Im Test: Elegante Wandläufe und akrobatische Action
Bewaffnete Akrobatik
Ich sprinte mit meinem Piloten in die Richtung der nächsten von drei Stellungen, die ich im Spielmodus Hardpoint à la Battlefield erobern und im Idealfall halten sollte. Doch anstatt langweilig die Treppe zur Spitze zu nehmen, laufe ich lieber schräg an der Wand des gegenüberliegenden Gebäudes entlang, stoße mich etwa in der Mitte des „Wall-Runs“ ab und nutze dann im Flug mein Jetpack, um gerade noch rechtzeitig nach einem Vorsprung zu greifen und mich anschließend auf die Plattform zu ziehen.
Was für ein toller Flow: Ich fühle mich wieder ein bisschen wie Faith im faszinierenden Mirror's Edge – mit dem Unterschied, dass ich hier während der Akrobatik-Einlagen auch oft die Waffen sprechen lasse anstatt nur davon zu laufen. Die Parkour-Elemente, auch leicht inspiriert von der gefloppten Bethesda-Ballerei Brink, sind eine gelungene Bereicherung für den Spielablauf, mit der sich Titanfall vom gewöhnlichen Shooter abhebt. Es macht einfach wahnsinnig viel Spaß, sich durch die Aneinanderkettung von Wandläufen und Jetpack-Boosts blitzschnell über die übersichtlichen Karten zu bewegen – vor allem dann, wenn man das vertikale Design vieler Maps berücksichtigt und über Dächer oder höher gelegene Felsformationen huscht, um sich einen taktischen Vorteil zu verschaffen. Zudem bildet die rasante Mobilität der Piloten nicht nur eine gute Balance zu den schwerfälligeren Titanen-Mechs, sondern passt auch wunderbar zum generell hohen Spieltempo, wie man es auch von Call of Duty kennt.
Unsichtbare Gefahr
An der Bedienungskonsole angekommen, aktiviere ich per Knopfdruck meine Tarnvorrichtung, die es besonders für Piloten an Bord der Blechkameraden schwer macht, mich zu erkennen. Doch lange kann ich mich nicht in Sicherheit wiegen, denn das Zeitfenster ist klein und bis zum erneuten Einsatz muss ich erst warten, bis sich die Funktion wieder regeneriert hat. Immerhin besitze ich diese erste von insgesamt drei Taktikfähigkeiten von Anfang an – später lässt sich die vorübergehende Unsichtbarkeit mit einer höheren Rangstufe aber auch gegen eine kurzzeitig erhöhte Bewegungsgeschwindigkeit und Gesundheitsgeneration oder einen Radarimpuls austauschen. Mit dessen Hilfe kann man seine Feinde selbst durch Wände hindurch sehen.
David gegen Goliath
Ich habe es noch rechtzeitig geschafft: Kaum ist der gegnerische Titan im Radius, eröffnet das schwere Geschütz automatisch das Feuer und heizt ihm mit schweren Feuersalven ein. Da mein eigener Mech immer noch auf sich warten lässt, bereite ich mich auf den Kampf David gegen Goliath vor und stelle mich dem Titan alleine entgegen. Doch anstatt die offene Konfrontation zu suchen, die trotz meiner überlegenen Agilität sicher den schnellen Tod bedeuten würde, ziehe ich Plan B vor und befördere mich mit Jetpack-Sprüngen zunächst in eine erhöhte Position. Da der Pilot immer noch durch das Geschützfeuer abgelenkt ist und ich mittlerweile auch wieder mein Tarnfeld aktiviert habe, wage ich den Sprung und schaffe es tatsächlich, mich am hinteren Kopfteil des Kampfroboters festzukrallen – also genau dort, wo seine empfindliche Schaltzentrale liegt.
Die Schutzabdeckung wird in Sekundenschnelle noch automatisch von meinem Piloten abgerissen, danach pumpe ich unter dem lauten Rattern meines Maschinengewehrs eine Salve nach der anderen in das blecherne Gehirn und verfolge mit einem schelmischen Grinsen, wie zuerst die Schilde und anschließend die Hauptenergie des Biests rapide abbauen. Jawohl: Da
Mein eigener Kampfroboter!
