Naughty Bear: Panic in Paradise16.10.2012, Mathias Oertel
Naughty Bear: Panic in Paradise

Im Test:

Vor etwa zwei Jahren hat ein psychopathischer Teddybär seine Freunde in Fallen gelockt und nach allen Regeln der Kunst entflufft, nur weil er nicht zu einer Geburtstagsfeier eingeladen wurde. Jetzt ist Naughty Bear wieder da, rachsüchtiger und fieser als je zuvor. Doch hat man für den Download-Titel Panic in Paradise die richtigen Schlüsse aus den zahlreichen inhaltlichen und technischen Schwächen des Vorgängers gezogen?

Friedhof der Kuscheltiere

Was kommt dabei raus, wenn man Film-Psychopathen wie Jason oder Freddy Krueger mit Winnie Puh kreuzt? Richtig: Naughty Bear! Der notorisch griesgrämige Bär trachtet seinen Plüschkollegen wieder nach dem Leben. Der Grund: Nachdem sie vor zwei Jahren bewusst vergaßen, ihn zu einer Geburtstagsfeier einzuladen, haben sie sich dieses Mal in ein Urlaubsparadies zurückgezogen, um zu feiern und sich die Sonne auf den Pelz scheinen zu lassen - natürlich wieder ohne ihn.

Das denken sie zumindest. Denn was die süßen Knuddelviecher nicht wissen: Naughty hat sich wieder eingeschlichen. Und er macht gezielt Jagd auf beinahe 40 Teddies, die er einen nach dem anderen aus dem Weg räumt. Und was ein echter Psychopath ist, der macht auch vor etwaigen zusätzlichen Opfern nicht halt.

Rache 2.0

Naughty Bear aus dem Jahr 2010 war eine ambitionierte Action-/Schleich-Mischung, bei der den Entwicklern von Artificial Mind & Movement (AM2) schnell die kreative Luft ausging. Was anfänglich noch für gleichermaßen morbiden wie unterhaltenden Spaß sorgte, das Töten von fluffigen Teddybären auf skurrile Methoden bis hin zum Selbstmord (und das alles inszeniert zu einer herrlich süffisanten Erzählerstimme), lief sich mangels Variation und inhaltlicher Redundanz alsbald einen Wolf.

Die Verkleidungen, mit denen man seine Eigenschaftswerte ändern kann, orientieren sich teilweise an bekannten Horror-Bösewichten.
Die Verkleidungen, mit denen man seine Eigenschaftswerte ändern kann, orientieren sich teilweise an bekannten Horror-Bösewichten.
Und jetzt? Am wesentlichen Grundprinzip hat sich nicht viel geändert: Immer noch ist Naughty damit beschäftigt, ein Hauptziel und mitunter Dutzende andere Teddies mit einer Unmenge an Werkzeugen in die ewigen Plüschgründe zu schicken. Neu ist, dass das jetzt zuständige Team von Behaviour Interactive (was letztlich nur eine namentliche Umformierung von AM2 ist) die Mechanik in einigen grundlegenden  Punkten geändert hat: Schleichen bzw. dessen Wichtigkeit wurde deutlich reduziert, es gibt wesentlich mehr Möglichkeiten, die fluffigen Viecher bei Interaktion mit der Umgebung um die Ecke zu bringen oder in den Wahnsinn (sprich: Selbstmord) zu treiben. Zudem muss man seine Hauptziele häufig in einer bestimmten Art und Weise oder in einer besonderen Verkleidung meucheln. Denn man hat auch eine Art Ausrüstungssystem integriert: Je nachdem, welche Kleidung Naughty trägt und welche Waffe er mit sich führt (man kann in Büschen die Kleidung getöteter Bären anlegen), können sich seine Werte in den Bereichen Lebensenergie, Ausdauer, Schaden, Rüstung, Wahnsinn sowie Regeneration ändern. Ganz abgesehen davon, dass er in einer harmlos aussehenden Kluft keinen Verdacht erregt und noch einfacher an seine Opfer herankommt.

