenbarer und vor allem die Zweikämpfe wirken harmonischer, aber man vermisst als Gegengewicht zur sehr starken Abwehr eine Art „Creative Offensive“, die einem auch vorne mehr individuelle Möglichkeiten bei Dribblings und Ballannahmen beschert. Ich habe im Sturm wesentlich mehr Fortschritte vom Marktführer erwartet, denn Pro Evolution Soccer 2013 ist trotz seiner Überdrehtheit näher dran am modernen Angriffsfußball. Obwohl man Tempowechsel auch in FIFA besser einleiten kann, leidet der Spielaufbau unterm Strich noch an seiner Trägheit. Aber all das ist Kritik auf sehr hohem Niveau, denn unterm Strich bildet FIFA auch dieses Jahr die Faszination Fußball sehr gut ab!

(Die Wertung für die PC-Version liefern wir nach. Anm. d. Red.)

Pro

Spielgefühl ist etwas unsicherer (Ball verspringt öfter)
Offensiv-KI nutzt konsequenter Laufwege...
wesentlich natürlichere Zweikämpfe
viele Defensivmöglichkeiten
Schüsse und Pässe etwas wuchtiger
neues präzises Dribbeln; auch rückwärts
tolle Präsentation, authentische Fangesänge
neue Freistoßvarianten & Trainingsspiele
mehr Leben am Spielfeldrand (Reservisten, Trainer)
neues Erfahrungspunktesystem schaltet Goodies frei
500 lizenzierte Vereine und mehr als 15.000 Spieler
interessante neue Spielmodi wie Virtuelle Bundesliga
ausgezeichnete Online-Spielwelt mit Ranglistensystemen
Karriere & Management, Turniere & Teambuilding
Torhüter halten ansehnlich und gut
elf gegen elf online spielen

Kontra

zu starke Defensivautomatismen
...ist aber immer noch zu träge
keine neuen Offensivmanöver/Ballannahmen
zu wenig Tempowechsel und Torraumszenen
viele prominente Spieler nicht gut getroffen
fade Präsentation von Karriere & Management
keine privaten Online-Ligen mehr
immer noch Clipping beim Jubel & manchmal Zuschauerpixelbrei

Wertung

360

Tolle Atmosphäre, feine Animationen, traumhafte Tore - das ist klasse Fußball, gar keine Frage!

PC

Tolle Atmosphäre, feine Animationen, traumhafte Tore - das ist klasse Fußball, gar keine Frage!

PlayStation3

Tolle Atmosphäre, feine Animationen, traumhafte Tore - das ist klasse Fußball, gar keine Frage!

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.