Im Test:
Hände hoch, das ist ein Überfall!
„Time to get rich“ – mit diesem Worten setze ich mir nach genauer Inspektion des Juweliergeschäftes meine Totenkopf-Maske auf und entsichere meine 9mm mit Schalldämpfer. Jetzt nur keinen Fehler machen. Zwei gezielte Schüsse strecken den Wachmann nieder, der in der Gasse hinter dem Laden patrouilliert. Nachdem ich dessen Einsatzzentrale via Pager davon überzeugt habe, dass alles in bester Ordnung ist, dringe ich mit meinen drei Kollegen über ein rückseitiges Fenster in den Innenraum ein. Jetzt muss alles sehr schnell gehen: Zwei Männer sichern den Verkaufsraum und nehmen Geiseln, während ich in das Büro des Inhabers stürme und ihn daran hindere den Panic-Button zu drücken. Wenige Sekunden später liegen er und seine Sekretärin gefesselt am Boden, der Bohrer arbeitet am Safe und ich sacke den Schmuck ein.
Bis zu diesem Moment wirkt Payday 2 durchaus überzeugend. Der schnelle Koop-Einbruch, die Möglichkeit Geiseln zu nehmen, das Verhindern des Alarms durch Geschick und Werkzeuge: alles deutet auf eine spannende Überfall-Erfahrung hin, in der es vor allem darum geht den Kontakt mit der Polizei zu vermeiden. Doch dann passiert es: Irgendjemand löst, wie auch immer, den Alarm aus. Sofort rückt die Polizei in Hunderschaftsstärke an, zunächst Streifenpolizisten, dann das SWAT und schwer gepanzerte Anti-Terror-Einheiten. Diese eröffnen prompt und ohne Vorwarnung das Feuer. Rücksicht auf Geiseln? Verhandlungen? Taktik? Bullshit! Stattdessen rückt die dumpfe KI geradeaus auf das Geschäft vor und lässt sich von unserem Team reihenweise niedermähen. Die städtische Polizei müsste alleine nach diesem Einsatz arge Personalprobleme bekommen – auch wegen der Verfahren angesichts erschossener Zivilisten, was selbst mir einen saftigen Abzug einbringt.
All cops are schießwütig
Vor allem auf technischer Seite macht Payday 2 eine extrem bescheidene Figur. Die Kulisse ist ihrer Zeit auf Jahre hinterher: Oberflächen, Animationen, Lichteffekte, alles das hat man gefühlt schon 2005 hübscher gesehen (Stichwort Half Life 2). Während auf PS3 und Xbox360 zudem ein durchgehendes Ruckeln den Spielfluss bremst und das Bild vor allem durch starkes Kantenflimmern glänzt, zerreißt auf dem PC massives Tearing immer wieder das Bild. Schaltet man V-Sync dazu, fällt im Test die Bildrate ins Bodenlose. Darunter leiden vor allem die Schusswechsel mit der Polizei: oft kann man im Flimmern und Ruckeln nicht so richtig erkennen, worauf man eigentlich gerade schießt. Gerade größere Gefechte schrammen deshalb an der Grenze zur Unspielbarkeit vorbei.
Der große Maskenball
Zudem gibt es vier Fähigkeitenbäume, in denen sich einzelne Überfall-Skills verbessern lassen. So kann ich als Mastermind etwa eine Medizintasche platzieren und bin „überzeugungskräftiger“ im Umgang mit den Zivilisten, während der Vollstrecker mehr Schaden austeilt und eine Munitionstasche mit sich führt. Ein ausgewogenes Team ist für die Coups Gold wert, da jeder Charakter sein eigenes Spezialgadget mitbringt und dem Team wertvolle Dienste leisten kann. Im Keller des eigenen Versteckes kann man ausprobieren, was diese anrichten können; zudem kann das Safeknacken, Türöffnen oder Schießen geübt werden. Dies gibt einen ordentlichen Überblick über die vielfältigen Einbruchsmethoden und ermöglicht Neulingen einen einfachen Einstieg.
