Im Test: Rätsel-Abenteuer im Ersten Weltkrieg
Zusammen durch den Weltenbrand
Das Spiel beginnt mit einer tragischen Familientrennung im Jahr 1914: Der Vater wird von der französischen, der Ehemann von der deutschen Armee eingezogen – zurück bleibt eine weinende Frau im Elsass. Der sehr gute deutsche Sprecher und die traurigen Klavierklänge sorgen zusammen mit dem markanten Zeichenstil für einen melancholischen, überaus stimmungsvollen Einstieg. Man fühlt sich wie in einem animierten Comicroman, wenn man seine ersten Schritte in der französischen Kaserne macht.
Zwischen Beklemmung und Belustigung
Auch hier regnen Bomben, schreien Verwundete und rattern Maschinengewehre. Aber die Inszenierung schwankt zwischen Drama und Komödie, Beklemmung und Belustigung, Antikriegstendenz und heroischem Pathos – unter diesen Wechseln und Widersprüchen leidet auf lange Sicht auch die Identifikation mit den Charakteren, zumal die Story manchmal unnötig ins Kitschige abdriftet. Dass man z.B. einen deutschen Oberbösewicht in einem Waffen strotzenden Zeppelin verfolgt und in Bosskämpfe verwickelt wird, würde auch zu einem gewöhnlichen Beat’em Up oder Shoot’em Up passen.
Historisch interessanter als erzählerisch
Alls das macht irgendwann neugieriger als das eigentliche Schicksal der Familie oder Protagonisten. Man erfährt einfach so viel über versteckte Gegenstände, Archivmaterial und Tagebücher. Ich habe mich dabei ertappt, dass es wesentlich interessanter war, welche Erklärung sich hinter einer Uhr, einem Spaten oder einer Maske verbarg, als die Story um Emile, Klaus & Co zu verfolgen.
Dabei hätte man aus der Geschichte und den Biographien dramaturgisch mehr herausholen können. Man erlebt die Reise durch die Kriegsjahre ja aus mehreren Perspektiven: Mal spielt man den Schwiegervater Emile mit seinem Kochlöffel, mal den blonden Karl und hinzu gesellen sich ein amerikanischer Fremdenlegionär sowie eine Sanitäterin namens Anna. Diese illustre Gruppe wird immer mal wieder getrennt und zusammengeführt, während man an zig Schauplätzen über vier Kapitel von Paris bis Verdun und Ypern Rätsel wie in einem klassischen Adventure löst, Reaktionstests sowie kleine Ausweichspiele meistert.
Bescheidene Rätselqualität
Die Qualität der Rätsel steigt zwar mit der Zeit etwas an, ist aber über weite Strecken bescheiden. Meist ist es offensichtlich, was wo zu tun ist. Also läuft man von links nach rechts, trocknet die Socke am Feuer, bekommt dafür das Tintenfass; lockt den Vogel mit Brot, sammelt dafür die Feder ein – und kann letztlich einen Brief schreiben. Zwar kann man im Veteranenmodus zumindest die optischen Hinweise abschalten, aber selbst so kommen erfahrene Knobler viel zu schnell vorwärts.
Kombinierte Kooperation und Schleichanlagen
Aber Valiant Hearts punktet immerhin mit seiner Vielfalt an Aktionen und Gefahren in Echtzeit. Kooperative Abwechslung und damit auch etwas mehr Anspruch kommen z.B. über den Hund sowie die Begleiter ins Spiel. Dann werden auch hintere oder obere Ebenen der Kulisse genutzt, um den treuen Vierbeiner mit Befehlen durch Tunnel
Dabei wird sogar geschlichen und ausgeknockt: Man kann sich hinter Mauern verstecken und eine Wache von hinten niederstrecken oder Attrappen als Köder aufstellen. Man wirft Gegenstände zur Ablenkung von Wachen oder um Leitern auszurollen, kann mit Dynamit Wege freisprengen oder sich mit der Schaufel durch die Erde graben, wobei man versteckte Sprengkörper meiden muss. Hinzu kommen einige Ausweichsituationen: Wenn es Granaten vom Himmel regnet, muss man ihren Schatten entfliehen; auch am Steuer eines Autos muss man bei quietschenden Reifen im Takt der Musik dem Beschuss entgehen – Rayman lässt grüßen.