Allerdings hat es der Pilot noch rechtzeitig geschafft, sich per Schleudersitz zu retten und wird wahrscheinlich schon während seiner Landung versuchen, mich über den Haufen zu ballern. Meine Tarnung hilft mir nicht mehr viel: Zum einen befinde ich mich wieder in der Regenerationsphase und zum anderen ist die optische Täuschung im Kampf gegen Soldaten deutlich weniger effektiv. Dafür darf ich jetzt endlich meinen eigenen Titanen anfordern - hurra! Selbstverständlich würde ich die Position für die Lieferung im Idealfall so wählen, dass das tonnenschwere Paket aus dem All direkt auf dem Kopf meines Verfolgers landet, doch sind solche Glückstreffer leider selten.
Immerhin wird mein Mech nach der Ankunft zunächst von einem undurchdringlichen Schild geschützt, so dass ich in aller Ruhe einsteigen kann. Und danach geht der Spaß erst richtig los: Neben einer mächtigen Primärwaffe wie einem wuchtigen 40-MM-Geschütz oder der durchschlagenden Plasma-Railgun verfügen die Kolosse genau wie die Piloten auch über Taktikfähigkeiten. Hier freut man sich zu Beginn über das Vortex-Schild, das nicht nur sämtliche Geschosse abwehrt, sondern nach dem Loslassen der Taste wieder postwendend an den Angreifer zurückschickt. Mit höheren Rängen greift man alternativ zum Elektrorauch, die wie ein EMP funktioniert und nicht nur gegnerischen Titanen Schaden zufügt, sondern auch Piloten, die z.B. gerade versuchen, meinem Mech in Rodeo-Manier die Schaltkreise zu rösten. Oder aber die Partikelmauer, die ähnlich funktioniert wie der Schild, der den Titanen bei seiner Ankunft schützt.
Meine eigene Ausrüstung!
Stehen wie bei den Piloten zu Beginn lediglich drei Mech-Klassen mit festgelegter Ausrüstung zur Wahl, darf man in höheren Rängen das Equipment selbst zusammenstellen und eine zunehmende Anzahl von bis zu fünf Loadouts für Titanen und Soldaten vorbereiten. So stehen später drei Chassis zur Verfügung, die sich hinsichtlich ihrer Haltbarkeit, Geschwindigkeit und Beschleunigung voneinander unterscheiden. Die Anzahl der Jetschübe ist ebenfalls nicht unwichtig – besonders dann, wenn man sich möglichst schnell zurückziehen oder Geschossen ausweichen will. Zwar wird auch diese Fähigkeit mit der Zeit regeneriert, doch ist es natürlich besser, gleich zwei oder drei Schübe direkt nacheinander ausführen zu können. Auch die Explosionswaffen wollen weise gewählt werden, denn der anfänglichen Raketensalve mit ungelenkten Raketen stehen in höheren Stufen attraktive Alternativen zur Seite. So z.B. das Multi-Ziel-Raketensystem, mit dessen Hilfe man gleich mehrere Gegner markieren und attackieren kann. Oder die Aufschalt-Sprengköpfe, das dem zuvor erfassten Ziel drei Lenkraketen hinterher schickt. Als Pilot nutzt man dagegen Splitter- und Elektrogranaten oder platziert Sprengstoff sowie Elektrominen.
Kits und Burn-Cards
Dazu gesellen sich diverse Herausforderungen, bei denen man sich nicht nur Erfahrungspunkte, sondern auch Verbesserungen für die aktuell verwendeten Waffen verdienen kann. Erreicht man z.B. die vorgegebenen Ziele im Umgang mit dem Karabiner, darunter z.B. eine bestimmte Anzahl an Kopfschüssen oder eine festgelegte Benutzungsdauer, bekommt man als Belohnung u.a. eine höhere Magazinkapazität oder Visieraufsätze. Selbst die ohnehin schon mächtigen Titan-Wummen lassen sich durch den Abschluss von Herausforderungen noch weiter aufrüsten.
Eine Frage der Balance
So langsam nähert sich das Gefecht dem Ende – und es sieht nicht gut aus für mich und mein Team. Das liegt nicht nur daran, dass unsere Trefferquote vielleicht nicht so hoch ausfällt wie bei unseren Widersachern. Auch das oft fragwürdige Matchmaking trägt seinen Teil dazu bei, dass sich die Balance gerne deutlich zugunsten der IMC oder Miliz verschiebt – kein Wunder, wenn auf der einen Seite überwiegend Anfänger und auf der anderen vornehmlich hochrangige Profis zusammengewürfelt werden. Teilweise kann es sogar passieren, dass man in Unterzahl antreten muss. Respawn hat bereits angekündigt, das Matchmaking verbessern zu wollen – es wäre nötig. Dabei sollte man vielleicht auch in Betracht ziehen, die Spieler auf Wunsch private Lobbys anlegen und die Teilnehmer manuell auf beide Teams verteilen zu lassen. Bisher ist es nur möglich, für öffentliche Sitzungen eigene Freunde einzuladen. Was bei Origin einfach funktioniert, ist auf der One trotz der Überarbeitung des Dashboards immer noch ein Krampf und unnötig kompliziert, sobald man empfangene Einladungen annehmen will.
