Sacred: Citadel22.04.2013, Mathias Oertel
Sacred: Citadel

Im Test:

Bis man mit Sacred 3 wieder Ancaria unsicher machen und die ewige Jagd nach Monstern und immer besserer Ausrüstung aufnehmen kann, dauert es noch ein Weilchen. Warum also keinen kurzen Abstecher mit Sacred Citadel unternehmen? Für einen Golden Axe-Nachahmer ist doch immer Zeit, oder?

Hoffentlich nicht repräsentativ

Sacred Citadel (SC) soll erzählerisch eine Brücke zum nächsten offiziellen Ausflug nach Ancaria schlagen, der allerdings noch nicht final terminiert ist. Allerdings hoffe ich, dass Keen Games (verantwortlich für Sacred 3) bei der Geschichte ein glücklicheres Händchen hat als das Team von Southend Interactive (ilomilo, Deathrow), das hier verantwortlich zeichnet. Nicht nur, dass die entscheidende Wendung zwar zeitlich unvermutet, aber nicht unvorhersehbar und letztlich viel zu spät kommt. Die Charakterzeichnungen bis dahin bleiben blass, die Dialoge oberflächlich (aber immerhin sauber vertont) und Dramaturgie ist innerhalb der schalen Gut-Böse-Mär weitgehend ein Fremdwort: Ein Helden-Quartett, von dem bis zu drei Figuren gleichzeitig spielbar sind, überlebt einen Ork-Angriff auf ein Dorf und muss sich fortan durch 20 Abschnitte prügeln, bis es schließlich in der Zitadelle der Seraphim den finalen Gegner stellen kann.

Sacred mal anders

Im Gegensatz zu den bisherigen Serienvertretern baut Citadel weder auf isometrische Darstellung noch auf offene Gebiete, in denen man seinen Actionrollenspiel-Gelüsten frönen kann. Stattdessen ist man mit einer von vier Figuren (Kämpfer, Schamanin, Jäger, Magierin) seitwärts scrollend unterwegs und muss sich der Gegner erwehren. Moment mal: Seitwärts scrollend, Gegner, Fantasy-Setting, gibt’s vielleicht noch Reittiere oder so etwas in der Art? Oh ja! Und wem das alles bekannt vorkommt, muss wahrscheinlich nicht lange überlegen und dürfte zu 99 Prozent richtig liegen: Mechanisch ist Sacred Citadel ein Nachfahre von Segas Golden Axe-Serie - was per se noch nicht nachteilig sein muss.

Denn zum einen haben Titel wie Code of Princess auf dem 3DS gezeigt, wie dieses Prinzip mit leichten Modifikationen sowie dem Einbau von Rollenspielansätzen auch heutzutage gut funktionieren kann. Zum anderen hat vor kurzem erst ein weiterer Arcade-Titel namens Guacamelee auf der PS3 eindrucksvoll bewiesen, dass es  möglich ist, mit bewährten Prinzipien (in jenem Fall dem Verfolgen alter Metroid- bzw.-Castlevania-Tugenden) für großartige Unterhaltung zu sorgen. Davon ist man hier allerdings weit entfernt.

Vier Helden, vier Stile, kein Unterschied

Nicht nur die Reittiere erinnern an Segas Klassiker "Golden Axe" - die gesamte Mechanik orientiert sich an dem kultigen Fantasy-Prügler.
Nicht nur die Reittiere erinnern an Segas Klassiker "Golden Axe" - die gesamte Mechanik orientiert sich an dem kultigen Fantasy-Prügler.
Das geht schon damit los, dass sich die vier Helden trotz unterschiedlicher Ansätze bzw. klassenspezifischer Spezial-Angriffe alle ähnlich spielen. Auf jeden Fall zu ähnlich, als dass man nach dem ersten Durchspielen (was in etwa vier Stunden in Anspruch nehmen dürfte) mit einer anderen Figur nochmals einen Anlauf unternehmen möchte, um z.B. eine neue Taktik ausprobieren zu können, die auf die Heldenklasse abgestimmt ist. Denn unter dem Strich kann man egal mit welchem Charakter und dem Nutzen der identischen Knopfkombo sowie dem geschickten Verwenden von Block aus Ausweichrolle ohne Probleme 95 Prozent der Gegner plätten. Ausnahme sind ein paar Zwischen- und natürlich die Endbosse, die ihre eigene (ebenfalls nicht anspruchsvolle) Taktik benötigen.

Dadurch rutscht das eingängige und auf allen Systemen weitgehend gut zu kontrollierende Kampfsystem, das nur bei Ausweichrollen nach oben und unten etwa zickt, vollkommen in die Belanglosigkeit ab – zumal es der Fantasy-Prügler nie schafft, den rauen, ungehobelten Charme der Sega-Vorbilder zu replizieren.