Dynamisches Verbrechen
Damit man auf seinen Raubzügen zumindest ein wenig planen kann, gibt es die Möglichkeit die Objekte zunächst im Planungsmodus zu besichtigen. Als scheinbar harmloser Kunde oder Passant kann ich durch die Banken, Juweliergeschäfte oder Einkaufszentren streifen, die ich im Anschluss für meine zwielichtigen Auftraggeber Vlad, Bain oder ein südamerikanisches Drogenkartell ausraube oder verwüste. Hier können Wachleute ausgespäht, Kamerapositionen im Kopf festgehalten und wichtige Ziele ausgekundschaftet werden. Trotzdem enden die meisten Überfälle im Chaos: Trotz des Versprechens der Publisher habe ich noch keinen Einsatz erlebt, der nicht in eine wüste Schießerei mit den Gesetzeshütern mündete.
Allein unter Feinden
Während eines Einsatzes musste mein Team z.B. Taschen voll mit Koks aus einem LKW schnappen und ein Stück weiter auf einen Pickup werfen, während die Polizei aus allen Rohren feuerte. Zwar schossen meine Kollegen halbwegs zurück, waren aber nicht in der Lage, mir beim Schleppen unter die Arme zu greifen. Der Coup ging daneben, da ich beim sechsten Weg zurück zum LKW erschossen wurde. Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr.
Wer mehr über die Hintergrund der Welt von Payday erfahren möchte, sollte sich die Youtube-Webserie zu Gemüte führen. Hier werden die vier Charaktere in mittlerweile vier Episoden genauer beleuchtet und einige Hintergrundinformationen geliefert. Innerhalb des Spiels gibt es zwar wenige Videosequenzen, die Einsatzort und –Art vorstellen, eine echte Handlung oder gar Geschichte existiert aber nicht. Auch die Auftraggeber bleiben nebulös. Ebenfalls verzichtet wurde auf eine Charakterzeichnung der vier Protagnonisten. Das ist schade, bietet doch gerade Gangster-Action die Möglichkeit schillernde und durchgeknallte Charaktere à la Kane & Lynch zu zeichnen.
Fazit
Payday 2 bringt viele gute Ansätze mit: Die dynamischen Karten, die Möglichkeit, den Tatort vorher auszuspähen sowie unauffällige Raubzüge versprechen ein spannendes Räuber-und-Gendarm-Spiel. Die umfangreichen Freischaltungen und Verbesserungsmöglichkeiten motivieren und die Anzahl der Einsätze kann sich durchaus sehen lassen. Sobald der Titel aber bei Kontakt mit der Polizei zu einem Shooter mutiert, gehen viele dieser guten Ansätze verloren. Die Shootermechanik ist durchschnittlich und die Gegner-KI enttäuschend. Gefahr kommt nur durch massive Überzahl und den präzisen Beschuss der Polizisten auf, die selbst bei kleinen Überfällen in lächerlich großer Zahl ins Jenseits befördert werden. Dazu kommt die überaus unsaubere und extrem unansehliche Kulisse, die unter Tearing (PC) sowie Dauerruckeln (PS3, 360) leidet und das Spiel oft an die Grenze der Spielbarkeit bringt. Dennoch kann der Shooter gerade im Koop mit Freunden solide unterhalten, insbesondere wenn ein Überfall nach guter Planung erst sehr spät in eine wüste Schießerei ausartet.
Pro
Kontra
Wertung
360
Raub-Shooter mit vielen interessanten Ansätzen, aber starken technischen Unzulänglichkeiten.
PlayStation3
Raub-Shooter mit vielen interessanten Ansätzen, aber technischen Unzulänglichkeiten auf allen Plattformen.
PC
Auf dem PC dank stabilerer Framerate und Kantenglättung eindeutig die beste Version, auch wenn Tearing zeitweise ein Problem darstellt.
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