Im Test: Wenn Sam Fisher ein Sniper wär
Jenseits von Afrika
Nachdem die letzten zwei Teile von Sniper Elite in erster Linie urbanen Häuserkampf zelebrierten, setzt das britische Rebellion-Team für den dritten Ableger auf einen neuen Schauplatz: Jetzt ist man unter glühender Sonne auf heißem Wüstensand in Nordafrika unterwegs, um den Panzern von General Rommel ein paar Steine in die Ketten zu werfen. Oder Hochgeschwindigkeitsgeschosse in diverse Körperpartien. Dabei kommt die Geschichte traditionell zu kurz - hier noch mehr als zuvor. Doch nicht nur, dass sie inhaltlich selbst die Stories der Chuck-Norris-Filme der 80er Jahre wie Hemingway-Bücher wirken lässt: Sie wird darüber hinaus vollkommen uninteressant inszeniert. Weder die künstlerisch angehauchten Gemälde der Zwischensequenzen noch die wenigen Szenen in Spielgrafik können für historisches Flair oder erzählerische Spannung sorgen. Letztlich muss man nur eines wissen: In Nordafrika warten haufenweise Soldaten der Achsenmächte, die ausgeschaltet werden müssen. Die Antagonisten werden nur unzureichend aufgebaut. Selbst der General, der den leitenden Offizieren in Hitlers Armee mit seiner brutalen Weltanschauung ein Dorn im Auge ist, bleibt blass.
Splinter Snake Sniper
So bewegt sich die Shooter-Serie auf einem Terrain, das von Konami und Ubisoft beackert wird: Stealth-Action. Und schaut man genauer hin, finden sich zahlreiche Elemente, die man entweder aus MGS 5: Ground Zeroes oder den letzten Sam-Fisher-Abenteuern kennt. So kann man z.B. bis zu sieben Ziele mit seinem Fernglas „markieren“, was dazu führt, dass ihre Silhouetten auch durch massive Wände hindurch zu sehen sind. So hat man immer eine Übersicht, wo Gefahr lauern könnte - insofern man das Gelände vorher ausgekundschaftet hat. Natürlich kann man auch versuchen, stets und überall zu improvisieren. Doch dann hat man selbst auf den niedrigen Schwierigkeitsgraden kaum eine Überlebenschance. In der Sniper-Elite-Welt bleibt nur am Leben, wer zumindest ansatzweise einen Plan hat und auch mal im Schatten bleibt, um seine Chance zu nutzen - oder wer die dynamische Geräuschkulisse nutzt, um seine Schüsse zu übertünchen. Man kann sogar eine Entdeckung seitens der Feinde für seine Zwecke nutzen. Denn haben die Feinde Verdacht geschöpft und nehmen die Suche auf, hat man noch Zeit, seinen Standort zu wechseln. Es bleibt nur ein "Geist" an der Stelle zurück, an der man gesehen oder vermutet wurde. Unter entsprechenden Umständen kann man sogar einen "Geist"-Erfahrungspunkt-Bonus hinzugewinnen, wenn man aus dem nun möglichen Hinterhalt zuschlägt. In seinen besten Momenten erreicht Sniper Elite 3 mit dem neu gewonnenen Schleich- und Hinterhalt-Fokus ein sehr intensives Spannungsniveau.
