MX vs. ATV: Supercross30.10.2014, Michael Krosta

Im Test: Zurück auf die Staubpisten

Schon vor der Pleite im Jahr 2012 hatte THQ die Reihe MX vs. ATV nach dem kommerziell gefloppten und inhaltlich kastrierten Alive eingemottet. Unter Nordic Games feiert das Offroad-Urgestein jetzt eine Wiederauferstehung: Für MX vs. ATV: Supercross (ab 11,95€ bei kaufen) brachte der neue Lizenzinhaber mit den Rainbow Studios sogar das ursprüngliche Entwickler-Team zurück zur Marke. Kehrt man zu alter Stärke zurück?

Das alte Gefühl – mit Abstrichen

Veteranen dürften sich sofort heimisch fühlen, wenn sie hier auf dem Sattel der MX-Motorräder und ATVs Platz nehmen, denn das Offroad-Feeling der staubigen Hügel-Pisten wird erneut gut eingefangen – auch dank des bewährten Reflex-Systems, mit dem man Fahrer und Vehikel getrennt voneinander steuert und mit Gewichtsverlagerungen und der bekannten „Auflade-Mechanik“ vor Sprüngen selbst anspruchsvolle Kurse meistern, wenn das Timing und der Rhythmus stimmt.

Trotzdem hat mir das Fahrverhalten in der Vergangenheit etwas besser gefallen: Damals zeigten sich die Zweiräder noch reaktionsfreudiger und ließen sich auch präziser über die Pisten mit ihrer Oberflächen-Deformation steuern. Bei den ATVs wird der Unterschied sogar noch krasser und es fällt hier oft schwer, sie vor allem nach großen Sprüngen unter Kontrolle zu halten. In diesem Zusammenhang finde ich es zudem schade, dass man die Abfang-Mechanik nicht aus den Vorgängern übernommen hat, wo man mit guten Reflexen den sicheren Sturz doch noch verhindern konnte.

Motocross Light

Tricks sind zwar möglich, spielen aber eigentlich keine Rolle und werden nirgends erklärt.
Darüber hinaus vermisst man viele weitere Elemente der vorherigen Teile. Vor allem hinsichtlich Abwechslung und Inhalt lässt das aktuelle Revival zu wünschen übrig: Wie es der Titel schon andeutet, rast man nur in Supercross-Wettbewerben um den Sieg gegen aggressive KI-Piloten, an denen man sich dank des vorhandenen Gummibandes schon auf der zweiten von vier Stufen teilweise die Zähne ausbeißt, wenn die anderen Fahrer mit einem fragwürdigen Geschwindigkeitsüberschuss immer wieder an einem vorbeiziehen. Die Schauplätze erstrecken sich folglich nur über Indoor-Arenen kreuz und quer durch die USA. Das Streckenlayout fällt dabei zwar unterschiedlich aus, doch visuell wird eher Einheitsbrei serviert, auch wenn ich Supercross grafisch insgesamt tatsächlich ansprechender finde, als die PS4-Umsetzung von Milestones MXGP. Das Geschwindigkeitsgefühl ist prima und wird nur selten von kleinen Einbrüchen der Bildrate gestört und auch die Fahrermodelle können mit flatternden Trikots sowie guten Animationen überzeugen. Doch mit Omnicross- und National-Events hatten die Vorgänger mit Ausflügen in die Natur nicht nur mehr Abwechslung, sondern mit Buggys, Trucks und sogar Golf-Karts auch einen deutlich größeren Fuhrpark zu bieten.

Die ATVs lassen sich oft nur schwer kontrollieren.
Hier beschränkt man sich dagegen nur auf eine kleine Auswahl an MX-Bikes und Quads verschiedener Leistungsklassen, die im Gegensatz zum freischaltbaren Equipment für Fahrer und Vehikel nicht einmal lizenziert wurden. Auch das war in den Vorgängern mit Nachbildungen realer Modelle von Herstellern wie Blaze oder Dakumoto noch anders, doch wird man diese eventuell in Form von kostenpflichtigen Premium-Inhalten nachliefern... Einstellungen wie etwa am Fahrwerk oder der Übersetzung sind übrigens nicht gestattet, doch dafür weht mit dem Austausch von Teilen wie Lenkern, Federn und Auspuffanlagen immerhin ein Hauch von Tuning durch das Spiel...

Sinnlose Tricks

Wer will, kann seine Sprünge sogar mit Tricks würzen. Problem dabei: Das System wird lediglich durch einen Ladebildschirm bzw. durch eine Taste für den Stunt-Modifikator in der Steuerungsübersicht angedeutet, aber Erklärungen zur Funktionsweise oder gar eine Move-Liste mit den entsprechenden Tastenkombinationen sucht man genauso vergeblich wie separate Stunt-Arenen. Folglich gibt es auch keine Punkte oder Wertungen für die waghalsigen Manöver, was die ganze Trick-Komponente hier irgendwie sinnlos erscheinen lässt. So habe ich das Gefühl, als hätte man einfach die Programmzeilen aus früherem Code übernommen, aber sich nicht weiter darum gekümmert. Das alles war unter der THQ-Flagge noch anders und es wurde alles aufgefahren, was man hier vermisst – genau wie ein interaktiver Ladebildschirm und ein Tutorial. Gerade Letzteres hätte auch SuperCross gut getan, denn wer bisher noch keine Erfahrungen in der MX vs. ATV-Serie gesammelt hat, dürfte die Facetten der Steuerung und das Konzept des „Rhythm-Racing“ nicht so einfach erfassen und wird durch den Wurf ins kalte Wasser mit einer recht steilen Lernkurve konfrontiert.  