Zwar tragen die Helden keine Waffen, aber es wird auch geschossen, wenn man z.B. per Fadenkreuz eine Kanone auf feindliche Stellungen ausrichten muss. In der Haut von Anna gilt es schließlich Patienten zu heilen, indem man in Reaktionstests die richtigen Knöpfe zur richtigen Zeit während der Behandlung drückt. Das ist ebenfalls sehr einfach, wird etwas zu oft eingesetzt und hat in einer Situation zu einem Bug geführt, der zum Neuladen zwang. Wenn man nach der Ersten Hilfe für eine Frau in einem Haus zu schnell drückt, bleibt Anna regungslos stehen und lässt sich nicht mehr bewegen. Aber das war die einzige Fehlersituation.
Fazit
Hallo, ihr Geschichtslehrer da draußen: Valiant Hearts ist vielleicht das ideale Spiel für den Unterricht in der Unter- und Mittelstufe, denn das markante Comic-Adventure weckt fast im Vorbeigehen die Neugier auf die Zeit des Ersten Weltkriegs. Interessante Informationen zum Alltag der Menschen werden über Gegenstände, Tagebücher und Archivmaterial so clever integriert, dass man historisch geködert wird. Das kann man von der Familiengeschichte leider nicht sagen, die zu Beginn zwar berührt, aber dann seltsam kalt lässt. Also ein weiteres Hallo an die Deutschlehrer da draußen: Anhand dieses Spiels könnte man vielleicht zeigen, warum die emotionale Anbindung an die Charaktere von der wankelmütigen Regie ausgebremst wird. Die Inszenierung schwankt zwischen Drama und Komödie, Beklemmung und Belustigung, Antikriegstonalität und kitschigem Pathos - mir fehlt die klare Linie. Dieses Wechselbad setzt sich spielerisch fort, denn die über weite Strecken magere, im besten Fall solide Rätselqualität wird immerhin von Kooperation mit dem Hund sowie Abwechslung in Echtzeit aufgefangen. Man schleicht, verarztet oder fährt allerdings auch nur auf Reaktionstestniveau. Unterm Strich über etwa acht Stunden ein solides Abenteuer mit ausgezeichnetem Artdesign, aber zu viel spielerischer Gewöhnlichkeit und vertanen erzählerischen Chancen. Wer wissen will, wie man das Thema Erster Weltkrieg auch in Comicform erwachsener, konsequenter und eindringlicher umsetzen kann, dem empfehle ich „Elender Krieg “ von Jacques Tardi.
Pro
Kontra
Wertung
360
Unterm Strich ein solides 2D-Adventure mit ausgezeichnetem Artdesign, das allerdings besser bildet als unterhält.
PlayStation4
Valiant Hearts fehlen zwar eine klare Regie und kreativere Rätsel, aber dafür besticht das Artdesign, man wechselt Perspektiven sowie Fähigkeiten und wird fast im Vorbeigehen historisch informiert.
PC
Valiant Hearts fehlen zwar eine klare Regie und kreativere Rätsel, aber dafür besticht das Artdesign, man wechselt Perspektiven sowie Fähigkeiten und wird fast im Vorbeigehen historisch informiert.
PlayStation3
Unterm Strich ein solides 2D-Adventure mit ausgezeichnetem Artdesign, das allerdings besser bildet als unterhält.
XboxOne
Unterm Strich ein solides 2D-Adventure mit ausgezeichnetem Artdesign, das allerdings besser bildet als unterhält.
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