Symbiose aus klassischer Kampagne und Mehrspieler-Action?
Keine Überraschungen
Von daher ist es gut, dass man sich auch unabhängig von der Kampagne in die Schlachten stürzen und sich selbst seinen Lieblings-Modus aussuchen darf. Neben der bereits bekannten Materialschlacht (Team-Deathmatch) und dem Conquest-Kampf um Hardpoints stehen im klassischen Mehrspieler auch noch Capture the Flag, Last Titan Standing (Titan-Duelle ohne Respawns) und die Pilotenjäger zur Auswahl, bei der lediglich Abschüsse von Piloten gewertet werden – egal ob man sie Mann-gegen-Mann oder mit den schweren Geschützen eines Titanen vernichtet.
Bewährtes statt Innovation
Einen Innovationspreis gewinnt Respawn mit dieser Auswahl nicht, doch stellt das neue Wechselspiel zwischen Piloten und Titanen auch für die klassischen Modi eine Bereicherung dar, die trotz ihrer angestaubten Konzepte immer noch jede Menge Spaß machen. Ich liebe z.B. immer noch den altbewährten Flaggenklau – und mit einem Jetpack auf dem Rücken sowie einem Mech als Geleitschutz ist der Adrenalinschub gleich noch ein Stückchen höher. Trotzdem wäre sicher mehr drin gewesen: So hätte ich mir z.B. eine Variation wie InstaGibb im Stil von Unreal Tournament gewünscht, die wunderbar zur flotten Action gepasst hätte. Oder ein Modus, in dem alle Piloten nur mit der SmartGun ausgerüstet werden. Dynamische Ziele hätten ebenfalls nicht geschadet: Ich hätte es z.B. gerne gesehen, dass ein Pilot im Laufe einer Schlacht zum VIP erklärt und beschützt bzw. ausgeschaltet werden muss.
Auf der Flucht
Aber zurück zu meinem Gefecht, in der ich mit meinem Team trotz düsterer Aussichten immer noch alles gebe, um das Blatt vielleicht doch noch zu wenden. Aus lauter Frust knöpfe ich mir einfach das selten dämliche Fußvolk vor. Dabei handelt es sich um NPCs, deren KI in der Cloud berechnet wird und die mit häufigen Nachschub-Lieferungen etwas mehr Leben auf die Schlachtfelder bringen sollen. Denn leider dürfen sich hier pro Team lediglich sechs menschliche Teilnehmer auf den Karten tummeln, was angesichts eines Battlefield 4 mit seinen 64 Spielern für einen Mehrspieler-Shooter der neuen Generation etwas peinlich wirkt. Im Prinzip ist die Idee gar nicht schlecht, die Lücken mit KI-Mitstreitern zu füllen. Doch das, was da aus der Cloud kommt, kann man nur als Kanonenfutter bezeichnen: Ich habe selten eine KI erlebt, die so dumm an ihrer offenen
Aus der Befürchtung wird jetzt bittere Gewissheit: Die Niederlage meines Teams ist besiegelt! Doch der Kampf ist damit noch nicht vorbei, denn am Ende jeder Runde wartet immer ein spielbarer Epilog, der für einen letzten Kick sorgt. Dabei müssen die Verlierer rechtzeitig einen Abholpunkt erreichen und an Bord eines Rettungsschiffs springen – immerhin winken trotz der Schmach noch ein paar Bonuspunkte für eine erfolgreiche Evakuierung. Allerdings wird die Landezone nicht nur für die Verlierer markiert, sondern auch das andere Team bekommt den Ort angezeigt und setzt alles daran, die Flucht der letzten Überlebenden zu verhindern. Dabei versteht es sich von selbst, dass es in dieser finalen Phase einer Schlacht keinen Wiedereinstieg mehr gibt, sobald man getötet wurde – und genau das macht die letzten Minuten zusammen mit dem Zeitdruck so unglaublich spannend.