Mageres Angebot

Sämtliche Veranstaltungen finden in Indoor-Arenen statt.
Mit der Konzentration auf Supercross-Veranstaltungen fällt auch das Angebot an Spielmodi entsprechend flach aus: Neben Einzelrennen darf man lediglich noch in der Karriere mit ihren mehr als zehn Meisterschaften um Punkte kämpfen, wobei man die KI-Stufe, das Vehikel und die Rundenzahl im Vorfeld festlegen und auch eine Funktion zum manuellen Zwischenspeichern nutzen darf. Da sich die Strecken aber alle sehr ähneln und man trotz kurzer Siegerehrungen nur wenig abseits des Renngeschehens geboten bekommt, wird die simple Aneinanderreihung von Events schnell langweilig. Immerhin motiviert die Freischaltung von Equipment. Zudem muss man auf vielen Strecken in der Karriere mindestens auf dem Podest landen, damit sie auch für Einzelrennen zur Verfügung stehen. Dabei gehen MX und ATV nicht nur getrennt, sondern auch gemeinsam auf die Piste. Besonders in den Duellen zwischen den beiden verschiedenen Offroad-Typen wird deutlich, dass die Kollisionsabfrage unter einigen Schwächen leidet. Das gilt sowohl im Zweikampf als auch den Berührungen mit der Streckenbegrenzung, bei denen die Fahrzeuge teilweise sogar mit den Objekten verschmelzen. Insgesamt halten sich die Piloten dabei überraschend gut auf ihren Sätteln und selbst starke Kollisionen zwischen ihnen haben nur selten Folgen. Und so küsst man hier in erster Linie dann den staubigen Boden, wenn die Landung missglückt oder man in einer unglücklichen Haltung über die unebenen Oberflächen brettert.

Nicht nur für Solisten, sondern auch für Freunde von Mehrspieler-Partien hält sich die Auswahl in Grenzen. Immerhin ist es löblich, dass man beim Anlegen einer privaten Sitzung gleich einen Veranstaltungskalender mit mehreren Rennen zusammenstellen darf – eine Option, die ich auch gerne im Einzelspieler-Modus gesehen hätte. Doch darüber hinaus wird nichts für Online-Fahrer geboten, doch scheint zumindest der Netzcode gut zu funktionieren. Zwar habe ich nur selten Mitspieler gefunden, doch wenn es mal geklappt hat, wurde das Renngeschehen flüssig und ohne Lags präsentiert. Wer lieber lokal gegen andere Spieler antritt, wird sich dagegen darüber freuen, dass auch Duelle am geteilten Bildschirm angeboten werden.

Fazit

So richtig glücklich bin ich nicht darüber, was Nordic Games hier mit der Lizenz von MX vs. ATV veranstaltet. Zwar kommt auf den Pisten im Ansatz das Offroad-Feeling der Vorgänger auf, doch lag mir die Fahrphysik aus den vergangenen Teilen eher – nicht zuletzt aufgrund der gelungenen Mechanik, mit der man Stürze noch abfangen konnte. Doch vor allem inhaltlich ernüchtert das Comeback: Wo früher zahlreiche Indoor- und Outdoor-Veranstaltungen sowie ein breit gefächerter Lizenz-Fuhrpark auf die Fans warteten, macht sich hier bei der Beschränkung auf Supercross-Events und fiktive Vehikel schnell Langeweile breit. Zudem spielt das Trick-System mangels Arenen und Move-Listen de facto keine Rolle mehr. Auf ein Tutorial oder selbst ein Intro-Video wird ebenfalls verzichtet. So vermittelt das Spiel recht früh den Eindruck einer schnell zusammengeschusterten Billig-Produktion, die vornehmlich vom bekannten Namen lebt, aber darüber hinaus nicht mehr als eine solide Basis bieten kann. MX vs. ATV: Supercross ist damit ein Offroad-Titel für Puristen, die schon in der Vergangenheit Erfahrungen mit der Reihe gesammelt haben. Allerdings ist man mit den älteren Titeln immer noch deutlich besser bedient als mit dieser aktuellen Light-Variante.  

Pro

bewährtes Offroad-Feeling
Tricksystem...
Wahl zwischen MX-Bikes und Quads...
Oberflächen-Verformung in Echtzeit
lizenziertes Equipment und Original-Fahrer
rockiger Soundtrack
überwiegend flüssige Darstellung
leichte Tuning-Ansätze
mitunter anspruchsvolle Pisten
zahlreiche visuelle Upgrades für Fahrer und Vehikel
technisch saubere Online-Rennen
Duelle am geteilten Bildschirm möglich

Kontra

kein Tutorial / sehr steile Lernkurve
...ohne Move-Listen und Erklärungen
...aber keine Trucks und Buggys mehr
keine Stunt-Arenen / Trickwettbewerbe
oft fragwürdige Kollisionsabfrage
nervige Gummiband-KI
keine lizenzierten Vehikel enthalten
keine Einstellungen (Setup) möglich
langweilige Karriere
nur Indoor-Arenen als Schauplätze

Wertung

360

MX Vs. ATV: Supercross ist das ernüchternde Comeback einer Offroad-Reihe, die hinsichtlich Umfang und Abwechslung ihrer Vergangenheit leider nur hinterher fahren kann.

PlayStation3

MX Vs. ATV: Supercross ist das ernüchternde Comeback einer Offroad-Reihe, die hinsichtlich Umfang und Abwechslung ihrer Vergangenheit leider nur hinterher fahren kann.

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