Medal of Honor: Rising Sun15.12.2003, Mathias Oertel
Medal of Honor: Rising Sun

Im Test:

Seit Jahren ist die Medal of Honor-Serie auf allen Systemen ein Garant für gute Unterhaltung. Doch wie lange kann der Erfolg noch anhalten? Reichen auch dieses Jahr althergebrachte Gameplay-Mechanismen und eine gute Atmosphäre, um im stetig wachsenden Shooter-Dschungel überzeugen zu können? Begleitet uns an die pazifische Testfront, um des Rätsels Lösung zu finden.

Starker Einstieg

Am 22. Mai 1940 wird Corporal Joseph Griffin auf die NAS Ford Island in Pearl Harbor versetzt. Und etwas mehr als ein Jahr später –am 7. Dezember 1941- ist er Zeuge und Überlebender des japanischen Angriffs auf den Marinestützpunkt, der über 2000 Soldaten das Leben kostete.

Von der Normandie in den pazifischen Dschungel - böse Erinnerungen an Turok inklusive!

(PS2)

Das Einschlagen der ersten Bomben erlebt ihr unter Deck und müsst euch erst einmal den Weg nach oben suchen. Dort gilt es dann, einige japanische Flieger vom Himmel zu holen, während um euch herum die Hölle los ist. Als euer Schiff schließlich getroffen wird, könnt ihr euch gerade noch so retten und müsst auf einem bewaffneten Patrouillen-Boot um euer Leben kämpfen.

Was Electronic Arts in diesem gut getarnten Tutorial-Abschnitt an Atmosphäre und Intensität aus dem Handgelenk schüttelt, ist schlichtweg phänomenal und verspricht viel Spannung.

Starker Einbruch

Leider lässt der Rest des Spieles zu wünschen übrig und erreicht in keiner Phase die Stimmung des Pearl Harbor-Angriffes. Ursachen dafür gibt es genug zu finden.

__NEWCOL__Und alles läuft auf eines heraus: Unter dem Strich ist MoH Rising Sun ein Shooter von der Stange.

Zwar unterscheidet sich das Szenario mit seinen Missionen im Pazifik (Guadalcanal, Singapur usw.) deutlich von den bisherigen MoH-Abenteuern in Zentraleuropa. Doch spielerisch hat sich kaum etwas geändert und in manchen Punkten sogar verschlechtert. 

Denn auch wenn die Abschnitte mittlerweile deutlich größer ausgefallen sind als bei den bisherigen Zweitweltkriegs-Abenteuern, hat man ein Feature beibehalten: die absolute Linearität.

Die Levels führen euch mal direkt, mal über Umwege, im Normalfall jedoch schnurgerade zum nächsten Missionsziel und im Endeffekt kommt es nur darauf an, wie man mit den an strategisch wichtigen Punkten platzierten Gegnern fertig wird.

Die Pearl-Harbor-Eröffnungsequenz: imposant, laut und leider der Höhepunkt des Spiels!

(Xbox)

Zwar gibt es ab und an Stealth-Ansätze, die dann auch prompt mehr Spaß machen, doch alles in allem bleibt auch Rising Sun dem MoH-Prinzip treu, dass man in Englisch so schön mit Run-and-Gun zusammenfassen kann.

Zugegeben: Es macht immer noch Spaß, mit den authentischen Waffen durch asiatische Dschungel und zerbombte Städte zu laufen und den Missionszielen nachzugehen – auch wenn diese etwas aufgesetzt wirken wie z.B. im zweiten Level: Hier müsst ihr ein Antriebsrad für einen Panzer finden, der zufällig herumsteht.

Wieso die Gegner allerdings nicht auf die Idee kommen, selber das Teil einzusetzen und den Panzer für ihre Zwecke zu nutzen, lassen wir einfach mal offen...

Als Standbild nett - in Bewegung jedoch nicht immer ruckelfrei.

(GameCube)

KI = Künstliche Idiotie

Leider ist die KI –schon immer einer der größten Schwachpunkte der MoH-Reihe- dieses

Jahr auf einem absoluten Tiefpunkt angelangt.Die asiatischen Gegner sind nicht mehr als bloßes Kanonenfutter und folgen stur geskripteten Lauflinien. Kommen beispielsweise zwei der Kamikaze-Schützen auf euch zugelaufen und ihr schießt den ersten zielsicher ab, macht der zweite keine Anstalten, eine andere Laufrichtung zu wählen und wartet geradezu auf den finalen Rettungsschuss.

Wenn ihr hinter einem der stationären Geschütze sitzt, sieht die Sache nicht anders aus: Die Gegner kommen aus ihren Löchern gekrochen wie die Lemminge und lassen sich auch nicht davon abbringen, wenn ihr die ersten zehn von ihnen niedermäht, was teilweise sogar unfreiwillig komisch wirken kann.

__NEWCOL__Historisch akkurat

Ich gebe zu, dass ich nicht unbedingt ein Spezialist für Geschichte des Zweiten Weltkriegs bin, aber eines muss man den Entwicklern lassen: Sie haben die tatsächlichen Ereignisse sehr gut recherchiert und die Spielmissionen sorgsam eingepflegt.

Daher ist das Medal of Honor-Abenteuer im Land der aufgehenden Sonne durchaus als spielerisches Gegenstück zum Hollywood-Popcorn-Kino zu sehen: laut, aufgeblasen nett inszeniert und mit einem gewissen Unterhaltungswert versehen.

Spielerisch allerdings stagniert die Serie mittlerweile zusehends – da können auch die Stealth-Elemente, die vorrangig auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad an Wichtigkeit gewinnen, nicht mehr viel ändern.

Dass zudem das Szenario Zweiter Weltkrieg keine Überraschungen mehr bietet, kommt noch erschwerend hinzu.

