Armikrog09.10.2015, Jan Wöbbeking

Im Test: Ausbruch aus der Knet-Festung

Doug TenNapel will der Stop-Motion-Technik zu neuem Ruhm verhelfen: Sein bizarres Adventure Armikrog (ab 8,99€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) wurde beinahe komplett mit Knetmasse gebaut und animiert. Im spirituellen Nachfolger zu The Neverhood erforschen der absgestürzte Tommynaut und sein treuer Hund eine wundersame Weltraumfestung.

Kickstarter-Knete

Was zum Henker ist das? Ein vollbärtiger Affenkopf. Mit Krebsscheren und einem Zylinder. In einer Blüte, die sich öffnet, wenn ich drauf klicke. „Greetings, i am Abrahand Lincoln!“, klärt die wundersame Knetpuppen-Apparatur mich auf, bevor sie bedeutungsvoll mit den Scheren klappert. Erst dreimal, dann zweimal, dann einmal. Das kann ich doch bestimmt irgendwo gebrauchen oder? Bingo – allerdings erst rund eine Stunde später, wenn ich in einer anderen Ecke von Armikrog eine futuristische Kanone und ein paar Vögel entdecke. Vorher begegnen mir in der Festung aber noch allerhand andere seltsame Maschinen, Geistwesen und psychedelische Effekte, deren Bedeutung sich erst langsam erschließt.  Nachdem Tommynaut und sein treuer Hund Beak-Beak auf einem gefährlichen Planeten abgestürzt sind, flüchteten sie sich vor hungrigen Monstern in die seltsame Burg. Natürlich versuchen sie, sich wieder zu befreien. In dem verlassenen Bauwerk stoßen sie aber auf mysteriöse Hilferufe, ein verloren gegangenes Baby und verführerisch leuchtende Artefakte, welche mit den exotischen Apparaturen und einem intergalaktischen Gauner in Verbindung zu stehen scheinen.

Greetings!
Um die Knetwelt lebendig werden zu lassen, starteten TenNapel und die Pencil Test Studios eine Kickstarter-Kampagne, bei der mehr als 970.000 Dollar zusammenkamen. Zumindest visuell hat sich die Investition ausgezahlt: Das Art-Design ist schlichtweg fantastisch! Der gutmütige, aber trotzdem selbstbewusst posierende Held ist mir sofort ans Herz gewachsen – und sein kleiner (ebenfalls spielbarer) Begleiter ist sogar noch putziger. „Beak-Beak“ heißt so viel wie Schnabel-Schnabel – wer einen Blick auf ihn wirft, versteht, warum. Das intergalaktische Hündchen kann schweben, lustige Kommentare abgeben und seinen eigenen Schwanz jagen, was äußerst knuffig animiert wurde. Auch in den Bau der Kulissen ist viel Liebe geflossen. Werfe ich zu Beginn einen Blick aus dem Fenster, zerfleischen sich draußen einige absonderliche Aliens auf äußerst unterhaltsame Weise.

Exotische Apparaturen

Ähnlich unterhaltsam sind all die seltsamen Wesen bzw. Apparaturen wie der glucksende Tintenfisch-Aufzug mit ausfahrbaren Tentakeln oder grün leuchtende Maschinen mit wild pumpenden Zylinderköpfen. Immer wieder gibt es Projektionen kryptischer Botschaften zu entdecken, in denen die ehemaligen Bewohner mir helfen und etwas mitteilen wollen. Zwischendurch gibt es immer wieder hübsche kleine Kurzfilme, in denen sich z.B. das komplette Haus auseinanderfaltet – beim Erforschen spielt die Geschichte aber nur eine Nebenrolle, da sie nur ab und zu mit den Rätseln verknüpft wurde.

Ab geht die Post!
Schade, dass sich die Entwickler beim handwerklichen Teil des Spiels nicht ähnlich viel Mühe wie bei der Animation gegeben haben, denn das Entdecken und Knobeln wirkt viel zu oft hakelig und altbacken. Die Probleme beginnen schon bei der Steuerung. Dass sich die Hotspots nicht auf Knopfdruck anzeigen lassen, kann ich noch nachvollziehen: Bei solch einer interessanten Umgebung ist es durchaus logisch, dass die Entwickler mich zum Suchen zu animieren wollen. Die Reaktionen von Tommynaut oder seinem Hund sind aber nicht vernünftig darauf abgestimmt: Während ich im Hintergrund auf interessante Objekte klicke, zuckeln die Figuren abgehackt und nervös im Vordergrund herum, weil sie meine Klicks auch als Steuerungs-Kommandos wahrnehmen. An den Nerven zehren auch die langsame Laufgeschwindigkeit und der umständliche Wechsel zwischen Räumen: Mal reicht es, auf eine Tür zu klicken, anderswo muss ich schon den schwarzen Bildrand dahinter treffen, so dass der Zeiger manchmal versehentlich auf den zweiten Bildschirm gerutscht ist und ich das Spiel geschlossen habe. Theoretisch gibt es auch eine alternative Controller-Steuerung, die bei uns aber nicht funktioniert hat.