Genie und Wahnsinn
Traditionell in Shootern eher vernachlässigt, konnte man angesichts des linearen sowie actionorientierten Ansatzes der Vorgänger über die eher schwache KI hinweg sehen. Jetzt, in einer offeneren Welt und mit frischen, auf Schleichen fokussierten Mechanik ist die Spannung und der Spaß deutlich abhängiger von den Routinen, mit denen die Gegner durch
Es gibt drei Verhaltensweisen: Routine (Patrouille bzw. „dumm“ herumstehen), Verdacht bzw. Suche sowie Angriff. Ohne Zwischenstufen oder graduierliche Veränderungen. Das geht so weit, dass nach einer Suche das "All Clear" eingeblendet wird und die Gegner wieder die Aufmerksamkeitsspanne haben, als ob nichts passiert wäre. Quasi das Zweitweltkriegs-Gegenstück zum "Blitzdingsen" der Men in Black. Spannender und interessanter wäre es, wenn einige des Afrika Korps z.B. nach und nach panisch würden und vielleicht sogar desertieren würden. Oder wenn sie sich schließlich zusammenrotten, weil sie feststellen, dass sie die einzigen vier sind, die von ursprünglich vielleicht 20 oder 30 übrig sind. Doch wie man es dreht und wendet, kann man die Schwächen der KI sehr schnell ausnutzen. Entweder, indem man mit der schallgedämpften Pistole von Vorsprung zu Vorsprung huscht und alle nacheinander ausschaltet - mitunter reagieren die Feinde nicht einmal, wenn man bei einem Dreiertrupp den etwa einen halben Meter hinter den anderen zwei gehenden
Shooter-Design statt Open-World-Variabilität
Beim grundlegenden Missionsdesign hält Rebellion im Gegensatz zu den Basis-Mechaniken zu sehr an Elementen fest, die eher in einen linearen Shooter passen würden: finden, töten, zerstören. Man hat eine große offene Welt zur Verfügung, in die von den Designern haufenweise Optionen gepflanzt wurden, um unentdeckt zu bleiben. Und es ist nichts Besseres eingefallen als diese Standardaufgaben. Wie wäre es denn z.B. damit gewesen, dass nur bestimmte Soldaten getötet werden dürften? Immerhin hätte man dadurch das Auskundschaften gefördert. Oder das die Belohnung am Ende höher ausfällt, wenn man möglichst wenige Leichen hinter sich zurücklässt? Dies hätte zu einem Umdenken und Ausprobieren anderer Herangehensweisen geführt. Doch hier bleibt Sniper Elite 3 zu sehr in seinen Shooter-Wurzeln verhaftet, bei denen man nur dann erfolgreich ist, wenn der Abschnitt leer geräumt wurde. Da der gut funktionierenden Ballermechanik per se kein Vorwurf gemacht werden kann, wird man in dieser Hinsicht solide unterhalten. Doch letztlich führt alles darauf hinaus, dass man alles feindliche Leben im Kriegsgebiet vernichtet.
Auch die Bosskämpfe bzw. die finalen Auseinandersetzungen, die man in den acht Missionen (entspricht ca. zehn bis 14 Stunden) erlebt, bieten bestenfalls Standard. Mal muss man einzelne Personen ausschalten, noch häufiger muss man gegen Panzer antreten und sie erst fahruntüchtig machen und dann durch gezielte Schüsse außer Gefecht setzen - es sei denn, man hat eine Panzerschreck dabei, die schnell das Aus für das Kettenfahrzeug bedeutet. Doch auch hier wäre mehr möglich gewesen.
Von V-Sync und Lichtschächten
Gleiches könnte man von der Technik sagen - vor allem auf den Systemen der letzten Konsolengeneration. Geringe Auflösung, Tearing, allgemeine Ladezeiten und Texturen, die teils noch länger als bei Unreal-Technologie brauchen, bis sie in voller Pracht erstrahlen: Der Fokus lag bei der Weiterentwicklung von Rebellions hauseigener Engine auf den neuen Systemen PC, PS4 und Xbox One, die visuell deutlich vorne liegen. Probleme mit nachladenden Texturen gibt es dort ebensowenig wie überlange Ladezeiten. Und dem Tearing sagt man mit Aktivieren des "V-Sync" dem Kampf an - selbst wenn man auf Konsolen dann ab und an mit spürbaren Einbrüchen in der Bildrate (vor allem in der Nachtmission 'Fort Rifugio') leben muss. Das ist übrigens der einzige nennenswerte visuelle Unterschied zur PC-Variante, die technisch rund läuft. Ansonsten sorgen eine hohe Sichtweite, ein ordentlicher Detailgrad und ansehnlicher Lichteffekte für das schönste Afrika-Feeling diesseits von Far Cry 2. Allerdings übertreibt man es hin und wieder mit dem Gleißen der Lichtschächte, die von den Sonnenstrahlen durch Äste oder durch Öffnungen in Felsmassiven geworfen werden. Bis hierhin hat man noch das Gefühl, dass die Engine bis zu einem gewissen Grad in der Lage scheint, den Technologien von Epic, Crytek oder id die Stirn bieten zu können - zumindest auf den aktuellen HD-Systemen.