Multiplayer-Spaß?

Egal, ob online mit der PS2 oder offline am Splitscreen (zwei Spieler PS2, bis vier Spieler GameCube, Xbox) können die Standard-Mehrspieler-Modi Deathmatch und Team Deathmatch auch mit neun Karten und Bot-Optionen nur eingeschränkt überzeugen.

Die Gegner sind zwar zahlreich, aber scheinen sich die Intelligenz zu teilen. Pures Kanonenfutter!

(GameCube)

Wesentlich interessanter ist der kooperative Kampagnen-Modus für zwei Spieler, der die Intensitätsschraube wenigstens etwas nach oben drehen kann.

Ein Bonus, der durch den kleinen Bildausschnitt im Splitscreen wieder stark gemildert wird und letztlich doch die Einzelspieler-Kampagne zum bevorzugten Spielmodus macht.

Probleme allerorten

Konnten die letzten Spiele der Serie mit wenigen Einschränkungen wenigstens grafisch weitestgehend überzeugen, liefert Rising Sun auf allen Plattformen ein zwiespältiges Bild ab.

Dass ausnahmslos alle Fassungen immer wieder mit Rucklern zu kämpfen haben (vor allem in der eindrucksvollen und aufwändigen Pearl Harbor-Sequenz, die anfangs noch hoffen lässt), ist eine Tatsache, der man ins Auge sehen muss. Dass die Xbox in dieser Beziehung am wenigsten Probleme hat, gefolgt von PS2 und dem GameCube als bedauerlichem Schlusslicht, ist man dieses Jahr fast schon gewohnt.

Gewöhnt euch an den Anblick - die Gegner lassen nur selten Intelligenz erkennen und bewegen sich auf weitestgehend sturen Pfaden.

(Xbox)

Doch dass Clipping-Probleme und Grafikfehler wie Einschüsse, die 30 Zentimeter vor der Mauer schweben, den Optikeindruck stören, ist einfach nur schlampig.

Wenigstens die Animationen und Texturen der Figuren-Modelle können auf allen Fassungen überzeugen, sind aber spätestens seit MoH Frontline auch nichts Weltbewegendes mehr.

Was die Umgebungen betrifft, hat man sich weitestgehend von den zerbombten Städten der Vorgänger getrennt und verfrachtet den Spieler in den asiatischen Dschungel.

__NEWCOL__Zwar lauft ihr hin und wieder wie z.B. in den Philippinen durch Ruinen, doch die Atmosphäre, die in den Vorgängern noch optisch zu Tage trat, wird durch die Grafik kaum noch unterstützt.

Stealth-Abschnitte bringen Abwechslung vom tristen Run-and-Gun-Alltag.

(PS2)

Und im Dschungel an sich fühlt man sich plötzlich wie Turok: Bäume allerorten, die auf schwachen Bodentexturen stehen, machen Rising Sun zum grafisch schwächsten Teil der Serie. Unter dem Strich zwar nicht unbedingt hässlich, aber auch weit davon entfernt, optische Glanzpunkte zu setzen.

Wieder mal feine Akustik

Wenigstens im akustischen Bereich beschreitet man bekannte Pfade. Mit dem Ergebnis, dass die Mixtur aus epischer Musik, gelungenem Maschinengewehr-Stakkato und zusätzlich eingestreuten Soundeffekten und Sprachsamples packende atmosphärische Untermalung bietet.

Was die deutsche Sprachausgabe betrifft, gibt es wenig auszusetzen, nur die Cutscenes sind leider nicht immer lippensynchron. Das kann sogar so weit gehen (um wieder einmal ein viel beschworenes Beispiel zu zitieren), dass man sich vorkommt wie in einem japanischen Monsterschinken, in dem der Charakter zwar offensichtlich noch redet, der Synchronsprecher aber schon längst seinen Satz beendet hat.

Fazit

Man merkt an MoH Rising Sun deutlich, dass die Serie, die auf der PSone ihren Anfang nahm, langsam in die Jahre kommt. Dass man spielerisch dementsprechend nichts Neues zu sehen bekommt – von dem höheren Stealth-Anteil einmal abgesehen- ist eigentlich nicht weiter verwunderlich. Dass nach dem beeindruckenden Spielbeginn mit dem Angriff auf Pearl Harbor dann aber in das altbekannte Run-and-Gun-Prinzip umgeschaltet wird, das mittlerweile wahrlich nichts Besonderes mehr ist, weckt den Eindruck, dass man die Medal of Honor-Kuh bis zum bitteren Ende melken will. Auch der grafische Rückschritt, der unwillkürlich Erinnerungen an die Turok-Serie weckt –auch wenn die Modelle der Figuren gut aussehen- ist nicht ganz so einfach wegzustecken. Einzig die imposante Soundkulisse kann wie bei jedem Spiel der Serie überzeugen. Doch auch die so entstehende Stimmung kann die grottenschlechte KI nicht verschleiern. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass Shooter im Zweiten Weltkrieg mittlerweile ihren Interessens-Zenit überschritten haben. Unter dem Strich ein etwas mehr als durchschnittliches Action-Spiel von der Stange mit grandioser Atmosphäre, aber spielerischen Schwächen und Alterserscheinungen.

Pro

+ imposante Eröffnungssequenz+ Missionen beruhen auf historischen Ereignissen+ famose Soundkulisse+ Online-Spiel (PS2)+ bis vier Spieler am Splitscreen (Xbox, GC)+ Koop-Multiplayer

Kontra

trotz größerer Levels linear
KD (künstliche Dummheit)
Run-and-Gun-Prinzip mittlerweile alter Tobak
grafischer Rückschritt

Wertung

GameCube

XBox

PlayStation2

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