Bugs und andere Dämpfer

Durch solche Inkohärenzen wird auch die Einschätzung schwierig, ob ich gerade nur ahnungslos durch die bizarre Burg irre oder ein Bug meinen Erfolg verhindert. Das Rätsel, bei dem ich das Baby finde und mit einem Glockenspiel tröste, musste ich z.B. gleich dreimal lösen, bevor ich endlich den Hebel bekam, der mir weiter oben den Zugang zu einer Schienenbahn eröffnete. Nachdem ich rund eine Stunde verzweifelt durchs Haus geirrt war, bestätigte mir meine Netz-Recherche, dass sich das Objekt eigentlich schon in meinem Besitz befinden müsste. Erschwert werden solche Ungewissheiten dadurch, dass ich nicht einmal einsehen kann, was sich überhaupt in meinem Inventar befindet. Tommynaut stopft einfach alles Gefundene in seinen geräumigen SciFi-Pullover – plopp! Manchmal erstrecken sich die Umgebungsrätsel auf einige Räume, zwischen denen ich mehrmals wechsle - anderswo löse ich einfach ausgelagerte Puzzles. In einer Art Sternwarte z.B. muss ich die leuchtenden Himmelskörper mit ein paar Schaltern drehen, bis sie sich überlappen und die passenden Farben anzeigen.

Das sympathische Knet-Duo aus der Nähe.
Das Tor zur Halle habe ich vorher mit einem einfachen Schiebepuzzle geöffnet. Solche Aufgaben sind nur mäßig unterhaltsam – vermutlich wollten die Entwickler die Spieler nach all den bizarren Entdeckungen nicht noch zusätzlich verwirren, sondern ihnen immerhin dort eine kleine Auszeit gönnen. Die in die Umgebung eingebundenen Kopfnüsse sind schließlich oft bereits schwer genug zu durchschauen.

Mahlzeit!

Ab und zu wechsle ich auch in die Rolle von Beak-Beak. Warum manche der Gerätschaften nur von ihm bedient werden können, erschließt sich mir allerdings nicht. Logischer wirkt seine Fähigkeit, als galaktischer Hund in anderen Farbspektren sehen zu können. Immer wieder schlüpfe ich in kleine Tunnel und lande an vorher unerreichbare Orten. Der vierbeinige Sympathieträger sieht dann zwar alles schwarz-weiß und psychedelisch wabernd, kann aber nützliche Gegenstände auffressen

Zwischendurch warten einfache Schiebepuzzles auf ihre Lösung.
Kurz danach würgt er die Fundstücke mühsam wieder hoch. Leider kommt es auch beim Wechsel zwischen solchen Sequenzen immer wieder zu technischen Fehlern: Mal blieb der Soundtrack komplett stumm, später düdelten zwei der psychedelischen Rock-Tracks durcheinander. Durch die hakelige Bedienung und gelegentliche Bugs zieht sich natürlich auch die Spielzeit in die Länge. Wäre das nicht der Fall, könnte man das kurze Abenteuer vermutlich problemlos in zwei bis drei Stunden beenden.

Fazit

Schade um die schöne Inszenierung und all die wundervoll bizarren Ideen, aber handwerklich macht Armikrog einfach zu viel falsch. Schwer durchschaubare Rätsel, eine Reihe von Bugs und die hakelige Handhabung haben mich immer wieder ahnungslos durch die Festung stolpern lassen. Das ist vor allem daher schade, weil die wandlungsfähige Stop-Motion-Welt viel Potenzial besitzt. Das wundersame Knet-Fort und seine bizarr animierten Apparaturen haben mich immer wieder von neuem fasziniert. Der Mix aus schlichten Schiebepuzzles und schwer durchschaubaren Umgebungsrätseln verpassen dem ziemlich kurz geratenen Ausflug aber oft einen starken Dämpfer.

Pro

surreale Welt voller bizarrer Überraschungen
liebevoll gestaltete Knet-Kulissen
detailverliebte Animationen
charmante Helden und Figuren
passend psychedelischer Rock-Soundtrack

Kontra

Rätsel oft schwer durchschaubar oder zu leicht
zahlreiche Bugs, die mitunter auch Rätsel erschweren
schwerfällige, leicht hakelige Steuerung
nur wenige Stunden kurz
häufige Soundaussetzer und Lautstärkeschwankungen

Wertung

PC

Die bizarre Welt verzaubert, aber Bugs und handwerkliche Schwächen machen das Knobeln oft frustrierend.

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