Morbide und nur kurzzeitig unterhaltsam

Wobei das ohnehin nur selten das Problem ist, da der KI-Quotient in etwa dem normalen Plüschgehalt eines Stofftieres entspricht. Die Bären lassen sich so leicht übertölpeln, dass der morbide Spaß schnell in seine Schranken gewiesen wird. Sie reagieren höchst selten auf Geräusche, sondern meist nur auf das, was sie sehen. Und wenn sie einen doch entdecken und ggf. die Verfolgung aufnehmen, kann man sich schnell in ein Gebüsch schlagen. Das Ergebnis: Die Fluffies stehen wie der Ochs vorm Berg vor dem Gestrüpp und wundern sich, wohin man entfleucht ist. Allerdings nicht allzu lang, da sie nach wenigen Sekunden

Wieder ist Naughty ein Teddy zum Opfer gefallen und wurde entplüscht.
Wieder ist Naughty ein Teddy zum Opfer gefallen und wurde entplüscht.
wieder umdrehen, als ob nichts gewesen sei und sich ihrem „was auch immer Bären gerne in einem Urlaubsparadies machen“ widmen. Das wiederum gibt Naughty die Gelegenheit, sich das Kuscheltier zu schnappen und seiner Opferliste hinzuzufügen. Da selbst Bosse auf diese Art und Weise zu knacken sind und man sich nur vor Bären mit Projektilwaffen in Acht nehmen muss, rauscht man mehr oder weniger ungefährdet durch die relativ kleinen sowie grafisch wenig anspruchsvollen Gebiete, die zudem schnell recycelt werden. Doch bis man alle Entplüschungs-Varianten gesehen hat, gibt es immerhin ein passables Maß an Unterhaltung. Danach jedoch dürfte man vornehmlich nur noch in sehr kleinen Dosen nach Paradise Island zurückkehren.

Daran kann auch der bitterböse (englische) Sprecher nichts ändern, der sich wieder einmal darin übertrifft, die Erzählstimmen bekannter Kinderserien zu karikieren. Denn im Gegensatz dazu wurde bei den deutschen Texten immer wieder schlampig gearbeitet. Das geht bei simplen Beschreibungen wie „Objekt töten“ los, wenn man die Gelegenheit hat, einen Umgebungskill zu initiieren. Und das hört bei dem Schriftzug „gemein“ auf, der kennzeichnet, dass die Bären einen erkannt haben. Richtig: Im Original nennen sie den Bären beim Namen – „Naughty“! Aber irgendwie zieht sich das wie ein roter Faden durch Panic in Paradise: Guter Wille ist da, gute Ideen sind auch vorhanden, nur in der Umsetzung hapert es.

Fazit

Auf den ersten Blick hat die Entschlackung der Mechanik dem rachsüchtigen Vetter von Winnie Puh ebenso gut getan wie das vergleichsweise niedrige Preisschild als Downloadtitel: Weg vom übermäßigen Planen und Schleichen, hin zum Fokus auf kleine Level mit überschaubaren Aufgaben und vor allem dem gezielten Ausschalten der fluffigen Plüschviecher. Doch schnell zeigt sich, dass trotz aller Ambition der Funke nur sporadisch überspringt. Ja: Der Einstieg ist unkompliziert, das System mit haufenweise auffindbaren Gimmicks und Ausrüstung, die man aufwerten kann und die die Werte von Naughty beeinflusst, ist interessant. Gleiches gilt für den abgrundtief schwarzen Humor, der sich auch in den zahlreichen gelungenen Ablebeanimationen der Kuscheltiere äußert. Doch die schwache KI, die sich sehr einfach übertölpeln bzw. abhängen lässt (man flieht in ein Gebüsch, der Teddy davor gibt die Verfolgung unmittelbar danach auf) sorgt schnell für Redundanz, die auch von den erforderlichen "Sonder"-Kills für die Hauptziele oder besonderen Ereignissen wie weiteren Killer-Bären, denen man zuvor kommen muss, nur wenig abgemildert wird. Ganz zu schweigen von der Technik, die in ihren besten Momenten durchschnittliche Werte erreicht und auch für einen Downloadtitel größtenteils veraltet wirkt. Schade: Die neue Ausrichtung ist nur hinsichtlich der Preispolitik gut, bei der inhaltlichen Umsetzung und der Lokalisierung hapert es wieder einmal.

Pro

absurder Schwarzhumor
zufällig verteilte Nebenaufgaben...
viel freizuspielen
fast 40 "Haupt"-Teddies zu meucheln
haufenweise waffenabhängige Kills
Ausrüstung hat Auswirkungen auf Figurenwerte
eingängige Steuerung
herrlich süffisanter englischer Sprecher

Kontra

schwache KI
...  die alle aus einem viel zu kleinen Pool kommen
zumeist kleine Gebiete
Kulisse maximal durchschnittlich
auf Dauer redundantes Missionsdesign
Level-Recycling
grenzwertige Lokalisierung

Wertung

360

Die Download-Rückkehr des psychopathischen Bären spielt sich angenehmer als der Vorgänger, hat aber mit massiven KI-Problemen und biederer Technik zu kämpfen.

PlayStation3

Mechanisch macht Naughty Bear im Vergleich zum Vorgänger einen Schritt nach vorne, doch tumbe KI und technische Schwächen machen dem Psycho-Teddy zu schaffen.

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