Man kann zu dritt auf Monsterjagd gehen.
Man kann zu dritt auf Monsterjagd gehen.
Immerhin kann man mit bis zu drei Spielern sowohl offline als auch online versuchen, den Ancaria überrennenden Schergen den Garaus zu machen. Dadurch werden zwar weder das Kampfsystem noch das Anforderungsprofil besser. Dennoch macht es geringfügig mehr Spaß, gemeinsam die Monster zu verdreschen – zumal man dann gemeinsam über den billig klingenden Heimorgelsoundtrack lästern kann. Allerdings hätte es nicht geschadet, wenn man die Anzahl der Gegner oder zumindest ihre Trefferpunkte an die Spieleranzahl angepasst hätte, da so der ohnehin magere Schwierigkeitsgrad aufgewertet werden könnte. Ein nur schwacher Ersatz dafür sind die Wetten, die man mit einem der NPCs in den Städten abschließen kann. Hier geht es darum, einen Abschnitt entweder in einer bestimmten Zeit zu bewältigen, mit einer bestimmten Punktzahl oder ohne zu sterben. Das ist nur leidlich spannend und war mir irgendwann vollkommen egal.

Rollenspiel light funktioniert

Was neben der stilistisch sauberen, aber unter dem Strich auch langweiligen Comic-Kulisse funktioniert, sind die leichten Rollenspiel-Ansätze, die Citadel seinem großen Namensvetter zu verdanken hat.

Mit der Ausrüstung, die man nicht nur als Beute findet, sondern auch erwerben kann, weht ein Hauch von Sacred durch das eintönige Gekloppe.
Mit der Ausrüstung, die man nicht nur als Beute findet, sondern auch erwerben kann, weht ein Hauch von Sacred durch das eintönige Gekloppe.
Dazu gehören die Erfahrungspunkte, die sich zu einem Aufstieg summieren, bei dem man sich über neue (vorgewählte) Fähigkeiten sowie Punkte freuen kann, die man auf vier Eigenschaften verteilen darf.

Kein Spiel, das Sacred im Namen trägt, darf ohne Beute auskommen – und die gibt es auch hier. Sie erreicht zwar hinsichtlich Vielfalt oder Effektivität nie das Niveau, das man mit den klassischen Sacreds assoziiert, doch ich habe mich immer wieder ein wenig über neue Waffen gefreut, die allerdings keine Auswirkung auf Schlaggeschwindigkeit etc. haben, sondern sich auf reine Schadenswerte reduzieren lassen. Übrigens gilt auch hier: Die Nahkampfwaffen sind von allen Figuren nutzbar, es gibt nur ein paar Sonderausrüstungsgegenstände, die sich von Figur zu Figur unterscheiden - wobei man im Solospiel ohnehin nur Sachen findet, die man selber verwenden kann.

Fazit

Sacred Citadel ist ein belangloser Prügler. Es macht abseits der vollkommen schwachen Erzählung, bei der weder Dramaturgie noch Charakterzeichnung überzeugen,  nichts grundlegend falsch. Aber es kann sich auch in keinem Bereich von der breiten Arcade-Konkurrenz absetzen. Die an Segas Klassiker Golden Axe angelehnte Action geht locker von der Hand, ist aber bis auf die Bosse zu leicht. Die Levels sind zu kurz, die Unterschiede zwischen den vier grundsätzlich interessanten Klassen sind zu marginal, die Heimorgelmusik ist nervig. Die draufgestülpten Mini-Rollenspielelemente wie Aufwertung von Charakterwerten oder das Sammeln und Ausrüsten von neuen Waffen machen noch den besten Eindruck, während die saubere Comic-Kulisse auch noch passable Werte erreicht, obwohl sie nicht markant genug ist, um dauerhaft im Gedächtnis zu bleiben. Die banale Story hingegen ist hoffentlich kein Vorgeschmack auf Sacred 3 - auch wenn es die (oder zumindest: eine) Vorgeschichte erzählen soll. Mit dieser Action von der Stange haben sich die Entwickler von ilomilo und Deathrow keinen Gefallen getan.

Pro

vier spielbare Figuren...
interessanter Comic-Stil...
passable Sprachausgabe
eingängige Steuerung
Jagd nach neuer Ausrüstung
Reittiere/Fahrzeuge
drei Spieler kooperativ off- oder online

Kontra

... deren Unterschiede sehr marginal ausfallen
... dessen Potenzial zu selten genutzt wird
mit 20 kurzen Abschnitten nicht sehr umfangreich
redundantes Kampfsystem
schwacher Dudelsoundtrack
draufgestülptes Action-Rollenspiel-System

Wertung

360

Uninspirierter und viel zu kurzer Golden Axe-Klon mit Drei-Spieler-Modus, dessen anfänglicher Reiz schnell nachlässt.

PlayStation3

Der Sturm auf die Zitadelle orientiert sich an Segas Klassiker Golden Axe, verliert sich aber trotz anfänglicher guter Ideen schnell in der Belanglosigkeit.

PC

Erzählerisch schwach, technisch bieder, mechanisch eintönig: Zwar orientiert man sich in Grundzügen an Segas Golden Axe, doch nicht einmal das Beute-System kann auf Dauer motivieren.

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