Technische Kompromisse
Da man sich bei Respawn für Valves mittlerweile betagte Source-Engine entschieden hat, wirkt die Kulisse trotz ihrer durchaus ansehnlichen Architektur angestaubt. Im direkten Vergleich zum Technikgerüst vom Schlag eines FrostBite oder der CryEngine 3 wirkt Titanfall hoffnungslos veraltet und muss sich selbst dem technisch mittelprächtigen Call of Duty: Ghosts geschlagen geben. Hinzu kommt, dass sich die Umgebung hier kaum zerstören lässt, obwohl gerade die mächtigen Titans geradezu prädestiniert gewesen wären, alles in Schutt und Asche zu legen. Aber vielleicht hätte es die Balance zu sehr negativ beeinflusst, wenn man den Akrobaten ihre Wände, Vorsprünge und Dächer genommen hätte. Trotzdem hätte ruhig etwas mehr zu Bruch gehen können als ein paar Fensterscheiben.
Nicht nur die Grafik, sondern auch das Sounddesign wirkt altbacken: Den heftigen Explosionen, ratternden Geschützen und stampfenden Mechs mangelt es selbst in einer 5.1-Konfiguration an einer druckvollen Abmischung und intensiven Surround-Effekten. Gerade aus dem Hause EA hat man da schon Besseres gehört – ich erinnere neben Battlefield in diesem Zusammenhang auch gerne an Dead Space oder selbst Need for Speed. Und auch Titanfall hätte die besten Voraussetzungen mitgebracht, die Wohnzimmerwände zum Wackeln zu bringen. So bleibt es nur bei leichten Erschütterungen und einem gewöhnlichen Soundtrack, der die Action zwar passend begleitet, aber keinen bleiben Eindruck hinterlässt.
Störungsfreie Matches
Ein besonderes Lob gebührt EA und Respawn für den Netzcode und die Server: Ich hatte während meiner fast einwöchigen Testphase keinen einzigen Absturz und auch Lags traten – wenn überhaupt – nur äußerst selten auf. Selbst am Releasetag und auch am Wochenende traten weder am PC noch an der Konsole Probleme auf; ein Desaster wie Battlefield 4 blieb uns zum Glück erspart.
Fazit
Titanfall rockt die Hütte! Seit den seligen Zeiten eines Unreal Tournament oder Quake hatte ich lange nicht mehr so viel Spaß mit einem Mehrspieler-Shooter! Es ist flott, intensiv und der perfekte Adrenalin-Kick für zwischendurch – vom ersten Absprung bis zum dramatischen Epilog. Es ist ein unbeschreiblich cooles Gefühl, mit Jetpack und Wandläufen über die großartig designten Karten zu flitzen, auf den blechernen Schädel eines Titanen zu springen und ihm anschließend die Schaltkreise zu zerbrutzeln. Doch auch in der Pilotenkanzel der schwer bewaffneten Mechs versprüht der Titel einen wunderbar destruktiven Charme und sorgt gleichzeitig für eine tolle Dynamik auf dem Schlachtfeld. Dabei ist es besonders bemerkenswert, wie gut Respawn das Balancing zwischen beiden Spieltypen gelungen ist. Weniger schön dagegen, dass ausgerechnet durch das automatische Match-Making dieses Gleichgewicht zu oft aus den Fugen gerät. Dass ich keine privaten Lobbys anlegen und Regeln anpassen darf, stößt mir ebenfalls mindestens so sauer auf wie die grottige Cloud-KI. Diese Deppen-Armee bereichert weder die kleine aber feine Auswahl an klassischen Spielmodi noch die mäßig inszenierte und kurze Kampagne, die das Prädikat „überflüssig“ noch mehr verdient als in Battlefield 4. Da wäre mir die Anhebung der Spielergrenze deutlich lieber gewesen, denn die Beschränkung auf zwölf Teilnehmer scheint mir genauso altmodisch zu sein wie die Technik: Man sieht deutlich, dass die Source Engine ihre besten Tage hinter sich hat und auch im Audiobereich hinkt man der Konkurrenz hinterher. Aber mit solchen Kompromissen kann ich mich anfreunden, wenn dafür die Bildrate und Netzqualität stimmt – und hier hinterlässt Titanfall zumindest am PC einen hervorragenden Eindruck, während man auf der Xbox One mit leichten technischen Einbußen leben muss, die den Spielablauf aber nur selten stören.
Pro
Kontra
Wertung
XboxOne
Technisch leicht schwächer als auf dem PC. Trotzdem machen die Gefechte auch auf der Xbox One einen Heidenspaß!
PC
Intensiv, dynamisch, akrobatisch: Titanfall sorgt trotz verpatzter Kampagne und überflüssiger Cloud-KI für eine angenehm frische Brise auf den Online-Schlachtfeldern.
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