Überall Camper
Jeder kennt sie, viele hassen sie: Die Camper, die in den Online-Modi einschlägiger Shooter an Ort und Stelle verharren und unentdeckt Kills sammeln. Sniper Elite 3 macht daraus eine Kunst. Nicht nur, weil durch die Sniper-Mechanik die Dynamik von Deathmatch- oder Team-Deathmatch-Duellen spürbar verändert wird. Sondern vor allem, weil bei "König der Entfernung" (wahlweise solo oder im Team) nicht Punkte oder Abschüsse, sondern die Gesamtdistanz zählen. Auf die Spitze getrieben wird es schließlich in "Kein Übertritt": Hier gibt es keinen direkten Feindkontakt, keine Chance auf Nahkampf. Hier treten Teams im tödlichen Scharfschützenwettkampf nach Deathmatch-Regeln an. Für ein Spiel zwischendurch ist Sniper Elite 3 daher ordentlich geeignet - auch wenn es zu wenige Karten gibt und der Netzcode gelegentlich zu Lags neigt.
Allerdings gewinnt die Kampagne durch die Option, kooperativ anzutreten, deutlich an Reiz. Nicht nur, weil man dann gemeinsam von der wankelmütigen KI gepeinigt wird. Sondern weil man in den großräumigen Gebieten tatsächlich gezwungen wird, taktisch zusammenzuarbeiten.
Fazit
Rebellion ist auf dem richtigen Weg: Man verbessert die kompromisslose Röntgen-Kamera. Man wirft die linearen Levelstrukturen der Vorgänger in den Mülleimer und setzt auf großräumige offene Gebiete, die einem unterschiedliche Herangehensweisen bieten. Man setzt mehr auf Stealth denn auf Action, wobei man dennoch die mehr als solide Schussmechanik verfeinert. Sprich: Man verlässt ausgetretene Shooter-Pfade und nähert sich Serien wie Splinter Cell oder Metal Gear Solid an. Und das ist gut - zumindest theoretisch. Denn in der Praxis werden sämtliche positiven Aspekte von der größtenteils grottigen KI torpediert, die den Sprung von der linearen in die offene Welt nicht verkraftet. Das geht zwar nie so weit, dass der Spaß einen finalen Rettungsschuss kassiert - dafür empfindet man zu starke primitive Genugtuung, wenn man die Gegner mit seinen Geschossen durchsiebt. Doch verbesserte bzw. natürlichere und damit überraschende Verhaltens-Routinen oder eine konsequente Inszenierung hätten Wunder gewirkt. In den Momenten, in denen die Feinde glaubwürdig reagieren und zu einer spannenden beidseitigen Verfolgungsjagd führen, zeigt der Kampf gegen die deutschen Panzer im Norden Afrikas sein ganzes Potenzial. Doch diese Momente sind zu spärlich gesät, um aus Sniper Elite 3 ein Actionspiel zu machen, das dem Fluch der Durchschnittlichkeit entkommen könnte.
Pro
Kontra
Wertung
360
Inhaltlich ist die Afrika-Action auf der 360 identisch, technisch sind die Unterschiede zu den "HD"-Varianten gravierend.
PlayStation3
Inhaltlich ist die Afrika-Action auf der PS3 identisch, technisch sind die Unterschiede zu den "HD"-Varianten gravierend.
PC
Offene Abschnitte, mehr Möglichkeiten, die Gegner zu meucheln, aber auch mehr schwere KI-Aussetzer: Bei der Neuausrichtung der Serie gibt es viel Licht, aber auch viel Schatten.
PlayStation4
Offene Abschnitte, mehr Möglichkeiten, die Gegner zu meucheln, aber auch mehr schwere KI-Aussetzer: Bei der Neuausrichtung der Serie gibt es viel Licht, aber auch viel Schatten.
XboxOne
Offene Abschnitte, mehr Möglichkeiten, die Gegner zu meucheln, aber auch mehr schwere KI-Aussetzer: Bei der Neuausrichtung der Serie gibt es viel Licht, aber auch viel Schatten.
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